Zweitens. All das, was Sie hier im Lande erzählen, hätten Sie dort am Verhandlungstisch erzählen sollen. Das brauchen Sie nicht hier einer Zeitung zu erzählen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg und erteile das Wort für die CDU-Fraktion der Frau Abgeordneten Ursula Sassen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Garg, ich denke, Sie werden damit leben können, dass Sie unter meinem Liebesentzug leiden müssen.
Wäre das Thema Gesundheitsreform nicht so ernst, hätte man Sie mit Ihrem Ansinnen, bereits zum jetzigen Zeitpunkt einen Bericht zu den Fragen, die Sie aufgezählt haben, verlangen zu wollen, eher an einen Hellseher verweisen müssen. Ihr Antrag ist daher in meinen Augen nicht ganz seriös.
- Regen Sie sich nicht auf! - Er dient offensichtlich nur dazu, sich und die FDP als „einziger Versteher“ aller gesundheitspolitischen Probleme dieses Landes hier und heute in Szene zu setzen.
Das Eckpunktepapier hat in der Tat viel Staub aufgewirbelt und insbesondere bei den Krankenkassen für Unruhe gesorgt. Bei einigen Diskussionen hatte ich allerdings den Eindruck, dass es mehr um Besitzstandswahrung als um Reformbereitschaft ging.
Dennoch ist die Kritik am Eckpunktepapier berechtigt. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, dass Risiken politischer Entscheidungen diskutiert werden, bevor Fakten geschaffen werden. Der Gesundheitsfonds muss kein Übel sein, wenn es gelingt, den Solidarausgleich sicherzustellen. Mit dem Fonds muss auch nicht unbedingt mehr Bürokratie verbunden sein, wenn man es richtig macht.
Daher muss auf die Art und Weise des Beitragseinzuges ein besonderes Augenmerk gerichtet werden. Mit der Gesundheitsreform auch mehr Effizienz und Transparenz schaffen zu wollen, darf also nicht mit mehr Verwaltung einhergehen. Das ist die große Sorge, die beim Gesundheitsfonds besteht. Das gebe ich zu.
Ministerin Trauernicht führt in ihrem Bericht einige landespolitische Aspekte des Eckpunktepapiers an. Im Hinblick auf das Gesundheitsland SchleswigHolstein und die Vorreiterrolle bei der Palliativmedizin möchte ich ebenfalls darauf hinweisen, dass geriatrische Rehabilitation und verbesserte Palliativversorgung Pflichtleistungen werden. Auch dass alle Kassen Mutter-/Vater-Kind-Kuren bezahlen müssen, kann zu einer positiveren Entwicklung der Kureinrichtungen des Landes und auch meiner Region führen. Wie allerdings diese Mehrleistungen des Eckpunktepapiers von den Kassen möglichst ohne Beitragsnachforderung oder Pauschale - wie immer man das nennen will - finanziert werden sollen, ist auch für mich sehr geheimnisvoll.
Positiv ist anzumerken, dass es für integrierte Versorgung viel Spielraum gibt. Auch davon könnte Schleswig-Holstein profitieren. Ob flexible Preisvereinbarungen bei Apotheken, gekoppelt an die Verpflichtung, mindestens 500 Millionen € Einsparvolumen bei Arzneimittelverordnungen zu erzielen und den Fehlbetrag nachzuschießen, realisierbar sind, wage ich zu bezweifeln.
Bezüglich der geplanten Maßnahme, Krankenhäuser zur Finanzierung des Gesundheitswesens mit 1 % des Budgets heranzuziehen, teile ich die Auffassung der Ministerin - auch der Ministerpräsident hat heute seine Sorge zum Ausdruck gebracht -: Dies wäre eine Benachteiligung für Schleswig-Holsteins Krankenhäuser, die ja gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg den niedrigsten Basisfallwert haben.
Wir haben ja schon Vorleistungen erbracht. Mit dem geplanten Sanierungsbeitrag würden Schleswig-Holsteins Krankenhäuser für wirtschaftliches Verhalten doppelt bestraft. Insoweit erwarte ich eine Nachbesserung.
Im „Hamburger Abendblatt“ vom 5. September 2006 war zu lesen, Herr Zöllner habe außerdem Präzisierungen beim geplanten Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser angekündigt und gesagt, Kliniken, die wirtschaftlich gehandelt hätten, dürften nicht bestraft werden; es werde an gerechten Lö
sungen gearbeitet. Wenn dies nicht geschieht, sollten wir aus Schleswig-Holstein mit einem parteiübergreifenden Antrag nachhelfen.
(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Irgendetwas muss man ja begrüßen! - Lachen des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])
Ich danke der Frau Abgeordneten Ursula Sassen und erteile für die SPD-Fraktion der Frau Abgeordneten Jutta Schümann das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Eckpunkte zu einer Gesundheitsreform 2006 liegen seit einigen Wochen vor und haben eine breite öffentliche Diskussion ausgelöst. Viele Bürgerinnen und Bürger, aber auch Organisationen, Verbände, Krankenkassen sind verunsichert und wollen wissen, welche Veränderungen in der Gesundheitsversorgung auf sie zukommen werden beziehungsweise sie lehnen bereits jetzt das Reformpaket in Gänze ab. Der Gesetzentwurf ist in Arbeit, vieles wird im Detail zurzeit noch entwickelt.
Dennoch fordert der Kollege Dr. Garg die Landesregierung auf, quasi visionär oder spekulativ mündlich über die Auswirkungen der Eckpunkte zur Gesundheitsreform auf das Land Schleswig-Holstein zu berichten, und dies im Detail.
Schon der Antrag macht deutlich, dass es nicht unbedingt um eine ernst gemeinte Fachdebatte gehen soll, sondern eher um Effekthascherei.
Deshalb möchte ich mich auch gar nicht auf die Spekulationen einlassen. Erlauben Sie mir vielmehr in der Kürze der Zeit einige grundsätzliche Anmerkungen zu dem vorgelegten Eckpunktepapier. Ich meine nämlich, dass es fahrlässig ist, jetzt aus den vorgelegten Eckpunkten voreilige Schlüsse zu ziehen und mit diesen loszulaufen.
Waren die Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre überwiegend von Kostendämpfungsgedanken und Abrechnungsregelungen geprägt, so geht es angesichts des rasanten medizinischen Fortschritts mit beispielsweise neuen und besseren Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten, aber auch angesichts der demografischen Entwicklung der Bevölkerung und einer Zunahme chronisch Erkrankter um eine nachhaltige Stabilisierung der Einnahmeseite durch eine langfristige und strukturelle GKV-Finanzreform und um weitere Verbesserungen der Versorgungsinfrastruktur.
Dabei ist es für uns besonders wichtig, dass unser Gesundheitssystem auch zukünftig solidarisch finanziert sein muss und die Beiträge nicht weiter steigen.
Die Ausgangspositionen von Union und SPD konnten vor Beginn der Verhandlungen zur Gesundheitsreform unterschiedlicher nicht sein: Auf der einen Seite ging es um die Kopfprämie, und auf unserer Seite bestand die Forderung nach einer Bürgerversicherung. Somit ist das Ergebnis als Kompromisspapier zwischen diesen beiden Positionen zu bewerten.
Zweifellos beinhaltet die geplante Reform aus unserer Sicht hinsichtlich der ärztlichen Versorgung der Menschen - darum muss es uns in erster Line gehen -viele positive Elemente. Die Ministerin hat bereits einen Katalog aufgezählt. Ich möchte ihn zum Teil ergänzen. Zu nennen sind beispielsweise der Versicherungsschutz für alle, keine Leistungsausgrenzung, sondern eine Ausweitung wichtiger Behandlungsansprüche, keine stärkeren Belastungen chronisch kranker Menschen, Anreize für Gesunde, eine bessere Versorgung im ländlichen Raum, preiswerte Arzneimittel, transparenter bezahlte Ärzte, palliativ- und geriatrische Versorgung und Mutter-/Vater-Kind-Kuren, die zukünftig von den gesetzlichen Krankenkassen mit finanziert werden sollen.
Allerdings gibt es auch negative Aspekte, die gerade in der öffentlichen Debatte zunehmend zum Tragen kommen und die auch aus unserer Sicht natürlich noch einmal gründlich geprüft, überdacht und möglicherweise auch korrigiert werden müssen.
An zentraler Stelle ist der Gesundheitsfonds zu nennen, der ohne Solidarbeitrag der privaten Krankenversicherung und ohne nennenswerte Steuer
Die Sorge, dass weitere Bürokratie entsteht, die natürlich Kosten verursacht, ist durchaus berechtigt. Auch an dieser Stelle sollte überprüft werden, inwieweit bestehende Möglichkeiten zum Beitragseinzug, zum Beispiel bei den Krankenkassen, genutzt werden können.
Wichtig ist, dass der Fonds auf alle Fälle 100 % der Ausgaben abdecken muss und dass, bevor er in Kraft tritt, die Kassen durch Entschuldung gleiche Startbedingungen haben. Das bedeutet auch, dass beim Inkrafttreten des Fonds auch die unterschiedlichen Risiken der Krankenkassen bedacht werden müssen. Ohne einen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich wird es kaum möglich sein, Kassen gleiche Startchancen zu ermöglichen.