Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Sprengstoffexperten analysieren den Inhalt. Die Bundesstaatsanwaltschaft übernimmt die Ermittlungen. Es stellt sich heraus, dass die Koffer eine Propangasflasche sowie mehrere mit Benzin gefüllte Flaschen, Zündvorrichtungen und Batterien enthielten. Außerdem wurde Speisestärke gefunden, mit der die verheerende Brandwirkung noch verstärkt werden sollte. Laut „FOCUS“ ermittelten Kriminaltechniker einen Wirkungsradius der funktions- und zündfähigen Sprengsätze von 100 Metern. Nach den Ermittlungen des Bundeskriminalamtes sind die Passagiere in den beiden Regionalzügen nur knapp dem Tod entgangen.

Videoaufnahmen vom Kölner Hauptbahnhof zeigen die 20 bis 30 Jahre alten Männer mit südländischem Aussehen, während sie die Koffer mit den Bomben transportieren.

Am 19. August 2006 wird auf dem Kieler Hauptbahnhof ein dringend tatverdächtiger 21 Jahre alter libanesischer Student aus Kiel gefasst. Ich möchte an dieser Stelle den Beamtinnen und Beamten, die an diesem nicht ungefährlichen Einsatz teilgenommen haben, ausdrücklich Dank und Anerkennung aussprechen.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Damit hat der islamistische Terror nicht nur Deutschland, sondern auch für jeden offensichtlich Schleswig-Holstein erreicht. Der mutmaßliche Terrorist lebte und studierte in Kiel unbehelligt mitten unter uns. Fünf Jahre nach den Angriffen islamistischer Terroristen in New York und Washington, nach den Attentaten in London, Madrid und anderen Städten wird schlagartig deutlich, dass auch Dortmund, Koblenz oder Kiel Ziele dieser Fanatiker sind. Die Terroristen morden ohne Unterschiede Männer und Frauen, Kinder, alte Menschen, Christen, Juden oder Moslems. Völlig wahllos bedrohen sie unschuldige und wehrlose Menschen mit Mord und Terror.

Dieser gefährlichen Bedrohung durch islamistische Terroristen darf der wehrhafte Rechtsstaat nicht tatenlos zusehen. Er hat vielmehr die Pflicht, seine Bürgerinnen und Bürger möglichst umfassend vor dieser Gefahr zu schützen. Unter dem Eindruck der offensichtlich gewordenen Bedrohungslage in Deutschland sind endlich auch diejenigen unter den Landesinnenministern, die sich einer wirkungsvollen Lösung bisher verweigert haben, bereit, eine effektiv arbeitende Anti-Terror-Datei einzurichten. Die Videoüberwachung soll verstärkt werden und es erfolgt eine Überprüfung des Ausländerrechts.

Darüber hinaus sollten wir in Schleswig-Holstein die Ausstattung unseres Verfassungsschutzes

überprüfen, insbesondere im Hinblick auf eine umfassende Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und seines ideologischen Umfeldes. Dazu führte Innenminister Stegner in der Landtagsdebatte vom 26. Mai letzten Jahres aus:

„Deutschland ist natürlich Teil dieses Gefahrenraumes, auch wenn wir in Schleswig-Holstein zum Glück bisher keine terroristischen Strukturen erkannt haben.“

Diese vermeintliche Erkenntnis hat sich nun als gefährlich erwiesen und sollte schnellstmöglich umfassend aufgeklärt werden. Dabei benötigen wir dringend eine weitere Verbesserung der Zusammenarbeit mit anderen Ländern, insbesondere mit Hamburg. Außerdem müssen die Eingriffsbefugnisse des Verfassungsschutzes endlich denen des Bundes angepasst werden, eine langjährige Forderung der CDU.

Die terroristische Gefahr durch gewaltbereite Islamisten ist für mich die größte Herausforderung für die zivilisierte Gesellschaft. Gerade die bereits erwähnte Einrichtung einer zentralen Anti-TerrorDatei trägt ganz erheblich zur Stärkung der inneren Sicherheit in Deutschland bei. Die Sicherheitsbehörden müssen frühzeitig in die Lage versetzt werden, gemeinsam auf wichtige Informationen zuzugreifen. Damit wird die Anti-Terror-Datei zum wichtigen Werkzeug zur Abwehr und Früherkennung terroristischer Gefahren.

Mit der zentralen Datei von Polizei und Nachrichtendiensten wird eine neue Qualität beim Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden erreicht. Schnelle und vor allem effektive Vorfeldaufklärung bieten beste Voraussetzungen dafür, dass mögliche Anschläge verhindert werden können. Das wird auch bei der erfolgreichen Arbeit des Anti-TerrorZentrums in Berlin deutlich. Am letzten Freitag hatte ich Gelegenheit, mich persönlich vor Ort über deren Arbeitsweise zu informieren. Dabei wurde auch vom Chef des Bundeskriminalamtes, Herrn Ziercke, von dem ich Sie herzlich grüßen soll, über den Terminplan zur Einführung der Anti-TerrorDatei informiert. Gerade die schnelle Ergreifung der beiden dringend tatverdächtigen Terroristen zeigt, wie wichtig Einrichtungen wie das Anti-Terror-Zentrum sind - übrigens wurde dies auch nur auf massiven Druck der Innenpolitiker der Union eingerichtet -, ebenso wie auch der weitere Ausbau der Videoüberwachung an Bahnhöfen, Flughäfen, Seehäfen und sicherheitsrelevanten öffentlichen Plätzen. Der rasche Fahndungserfolg nach den versuchten Terroranschlägen war nur möglich, weil aufgrund der Videoüberwachung der Bahnsteige genaue Bilder der Täter vorlagen.

(Peter Lehnert)

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist schlicht Unsinn!)

- Kollege Kubicki, das hat dazu geführt, dass einer der Tatverdächtigen aufgrund der Presse- und Medienberichterstattung zum Telefon gegriffen hat und dadurch weitere Erkenntnisse über den Libanon sofort an das Anti-Terror-Zentrum in Berlin weitergegeben wurden und dadurch der schnelle Zugriff erfolgen konnte. Das ist natürlich sinnvoll. Das hat auch der Innenminister in seiner Rede dankenswerterweise deutlich gemacht, soweit er es konnte, ohne interne Informationen preiszugeben.

Gleichzeitig beugt die Videoüberwachung auch Straftaten vor und schreckt mutmaßliche Täter ab. Das erklärt allerdings nicht die von maßgeblichen schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten immer wieder ins Gespräch gebrachte Forderung nach flächendeckender Videoüberwachung. Zum einen sind nicht annähernd die personellen Ressourcen zu einer angemessenen Auswertung vorhanden, zum anderen stellt es einen nicht tolerierbaren Eingriff in die Grundrechte jedes Einzelnen dar. Die Forderung führender Sozialdemokraten in Rendsburg nach solch unkontrollierten Überwachungsmethoden kann trotz der Tatsache, dass sich der Kollege Neugebauer - wie wir gestern gehört haben - anscheinend regelmäßig auf dem zu überwachenden Gelände aufhält, nicht einen derart massiven Grundrechtseingriff rechtfertigen.

(Günter Neugebauer [SPD]: Das waren Ihre Parteifreunde!)

- Ich habe das so verstanden, dass Herr Breitner dort Bürgermeister ist. Soweit es mir bekannt ist, ist er Mitglied der Sozialdemokratischen Partei.

Um frühzeitig gewaltbereite Tendenzen im Islamismus zu erkennen, sollten wir auch Sicherheitspartner in der islamischen Bevölkerung in Deutschland gewinnen. Die jüngste Erklärung von islamischen Verbänden und Organisationen ist ein Schritt in die richtige Richtung. Sogenannte Sicherheitspartner können mithelfen, Tendenzen zur Radikalisierung oder extremistische Bestrebungen frühzeitiger zu erkennen, um Gefahren besser als bisher abwehren zu können.

Häufig ist gerade eine fehlgeschlagene Integration der Nährboden für extremistische Bestrebungen. Wir müssen deshalb rechtzeitig gegensteuern, um Parallelgesellschaften zu verhindern.

Ein besonderes Augenmerk sollten wir auf die Tatsache richten, dass die Islamisten zunehmend moderne Telekommunikationswege nutzen. Damit werden klassische Treffpunkte wie bestimmte Mo

scheen, die von Islamisten missbraucht werden, von geringerer Bedeutung. Jeder kann sich über das Internet zu jeder Zeit und an jedem Ort Informationen besorgen, die auch der Vorbereitung von Terroranschlägen dienen können. Dies verringert natürlich auch die Möglichkeit zur wirksamen Überwachung und erhöht die Gefahr, dass Terrornetzwerke von den Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten weitgehend unbemerkt agieren können.

Besondere Gefahren gehen dabei von der gezielten „Schulung“ Jugendlicher aus, die im Sinne islamistischer Fanatiker auf einen „heiligen Krieg“ gegen Israel und seine Verbündeten vorbereitet werden.

Um die Bevölkerung besser vor terroristischen Gefahren durch gewaltbereite Islamisten zu schützen, liegt es in unserer Verantwortung, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Zur Verbesserung der Sicherheit brauchen wir sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene die entsprechenden Rahmenbedingungen.

Dazu gehören auch die an den Bundesautobahnen und Bundesstraßen erfassten Mautdaten für die Abwehr besonderer Gefahrenlagen sowie zur Verfolgung schwerer Straftaten. Es ist einfach nicht nachvollziehbar, wenn bei konkreten Hinweisen, die zur Verhinderung oder Aufklärung schwerster Straftaten bis hin zu terroristischen Anschlägen dienen können, Daten nicht genutzt werden dürfen.

Dafür müssen wir den staatlichen Ermittlungsbehörden möglichst zügig die rechtsstaatlichen Mittel an die Hand geben, um schon vorbeugend Kriminalität zu verhindern oder aber bereits begangene Verbrechen umfassend und schnell aufzuklären.

Um eine effektivere Bekämpfung der schweren und organisierten Kriminalität zu gewährleisten, brauchen die Ermittlungsbehörden neben moderner technischer und ausreichender personeller Ausstattung auch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen.

In diesem Zusammenhang begrüßt es die CDUFraktion ausdrücklich, dass die Koalitionspartner in Berlin die Wiedereinführung der Kronzeugen-Regelung in Aussicht gestellt haben. Diese ist insbesondere zur besseren Bekämpfung der organisierten Kriminalität ein nicht zu unterschätzendes Instrumentarium.

Verbrechen an Frauen, wie Menschenhandel und Prostitution, räuberische Erpressung, Drogendelikte und weitere schwere Straftaten sind mithilfe der normalen Ermittlungstätigkeit nur schwer Erfolg versprechend zu bekämpfen. Gerade in diesen Bereichen, in denen organisierte Banden weit über

(Peter Lehnert)

wiegend aus ausländischen Tätergruppen bestehen, kann nur in seltenen Fällen mit verdeckten Ermittlern gearbeitet werden. Um hier erfolgreicher sein zu können, ist eine Kronzeugenregelung erforderlich, um besonders aggressiven und skrupellosen Formen der Kriminalität effektiver entgegentreten zu können.

Bei der Strafverfolgung muss seitens des Staates die modernste verfügbare Technik eingesetzt werden. Dazu gehört auch die regelmäßige Anwendung der DNA-Analyse in geeigneten Deliktsbereichen. Einsatzmöglichkeiten und Missbrauchsvorsorge müssen gesetzlich geregelt werden. Damit bleibt sichergestellt, dass ausschließlich der nicht codierende Teil des DNA-Stranges untersucht wird. Die CDU hält es für erforderlich, die derzeitigen Einsatzmöglichkeiten der DNA-Analyse besser zu nutzen. Dass die gegenwärtigen DNA-Gesetze für eine optimierte Straftat-Aufklärung und die vorbeugende Verbrechensbekämpfung Defizite aufweisen, die einem besseren Schutz der Bevölkerung entgegenstehen, darauf hat die polizeiliche Praxis bereits seit Jahren mit Nachdruck hingewiesen. Hier muss im Sinne einer effektiven Strafverfolgung nachgebessert werden.

Darüber hinaus müssen Daten, die zur Abwehr besonderer Gefahrenlagen, zur Verhinderung oder Aufklärung schwerster Straftaten bis hin zu terroristischen Anschlägen dienen können, besser als bisher genutzt werden. Dazu gehören neben den an Bundesautobahnen und Bundesstraßen erfassten Mautdaten, die Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten sowie im Rahmen der Gefahrenabwehr auch an Verkehrsknotenpunkten wie Bahnhöfen, Flug- und Seehäfen.

Auch die automatische Erkennung von Kraftfahrzeugkennzeichen, die Telefonüberwachung zur Gefahrenabwehr, anlassunabhängige Personenkontrollen und die entfristete Rechtsgrundlage für die Rasterfahndung sind zur wirksameren Verbrechensbekämpfung erforderlich. Wir sollten daher vorurteilsfrei über alle Erfordernisse im Sicherheitsbereich beraten.

Unser Staat hat die Pflicht und Verantwortung, die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes vor Kriminalität und Terrorismus zu schützen. Wir sollten deshalb die nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zulässigen Mittel, die einer besseren Erreichung dieses Zieles dienen, schnellstmöglich zur Anwendung bringen. Nur die wehrhafte Demokratie und der demokratische Rechtsstaat können auf Dauer unsere gemeinsame Werteordnung sichern und schützen und gleichzeitig die freiheitlichen Bürgerrechte bewahren.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Peter Lehnert und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Terror ist weltweit unterwegs. Wir sprechen fünf Jahre danach mit unvermindertem Schaudern und Entsetzen von New York und Washington, wir sprechen aber aufgeschreckt durch die Aktualität auch über Koblenz und Dortmund und wir wissen, dass terroristische Vorbereitungsaktivitäten vor unserer Haustür stattgefunden haben, in Hamburg und in Kiel.

Auch ich möchte mich beim Innenminister für die Regierungserklärung bedanken. Ich denke, wir können sicher sein, dass die Sorge für die innere Sicherheit unseres Landes bei der Landesregierung in guten Händen ist.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Lassen Sie mich in sechs Punkten die sicherheitspolitische Grundposition der SPD-Landtagsfraktion skizzieren.

Erstens. Wir teilen die Auffassung der Innenministerkonferenz, dass ein wesentliches Element für die Effektivität der Arbeit unserer Sicherheitsbehörden die optimale Zusammenarbeit von Polizeien und Nachrichtendiensten ist und sein muss, und zwar auch und gerade im Hinblick auf den Austausch von Daten über mögliche Terroristen. Die schnelle und zielgerichtete Nutzung von bei den Sicherheitsbehörden vorhandenen Informationen über einschlägig in Erscheinung getretene Personen - nur um solche kann es gehen - ist für eine erfolgreiche Bekämpfung des Terrorismus unverzichtbar. Eine bessere Vernetzung der vorhandenen Datenbestände sowie eine Optimierung der Zugriffsmöglichkeiten sind geboten. Wir unterstützen deshalb die Innenministerkonferenz, den Bundesinnenminister und unsere Landesregierung bei ihren Bestrebungen, umgehend einen Gesetzentwurf zur Errichtung einer Anti-Terror-Datei zu erarbeiten und wirksam werden zu lassen.

Wir teilen nicht die Bedenken, dass durch den bloßen Informationsaustausch organisatorisch getrennter Sicherheitsbehörden das aus historischen Gründen im Grundgesetz fixierte Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten durchbrochen wird. Der bloße Austausch von Daten macht unsere in

(Peter Lehnert)

Demokratie und Rechtsstaat verankerte Polizei nicht zur Gestapo. Dies auch nur ansatzweise zu unterstellen oder als Schreckgespenst an die Wand zu malen, wäre unseren Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen und unseren Verfassungsschützern und Verfassungsschützerinnen gegenüber schlichtweg schäbig.

(Beifall bei der SPD)

In Teilen der öffentlichen, auch parteipolitischen Diskussionen wird behauptet, dass das Trennungsgebot auch durch die Anti-Terror-Datei durchbrochen werden könnte, obwohl das Gesetz ja noch gar nicht auf dem Tisch liegt, Herr Kubicki.

Zweitens. Wir teilen die Auffassung der Innenministerkonferenz, dass das Instrument der Videoüberwachung einen wichtigen Beitrag für eine erfolgreiche Terrorismusbekämpfung leisten kann. Mithilfe der Videoüberwachung können Tatverdächtige zuverlässig identifiziert werden. Auch der jüngste Fahndungserfolg nach dem fehlgeschlagenen Kofferbombenanschlag belegt - da teile ich die Auffassung von Herrn Lehnert, Herr Kollege Kubicki -, dass insbesondere im Bereich von Bahnhöfen, Flug- und Seehäfen die Videoüberwachung stärker genutzt werden sollte.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie sollte nicht stärker genutzt werden zur Kontrolle der Parkbänke in Rendsburg. Insoweit sind wir ebenfalls mit der CDU-Fraktion einig.