Protokoll der Sitzung vom 29.06.2006

Das Gegenargument war, dass die Inhalte, die in diesem Fach zu vermitteln sind, am Gymnasium in anderen Fächern vermittelt werden müssten. So hat die Landesregierung im Jahre 2001 in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage erklärt, sie beabsichtige die Einführung dieses Faches in der Sekundarstufe I der Gymnasien nicht, weil „die für diese Altersgruppe wichtigen Themenbereiche aus der ökonomischen und politischen Bildung... im Rahmen der Fächer Geschichte, Erdkunde und Deutsch erfolgreich eingebracht“ würden. Auch erfordere die Einführung eines neuen Faches, wenn es additiv sei, einen zusätzlichen Bedarf von etwa 150 ausgebildeten Lehrkräften.

Die damalige Argumentation der Landesregierung war absolut nachvollziehbar. Nun sind allerdings fünf Jahre ins Land gegangen, mehrere PISA-Studien und die Shell-Studien zur Jugend haben wir diskutieren können. Es besteht Einigkeit darüber, dass sich die Auswertung des Unterrichts stärker an länderübergreifenden Standards ausrichten und dass das Schulsystem sowohl länderübergreifend als auch, was die Schularten angeht, stärker durchlässig sein müsse.

Daher muss die Diskussion über ein Fach Wirtschaft und Politik auch an Gymnasien heute anders geführt werden, als es vor fünf Jahren geschah. Ins

besondere sind hier die Fragen der Berufswahl zu berücksichtigen, um zu gewährleisten, dass die Schüler nach Erwerb der Mittleren Reife am Gymnasium vor Eintritt in die Sekundarstufe II schon frühzeitig auch den Eintritt in einen Ausbildungsberuf überlegen und vornehmen können. Dieser Weg ist im Entwurf zum neuen Schulgesetz andiskutiert und vorgesehen.

Wir haben zahlreiche Gespräche geführt und diese ebenso wie das Bildungsministerium ausgewertet. Zwischen uns und dem Ministerium besteht nach internen Beratungen wohl Einigkeit, dass wir nach Wegen suchen sollten, wie eine solche Angleichung der Fächerstruktur in der Sekundarstufe I erreicht werden kann, ohne dass wir dadurch einen zusätzlichen Bedarf an neuen Planstellen schaffen.

Die SPD-Fraktion steht dem Antrag positiv gegenüber.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich beantrage deshalb die Überweisung an den Bildungsausschuss, wo dieser Antrag eigentlich hingehört hätte, ohne dass wir uns hier damit auseinander gesetzt hätten.

(Beifall bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Buder und wundere mich als Nichtbildungsausschussmitglied, wie lange man im Landtag über einen Antrag reden kann, der in den Bildungsausschuss gehört. - Das war eine unsachliche Bemerkung, meine Damen und Herren.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Aber sie war nicht schlecht!)

Für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Klug das Wort.

Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema ist nicht ganz neu. Ich bin sehr damit einverstanden, dass wir den Antrag im Bildungsausschuss eingehender beraten und uns überlegen, wie man Inhalte im Bereich von Wirtschaft und Politik auch stärker in der gymnasialen Sekundarstufe I verankern kann.

Zum Begründungszusammenhang. Ich meine, es ist nicht ausreichend, sich nur auf das kommunale Wahlrecht mit 16 zu beziehen. Genauso wichtig ist es meiner Meinung nach, auch die ökonomische

(Detlef Buder)

Grundbildung bei den Gymnasiasten möglichst früh stärker zu verankern.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich verweise darauf, dass es dazu interessante Ansätze und Möglichkeiten gibt. In einem in mehrfacher Hinsicht einmaligen Schulversuch hat man am Städtischen Gymnasium in Bad Segeberg ab 2001 durch Einführung eines Wahlpflichtfaches WiPo schon in Klasse neun und zehn eben diese frühere Verankerung sehr erfolgreich erprobt. Denn von 93 Schülern der neunten Klassen haben sich zum Beispiel im Jahre 2001 58 für das Wahlpflichtfach WiPo entschieden.

Ich finde, dass es die Auswertung und die Erfahrung aus diesem Schulversuch wert sind, im Bildungsausschuss noch einmal erörtert zu werden. Das wäre jedenfalls ein Weg, wie man den Vorschlag der Grünen unproblematisch umsetzen könnte. Ansonsten besteht natürlich das Problem, dass man sich, wenn man ein generelles Pflichtfach einführt, im Rahmen des Stundenkontingents darüber unterhalten muss, was an zusätzlichen Stunden noch möglich ist beziehungsweise was auf der anderen Seite an Fächern oder an Stunden wegfallen müsste.

Man kann natürlich gerade in einer Schulart, in der es aufgrund der G-8-Entwicklung, also der Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur, zu einer Verdichtung kommt, nicht beliebig zusätzliche Fächer beziehungsweise zusätzliche Stunden obendrauf packen. Das ist das grundsätzliche Problem. Der beste Weg wird deshalb sein zu überlegen, wie man in den unteren Jahrgangsstufen Inhalte aus dem Fachgebiet WiPo noch stärker in Fächer wie Erdkunde und Geschichte integrieren kann, um zumindest das Anliegen, das durchaus vernünftig ist, hinreichend zu berücksichtigen. - Alles Weitere folgt dann in der Beratung im Bildungsausschuss.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug. - Das Wort für den SSW im Landtag hat die Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegin Birk hat schon gesagt, wie es um das Fach WiPo in den Schulen bestellt ist. Ich will das nicht wiederholen, sondern nur noch einmal sagen,

dass das der Hintergrund dieses Antrages ist. Begründung für den Antrag - auch das ist schon angesprochen worden - ist auch das Wahlrecht mit 16, dem dann auch in der Schule Rechnung getragen werden muss. Die Grünen greifen damit eine Forderung auf, die das Jugendparlament in der Vergangenheit schon mehrfach formuliert hat, zuletzt in der 19. Veranstaltung von Jugend im Landtag im November 2005. Wir unterstützen die Forderung nach einem qualitativ ausgerichteten WiPo-Unterricht schon ab der Klasse 7 beziehungsweise ab der Klasse 8; denn es ist wichtig, jungen Menschen so früh wie möglich einen Einblick in die gesellschaftspolitischen Zusammenhänge zu geben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus unserer Sicht ist dies auch unabhängig vom Wahlrecht mit 16 zu sehen, obwohl es natürlich richtig ist, dass sich für das Land mit diesem Wahlrecht eine besondere Verantwortung den Jugendlichen gegenüber ergibt.

Die politische Bildung und das Wissen über gesellschaftliche Zusammenhänge können gar nicht hoch genug bewertet werden. Der Trend in unserer Mediengesellschaft geht leider in die entgegengesetzte Richtung. Deshalb ist es umso wichtiger, bereits in der Schule gegenzusteuern. In diesem Zusammenhang kann die frühere Einführung eines WiPo-Unterrichts wirklich sehr sinnvoll sein.

Natürlich wissen wir alle, dass die Umsetzung dieser Forderung auch etwas mit Finanzen und mit der Prioritätensetzung bei den vorhandenen Ressourcen an den Schulen zu tun hat. Aber ich denke, mit gutem Willen und mit politischer Unterstützung des Bildungsministeriums müsste es möglich sein, einen Stufenplan für die flächendeckende Einführung des WiPo-Unterrichts zu erarbeiten. Wir hoffen, dass das über den Bildungsausschuss herbeigeführt werden kann.

Wie die Kollegin Eisenberg möchte auch ich sagen, dass im Grunde genommen alles in allen Fächern unterrichtet werden kann. Das heißt, die Vorbereitung auf die Kommunalwahl findet natürlich nicht ausschließlich in dem Fach WiPo statt. Fächer sind eigentlich wirklichkeitsfremd; denn wir denken nicht in Schubladen. Sie sind eigentlich nur eine Krücke, um den Unterricht an Schulen zu gestalten. Daher muss man festhalten: Natürlich findet das am Gymnasium beziehungsweise in der Schule überhaupt statt.

Noch einige Worte zum Thema „Wahlrecht mit 16“. Natürlich ist es wichtig, dass Jugendliche so früh wie möglich lernen, was unsere Gesellschaft zusammenhält und welche Institutionen das Gerüst

(Dr. Ekkehard Klug)

unserer Gesellschaft ausmachen. Genauso wichtig aber ist, dass sie die Möglichkeit erhalten, an politischen Entscheidungsprozessen beteiligt zu werden. Für den SSW war dies ein wichtiges Argument für die Einführung des kommunalen Wahlrechts mit 16. Gerade in einer stets älter werdenden Gesellschaft ist es aus unserer Sicht notwendig, die Partizipationsrechte der nächsten, das heißt der jungen Generation festzuschreiben. Daher sagen wir, auch an den Schulen muss Demokratie letztlich gelebt und nicht nur theoretisch erfasst werden.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Darum sollte man die Diskussion um den WiPoUnterricht nicht nur im Zusammenhang mit dem Wahlrecht ab 16 betrachten.

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Das Wort für die Landesregierung hat Frau Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will zunächst eine Vorbemerkung machen. Es ist nicht so, dass wirtschaftliche und politische Themen in der Sekundarstufe I des Gymnasiums bisher ausgeblendet worden sind. Das ist wirklich nicht so; da hat die Kollegin Eisenberg Recht. Gleichwohl spricht vieles dafür, über WiPo als Fach in der Sekundarstufe I an Gymnasien nachzudenken. Das tun wir seit längerem. Das können wir - im Gegensatz zu der Diskussion vor ein paar Jahren - jetzt tun, weil wir inzwischen genug ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer dafür haben und weil das Fach inzwischen an der CAU als Studienfach für das Lehramt etabliert ist.

Wir denken schon seit längerem über zwei Wege nach. Ich würde das gern im Ausschuss weiter erörtern. Der erste Weg besteht darin, diese Möglichkeit im Rahmen der Einführung der Kontingentstundentafel zu eröffnen und WiPo dann als Leitfach unter Zuordnung der beiden Fächer Erdkunde und Geschichte einzuführen. Das bedarf noch der weiteren Prüfung. Jedenfalls gebe ich all denjenigen Recht, die hier gesagt haben, dass zwei zusätzliche Wochenstunden nicht machbar sind, übrigens auch nicht vor dem Hintergrund der Einführung von G 8, wodurch gerade die Klassen, in denen dies eine Rolle spielt, extrem belastet sind. Das bitte ich Sie bei allen Überlegungen zu berücksichtigen. Es geht wirklich nur in einer neuen Kombination, in

einem neuen Verbund der Fächer. Das führt dann immer auch zu einer inhaltlichen Neubewertung aller Bestandteile dieses gesellschaftlichen Aufgabenfeldes. Dahin geht unsere Hauptüberlegung.

Der zweite Weg ist - da beziehe ich mich auf den Beitrag von Herrn Klug -, WiPo als Wahlpflichtfach, als Alternative für diejenigen einzuführen, die beispielsweise keine dritte Fremdsprache wählen. Das sind die beiden Möglichkeiten, über die wir derzeit nachdenken. Ich bin gern bereit, dies im Bildungsausschuss begleitend mit Ihnen zu erörtern.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke der Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer die Drucksache 16/852 an den Bildungsausschuss überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist so passiert.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, lassen Sie mich geschäftsleitende und die Motivation fördernde Bemerkungen machen. Die Fraktionen haben sich darauf geeinigt, dass wir heute mit dem Tagesordnungspunkt 27 - Marco Polo Schluss machen. Morgen geht es dann weiter mit Tagesordnungspunkt 45. Dann folgen die Tagesordnungspunkte 19 und 18. Dafür ist der Tagesordnungspunkt 46 - Zukunft der integrierten Versorgung - auf die September-Tagung vertagt worden und der Tagesordnungspunkt 51 - Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur“ - wird ohne Aussprache überwiesen werden. Ich denke, das ist ein gutes Angebot, für das ich mich bedanke.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

- Natürlich sind es immer die Parlamentarischen Geschäftsführer aller Fraktionen, Herr Astrup!

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

Ansiedlung eines barrierefreien Paralympic-, Tourismus-, Sport- und Freizeitzentrums in Kappeln

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/853

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Für die antragstellende Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

(Anke Spoorendonk)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um nicht nur dem Kollegen Astrup, sondern allen, die danach fragen, die Recherche zu ersparen: In der Tat, mein Fraktionsvorsitzender war zu Besuch in der Stadt Kappeln. Ich finde es etwas merkwürdig, dass es, wenn man sich die Sorgen und Nöte vor Ort anhört, dann, wenn daraus parlamentarische Initiativen gemacht werden, Menschen gibt, die sich darüber lustig machen.