Protokoll der Sitzung vom 29.06.2006

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Anlass für unsere Initiative sind die Probleme der schleswig-holsteinischen Region Norderstedt-Hasloh-Quickborn. Sie trägt die Hauptlast des Fluglärms, der vom Hamburg Airport in HamburgFuhlsbüttel ausgeht.

So ist in der Bahnbenutzungsverordnung aus dem Jahr 1961 für die Start- und Landebahnen des Hamburg Airport festgelegt, dass Nachtstarts und -landungen von 22 bis 7 Uhr morgens grundsätzlich nur über die Start- und Landebahn Norderstedt zu erfolgen haben. Nur wetterbedingt darf auch über Hamburg-Alsterdorf geflogen werden.

Hamburgs Bürgermeister Engelhard erklärte seinerzeit öffentlich, Hamburg werde den Ausbau der Startbahn II mit Nachdruck betreiben. Sie werde es ermöglichen, Maschinen über das „nahezu menschenleere Ohemoor“ abfliegen zu lassen und nicht über verhältnismäßig dicht besiedeltes Wohngebiet Lokstedt-Niendorf-Schnelsen. Nur, inzwischen hat sich in dieser Region ganz erheblich etwas in Sachen Bebauung getan. Während nachts fast 100 % der Starts und Landungen über Schleswig-Holstein abgewickelt werden, waren es 2005 tagsüber nur 46 % bis zu 50 %. In der Gegenrichtung über Hamburg-Alsterdorf waren es stolze 1,7 %. Begründet wird diese einseitige Belastung mit der Zahl der so genannten Hörereignisse. Das ist keine “Kleine Nachtmusik“, sondern möglicherweise der Nachtlärm, der durch Nachtflüge entsteht. Bezeichnenderweise gilt dies aber nur im Verhältnis zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein, aber nicht zwischen den drei Start- und Landebahnen auf Hamburger Gebiet.

Was den Fluglärm angeht, können wir also feststellen, dass die Bürgerinnen und Bürger Schleswig

Holsteins in der Zusammenarbeit mit Hamburg die tragende Rolle spielen, aber nicht freiwillig, sondern weil sie ihnen mithilfe schleswig-holsteinischer Landesregierungen aufgebrummt wurde. Nun brummt es ständig sehr laut über Norderstedt, Hasloh und Quickborn und die Menschen dort leiden.

Meine Damen und Herren, was könnte getan werden? - Soweit Wetter und flugtechnische Sachzwänge es zulassen, könnten durch die Bahnbenutzungsverordnung die Starts und Landungen gleichmäßiger auf die vorhandenen zwei beziehungsweise vier Landebahnen verteilt werden. Das bedeutete, dass es über Schleswig-Holstein leiser, aber über Hamburg lauter würde. Damit wären die Hamburger vielleicht nicht einverstanden, aber das allein ist noch kein Grund, den Fluglärm einseitig den Menschen in Schleswig-Holstein zuzuschanzen. Dieses Problem ist sicherlich geeignet, in die vielen Gespräche und Verhandlungen zwischen den Landesregierungen Hamburgs und Schleswig-Holsteins eingebracht zu werden. Es hat eine ähnliche Relevanz wie zum Beispiel Ausgleichsmaßnahmen für Hamburger Bauvorhaben oder bei Angelegenheiten der Ver- und Entsorgung. Es ist alles eine Sache von Verhandlungen, nur muss es die Landesregierung auch wirklich wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Prädestiniert dafür, diese berechtigten Interessen schleswig-holsteinischer Bürgerinnen und Bürger angemessen durchzusetzen, ist Verkehrsminister Austermann. Denn erstens ist er schließlich in Form einer Goodwill-Maßnahme von Amts wegen ein Aufsichtsrat des Hamburg Airport. Als solcher könnte und sollte er aber endlich beginnen, die Anliegen derer stärker zu vertreten, denen er von Amts wegen zu dienen hat.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Da gibt es einen Interessenkonflikt!)

- Es gibt natürlich einen gewissen Interessenkonflikt, denn als Aufsichtsratsmitglied hat er dem Wohl und Wehe des jeweiligen Unternehmens zu dienen. Als Wirtschaftsminister hat er den Bürgerinnen und Bürgern Schleswig-Holsteins zu dienen. Diesen Konflikt muss er lösen. Da er Wirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein ist, denke ich, dass er sich zu unseren Gunsten entscheidet. Ich würde mich freuen, wenn der Minister diese Interessen der Schleswig-Holsteiner zügig anpackte, zum Beispiel auch die Norderstedter Gespräche wieder aufleben ließe oder beim so genannten Lüfterprogramm

(Glocke der Präsidentin)

(Günther Hildebrand)

entsprechende Maßnahmen ergriffe.

(Beifall bei der FDP)

Bevor ich dem Nächsten das Wort erteile, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Vertreter der Stadt Kappeln. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort für die CDU-Fraktion erhält der Herr Abgeordnete Manfred Ritzek.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Rechtzeitig zu den Sitzungen der Fluglärmschutzkommission kommen die Protestschreiben. Die letzte Flugschutzlärmkommission, die 185., fand am Freitag letzter Woche statt. Es gab ein Protestschreiben - auch in der Zeitung zu lesen - von der NIG, der Norderstedter Intereressengemeinschaft. Die FDP - ich nehme an, Sie, Herr Hildebrand nahm den Brief vom Amtsvorsteher von Bönningstedt, den er an die Gemeinde Hasloh geschrieben hat, mit der Bitte, im Deutschen Bundestag vorstellig zu werden. Sie haben ihn faktisch wörtlich übernommen und haben „Gemeinde Hasloh“ durch „Schleswig-Holsteinischer Landtag“ ersetzt. Ich denke, so ist es gelaufen.

(Günther Hildebrand [FDP]: Und Pinneber- ger Kreistag!)

Der Airport Hamburg hat die Verpflichtung - das ist nie bezweifelt worden -, die Lärmbelastung unter Berücksichtigung der verschiedensten Voraussetzungen erträglich zu gestalten. Die Flugbewegungen und der daraus resultierende Lärm wie auch der Bodenlärm müssen für Menschen der Region tragbar und beherrschbar bleiben, gesetzliche Rahmenbedingungen zum Schutz vor Lärm - über die wir durchaus diskutieren können - müssen aber so bestimmt werden, dass sie auch für die Airports tragbare Bedingungen schaffen. Das wird eine der Anforderung an die Novellierung des Fluglärmgesetzes von 1971 sein.

In Jagel hätten wir fiktiv pro Tag etwa zehn Flugbewegungen. In Hamburg haben wir etwa 440.

(Günther Hildebrand [FDP]: So ist es!)

Sie sprechen immer von Norderstedt. Nicht ganz, bei weitem nicht ganz Norderstedt ist von dem Fluglärm betroffen. Wenn Sie sich einmal die Baufreudigkeit in Altgarstedt betrachten, wundern Sie sich, warum gerade unter der Einflug- oder Abflugschneise von Norderstedt Häuser gebaut werden.

Die Lärmbelastung wird nur teilweise und dann auch zeitlich pro Tag sehr unterschiedlich als Problem im Umfeld eines Flughafens empfunden. Einen Flughafen zu wollen, ein sich entwickelndes Flugverkehrsaufkommen zu akzeptieren, die Siedlungsstruktur als gegeben anzusehen und dann Flugrouten zu suchen, die nicht stören, dieser Konflikt ist nicht lösbar.

Wir müssen die Lösung der Fluglärmverteilung dort belassen, wo diese am besten umgesetzt werden kann, mit höchstem Sachverstand über die Einflussfaktoren auf die Flugbewegungen und auf die Sicherheit, nämlich in der Fluglärmschutzkommission, zu der alle betroffenen Kommunen eingeladen sind. Bei weitem nicht alle Kommunen nehmen daran teil. Das ist verwunderlich. Bei weitem nicht alle Kommunen bringen die Fakten ein, die notwendig wären, um an solchen Sitzungen der Lärmschutzkommission zu konkreten Ergebnissen zu kommen.

Die Lärmschutzkommission hat bereits große Erfolge vorzuweisen. So wurde vor circa 20 Jahren ein Lärmschutzprogramm zur Fensterisolierung begonnen, an dem sich Eigentümer mit etwa 1.600 Wohneinheiten beteiligten. Die Zahl der Teilnehmer zum Einbau schalldämmender Fenster hätte höher sein können, so die Verantwortlichen des Flughafens. Dafür gibt es Gründe.

Ganz aktuell hat die Lärmschutzkommission auf ihrer Sitzung am letzten Freitag entschieden, als Nachförderung für die 1.600 Wohneinheiten kurzfristig eine Fensterüberprüfung vorzunehmen, um eventuell in der Zwischenzeit entstandene Materialschutzschäden zu erkennen und zu beheben.

Auch die Fertigstellung der Triebwerkshalle im Jahre 2004 war ein Projekt der Lärmschutzkommission. Seit der Fertigstellung dieser Halle sind keine genehmigungspflichtigen Triebwerksversuche mehr außerhalb dieser Halle vorgenommen worden.

Ferner hat sich die Zahl der startenden und landenden lauten Flugzeuge drastisch reduziert - wegen der zusätzlichen Lärmabgabe, die diese Flieger hätten zahlen müssen.

Die Flugroutenauswahl erfordert eine sichere, geordnete und flüssige Verkehrsabwicklung und das Hinwirken auf Lärmschutz beziehungsweise Lärmvermeidung. Die Sicherheit hat dabei oberste Priorität.

Entscheidend ist auch, zu welchen Zeiten die Flieger landen und starten. Von 23 Uhr bis 6 Uhr besteht normalerweise Start- und Landeverbot. Aber Nachtflugverbot bedeutet nicht, dass auch wirklich

(Günther Hildebrand)

kein Flieger landet oder startet. Sicherheitsbestimmungen oder Flüge, die im öffentlichen Interesse liegen, erlauben solche Flüge.

Die Zahl der Starts und Landungen zu der Nachtzeit zwischen 23 Uhr und 24 Uhr - ich kann auf die Zahlen jetzt leider nicht näher eingehen - ist deutlich reduziert worden. Die Zahl der Flugbewegungen zwischen 0 Uhr und 6 Uhr ist gewaltig reduziert worden, sodass wir heute etwa einen Start beziehungsweise eine Landung pro Nacht haben vornehmlich aus Gründen der Störung im Luftverkehr.

Abhängigkeiten von luftverkehrsrechtlichen Genehmigungen, Bahnbenutzungsregelungen, Berücksichtigung der Bevölkerungsdichte mit stark bebauten und weniger stark bebauten Gebieten innerhalb von Gemeindegrenzen, Wetterbedingungen, Rücksichtnahme auf Kleinflieger, Rückenwind- und Seitenwindkomponenten, kritische Toleranzwerte für Lärmbelästigung, das alles wird in den Sitzungen der Lärmschutzkommission mit den Kommunen gemeinsam behandelt.

Ich bin davon überzeugt, dass wir die Lösung des Problems in dieser Lärmschutzkommission lassen. Wir sollten dennoch das Thema weiter in den Ausschüssen behandeln. Ich empfehle, das federführend im Wirtschaftsausschuss und mitberatend im Umweltausschuss zu machen.

(Beifall bei CDU und SSW)

Das Wort für die SPD-Fraktion erhält der Herr Abgeordnete Bernd Schröder.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir eben zu dem Thema Jagel unter der Überschrift „Viel Lärm um noch nichts Konkretes“ diskutiert haben, geht es hier bei diesem Tagesordnungspunkt um konkrete Lärmbelästigungen in den vergangenen Jahren für die betroffenen Menschen in der Region. Dieses Thema ist nicht neu. Auch der FDP-Antrag, der einen Resolutionsantrag darstellt, kommt mir bekannt vor. Eine kurze Recherche und, Kollege Hildebrand, siehe da: Eine Resolution, die von der Gemeindevertretung Hasloh auf Antrag der dortigen SPD-Fraktion am 7. März beschlossen wurde, wird vom Kollegen Hildebrand redaktionell überarbeitet. Von acht Punkten lässt er vier weg. Die übrigen vier Punkte werden geringfügig geändert und fertig ist der FDPAntrag.

Aber die Geschichte geht noch weiter. Im Februar dieses Jahres bringt die SPD-Kreistagfraktion - darin sind Sie auch Meister - den von den Hasloher Parteifreunden formulierten Resolutionsentwurf leicht abgewandelt in den Pinneberger Kreistag ein. Umgehend wird von der dortigen FDP ein Änderungsantrag gestellt. Die CDU-Fraktion verweist mit ihrer Mehrheit beide Anträge an den zuständigen Fachausschuss. Dieser befasst sich in zwei Sitzungen mit der Angelegenheit, setzt eine interfraktionelle Arbeitsgruppe für Formulierungsfragen ein. Im Ergebnis beschließt der Pinneberger Kreistag am 17. Mai einstimmig eine Resolution, zu der alle Fraktionen öffentlich erklären, ihre Positionen wiedergefunden zu haben.

Diesem guten Beispiel sollten wir folgen, den FDPAntrag in den Wirtschaftsausschuss verweisen, dort über Formulierungsfragen solange streiten, bis wir uns auf einen völlig verwässerten gemeinsamen Entwurf geeinigt haben, und diesen dann hier wieder einbringen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, meine leicht sarkastischen Anmerkungen sollten nur aufzeigen, dass Resolutionen nicht immer zielführend sind und in diesem Fall für die Betroffenen in der Region allein wirklich keine Abhilfe schaffen. Wir diskutieren das Thema seit Jahren. Wie der Kollege Ritzek gesagt hat, hat es gewisse Erfolge gegeben. Das ist unstreitig. Aber es ist nach wie vor eine Situation, die sich erheblich verbessern muss.

Das Thema ist für die vom Fluglärm betroffenen Menschen sehr ernst zu nehmen. Im vergangenen Jahr sind rund 71.000 von insgesamt 152.000 Flugbewegungen über die nordwestliche Flugschneise, das heißt über Quickborn und Hasloh, abgewickelt worden. Mit 46,4 % ist das der bislang höchste Prozentsatz überhaupt in der Vergangenheit. Über die südöstliche Flugschneise - das haben Sie gesagt; das ist der Hamburger Stadtteil Alsterdorf - erfolgten lediglich 1,7 % aller Starts. Hinzu kommt, dass sich der Hamburger Flughafenbetreiber zunehmend um Billigfluggesellschaften bemüht, und zwar offenbar mit Erfolg. Die Anzahl der Flugbewegungen im Januar und Februar dieses Jahres ist im Vergleich zu den Vorjahresmonaten um 15 % gestiegen. Für den Flughafen Fuhlsbüttel werden im Jahre 2010 bereits 225.000 Starts und Landungen prognostiziert. Bei gleich bleibender Verteilung auf die Flugschneisen würde das für Quickborn und Hasloh einen Anstieg von rund 71.000 weiteren Flugbewegungen im Jahr 2005 auf dann 105.000 bedeuten. Ich glaube, diese Zahlen könnten auch für die Grünen durchaus interessant sein. Sie kennen sie alle. Das ist völlig klar. Das entspricht gegenüber der

(Manfred Ritzek)

jetzigen Situation einer Steigerung um weitere 48 %.

Es muss jetzt darum gehen - in dieser Hinsicht sind wir absolut einer Meinung -, in Verhandlungen mit dem Flughafenbetreiber und der Freien und Hansestadt Hamburg zu erreichen, dass auf lange Sicht die Flugbewegungen auf die vorhandenen vier Flugschneisen gerechter aufgeteilt werden und dass kurzfristig für die nordwestliche Flugschneise bei der Anzahl der Flugbewegungen eine Begrenzung erfolgt. Bei den Flugbewegungen darf sich der Verteilungsschlüssel nicht ausschließlich nach der Einwohnerdichte im Einwirkungsbereich der Flugschneisen richten, da Bürgern auf Dauer nicht ein Vielfaches an Fluglärm zugemutet werden darf, nur weil sie in Hasloh oder Quickborn, aber nicht in Hamburg wohnen.

Im Februar dieses Jahres hat das Bundeskabinett die von Umweltminister Gabriel eingebrachte Novelle zum Fluglärmgesetz beschlossen. Der Gesetzentwurf muss noch vom Bundestag verabschiedet werden. Eine Zustimmungspflicht des Bundesrates ist nicht gegeben. Die Novelle soll zu deutlich niedrigeren Grenzwerten für die Lärmschutzzonen führen. Bei bestehenden Flughäfen soll der Tagesgrenzwert von 75 auf 65 Dezibel gesenkt werden; bei Neubauten oder wesentlichen Erweiterungen soll der Anspruch auf baulichen Schallschutz für Wohnungen bereits bei 60 statt bisher 75 Dezibel einsetzen. Damit dürften künftig mehr Menschen einen Anspruch auf Schallschutz erlangen.

Es ist meines Erachtens zwingend erforderlich, dass wir uns zusammen mit dem Minister dafür einsetzen, dass die so genannten Norderstedter Gespräche wieder aufgenommen werden und dass alle Akteure am runden Tisch zusammenkommen, sodass dann hoffentlich Lösungsvorschläge im Sinne der Betroffenen erarbeitet werden können. Wir sollten den Antrag an den zuständigen Wirtschaftsausschuss überweisen, die Beratungen dort begleiten und dann erneut den konkreten Versuch machen, um zusammen mit den Hamburgern eine gerechte Lösung für die Menschen in der Region insgesamt zu erreichen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Bernd Schröder. - Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun der Herr Abgeordnete Detlef Matthiessen das Wort.