Protokoll der Sitzung vom 28.06.2006

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich der Vorsitzenden, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wäre schon interessant, auf den Beitrag des Kollegen Kubicki näher einzugehen. Herr Kollege Kubicki, ich muss sagen, ein bisschen mehr Demut wäre schon angebracht.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Demut gegenüber wem?)

- Insgesamt dem Thema gegenüber, lieber Herr Kollege. - Es ist ja so, dass es in den letzten zehn Jahren immer wieder Sparbestrebungen gegeben hat, dass es immer wieder Kürzungen gegeben hat. Dass wir in diesem Landtag insgesamt aber nicht weitergekommen sind, liegt daran, dass wir immer wieder jene festgefahrenen Rituale gehabt haben: Die Regierungsparteien schlagen etwas vor und die Opposition ist dagegen. - Es hat niemals den Versuch gegeben, ein Konzept zu entwickeln, das über eine Legislaturperiode hinaus zum Tragen kommen kann.

(Beifall beim SSW)

Darum sage ich: Die Situation, die wir heute haben, ist natürlich nicht erst jetzt entstanden. Das ist richtig. Richtig ist auch, dass die Schuldenlage des Landes sozusagen nicht vom Himmel gefallen ist, sondern durch politische Entscheidungen zustande gekommen ist. Im Finanzausschuss hatten wir jüngst das Vergnügen, uns über Zinsderivate zu informieren. Es wurde deutlich, dass die Belastung des Landes - ich nenne das Stichwort Steuerreform auf Bundesebene - maßgeblich nach 2001 zustande gekommen ist. Die Belastung des Landes ist also das Ergebnis von politischen Entscheidungen. Das muss man, wie ich denke, immer klar sagen.

Man muss auch klar sagen, dass die Situation im letzten Jahr nicht anders war als in diesem Jahr. Von den Kommunen ist ja zu Recht angeprangert worden, dass in der Koalitionsvereinbarung nichts über einen möglichen Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich steht. Es wäre redlich gewesen, etwas im Hinblick auf einen solchen Eingriff zu sagen. Man hätte dann eventuell auch schon im letzten Jahr Gespräche mit den Kommunen führen kön

nen. Diese Gespräche haben meines Wissens nicht stattgefunden.

Wenn jetzt gesagt wird, es müssten zweimal 120 Millionen € eingespart werden, handelt es sich dabei um eine politisch festgesetzte Summe, die nichts mit der Finanzlage der Kommunen zu tun hat. Diese Summe lässt sich nicht nachvollziehen. Diese Summe lässt sich nicht aus der aktuellen Finanzlage der Kommunen herleiten.

Darum sage ich noch einmal: Wir haben es mit einer Situation zu tun, die wieder einmal typisch ist. Im letzten Jahr hatten wir einen Haushalt, in dem alle noch einmal glimpflich davongekommen sind. Jetzt bekommen wir einen Haushalt, bei dem sozusagen ordentlich hineingehauen wird. Ich gehe jede Wette ein, dass der nächste Doppelhaushalt schon sehr viel sanfter sein wird, denn dann ist die nächste Landtagswahl in Sicht. Wir registrieren also zyklische Bestrebungen. Wenn wir weiterkommen wollen, müssen wir von diesen zyklischen Bestrebungen wegkommen. Aus Sicht des SSW ist ein Konzept, eine Planung erforderlich, welche auf zehn oder 15 Jahre ausgerichtet ist. Es bringt nichts, einfach nur massiv bei den freiwilligen Leistungen zu kürzen. Das hilft uns nicht weiter.

Natürlich können wir den Haushalt unseres Landes auch nicht allein sanieren. Wir hängen so oder so jetzt schon am Tropf der Bundespolitik. Wir müssen auf Bundesebene andere Rahmenbedingungen haben. Unser Haushalt ist versteinert. Das wird in jeder Haushaltsrede gesagt.

Nun zu den Kompensationsvorschlägen der beiden Parteitage! Es ist natürlich richtig, dass es zunächst einmal nur Parteitage sind, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben. Dass der Katalog des kleinen Parteitages der CDU für den SSW wirklich einen Katalog der Grausamkeiten darstellt, brauche ich hier nicht zu vertiefen. Wenn man Standards in den Kindergärten freigeben und die Lernmittelfreiheit einschränken will, wenn man die Mitbestimmung lockern und die Gleichstellungsbeauftragten abschaffen will, bleibt mir nur zu sagen: Das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Abgesehen davon ist zu sagen, dass diese Maßnahmen natürlich auch nicht zur vollen Kompensation der insgesamt 300 Millionen € führen werden. Das ist klar. Das ist eine Milchmädchenrechnung, die nicht aufgehen wird. Die Frage ist doch, wie die Menschen vor Ort darauf reagieren werden, wie die Kommunalpolitiker - auch die Kommunalpolitiker der CDU - damit umgehen wollen. Ich kann mir

(Wolfgang Kubicki)

vorstellen, wie die Diskussionen vor Ort sein werden.

Die SPD hat einen anderen Weg gewählt. Sie hat gleich gesagt, dass es keine volle Kompensation geben wird. Das ist schon einmal redlich. Aber auch das, was von der SPD vorgeschlagen wird, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind letztlich nur Luftbuchungen. Wer behauptet, dass man mit der Verwaltungsstrukturreform Geld einsparen werde, muss dies erst noch beweisen. Bis jetzt ist dies nur eine Glaubensfrage. Herr Kollege Hay, wir werden uns in dieser Frage wieder sprechen. Ich bin durchaus lernfähig. Bis jetzt haben wir es aber nur mit einer Glaubensfrage zu tun. Ich habe diesen Glauben im Moment nicht.

(Beifall beim SSW)

Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Redezeit.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Es wird gesagt, dass man eventuell auch noch auf die Bundesebene einwirken werde. Das mag möglich sein. Wir wissen aber aus Erfahrung, dass wir dort häufig den Kürzeren ziehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Conclusio ist also: Wir sollten redlicher argumentieren, gemeinsam argumentieren und ein Konzept erarbeiten, das über eine Wahlperiode hinaus Bestand hat. Das wäre auf jeden Fall nicht nur etwas Neues, sondern auch etwas Sinnvolles.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Beitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn eine Anmerkung zu der Rede des Kollegen Kubicki. Wenn hier eine Debatte im Parlament geführt werden sollte, so ist es, wie ich denke, diese Debatte. Wir können die Debatte über die entscheidenden Fragen der Zukunft dieses Landes doch nicht der Koalitionsrunde überlassen. Solche Debatten gehören hierher ins Parlament!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Wir wollen sparen. Dazu haben wir immer gestanden. Ich erinnere mich daran, dass hier vor der Tür viele Demonstrationen stattgefunden haben, bei denen, nachdem wir Sparmaßnahmen ergriffen haben, gegen die es Proteste gegeben hat, die Opposition, damals von CDU und FDP gestellt, das Blaue vom Himmel versprochen hat, was sie alles tun würde und womit sie die Menschen beglücken würde, wenn sie an die Regierung käme. Es geht nicht um die Frage, ob wir sparen wollen, sondern um die Frage, wie wir sparen wollen.

Angemessene Beteiligung der Kommunen - was ist angemessen? Die Überweisungen an die Kommunen aus dem Landeshaushalt betragen 18 %. Das Sparpaket der Landesregierung bedeutet, dass von 300 Millionen €, die eingespart werden, bei den Kommunen 120 Millionen € weggenommen werden sollen. Das sind nicht 18 %, das sind 40 %. Soll das angemessen sein?

Sie sagen, dass Sie sparen. Wo sparen Sie denn? Sie nehmen den Kommunen das Geld weg und Sie nehmen den Beschäftigten das Geld weg. Aber im Land wurde bisher überhaupt noch nichts gespart.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Stattdessen haben Sie einen Schleswig-HolsteinFonds mit über 100 Millionen € aufgelegt - das ist kein Sparen - und der Personaletat, der in den letzten neun Jahren jedes Jahr heruntergefahren worden ist, ist, seit es diese große Koalition gibt, nicht mehr gesunken, sondern steigt seitdem.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie sparen wollen, müssen Sie beim Land, bei sich selber anfangen, bei der Landesregierung und bei den Landesbehörden, und dürfen nicht anderen etwas wegnehmen, aber da, wo es Sie selber betrifft, noch etwas obendrauf legen. So geht das nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man auf kommunaler Ebene spart, wenn man Kompensation macht, stellt sich die Frage, wo man anfängt. Da gibt es meiner Meinung nach nur zwei große Komplexe, über die wir hier reden müssen. Das eine sind die gesamten Ausgaben für Kinder und Jugendliche, Schülerbeförderung, Kita-Standards und so weiter.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Der andere Bereich sind die Verwaltungsaufgaben in den Kommunen, die die höchsten Verwaltungs

(Anke Spoorendonk)

ausgaben von Kommunen im Bundesdurchschnitt darstellen. Wenn man dann feststellt, dass bei der Frage der Verwaltungsausgaben, anstatt dort eine konsequente Verwaltungsreform durchzuführen, die CDU alles blockiert und stattdessen eine zusätzliche neue Verwaltungsebene schaffen will, kann ich nur sagen: Da, wo es Sie selber, Ihre Kommunalpolitiker, die auf Ihren Parteitagen sitzen, betrifft, trauen Sie sich nicht heran. Stattdessen trauen Sie sich an die Kinder und Jugendlichen heran. Das finde ich verkehrt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, Sie glauben vielleicht, in der Begeisterung über die Fußball-Weltmeisterschaft merkt keiner, was hier los ist, und Koalitionsrunden sollte man schnell durchziehen. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Begeisterung im Land gilt Klinsmann, aber nicht der großen Koalition!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Lachen bei CDU und SPD)

Im August ist die Fußball-Weltmeisterschaft vorbei

(Zuruf: Im Juli!)

und die Menschen werden sich fragen, wie es weitergeht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Beitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu der Entnahme von 35 Millionen € in der letzten Legislaturperiode aus der kommunalen Finanzausgleichsmasse sagten Vertreter der CDU, damit werde die Axt an die kommunale Selbstverwaltung gelegt. Wenn das bei 35 Millionen € zutrifft, dann muss man bei 120 Millionen € von Motorsägen sprechen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Kettensägen!)

Da kommt mir die Argumentation der CDU zum jetzigen Zeitpunkt schon ein bisschen komisch vor, wenn ich sie mit der Argumentation von vor drei oder vier Jahren vergleiche.

Hier wird immer vom Sparen gesprochen. Das Land will pro Jahr 300 Millionen € sparen.

(Lothar Hay [SPD]: Kürzen!)