Ich danke der Frau Abgeordneten Birk. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Torsten Geerdts das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende muss aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion eine angemessene Balance zwischen dem Fördern und dem Fordern hergestellt werden. Die Vermittlung in Arbeit muss weiterhin im Mittelpunkt dieser Arbeitsmarktreform stehen. Bei Leistungsmissbrauch und Arbeitsverweigerung wird es zu Leistungskürzungen kommen. Das war in der Vergangenheit auch schon so.
Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt das von der großen Koalition in Berlin ins parlamentarische Verfahren eingebrachte SGB-II-Fortentwick
Erwerbsfähigen Personen, die Arbeitslosengeld II beantragen, sollen Sofortangebote unterbreitet werden. Damit wird eine Kernforderung des Förderns arbeitsloser Menschen noch deutlicher ins Gesetz geschrieben. Den Arbeitslosen müssen auch Jobs angeboten werden. Ansonsten machen die Forderungen nach Leistungskürzungen doch überhaupt keinen Sinn. Gerade in dieser Frage gibt es nach den Erfahrungen der letzten Monate Nachholbedarf.
Wer innerhalb eines Jahres zwei solcher Arbeitsangbote oder Qualifizierungsmaßnahmen ausschlägt, muss mit einer Kürzung bis zu 60 % rechnen. Weigert sich ein ALG-II-Bezieher dreimal in einem Jahr ohne guten Grund, ein Jobangebot anzunehmen, können ihm die kompletten Leistungen gestrichen werden.
Bei Jugendlichen unter 25 Jahren sind im Fall einer wiederholten Pflichtverletzung auch die Kosten der Unterkunft von der Sanktion betroffen.
Leistungseinschränkungen, wenn auf ein Arbeitsoder ein Qualifizierungsangebot mit Leistungsverweigerung reagiert wird, sind für mich keine unsoziale Politik. Ganz im Gegenteil. Das ist die Antwort, die gerade die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen, die Monat für Monat ihre Sozialbeiträge und Steuern entrichten, von uns erwarten.
Positiv werden sich für die Leistungsbezieher die folgende Änderungen niederschlagen. Die Freibeträge für Vermögen werden zugunsten der Alterssicherung verschoben. Der Freibetrag für private Altersvorsorge soll von 200 € auf 250 € pro Lebensjahr angehoben werden. Der Höchstbetrag für sonstiges Vermögen soll im Gegenzug von 200 € auf 150 € pro Lebensjahr gesenkt werden. Von einer Anrechnung unberührt bleiben weiterhin Einzahlungen in Riester-Verträge zur Altersvorsorge.
Zukünftig wird bei eheähnlichen Gemeinschaften die Beweislast umgekehrt, und der Betroffene muss die Vermutung, dass es sich um eine Bedarfsgemeinschaft handelt, gegebenenfalls widerlegen und dies auch beweisen. Das kann man übrigens mit Mietverträgen, die man vorlegt, auch tun.
Weitergehende Leistungen, zum Beispiel für atypische Sonderbedarfe, sind ausgeschlossen. Im Unterschied zur früheren Sozialhilfe werden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft und der Heizung grundsätzlich in pauschalierter Form gewährt. Dem
Missbrauch von Leistungen soll durch Kontrollen im Außendienst begegnet werden. Der Datenabgleich zwischen den Behörden wird erleichtert.
Personen, die sich ohne Zustimmung ihres persönlichen Ansprechpartners außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhalten, können von der Leistung ausgeschlossen werden. Außerdem gibt es noch Änderungen im Verwaltungsablauf: Arbeitsgemeinschaften und zugelassenen kommunalen Trägern wird es ermöglicht, die Bundesagentur für Arbeit als Träger der Arbeitsförderung mit der Ausbildungsvermittlung zu beauftragen. Auch das ist richtig und auch darüber haben wir im vergangenen Jahr in diesem Haus debattiert.
Der Bewilligungszeitraum für Arbeitslosengeld II kann in den Fällen, in denen eine Veränderung der Verhältnisse nicht erwartet wird, auf bis zu zwölf Monate verlängert werden. Die Regelungen zur Übermittlung statistischer Daten an die Kreise, kreisfreien Städte, Gemeinden und Gemeindeverbände werden erweitert.
Die Kritik des Ombudsrates für die Arbeitsmarktreform Hartz IV sollten wir ernst nehmen. Er kritisiert einen Wirrwarr an Kompetenzen und verlangt eine Neuordnung der Verwaltungsstrukturen. Wörtlich heißt es in seinem Abschlussbericht: „Das gravierende Problem der an sich richtigen Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe liegt in der verfehlten Organisationsentscheidung.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Grundsatzentscheidung war eine richtige. Allerdings müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass ein organisatorisches Monstrum geschaffen worden ist. Die Kritik des „sozialen Kahlschlages“, der durch die Arbeitsmarktreform entstanden sei, ist falsch. Aber die Instrumente - da haben Kritiker Recht - funktionieren noch nicht ausreichend. Insgesamt sind die Kosten durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenund Sozialhilfe um 7 Milliarden € gestiegen.
Das SGB-II-Fortentwicklungsgesetz ist richtig. Dadurch werden die Ansprüche der Menschen nicht reduziert. Fördern und Fordern werden in Einklang gebracht und der Leistungsmissbrauch wird weiter aktiv bekämpft. Das ist auch richtig so.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Geerdts. - Für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Wolfgang Baasch das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II wurde die versteckte Arbeitslosigkeit beendet. Alle erwerbslosen Menschen werden jetzt aktiv gefördert. Das ist das Ergebnis einer der wichtigsten Sozialreformen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Diese Einschätzung unterstützt auch der Ombudsrat, der die Zusammenführung von Arbeitslosenund Sozialhilfe begleitet hat, und stellt in seinem Abschlussbericht fest, dass die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe in einem System der Grundsicherung für erwerbsfähige Hilfebedürftige richtig war.
Hartz IV heißt: Hunderttausende ehemalige Sozialhilfeempfänger, die arbeiten können, haben erstmals dieselben Ansprüche auf Leistungen und Hilfen der Arbeitsagenturen wie andere Arbeitslose auch. Ab dem 1. Juli 2006, also ab morgen, wird das Arbeitslosengeld II in Ostdeutschland so angehoben, dass alle Empfänger dieselbe Hilfe und dieselbe Unterstützung erhalten.
Damit wird deutlich: Das Sozialgesetzbuch II oder verkürzt ausgedrückt - Hartz IV ist kein Gesetz zur Schaffung von Vollbeschäftigung, sondern ein Gesetz zur Armutsbekämpfung. Hartz IV will aber auch - und das vor allem - allen die reelle Chance bieten, wieder in den ersten Arbeitsmarkt integriert zu werden, will eben Fördern und Fordern miteinander verbinden.
Natürlich darf dabei nicht übersehen werden, dass ein so großes und umfangreiches Reformwerk nicht von Anfang an perfekt sein kann.
Der Ombudsrat, der die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe begleitete, hat dies in seinem Abschlussbericht sehr deutlich offen gelegt. Viele geforderte und notwendige Korrekturen haben wir bereits am Mittwoch in der Debatte über den Bericht der Bürgerbeauftragten für das Jahr 2005 angesprochen. Der Deutsche Bundestag hat nun, nachdem es das Arbeitslosengeld II seit gut eineinhalb Jahren gibt, wesentliche Änderungen beschlossen, die die Wirksamkeit der Leistungen erhöhen und Missbrauch von Leistungen verhindern soll. Ich finde, für die Fortentwicklung dieses Gesetzes hätte man den Ombudsrat weiter gebraucht. Allerdings ist die Arbeit des Ombudsrates jetzt beendet.
Zu den wesentlichsten Änderungen! Ein Paar, das zusammenlebt, bildet in der Regel eine Bedarfsgemeinschaft, die gemeinsam für das Arbeitslosengeld II veranlagt wird. Bestreitet das Paar, eine Bedarfsgemeinschaft zu sein, muss es dafür den Beweis selbst erbringen. Das hat zunächst einmal nichts mit Schnüffelei zu tun, sondern damit, dass man eine ordentliche Aktenlage herstellt. Kollegin Birk, wenn es denn um Untervermietung geht, dann reicht es tatsächlich, den Mietvertrag vorzulegen, und man muss nicht beweisen, wer sich wann und wo aufhält.
Die wesentlichen anderen Punkte, die geändert werden sollen, hat der Kollege Geerdts - Stichwort: Datenabgleich, Vermögensfreibetrag und Jobcenter schon angesprochen; das will ich nicht wiederholen. Ich möchte stattdessen auf einen Punkt eingehen, den Frau Birk in den Mittelpunkt gestellt hat. Alle Erwerbsfähigen, die Arbeitslosengeld II erhalten, sollen sofort Angebote auf Beschäftigung oder Qualifizierung erhalten. Lehnen Erwerbsfähige innerhalb eines Jahres dreimal ein Angebot ab, müssen Sie mit einer vollständigen Streichung des Arbeitslosengeldes II rechnen.
Vor diesem Hintergrund halte ich es doch eher mit der Einschätzung des Ombudsrates, der nur bedingt die Auffassung teilt, dass die gestiegenen Ausgaben zu einem erheblichen Teil durch Leistungsmissbrauch verursacht worden sind. Der Ombudsrat ist vielmehr der Ansicht, dass die Kriterien für die Bewilligung von Leistungen so ausgestaltet wurden, dass sie mehr Menschen den Zugang zur Grundsicherung ermöglicht haben. Daher kann die Schlussfolgerung nur sein: Die Mängel im System müssen beseitigt werden und die Zusammenarbeit aller Partner am Arbeitsmarkt muss weiter effektiviert werden. Es muss aber auch klar sein: Bei Fällen von vorsätzlichem Leistungsmissbrauch und Arbeitsverweigerung müssen auch Leistungskürzungen möglich sein. Nur, eine vollständige Streichung des Arbeitslosengeldes II kann nicht der richtige Weg sein.
Kollegin Birk, Sie haben uns vehement aufgefordert, in dieser Frage klar Position zu beziehen. Allerdings tut man sich an einer Stelle schwer, die Diskussion mit Ihnen weiterhin redlich zu führen; denn Sie haben uns am 21. Juni per Presse öffentlich vorgeworfen, eine Schmarotzerkampagne zu führen. Das finde ich unredlich. Das ist nicht sachlich und verbietet eigentlich auch die Diskussion mit Ihnen.
Denn es geht wirklich nicht darum, Menschen ins Abseits zu stellen, sondern es geht um das, was man in einem Rechtsstaat auch erwartet, nämlich dass kontrolliert wird, was passiert, aber dass auch Zusammenarbeit stattfindet. Ich finde, wer Leistungen beziehen will, muss sich dieser Zusammenarbeit auch stellen.
Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten: Die Reform Hartz IV greift. So sind die Arbeitslosenzahlen in sehr erfreulichem Umfang zurückgegangen. Der überproportionale Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit ist ein schönes Signal. Er beträgt im Arbeitsamtsbezirk Lübeck 18,8 % und in der Hansestadt Lübeck sogar 24,3 %, um nur einige Zahlen aus Regionen zu nennen, die mir sehr nahe sind. Dass es weniger junge Menschen bis 25 gibt, die ohne Arbeit sind, ist ein gutes Signal. Dieser erfreuliche Trend setzt sich im Juni fort. Im Januar 2006 hatten wir 12,9 % Arbeitslose in Schleswig-Holstein. Heute beträgt die Arbeitslosenquote 9,5 %. Das ist zwar immer noch viel zu viel. Aber es ist ein ermutigendes Signal, das anspornen sollte, noch mehr zu tun. Von daher nehmen wir Fördern und Fordern ernst. Uns geht es nicht nur um Forderungen gegenüber den Arbeitslosen, sondern auch um die Fördermöglichkeiten. Das wollen wir mit unserem Antrag bewirken. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Baasch. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Kollegin Birk, Sie haben bei Ihrer sehr engagierten Rede eines außer Acht gelassen: Es gibt selbstverständlich vermeintlichen Leistungsmissbrauch. Es gibt aber auch tatsächlichen Leistungsmissbrauch. Sie haben keine Antwort darauf gegeben, wie man diesem tatsächlichen Leistungsmissbrauch in Zukunft begegnen will.
Noch eines will ich Ihnen entgegenhalten. Sie haben bei Ihrer Fundamentaloppositionsrede - sie mag etwas knalliger sein; das gestehe ich Ihnen zu - leider versäumt, auf die tatsächlichen Probleme, die dieses Revisionsgesetz in der Beratung mit sich bringt - es gibt eine ganze Reihe von Problemen, auf die die Opposition hinweisen muss -, aufmerksam zu machen; denn Hartz IV sollte sowohl Fordern als auch Fördern beinhalten. Beim Fördern
Frau Birk, jetzt kommt es: Wer erwartet hat, dass durch das jetzige Fortentwicklungsgesetz eine Optimierung im Sinne des Förderns erfolgt, der wurde bitter enttäuscht; denn diese Großrevision soll nach dem Willen der großen Koalition erst im Herbst anstehen. Wenn sich die beiden Koalitionspartner im Bund bereits jetzt wieder mehr über Begrifflichkeiten streiten, dann haben wir ernsthaft Zweifel daran, ob der Aspekt des Förderns überhaupt noch Eingang in die geplante Generalrevision finden soll.
Den betroffenen Empfängern des Arbeitslosengeldes II ist es völlig egal, ob die Änderung nun Generalrevision genannt wird oder ob es sich um eine Optimierung des Gesetzes handelt, wenn nicht endlich das eigentliche Ziel verwirklicht wird, nämlich das der Arbeitsförderung und der Vermittlung. Dass genau dieser Aspekt bisher zu kurz kam, darüber waren sich hier im Landtag bislang alle einig.
Deshalb freue ich mich zumindest über die Klarstellung des Arbeitsministers Döring im „Flensburger Tageblatt“ vom 12. Juni 2006, indem er angekündigt hat, den Aspekt des Förderns noch einmal gründlich analysieren zu wollen. Ich glaube, beim Analysieren darf es dann aber nicht bleiben. Gerade hier hakt es nämlich derzeit besonders, wenn man den aktuellen Bericht des Bundesrechnungshofes zu Rate zieht. Danach haben die Grundsicherungsstellen - erstens - mit einem Drittel der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen noch keinerlei strategische Gespräche geführt, obwohl die Betroffenen seit durchschnittlich siebeneinhalb Monaten Leistungen bezogen. Frau Birk, warum haben Sie das hier nicht gesagt? Das sind nämlich die eigentlichen Probleme.
Zweitens. Entgegen der gesetzlichen Verpflichtung wurden in etwa der Hälfte der geprüften Fälle keine Eingliederungsvereinbarungen geschlossen. Drittens. Die zu aktivierenden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mussten drei Monate auf ein qualifiziertes Erstgespräch warten. Da kann man wohl kaum von einer raschen Vermittlungsstrategie sprechen.