die deutsche Staatsbürgerschaft haben, die an der Disco-Tür abgewiesen werden. In diesem Fall handelte es sich sogar um einen Bürgerschaftsabgeordneten der CDU in Lübeck. Er war sogar zu einer offiziellen Eröffnungsfeier eingeladen. Als er abgewiesen worden war, hat er sich eine VIP-Karte besorgt. Dann ist sein Neffe, der mitgekommen ist, abgewiesen worden. Daraufhin hat der NDR recherchiert und festgestellt, dass das gängige Praxis in fast allen Diskotheken in Norddeutschland ist, dass Gesichtskontrollen stattfinden, dass Menschen, die nicht dem Ideal des deutschen Bürgers - ich will das gar nicht weiter ausführen - entsprechen, regelmäßig an Disco-Türen abgewiesen werden. Solche Erfahrungen sind es, die demütigen, die junge Menschen prägen, die Hass erzeugen und dazu führen, dass sie sich von dieser Gesellschaft abwenden.
Die Frage, wie wir mit solchen Problemen umgehen, ist ganz entscheidend dafür, ob Menschen, die in unserer Gesellschaft leben, die - wie es beispielsweise in England passiert ist - in unserer Gesellschaft aufwachsen, Teil dieser Gesellschaft werden oder sich von ihr abgestoßen fühlen.
Meine Damen und Herren, in der arabischen Welt wird sehr genau beobachtet, wie der Westen den Ansprüchen an sich selber gerecht wird, gerade in schwierigen Zeiten. Der Wert unserer Werte erweist sich erst in der Krise: Nehmen wir Freiheit und Menschenrechte ernst und gelten sie auch für alle? Fühlen wir uns dem christlichen Erbe wirklich verpflichtet, auf das wir uns gerne berufen?
Es wird schon wieder der Gedanke salonfähig, dass Freiheit und Menschenwürde nicht universell gelten, sondern relativiert werden müssen und einem tatsächlichen oder vermeintlichen Feind nicht zustehen. Guantánamo ist ein Symbol dieser Haltung. Wer diese Gedanken zulässt, der stellt unsere Grundwerte grundsätzlich infrage.
Ein weiteres Problem, das für uns eine zentrale Rolle haben sollte, stellt Afrika dar. Ich glaube, dass Europa eine ganz besondere Verantwortung gegenüber Afrika hat. Das Armutsproblem, das mittlerweile zu riesigen Flüchtlingsströmen führt, wird die Sicherheit Europas in den nächsten Jahrzehnten weiter infrage stellen. Europa kann sich meiner Meinung nach nicht weiter abwenden, sondern muss es zu seiner zentralen Aufgabe machen, die Situation in Afrika zu stabilisieren. Das ist unsere europäische Aufgabe. Ich erinnere daran, dass Amerika immer seine Aufgabe darin sah, Südamerika zu helfen, was teilweise schlecht gemacht worden ist. Die heutige Situation zeigt allerdings auf, dass Europa in Afrika versagt hat. Nur wenn sich
Nach fünf Jahren Anti-Terror-Kampf müssen wir feststellen, dass der radikale Islamismus heute nicht abgenommen hat, sondern stärker geworden ist. Das bedeutet - und daraus müssen wir die Konsequenzen ziehen -: Die Art und Weise, wie versucht worden ist, den Islamismus zu bekämpfen, ist falsch. Man hat ihn nämlich auf die Ebene eines völkerrechtlichen Krieges gestellt und erzählt: Wir führen Krieg gegen den Islamismus.
Solange wir den Kampf gegen den Islamismus als Krieg betrachten, werden wir ihn nicht gewinnen können. Wir müssen vielmehr begreifen, dass es einer Vielzahl von Instrumentarien bedarf. Der ökonomische, politische und geistige Austausch mit Ländern - eigentlich jegliche Kommunikation und jeglicher Austausch in jeder Hinsicht - trägt dazu bei, Vorurteile und Abhängigkeiten abzubauen. Wir müssen gegen Rechtsmissbrauch und Diktaturen vorgehen. Wir dürfen Diktaturen nicht unterstützen. All diese Fragen sind entscheidend. Das heißt, von unserer Außenpolitik wird ganz entscheidend abhängen, ob es uns gelingt, den Terrorismus zu bekämpfen. Wir müssen aufhören, die Frage als eine Frage von Krieg und Frieden zu betrachten.
Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist auch die Verminderung unserer Abhängigkeit vom Öl. Sie ist nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes oder der Ökonomie notwendig. Die volkswirtschaftliche Abhängigkeit vom Öl zwingt zu einer ständigen Kumpanei mit korrupten und menschenverachtenden Regimen eben auch in der islamischen Welt.
Der Kauf von Öl spült ununterbrochen Millionen und Milliarden in die Hände radikaler arabischer Familien, die damit die Sozialprogramme der islamistischen Organisationen finanzieren, die diese so beliebt machen. Diese islamistischen Organisationen hätten niemals diese Position, wenn sie nicht durch Krankenhäuser, Sozialprogramme und so weiter das leisten würden, was wir nicht leisten. So gewinnen sie ein hohes Ansehen und dieses wird von vier oder fünf arabischen Familien finanziert, die von unseren Öl-Milliarden leben.
Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hat am Montag, dem fünften Jahrestag der Anschläge, im Hinblick auf den Terrorismus geäußert: Der Krieg ist nicht vorbei und er wird nicht vorbei sein, bis entweder wir oder die Extremisten als Sieger daraus hervorgehen. - Meiner Ansicht nach hängt der Kampf gegen den Terrorismus zentral von einer Wende in der amerikanischen Außenpolitik ab.
Die Frage der Sicherheit in Deutschland bedarf der Sicherung der Rechtsstaatlichkeit und der Verhältnismäßigkeit im Umgang der Bürgerinnen und Bürger untereinander. Schleswig-Holstein, Deutschland, Europa, die gesamte westliche Welt müssen authentisch mit dem Erbe Europas, mit der Bewahrung von Freiheit und Menschenrechten umgehen. Nur wenn wir ein Vorbild sind, werden wir den Terrorismus besiegen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Tribüne haben in diesen Minuten zwei Abgeordnete der Kaliningrader Gebietsduma Platz genommen.
Die beiden Herren Walerij Frolow und Alexej Sinowjew hospitieren diese Woche im Landtag. Sie führen Informationsgespräche mit Abgeordneten, den Landtagsfraktionen und Vertretern aus Regierung, Ministerien, Verbänden und Kammern.
Zwischen der Gebietsduma Kaliningrad und dem Landtag besteht ein Partnerschaftsabkommen, das auf vielfältige Weise mit Inhalten und Leben gefüllt wird. Meine Herren, seien Sie uns hier im Plenarsaal herzlich willkommen!
Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Welt hat mit dem 11. September 2001 eine andere Tagesordnung erhalten. Auch Menschen hierzulande verloren damals ein Stück Sicherheit, das sie gern wiederhaben möchten. Spätestens seit den vereitelten Bahnanschlägen in Koblenz und Dortmund ist deutlich, dass die Gefahr terroristischer Anschläge auch hier in Deutschland keine ausschließlich theoretische ist.
Kaum zwei Monate nach den Anschlägen auf New York und Washington legte der Bundestag das erste der sogenannten Anti-Terror-Pakete auf; das zweite folgte am 14. Dezember 2001. Zusammen lösten sie Änderungen in rund 100 Gesetzen aus - vom Vereins- bis zum Ausländerrecht.
Im Sommer dieses Jahres beschloss das Kabinett in Berlin nunmehr das dritte Anti-Terror-Gesetz, das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz. Beflügelt durch den konkreten Fall der Kofferbomben, haben die Innenminister von Bund und Ländern mittlerweile beschlossen, dass zusätzliche Anti-Terror-Maßnahmen vonnöten sind.
Die wichtigsten Stichworte, die schon aus der Regierungserklärung des Innenministers hervorgingen, lauten bekanntlich: Einführung einer Anti-Terror-Datei, verstärkte Videoüberwachung und Änderungen im Ausländerrecht. Hinzu kommt der Vorschlag, Kriterien für eine Rasterfahndung zu erarbeiten, die - ich zitiere aus der Erklärung - „den strengen Kriterien des Bundesverfassungsgerichts“ entsprechen.
Zu den konkreten Vorfällen wegen der Kürze der Zeit nur noch eine Bemerkung: Alles deutet darauf hin, dass die Ermittlungsbehörden wirklich gute Arbeit geleistet haben, und dafür danken wir ihnen. Darüber hat der Innenminister bereits im Innenund Rechtsauschuss ausführlich berichtet und auch dafür möchte ich ihm im Namen des SSW danken.
Ich teile dabei die Auffassung des Ministers in Bezug auf den Einsatz von Bundeswehr und Amateurpolizisten in Fragen der inneren Sicherheit. Diese Aufgabe gehört in der Tat in die Hände von Profis, wie es unsere Polizeibeamten sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für den SSW steht grundsätzlich fest: Wenn es um die Bekämpfung des Terrorismus geht, gewinnen wir nichts, wenn wir die Freiheitsrechte gegen die Sicherheit ausspielen.
Die aktuelle Entwicklung in unserer Republik zeigt aber leider in eine andere Richtung. Der Artikel aus der „Süddeutschen Zeitung“ von Heribert Prantl ist schon von Herrn Kubicki angesprochen worden. Ich habe diesen Artikel auch gelesen. Er äußert sich dort zu der „neuen Sicherheitsarchitektur“. Ich zitiere:
„Das neue System der inneren Sicherheit ist schon installiert: Es sieht aus wie eine Sanduhr. Das obere Gefäß enthält die Bürger- und Freiheitsrechte, das untere die Sicherheitsge
setze: Telefonüberwachung, Lauschangriff, Datenspeicherung, geheimdienstliche Ermittlungsmethoden der Polizei und Polizeibefugnisse für die Geheimdienste. Das obere Gefäß mit den Bürgerrechten wird immer leerer, das untere immer voller.“
Dieses Bild mag einigen in der jetzigen Bedrohungssituation recht theoretisch und vielleicht sogar naiv anmuten, es sollte uns jedoch am Herzen liegen, dass wir unsere Wertegrundlage, auf der wir Entscheidungen für die Gesellschaft treffen, nicht aus den Augen verlieren.
Aus der konkreten Furcht vor terroristischen Anschlägen darf also nicht eine allgemeine Stimmung der Angst werden, die hinter jedem dunkelhäutigen Gesicht einen Attentäter sieht, jeden Andersgläubigen pauschal verdächtigt oder gar kriminalisiert.
Wir Politiker müssen mit anderen Worten der Versuchung widerstehen, eine solche Stimmung zu verstärken, weil es Schlagzeilen und Stimmen bringen könnte. Eine solche Stimmung hat die Tendenz, sich zu verselbstständigen, und kann dann leicht in Panik und Hysterie umschlagen. Dann ist es zu spät für eine Politik, die steuert, statt getrieben zu werden.
Ich kann, anders betrachtet, durchaus nachvollziehen, wenn gesagt wird, es ist gut, dass es nun endlich einen Durchbruch im Dauerstreit um die AntiTerror-Datei gegeben hat. Denn es ist ein Ärgernis, wenn die Arbeit der Polizei dadurch behindert wird, dass bereits ermittelte und im Prinzip bekannte Daten im entscheidenden Augenblick nicht zugänglich sind. Wichtige Informationen zur Terrorfahndung dürfen nicht im Behördendickicht und aufgrund unnötiger Kompetenzkämpfe hängen bleiben. Allerdings haben wir erhebliche Bedenken, wenn dabei auch Daten wie die Religionszugehörigkeit erhoben werden sollen. Insofern teile ich die Bedenken, die unter anderem von den Datenschutzbeauftragten geäußert wurden. Ich teile ausdrücklich auch die Aussage des Kollegen Hentschel, der sich zu den zwei Dateien wirklich treffend geäußert hat.
Ich begrüße, dass der Innenminister in seinen Ausführungen deutlich machte, dass auch Migrantinnen und Migranten in unserer Gesellschaft Religionsfreiheit genießen. Ich denke, das muss immer wieder hervorgehoben werden. Der SSW bleibt aber dabei, dass weiter gehende Befugnisse der Behörden oder mehr Gesetze eben nicht per Definition mehr Sicherheit bedeuten. Das lässt sich schon am Beispiel der Videoüberwachung studieren. Die
Anschläge in London und die Kofferbomben in Dortmund und Koblenz wurden mithilfe der Videoüberwachung aufgeklärt. Sie wurden aber eben nur aufgeklärt und nicht verhindert. Die Form der Überwachung ist eben kein Mittel zur Prävention, einfach deshalb, weil nicht hinter jeder Kamera ein Fahnder sitzen kann. Die Bilder müssen nachträglich mit viel Mühe analysiert werden. Deswegen führt eine flächendeckende Ausweitung nicht zu mehr Sicherheit.
Wir bleiben dabei, dass die Rasterfahndung kein geeignetes Mittel ist, um potenzielle Terroristen, also die sogenannten Schläfer, ausfindig zu machen. Bei legal bei uns lebenden Terroristen bieten die biometrischen Daten in den Pässen auch keine zusätzliche Sicherheit, wie der Bundesdatenschutzbeauftragte ausführt.
Ich kann meine Skepsis daher nur schwer verbergen, wenn in den Innenministerien von Bund und Ländern jetzt wieder reflexartig die Lieblingsinstrumente der inneren Sicherheit aus der Schublade geholt werden, die nach dem altbekannten Rezept „mehr Kontrolle über mehr Bürger gewährleistet auch mehr Sicherheit“ gestrickt sind. Bislang haben wir jedenfalls noch keine Antworten auf die Fragen bekommen, die Jutta Limbach, die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, im Jahre 2002 in Bezug auf die Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung stellte: Sind die Maßnahmen überhaupt geeignet, den Terrorismus zu bekämpfen? Stehen die Freiheitseinbußen hierzu in einem angemessenen Verhältnis? Welche unerwünschten Nebenfolgen haben die Maßnahmen? Mit anderen Worten: Sind diese Instrumente auch verhältnismäßig?
Ich habe den Eindruck, dass vor lauter technokratischer Potenz der menschliche Faktor häufig unterschätzt wird. Es sind letztlich Menschen, die diese Anschläge planen oder verüben. Das heißt, es gibt immer ein Maß an Unberechenbarkeit und viel negative Kreativität, die relativ leicht rein technische Maßnahmen elegant umgeht. Salopp gesagt: Was nützen die elektronische Überwachung und das Abhören, wenn sich die Verdächtigen per Handzettel austauschen?
Gezielte Informationsgewinnung statt des großen Rasters scheint mir hingegen eher angebracht zu sein, um den Herausforderungen der inneren Sicherheit geeignet zu begegnen. Das Aufstocken von Stellen im polizeilichen Vollzug ist daher durchaus geeignet, nicht nur subjektiv durch vermehrte Sichtbarkeit, sondern auch objektiv die Sicherheitslage zu verbessern. Dazu hat der Innenminister in seiner Erklärung auch schon einiges gesagt.
Zu der von Heribert Prantl vorher erwähnten Verwischung der Trennung von geheimdienstlicher Ermittlung und Polizeibefugnissen muss ich auch noch einmal sagen, dass hier ein folgenschwerer Tabubruch in kleinen Schritten droht. Die Trennung von Geheimdienst und Polizei ist für mich eine unverrückbare Grundkonstante unserer zweiten deutschen Demokratie, die auf elementarer Erfahrung und demokratischer Einsicht beruht. Hierfür gibt es und darf es kein Verfallsdatum geben.
Ich verspreche mir hingegen viel von einer verbesserten Kommunikation zwischen den verschiedenen Polizeien. Hier sind nachhaltige Effekte für die Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus zu erzielen. Solange der reibungslose Funksprechverkehr zwischen Polizeieinheiten verschiedener Länder nicht gewährleistet ist, gibt es dort eine große Sicherheitsbaustelle. Der interne Datenabgleich zwischen den vielen Verfassungsschutzorganen in Deutschland dürfte ebenfalls noch Leistungsreserven aufweisen, um es einmal so zu formulieren.
Zur Kritik, die in der Anhörung des Innenausschusses zum Polizeigesetz geäußert wurde, gehörte auch der Vorwurf, dass bisherige Erfahrungen mit entsprechenden Maßnahmen nicht auf ihre Wirksamkeit für die Bekämpfung des Terrorismus überprüft worden sind, es also keine Evaluation gegeben hat. Diese Maßnahmenblindheit dürfen wir uns nicht erlauben. Man wird über Maßnahmen streiten können, die Wirkungen bei der Bekämpfung des Terrorismus erzielen, aber Einschränkungen der Bürger- und Freiheitsrechte bedeuten. Das soll heißen: Maßnahmen, die trotz Erprobung keinen positiven Effekt zeigen, gehören auf keinen Fall in den Werkzeugkasten der Polizei oder der Geheimdienste.
Ich spreche mich deshalb nachdrücklich dafür aus, dass neue Maßnahmen oder Maßnahmen mit erheblichen Freiheitseinbußen nur zeitlich befristet und mit einer Evaluierungspflicht vom Landtag verabschiedet werden.