Ich nehme einmal als Beispiel das Lieblingshandwerk für viele junge Männer, das KFZ-Gewerbe. In früheren Zeiten nannte man die KFZ-Gesellen Schrauber, heute heißen sie Mechatroniker. Die Auszubildenden müssen in der Berufsschule längst Physik, Elektronik, Programmierung von Schaltungen und englische Handbücher pauken. Wer in dieser Situation große Teile der Berufsschule für überflüssig erklärt, der macht nur eines deutlich, nämlich welchen Geistes diese Partei ist, die neuerdings in Schleswig-Holstein regiert.
Meine Damen und Herren, das größte Problem in der Berufsausbildung ist die Situation der Kinder aus Migrantenhaushalten. Wir haben mittlerweile die Situation, dass beinahe die Hälfte dieser Kinder insbesondere türkischer oder russischer Herkunft nicht mehr ausgebildet wird. Die Zahl der Auszubildenden mit Migrationshintergrund in SchleswigHolstein ist in den letzten fünf Jahren um 30 % zurückgegangen.
Nicht einmal mehr jeder Zweite wird ausgebildet. Aufgrund dieses Problems haben wir mit der Türkischen Gemeinde gezielt Programme durchgeführt, um die Familien anzusprechen, die Berufsausbildung türkischer Jugendlicher zu verbessern und türkische Betriebe anzusprechen, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen.
Ich kann an Sie nur appellieren - das geben Sie bitte an Minister Austermann weiter -, dass nicht wie in den letzten Jahren erneut versucht wird, diese Programme zu kürzen oder gar zu streichen.
Meine Damen und Herren, das Bundesinstitut für berufliche Bildung hat neue Weichen gestellt. Diese neuen Weichen besagen, dass der Mangel im dualen System dort, wo es Sinn macht, durch vollzeitschulische Ausbildungsgänge ergänzt wird. Ich weiß, dass das von der CDU lange bekämpft worden ist. Ich stelle aber fest, dass mittlerweile mehrere Bundesländer diesen Weg beschritten haben, insbesondere Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Baden-Württemberg. Über Schleswig-Holstein steht im Bericht des Bundesinstituts für berufliche Bildung zu der Situation in den Bundesländern folgender Satz: „In Schleswig-Holstein gab es bisher lediglich Diskussionen über die Zuständigkeiten.“
Ich glaube, Herr Austermann und Frau Erdsiek-Rave sollten aufhören, sich über die Zuständigkeiten zu streiten. Wir erwarten, dass die Regierung die Ausbildungsmisere zu ihrem Schwerpunktthema macht. Wir erwarten, dass sie gemeinsam mit der Arbeitsagentur ein Aktionsprogramm auflegt, das sicherstellt, dass keine Jugendliche, kein Jugendlicher, die/der jetzt die Schule verlässt, im kommenden Jahr zu Hause auf dem Sofa herumhängt und nicht weiß, was sie oder er machen soll.
Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Johannes Callsen das Wort. - Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Wadephul?
Darf ich in aller Kürze darauf aufmerksam machen, dass der Punkt, den wir jetzt diskutieren, für 11:30 Uhr gesetzt war? Dies mag möglicherweise erklären, warum der zuständige Minister jetzt noch nicht anwesend ist.
Vielen Dank für die Erklärung. Zu Beginn der Tagesordnung hatte ich allerdings darauf hingewiesen, dass die Tagesordnungspunkte in der ausgedruckten Reihenfolge aufgerufen werden. Sie haben aber Recht, dass der Punkt um 11:30 Uhr gesetzt war. Herr Abgeordneter Callsen, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Ausbildung ist für Jugendliche Fundament und Sprungbrett zugleich“ - mit diesen Worten hat Kreishandwerksmeister Langner in Schleswig bei der zentralen Einschreibungsfeier der Kreishandwerkerschaft die Bedeutung von Ausbildung und Qualifizierung für die Jugendlichen hervorgehoben. Diese Kernaussage kann auch ich an dieser Stelle nur unterstreichen und ich danke dem Wirtschaftsminister für den hohen politischen Stellenwert - trotz der Unkenrufe der Grünen -, der der betrieblichen Ausbildung in Schleswig-Holstein beigemessen wird. Dies wurde nicht zuletzt im vergangenen Jahr im Bericht der Landesregierung zur betrieblichen Ausbildung ausgesprochen deutlich.
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen Sie sich mal die Web- page des Ministers an!)
- Ja, Herr Hentschel! - Mitte Mai, Herr Hentschel, wurde das Bündnis für Ausbildung in SchleswigHolstein erneut beschlossen, übrigens unter Beteiligung von Arbeitgebern und Gewerkschaften. Ich kann deutlich sagen, dass das kein einfaches „Weiter so“, sondern die Fortsetzung einer zehnjährigen Erfolgsstory in Schleswig-Holstein ist.
Alle Beteiligten - Land, Wirtschaft, Kammern, Arbeitsverwaltung und Gewerkschaften - ziehen hier an einem Strang. Dem Bündnis für Ausbildung und den Unternehmen ist es zu verdanken, dass Schles
wig-Holstein in den letzten Jahren immer wieder Spitzenpositionen im Vergleich aller Bundesländer bei der Versorgung Jugendlicher mit Ausbildungsplätzen einnehmen konnte.
Deswegen ist mir völlig unerklärlich, warum wir dem Bundesinstitut folgen sollten, was die Vollzeitbeschulung in den Berufsschulen angeht, die Sie eben ansprachen.
Insbesondere in den Bereichen Industrie, Handel und Dienstleistungen hat es ein Plus bei den Lehrverträgen gegeben und auch im Handwerk erreicht die Zahl der eingetragenen Ausbildungsverhältnisse ein konstant hohes Niveau. Einen Rückgang gab es leider bei den freien Berufen, weil offenbar nicht genügend ausreichend qualifizierte Bewerber zu finden waren. Insgesamt aber ist diese Bilanz angesichts der ausgesprochen schwierigen Situation, in der sich unsere mittelständischen Betriebe befinden, eine hervorragende Leistung vor allem jedes einzelnen Ausbildungsbetriebes.
Ein großer Dank gilt daher zugleich auch den Wirtschaftsverbänden und den Kammern, die gemeinsam mit der Agentur für Arbeit und der Landesregierung große Überzeugungsarbeit geleistet haben, um das Bündnis für Ausbildung in Schleswig-Holstein und auch den nationalen „Pakt für Ausbildung“ mit Leben zu erfüllen. So wurden im vergangenen Jahr allein im Bereich der IHKs mehr als eintausend neue Ausbildungsbetriebe eingeworben. Die pauschale Kritik im Antrag der Grünen am Bündnis für Ausbildung kann daher so auf keinen Fall stehen bleiben.
Meine Damen und Herren, auch die Nachvermittlungsaktionen für die Jugendlichen, die zunächst kein Ausbildungs- oder Qualifizierungsangebot bekommen hatten, waren in den letzten Jahren erfolgreich. Durch die persönlichen Gespräche bei der Nachvermittlung konnte allen erschienenen Jugendlichen ein Ausbildungsplatz oder einer Perspektive für eine berufliche Qualifizierung aufgezeigt werden. Ich setze darauf
- Ich sprach von beruflichen Qualifizierungen und Perspektiven. Was die Situation in diesem Jahr angeht - und da kommen wir zu Ihrem Antrag -, stellt uns die gestiegene Zahl der Schulabgänger sicherlich vor eine besondere Herausforderung. So lag die Zahl der gemeldeten Bewerber bei den Arbeitsagenturen im Mai dieses Jahres um 10 % über dem Vorjahr. Gleichzeitig stieg die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen in Schleswig-Holstein um 2,5 % gegenüber dem Vorjahr. Nur zum Vergleich: In Westdeutschland insgesamt ging sie um 4,5 % zurück. Auch das ist ein Zeichen für die hohe Ausbildungsintensität hier im Lande. Im Übrigen schalten nicht alle Unternehmen bei der Azubisuche die Arbeitsagentur ein. Noch sind längst nicht alle Ausbildungsverträge bei den Kammern eingetragen. Es gibt also bis zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres noch viel Bewegung. Deswegen ist zur Panikmache überhaupt noch keine Veranlassung.
Übrigens hat auch die Bundesagentur für Arbeit mit einer Pressemitteilung im Juni diesen Jahres dazu beigetragen, die Verwirrung in der Lehrstellendiskussion aufzuklären. Zurückgeführt wird die Verwirrung insbesondere darauf, dass die BA das alte Vermittlungssystem COMPAS durch das neue Verfahren VerBIS abgelöst hat. In VerBIS werden bundesweit 25.000 Jugendliche, die bereits Zusagen für Alternativen haben, diese aber noch nicht begonnen haben, als unversorgte Bewerber geführt. Das führt natürlich zu einer Erhöhung der statistischen Lehrstellenlücke.
Die Landesregierung hat mit dem Aktionsprogramm Ausbildung eine Grundlage gelegt, um die Förderung der bewährten Ausbildungsplatz-Akquisiteure fortzusetzen und Ausbildungszuschüsse für die betriebliche Ausbildung benachteiligter Jugendlicher zu gewähren. Auch die berufsbildenden Schulen werden - so ist es vereinbart - zusätzliche Plätze bereitstellen.
Zu den Bemühungen im Rahmen des Bündnisses für Ausbildung gehört außerdem die intensive Werbung für Teilzeitausbildung sowie für neue und zweijährige Berufsausbildungen. Gerade in diesem Bereich sind in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe neuer Berufe - insgesamt neun - geschaffen worden, mit denen dann auch zusätzliches
Potenzial in der Ausbildung erschlossen wird. Den Ausbildungsplatz-Akquisiteuren ist es im vergangenen Jahr gelungen, rund 2.000 Ausbildungsplätze sowie über 1.200 Plätze für Einstiegsqualifizierungen einzuwerben. Auch dies zeigt, dass die Landesförderung hier gut angelegtes Geld für die Jugendlichen ist.
Welche Bedeutung diese Einstiegsqualifizierungen haben, wird insbesondere daran deutlich, dass die Übernahmequote in Ausbildung im Bereich der IHKs bei über 50 %, im Handwerk sogar bei 75 % liegt. Bei dieser Gelegenheit gilt es aber auch, den zahlreichen örtlichen Initiativen für mehr Ausbildungsplätze sowie den Zeitungsverlagen im Lande für die publizistische Begleitung dieses wichtigen Themas Dank zu sagen. So bietet der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag im Rahmen seiner Aktion „Starthilfe 2006“ Jugendlichen die Möglichkeit, kostenlose Lehrstellenanzeigen zu veröffentlichen.
Verantwortung für die Ausbildung Jugendlicher tragen aber ebenso Schule und Elternhäuser. Die mangelnde Ausbildungsreife ist ein wesentlicher Grund für die schlechte Situation auf dem Lehrstellenmarkt. Das hat der DIHK erst kürzlich in einer Umfrage wieder festgestellt. Mit 66 % am häufigsten klagen die Unternehmen darüber, dass die Lehrstellenbewerber sich weder schriftlich noch mündlich ausdrücken können. Der DIHK sieht hier eindeutige Parallelen zum Abschneiden deutscher Schüler im PISA-Test. Unzureichende Leistungsbereitschaft und zu geringe Motivation sind für immerhin 52 % der Betriebe ein Zeichen für mangelnde Ausbildungsreife. An diesem Punkt können auch die Eltern ganz entscheidend mitwirken, um ihren Kindern gute Voraussetzungen für eine Ausbildung zu geben. Die IHK Schleswig-Holstein geht jedenfalls davon aus, dass durch mangelnde Ausbildungsreife jedes Jahr hier im Land mehr als 500 Ausbildungsplätze verloren gehen.
Die CDU-Fraktion unterstützt, dass die Landesregierung den Klagen der Betriebe über mangelnde Ausbildungsfähigkeit mit einem Landeskonzept zur Intensivierung der Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft begegnet, in das die Bündnispartner intensiv einbezogen werden. Neben der mangelnden Ausbildungsreife führt ein Drittel der in der DIHKUmfrage befragten Unternehmen die Unsicherheit in Bezug auf die eigene wirtschaftliche Perspektive als kritischen Punkt ins Feld. Dieses zweitgrößte Ausbildungshemmnis ist aber laut DIHK im Vergleich zum Vorjahr auch wegen der besseren Konjunktur gesunken. Dies lässt auch mich optimistisch sein, dass die bessere wirtschaftliche Situation in
Schleswig-Holstein noch Spuren auf dem Ausbildungsmarkt hinterlassen wird - positive Spuren, wohlgemerkt.
Daher zum Abschluss mein Appell an unsere Unternehmen: Bitte unterstützen Sie unsere gemeinsamen Anstrengungen und nutzen Sie die besser gewordene Konjunkturlage, um zusätzliche Ausbildungsplätze einzurichten, die wir für die höhere Zahl der Schulabgänger in diesem Jahr dringend benötigen!
Lassen Sie uns gemeinsam den Jugendlichen eine berufliche Perspektive geben! Die Schaffung von Ausbildungsund Qualifizierungsmöglichkeiten bleibt unsere gemeinsame Kernaufgabe in Schleswig-Holstein.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei steigenden Schulabgängerzahlen ist es nach wie vor eine Herausforderung, unserem Ziel nahe zu kommen, allen ausbildungsfähigen und ausbildungswilligen Jugendlichen Angebote für Ausbildung und Qualifizierung zu machen. Anders als der Kollege Hentschel bin ich der Meinung, dass das Bündnis für Ausbildung in Schleswig-Holstein ein Erfolgsmodell ist. Wenn wir das Bündnis für Ausbildung nicht hätten, wäre die Lage in Schleswig-Holstein sicherlich deutlich schlechter. Das zeigt ein Vergleich der Zahlen in den Bundesländern.