Protokoll der Sitzung vom 05.05.2006

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

In Kenntnis des bestehenden Spannungsfeldes haben wir uns um einen Ausgleich bemüht. Daher gibt es klare Regeln für die Datenverarbeitung und die Dauer der Speicherzeiten. Ein gutes Beispiel ich erwähnte es bereits - ist das KFZ-Kennzeichen-Scanning. Dies könnte sicherlich als Mittel angewandt werden, um Bewegungsprofile der Betroffenen zu erstellen. Bei der Umsetzung haben wir Wert darauf gelegt, dass unverzüglich ein Datenabgleich mit der Fahndungsdatenbank erfolgt und danach die Daten derer, die nicht in der Fahndungsdatenbank enthalten sind, wieder gelöscht werden. Die Kritik des Landesdatenschützers an der Änderung des Landesverwaltungsgesetzes ist nach meiner Auffassung daher deutlich überzogen, zumal im Anhörungsverfahren seine Anregungen an vielen Stellen aufgenommen wurden. Die große Koalition hat auch unter Datenschutzgesichtspunkten maßvoll gehandelt. Andere Bundesländer haben in ihren Polizeigesetzen weniger Wert auf die Grundsätze des Datenschutzes gelegt.

Dass innere Sicherheit und Datenschutz sich nicht ausschließen, machen die Bemerkungen zur Handhabung der Sperre von Auskünften aus dem Melderegister im Antragsverfahren deutlich. Hier besteht insofern Handlungsbedarf, als gefährdete Personen schon während eines Antragsverfahrens geschützt werden müssen. Diese Anregung müssen und werden wir aufnehmen, um eine schnelle Lösungen herbeizuführen.

Als gesundheitspolitische Sprecherin meiner Fraktion habe ich mit besonderem Interesse die Ausführungen zum Schutz des Patientengeheimnisses bei der elektronischen Gesundheitskarte und des Mammografie-Screenings gelesen. Es ist beruhigend zu wissen, dass sowohl der Datenschutzbeauftragte des Bundes als auch die Datenschutzbeauftragten der Länder eine Weisung des Bundesgesundheitsministeriums an die extra geschaffene Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (Gematik) unterstützen, deren Ziel es ist, die Rechte der Betroffenen bei der Fortentwicklung der technischen Standards und Spezifikationen zu sichern.

Acht Regionen sind bundesweit am Modellversuch zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte beteiligt. Für Schleswig-Holstein hat die Fachhochschule Flensburg vorbildliche Arbeit geleistet und führt in enger Kooperation mit dem Datenschutzbeauftragten im Raum Flensburg Testversuche durch. Ich hoffe sehr, dass Schleswig-Holstein die Nase vorn behält und der gute Start nicht an der Kostenfrage scheitert. Dies wäre ein Rückschlag für die Gesundheitsinitiative Schleswig-Holstein.

Auch beim schleswig-holsteinischen Krebsregister hat sich die intensive Mitarbeit des Landesbeauftragten für Datenschutz positiv ausgewirkt. Durch flächendeckenden Mammografie-Screenings wurde eine Verfahrensänderung erforderlich, um Erfolgskontrollen vornehmen zu können. Eine landesweit zentrale Stelle - für Schleswig-Holstein sind der Medizinische Dienst, die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenversicherungen im Gespräch - übernimmt eine große Verantwortung. Es bedarf eines Landesgesetzes als Rechtsgrundlage für derartige medizinische Untersuchungen. Wir haben dieses Gesetz in der letzten Sozialausschusssitzung beraten und der Vorlage zugestimmt.

Als selbstständige Kauffrau seit mehr als 20 Jahren und Mitglied in verschiedenen Wirtschaftsverbänden hat mich das Datenschutzgutachten zum Kredit-Scoring aufhorchen lassen. Die Praxis der Kreditwirtschaft ist meiner Auffassung nach weit entfernt von den Zielen der Politik, den Einstieg in die Selbstständigkeit zu erleichtern und kleine Unternehmen zu stärken.

Bei der Aussagekraft für die Bewertung der Kreditwürdigkeit sind laut Scoring Adresse, Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Familienstand und Zahl der Kreditanfragen offensichtlich wichtiger als Beschäftigung von Mitarbeitern, Kontinuität, Charakter und Zuverlässigkeit der Kreditnehmer, da diese Eigenschaften im Zuge der Fusionen von Kreditinstituten, im Zuge der Überregionalität und Anonymität untergegangen sind.

Hier kann ich mich der Forderung des Landesdatenschutzbeauftragten nach verbesserter Beratungsund Aufklärungsarbeit vor allem durch die Verbraucherzentralen

(Anne Lütkes [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Genau!)

und einer verstärkten Kontrolle durch die Datenschutzaufsichtsbehörden nur anschließen.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für Datenschutz 2006

(Ursula Sassen)

ist trotz kritischer Anmerkung mehr als ein Bericht. Er ist ein Nachschlagwerk für alle Fälle.

(Lebhafter Beifall bei CDU und SPD)

Für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Thomas Rother das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Pressemitteilung des Unabhängigen Landeszentrums für den Datenschutz zum Tätigkeitsbericht 2006 ist mit folgender Frage überschrieben: „Verlieren Datenschutz und Informationsfreiheit in Schleswig-Holstein ihren Stellenwert?“. Begründet wird diese Fragestellung mit den Gesetzentwürfen zum Polizeirecht, also dem Landesverwaltungsgesetz, und zum Informationsfreiheitsgesetz. Der Leiter des ULD, Herr Dr. Weichert, beantwortet diese Frage, wenn ich das richtig herausgelesen habe, sogleich mit einem vorsichtigen Ja.

Nun sind genau diese Gesetzentwürfe schon Gegenstand von Debatten in diesem Landtag gewesen, das Informationsfreiheitsgesetz gerade erst am Mittwoch und das Polizeirecht in der letzten Tagung. Hierbei hat der Aspekt des Datenschutzes jeweils eine ganz wichtige Rolle gespielt, sodass ich meine Ausführungen zu den einzelnen Gesetzesänderungen nicht zu wiederholen brauche. Nur so viel sei an dieser Stelle gesagt: Ich teile die Einschätzung von Thilo Weichert im Ergebnis nicht.

Im Folgenden, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich vielmehr ein paar grundsätzliche Dinge zum Datenschutz in diesem Land sagen; denn das tut angesichts der Auseinandersetzung Not. Ich möchte die neue Stellungnahme des ULD zum Polizeirecht kommentieren und ein paar weitere Punkte aus dem Tätigkeitsbericht aufgreifen.

Das ULD hat in seiner Bezeichnung den Vorsatz „unabhängig“ nicht aus optischen Gründen. Die Unabhängigkeit des Datenschutzes in SchleswigHolstein ist ein hohes Gut. Diese Unabhängigkeit wird erhalten bleiben, und sie ist uns viel wert. Daher ist es auch nicht ungewöhnlich, sondern liegt vielmehr in der Natur der Sache, dass manche Stellungnahme des ULD Vorhaben der Regierung und damit die sie tragenden Fraktionen kritisiert. Dass wir uns jetzt vielleicht mehr als früher aneinander reiben, liegt sicherlich auch an der großen Koalition - das ist ganz klar; da hat es natürlich schon politi

sche Veränderungen gegeben - und an manchen Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Am Bewusst- seinswandel!)

die jetzt umgesetzt werden, für die wir von SPD und CDU gemeinsam Verantwortung tragen und das auch gemeinsam so wollen, Herr Kubicki.

Der Schluss des ULD auf der Seite 7 des Tätigkeitsberichtes - Ursula Sassen hat es angesprochen -, dass „angesichts satter Mehrheiten zumindest rechnerisch keine Rücksichten mehr genommen werden auf solche speziellen gesellschaftlichen Anliegen“ - damit ist der Datenschutz und sind die unabhängigen Datenschutzkontrollinstanzen gemeint -, ist jedoch von vorn bis hinten unzutreffend.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Sassen [CDU] - Dr. Heiner Garg [FDP]: Na!)

Die Belange des Datenschutzes sind und bleiben wichtig für uns.

Ähnliches gilt für die Behauptung auf der Seite 11. Ich zitiere: „Die Tätigkeit des ULD steht nicht nur auf einem datenschutzrechtlichen Prüfstand“. Zum einen ist es aus meiner Sicht übertrieben, bei Kontroversen gleich zur Infragestellung von Instanzen zu gelangen. Zum anderen ist die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Aufgabenwahrnehmung des ULD - genau das ist ja mit dieser Formulierung gemeint - angesichts der Haushaltssituation des Landes auch nichts Ehrenrühriges. Davon kann und wird auch kein Bereich ausgenommen werden. Ganz im Gegenteil müht sich das ULD auch durch die Bestimmung weiterer Gebührentatbestände, mehr Einnahmen zu erzielen. Wenn wir auf eine Erhebung verzichten, zeigt das, was uns und dass uns der Datenschutz etwas wert ist. Der Anschein der Verknüpfung von möglicherweise unliebsamem Datenschutz und Finanzen ist wirklich absurd und das sollte auch in der Ausschussdebatte noch einmal klargestellt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Vorgänge im Zusammenhang mit der Diskussion über die Änderungen im Polizeirecht der vergangenen Wochen machen deutlich, dass im Umgang von Landeregierung, Parlament und ULD nicht immer nur die sachliche Debatte im Vordergrund stand. Hierbei waren aus meiner Sicht die gegenseitige Unterstellung finsterer Absichten und Relativierungen persönlicher Wertschätzungen in Presseerklärungen ebenso wenig konstruktiv wie Stellungnahmen in der Sache, die aufgrund lockerer Bemerkungen und sarkastischer Einlagen zwar als Vorlage für manche

(Ursula Sassen)

Kabarettveranstaltung dienen könnten, jedoch als Grundlage einer parlamentarischen Analyse und Beratung schlicht ungeeignet sind.

Allerdings muss ich zugeben, dass der Inhalt mancher Vorschläge aus dem Ministerium und nicht zuletzt der eine oder andere handwerkliche Mangel möglicherweise geeignet war, pointierte Stellungnahmen zu provozieren. Dennoch sollte sich das Landeszentrum den § 39 des Landesdatenschutzgesetzes, in welchem seine Aufgabenstellung beschrieben ist, gelegentlich vor Augen führen und überlegen, inwieweit die dort beschriebene Beratungsfunktion einen solchen Umgang und Ton noch rechtfertigt. Vielleicht hätten eine zeitigere Information und bessere Kommunikation der Beteiligten untereinander dazu beitragen können, manche Schärfe zu vermeiden.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Vorgang sollte zum Anlass genommen werden, manches Verhalten zu überprüfen und im Interesse der Sache zu einer anderen Diskussionskultur zurückzufinden. Denn Datenschutz und Informationsfreiheit dürfen in Schleswig-Holstein ihren Stellenwert eben nicht verlieren, schon gar nicht aus diesen Gründen. Das ULD stellt auf der Seite 8 des Tätigkeitsberichts sehr richtig fest: „Datenschutz ist nicht nur Bestandteil unserer Rechtsordnung, sondern auch unserer Kultur, die das Leben angenehm und lebenswert macht.“ Diesen Satz kann ich nur unterstreichen.

Mit Schreiben vom 13. April 2006 hat das ULD zum Gesetzentwurf für ein neues Polizeirecht nochmals Stellung bezogen. Zum KFZ-KennzeichenScanning wurde ein weiteres Argumentationspapier nachgereicht. Demnach sollte der Gesetzgeber von folgenden Regelungsvorschlägen Abstand nehmen - ich zitiere -: „Bildaufzeichnungen im öffentlichen Raum, KFZ-Kennzeichenüberwachung, Telekommunikationsüberwachung, Erweiterung der Generalklausel zur Datenerhebung, Erweiterungen der Schleierfahndung und Identitätsfeststellung, Entwertung“ - so das ULD - „des Grundsatzes der Zweckbindung bei polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystemen und Einschränkung der Beteiligung des ULD unter dem“ - das ist Zitat - „Deckmantel der Verfahrensvereinfachung“. Lediglich die Aufhebung der Zweckbindung von Steuerdaten soll nicht ganz zurückgenommen werden, sondern in einer abgeänderten Form zum Gesetz werden. Also bleibt nach der Stellungnahme des ULD von dem Gesetzentwurf des Innenministeriums so gut wie gar nichts mehr übrig.

Den ursprünglichen Anlass des Gesetzes scheint das ULD nicht zur Kenntnis genommen zu haben, dass nämlich der Tatsache Rechnung zu tragen ist, dass seit der letzten grundlegenden Änderung des Polizeirechts im Jahr 1992 der technische Fortschritt auch bei kriminellen Handlungen vorangeschritten ist und sich die Mobilität von Menschen und Geldströmen bei immer offeneren Grenzen erhöht hat. Das Gesetz hat damit eine hohe Bedeutung für die alltägliche Polizeiarbeit, die eben zeitgemäß zu gestalten ist. Geringfügige Eingriffe in die persönlichen Datenschutzrechte sind daher hinzunehmen, wenn dadurch mit Augenmaß die Bedrohung durch Straftaten gemindert werden kann. Das schafft ganz lange noch keinen Überwachungsstaat, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ich nenne hier einige Anmerkungen aus dem Tätigkeitsbericht, da sie aus meiner Sicht von besonderer Bedeutung sind:

Datenschutzrechtliche Beanstandungen gegenüber der Polizei wurden vom Landeskriminalamt nicht oder nur nach übermäßiger Verzögerung beantwortet. Das schafft nicht gerade Vertrauen in diese wichtige Instanz, aber es ist gut zu lesen, dass das Verfahren verbessert werden soll. Ich hoffe, dass dies so sein wird.

Bei der Anordnung von Funkzellenabfragen - man erinnere sich an den Fall im Kreis Segeberg; wir haben im Innen- und Rechtsausschuss ausführlich darüber diskutiert - sind mit der Staatsanwaltschaft klare Kriterien für den Umgang mit den erlangten Daten zu formulieren. Unbescholtene Bürgerinnen und Bürger sollten nicht über das notwendige Maß hinaus belästigt werden.

Die Bundesagentur für Arbeit und die Arbeitsgemeinschaften sind verpflichtet, bei der Gewährung von Leistungen nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches II den Sozialdatenschutz zu beachten. Gerade weil die Neuregelungen für das Arbeitslosengeld II so umstritten waren und sind - erst gestern haben wir ja hier im Landtag über die Anrechnung von Beiträgen für Pflegekinder in Pflegefamilien debattiert -, ist hier verantwortliches Handeln gefordert. Missbrauchsaufdeckung ist notwendig, Torturen sind es jedoch wahrhaftig nicht.

Alles in allem ist der Tätigkeitsbericht des ULD eine interessante Lektüre, die uns bei den beiden besonders herausgestellten Gesetzesvorhaben über die allgemeine Beratung hinaus weiter begleiten wird. Der Bericht sollte daher an alle Ausschüsse - federführend an den Innen- und Rechtsausschuss - zur abschließenden Beratung überwiesen werden.

(Beifall bei SPD und CDU)

(Thomas Rother)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Rother. - Für die FDP-Fraktion erhält der Vorsitzende und Oppositionsführer, Herr Wolfgang Kubicki, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst möchte ich mich im Namen meiner Fraktion für den Bericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz, Herrn Dr. Weichert, aber auch bei seiner Mannschaft herzlich bedanken. Dies gilt nicht nur für den Bericht, sondern auch - und vielleicht noch mehr - für die vom Unabhängigen Landeszentrum für den Datenschutz im letzten Jahr geleistete Arbeit.

Wir beraten diesen Bericht des Landesdatenschutzbeauftragten in einer Zeit, in der der Datenschutz immer mehr an Bedeutung gewinnen sollte. Wir beraten ihn aber auch in einer Zeit, in der in Teilen des politischen Spektrums, der Medien, aber auch zunehmend in der Gesellschaft der Sinn für die Bedeutung des Datenschutzes verloren zu gehen scheint beziehungsweise geschärft werden muss.

Herr Kollege Rother, ich bewundere Ihre intellektuelle Wandlungsfähigkeit und stelle auch nach Ihrem heutigen Beitrag fest, dass Fragen des Datenschutzes bei der SPD-Fraktion offensichtlich keine Heimat mehr haben.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für mich und meine Fraktion ist der Datenschutz gelebter Verfassungsschutz.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Reine Pole- mik!)

- Ich neige mich da der CDU-Fraktion zu, die in diesem Bereich ja nichts anderes macht, als mit polemischen Argumenten zu versuchen, bestimmte Regelungen ins Werk zu setzen.

Erinnern wir uns an die großen Demonstrationen und Aktionen in der Bevölkerung zur geplanten Volkszählung Anfang der 80er-Jahre. Ich denke nicht, dass sich heute ein ähnliches Engagement für solche Aktionen einstellen würde. Dies kann aber natürlich auch ein Zeichen dafür sein, dass sich die Bevölkerung heute durch die Arbeit der Datenschützer in Bund und Ländern sicherer fühlt, was den Umgang mit ihren Daten angeht.