Protokoll der Sitzung vom 30.06.2006

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Über die Information der Kreistage will ich gar nicht reden. Sie können Ihre eigenen Abgeordneten und Leute vor Ort befragen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Henning Höpp- ner [SPD])

Ich weiß nicht, warum sie das nicht wussten.

Zum Ökolandbau! Hier ist behauptet worden, der Ökolandbau werde ausgebaut. Der Herr Abgeordnete Ehlers hat das gesagt. Das Gegenteil ist der Fall. Im letzten Jahr ist die Umstellungsbeihilfe eingestellt worden. Wir haben das im Ausschuss gehört. Die eingestellten Mittel reichen nicht aus. Wir werden jetzt eine drastische Kürzung der Mittel erfahren. Das soll im norddeutschen Raum abgesprochen werden. Das hilft den Leuten aber wenig.

Ich stelle gerade fest, dass in den Regalen der Supermärkte immer mehr biologische Produkte auftauchen. Das freut mich. Sie kommen aber leider nicht aus Schleswig-Holstein.

(Claus Ehlers [CDU]: Das hat doch seinen Grund!)

Dänemark, Österreich, Polen, andere umliegende Länder, aber auch einige süddeutsche Länder steigen verstärkt in diesen Markt durch Förderung von Marketing, von Investitionen, von Weiterverarbeitung ein. In Schleswig-Holstein wird das nicht gemacht. Deshalb wird ein lukrativer Sektor, der zurzeit bundesweit boomt,

(Claus Ehlers [CDU]: Gucken Sie sich die Richtlinien einmal an!)

von Schleswig-Holstein nicht bedient. Im Gegenteil, die Förderung der Bauern wird heruntergefahren. Die Ausweitung wird gestoppt. Damit werden die Chancen in Schleswig-Holstein nicht genutzt. Ich halte das für falsch.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt eine weitere Wortmeldung von der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk.

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es ganz kurz machen. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass der Europaausschuss vor nicht so langer Zeit in Brüssel war und sich dort auch mit der Weiterentwicklung der Strukturpolitik befasste. Wir haben von dem zuständigen Referatsleiter der Europäischen Union klar den Eindruck mit nach Hause genommen, dass die regionale Ebene jetzt gefragt ist. Das heißt, wir können in der weiteren Debatte nicht so tun, als hätten wir es ausschließlich mit EU-Vorgaben zu tun. Wir wissen, dass die Strukturpolitik der EU neu ausgerichtet wird. Gefragt ist jetzt die Kreativität der regionalen Ebene, auch unsere Kreativität, die Kreativität der Landesregierung. Wir müssen uns mit der gesamten Bandbreite der Strukturpolitik befassen, um zu sehen, wie wir mit diesen neuen Rahmenbedingungen eine neue Art der Strukturpolitik für den ländlichen Raum aufstellen können.

Noch eines - auch aus übergeordneter politischer Sicht: Die Aussage, dass künftig nur die Starken weiter gestärkt werden sollen, ist eine politische Aussage, die es in sich hat. Damit müssen wir uns auch beschäftigen. Lieber Kollege Ehlers, immer noch zu meinen, wenn es auf den Pastor regnet, tropft es auch auf den Küster, ist nicht zukunftsfähig.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Danke schön, Frau Spoorendonk. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/826, federführend dem Umwelt- und Agrarausschuss und mitberatend dem Europaausschuss zur abschließenden Beratung überweisen will, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Harzt IV - Fördern und Fordern müssen im Einklang stehen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/848

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/892

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache und erteile für die Antragsteller BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung darf menschenunwürdigen Hartz-Verschärfungen im Bundesrat nicht zustimmen. So möchte ich unseren Antrag auf den Punkt bringen.

Am Anfang meiner Rede, zur Begründung steht ein Zitat:

„Überlegungen, Langzeitarbeitslose mit Leistungskürzungen mit bis zu 100 % zu bestrafen, sind völlig abwegig, denn das Fördern und Fordern kann nicht bedeuten, Menschen mit dem Ausschluss von Sozialleistungen zu bedrohen. Es darf keine Regelungen geben, die alle Arbeitslosen unter Generalverdacht stellen.“

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So konterte der Abgeordnete Baasch, bekanntermaßen nicht Mitglied meiner Partei, auf den Feldzug, der in den letzten Wochen von der großen Koalition in Berlin gegen Arbeitslose geführt wurde, um Verschärfungen der Hartz-IV-Gesetzgebung im Bundestag durchzusetzen.

Am 21. Juni wurde bekannt, dass die angeblich so hohe Missbrauchsquote der Arbeitslosen in Wirklichkeit weit unter 3 % liegt. Dies ist nun wissenschaftlich bewiesen. Eine wesentliche Argumentationslinie der Bundesregierung für die neue Gesetzgebung hat sich damit in Luft aufgelöst. Aber wer einmal mit Volldampf auf einem falschen Gleis fährt, ist bekanntlich schwer zu stoppen. Bedauerlicherweise hat diese recht spät veröffentlichte Untersuchung in den Reihen der großen Koalition in Berlin kein Nachdenken bewirkt.

Der Ombudsrat, der in den vergangenen Tagen auch anlässlich des Berichts der Bürgerbeauftragten von verschiedenen Kolleginnen und Kollegen hier zitiert wurde, hat den Arbeitsagenturen und Kommunen für die Umsetzung der Arbeitsmarktrefom und insbesondere für den Umgang mit den Langzeitarbeitslosen ein Ungenügend erteilt. Ich wiederhole, was ich vor zwei Tagen gesagt habe: Wenn jemand „Strafmaßnahmen“ verdient hat, dann eher diejenigen, die für die mangelnde Umsetzung Verantwortung tragen, als die Arbeitslosen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Umso mehr fordern wir die Landesregierung auf, im Bundesrat folgenden Zumutungen für Arbeitslose ihre Zustimmung zu verweigern.

Erstens. Eine vollständige Streichung des Lebensunterhalts seitens der Arbeitsagentur darf es nicht geben.

Zweitens. Miet- und Heizkosten dürfen seitens der Kommunen nicht gestrichen werden. Es ist öffentliche Aufgabe, Obdachlosigkeit zu vermeiden, nicht, sie zu provozieren.

Drittens. Menschen, die zusammenleben, dürfen nicht automatisch als eheähnliche Wirtschaftsgemeinschaft behandelt werden, die erst beweisen müssen, dass sie tatsächlich nicht füreinander sorgen, um als Langzeitarbeitslose Hilfe zu erhalten.

(Jürgen Weber [SPD]: Das ist seit 50 Jahren so!)

- Das ist nicht seit 50 Jahren so. Es gibt höchstrichterliche Rechtsprechung, Herr Weber. Sie sind schlecht informiert. Sie können vielleicht in der Bildungspolitik mitreden, aber hier offensichtlich nicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Höchstrichterliche Rechtsprechung hat dem Bundesgesetzgeber mehrfach bestätigt, dass das nicht so ist, und hat Sozialämter und ARGEn gerügt, wenn sie sich so verhalten haben.

Insbesondere in Nordrhein-Westfalen gab es wegweisende Gerichtsurteile hierzu. Genau weil dies so ist, ändert jetzt der Bundesgesetzgeber das Gesetz und sagt: Wir kehren die Beweislast um. Es ist zwar schon immer so, dass überprüft werden durfte, ob der Sachverhalt richtig war, aber zunächst war davon auszugehen, dass die Angaben der Betreffenden stimmen. Jetzt müssen sie sogar bei jedem Untermietverhältnis - denn manche handeln schon im Vorgriff auf das neue Recht - beweisen müssen, dass es sich um ein Untermietverhältnis handelt, und dass sie mit der betreffenden Person nicht wirtschaftlich oder eheähnlich verbandelt sind. Das ist eine unwürdige Schnüffelei im Privatleben.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Es genügt, den Mietvertrag vorzulegen!)

Ich wundere mich, dass die FDP hier nicht schon längst aufgeschrien hat. Wo ist Ihre humanistische Tradition, Herr Kubicki?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Heiterkeit bei der CDU)

Wir weisen gemeinsam mit der Abgeordneten Tenor-Alschausky von der SPD auch auf die Folgen für die Kinder hin. Schon im letzten Landtagsplenum, als wir über Kinderarmut diskutierten - wir haben es in diesen Tagen erneut getan -, formulierte sie sehr zutreffend:

„Zunehmend mehr Kinder sind von staatlichen Transferleistungen abhängig, Kinder und Jugendliche dürfen nicht Verhältnissen ausgeliefert sein, die dazu führen, dass ihre Zukunft verspielt ist, bevor sie richtig begonnen hat.“

Dieser Aussage kann ja wohl niemand widersprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deshalb erwarten wir, dass die Landesregierung die neuen Gesetzesvorschläge der großen Koalition, soweit sie menschenunwürdig sind, im Bundesrat konsequent ablehnt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sehen: Es gibt einen Gegenantrag der großen Koalition hier im Haus. Ich kann dazu nur kommentieren: Die Koalitionsdisziplin ist offensichtlich so stark, dass die SPD hier mehr verrät als die Grundfesten ihres Programms.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von CDU und FDP: Oh, oh!)

Ich danke der Frau Abgeordneten Birk. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Torsten Geerdts das Wort.