Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur so können wir als Parlament das Heft des Handelns in der Hand behalten. Nur so können wir unserer Pflicht nachkommen, das Leben der Menschen als mündige Bürger bestmöglich zu schützen.

Ich bin im Übrigen fest davon überzeugt, dass sich unsere bürgerlichen Freiheitsrechte als das beste Mittel gegen die Ursachen des Terrorismus erweisen werden. Bürgerrechte sind aus dem Streben der Menschen nach Freiheit und Würde in einem langen und nicht unblutigen Prozess entstanden, um es

(Anke Spoorendonk)

einmal so zu formulieren. Die Antriebsfeder der Terroristen, der Nährboden für den Terrorismus sind erfahrene Entwürdigung und Demütigung. Das ist keine neue Erkenntnis und meine Vorredner sind auch schon darauf eingegangen. Aber ich denke, wir haben diese Erkenntnis immer noch nicht verinnerlicht. Das bisher beste Modell, um die Menschenwürde in einer Gesellschaft zu sichern, ist immer noch der demokratische Rechtsstaat mit seinen Freiheits- und Bürgerrechten. Es wäre mehr als tragisch, wenn wir im Kampf gegen den Terrorismus unsere stärkste Waffe selbst vernichten würden.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk und erteile das Wort nach § 56 Abs. 2 der Geschäftsordnung Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir ist bei der Debatte, die wir hier geführt haben, aufgefallen, dass wir bereits dabei sind, Begrifflichkeiten zu verwenden, ohne sie zu hinterfragen. Wir tun so, als sei Terrorismus ein neues Phänomen, als habe es das nie gegeben. Wir tun so, als habe es beispielsweise keine Anschläge der IRA in Nordirland, in London, in Manchester, übrigens auch auf deutschem Boden gegeben. Wir argumentieren, dass keine Unschuldigen durch solche Attentate zu Schaden kommen dürfen. Es gibt nur unschuldige Opfer bei Attentaten. Es gibt keine schuldigen Opfer.

(Beifall bei der FDP)

Wir vergessen, dass die ETA in Spanien mit terroristischen Anschlägen auch eine Spur des Schreckens hinterlassen hat. Wir vergessen, dass in Südtirol vor nicht allzu langer Zeit Separatisten versucht haben, heim ins Reich zu kommen mit Anschlägen, die nicht nur auf Strommasten, sondern auch auf Polizeistationen der Carabinieri ausgeübt wurden, und dass dabei auch unschuldige Menschen, wie immer, verletzt und getötet wurden. Wir vergessen, dass auch in Deutschland Attentate vollzogen wurden, in Mölln, in Lübeck, in Düsseldorf auf die Synagoge, und anderswo, in Mölln mit dem Tod von Familien. Wir vergessen, dass Rechtsradikale in den USA ein Regierungsgebäude weggesprengt haben. Das waren keine islamischen Terroristen, sondern ein Rechtsradikaler, Timothy McVeigh, mit mehreren hundert Toten und einer Nation, die darüber den Kopf geschüttelt hat.

Ich will damit nur sagen, wir müssen aufpassen, dass wir hier damit nicht auf die gleiche Spur kommen, die uns einige - nicht alle - unserer amerikanischen Freunde legen wollen, als sei der Kampf gegen den Terror ein Kampf gegen den Islam, ein Kampf gegen die östliche Welt. Was George Bush macht, ist kein Kampf gegen den Terror, sondern ein Kampf um die amerikanische Einflusssphäre.

Ich frage allen Ernstes auch hier in den Raum hinein, wie sinnvoll wir denn tatsächlich als Demokraten den Bundeswehreinsatz in Afghanistan finden, der dazu beiträgt, dass die Mohnproduktion so hoch ist wie noch nie zuvor und dass 90 % des dort angebauten Mohns in Form von Heroin auf den westeuropäischen Markt kommt, damit anschließend unser Justizminister aufgrund der Verringerung der Grenzen die Polizei damit beschäftigen kann, das zu bekämpfen, was man in Afghanistan geradezu mit Bundeswehrmitteln schützt.

Wir müssen uns wirklich fragen, ob alles so sinnvoll ist, was wir in der Behauptung tun, wir würden einen Kampf gegen den Terror und für unsere Werte führen. Wir sollten nicht einfach vordergründig so tun, als ob wir mit polizeilichen oder nachrichtendienstlichen Maßnahmen etwas bewältigen könnten, was woanders angerichtet wird und was wir im Zweifel mit diesen Maßnahmen gar nicht bewältigen können.

(Beifall bei FDP und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage das nur deshalb, damit wir nicht vorschnell und vordergründig - denn wir wollen keine Stammtischparolen benutzen - argumentieren, statt zu hinterfragen, was eigentlich die tiefe Ursache dafür ist, dass Menschen glauben, sie seien berechtigt, mit dieser Form von Gewalt ihre Interessen durchzusetzen. Wir müssen hinterfragen, warum Tschetschenen zum Beispiel glauben, sie dürften ein Theater besetzen und im Zweifel dazu beitragen, dass Leute bei der Durchsetzung ihrer Interessen zu Schaden kommen.

Eine sehr wesentliche Bemerkung hat Herr Kollege Puls in Anlehnung an das gemacht, was der Innenminister gesagt hat: Wenn wir nicht die Interessen analysieren und dazu beitragen, dass ein Interessenausgleich hergestellt wird, wird es immer wieder diese Erscheinungsformen geben. Die Tatsache, dass wir die Terrorismusdebatte momentan ausschließlich als islamische Debatte führen - bisher geht es nur um Araber oder Türken -, wird uns davon abhalten, die Ursachen wirksam im Auge zu behalten und dazu beitragen, dass wir auf der falschen Ebene argumentieren, Kollege Wadephul.

(Anke Spoorendonk)

Der Dialog ist wichtig. Er wird aber dann erschwert, wenn man Distanzierung schafft. Ich begrüße die Initiative der Landesregierung ausdrücklich. Aber der Dialog muss glaubwürdig sein und darf nicht damit beginnen, dass man erklärt, man halte die Leute, die aus dem islamischen Raum kommen für zumindest ansatzweise verdächtig.

Es gibt für sie einen Legitimationsdruck zu beweisen, dass sie nicht unseren Verdachtskriterien entsprechen.

(Glocke der Präsidentin)

- Das ist mein letzter Satz Frau Präsidentin. - Umgekehrt lautet aber unsere Aufgabe, mit 3,8 Millionen Menschen muslimischen Glaubens angemessen umzugehen.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist der Tagesordnungspunkt, nicht aber das Thema erledigt.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 17 aufrufe, begrüßen wir auf der Tribüne Auszubildende der Polizeischule Eutin und Auszubildende der Stadtverwaltung Kappeln sehr herzlich. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Verkauf des Landeswaldes

Antrag der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/954

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. - Ich eröffne damit die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, nehmen Sie das Interessenbekundungsverfahren zum Verkauf des Landeswaldes zurück! Der Landeswald darf nicht verkauft werden. Unser Wald gehört nicht der jeweiligen Landesregierung, sondern den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Verkauf ist weder geeignet, die waldpolitischen Ziele besser zu erreichen noch den Landeshaushalt zu entlasten. Der Verkauf des Landeswaldes wäre aber eines: Er wäre unwiderruflich.

Der Landeswald als öffentlicher Besitz ist ein Generationenprojekt. Er hat als Besitz des Volkes das Kaiserreich überdauert, die Weimarer Republik, den ersten und den zweiten Weltkrieg überstanden, er hat unter dem Reparationshieb der britischen Besatzung nach dem Krieg gelitten. Der Wald hat den Wandel von preußischer Provinz zum Bundesland Schleswig-Holstein und die Gründung der Bundesrepublik erlebt. Er hat gute Zeiten und schlimmere Zeiten als die heutige gesehen.

In der 13. Legislaturperiode gab es eine Waldresolution des Landtages für unseren Wald, für Neuwaldbildung, die von allen Parteien einstimmig getragen wurde. Ist das heute vergessen?

Was bekamen wir alles zu hören, als wir in der 14. und der 15. Legislaturperiode an der Regierung beteiligt waren und auch den zuständigen Fachminister stellten: Wir würden die Waldpolitik nicht gut genug machen. Warum wir denn mit der Neuwaldbildung so hinterherhinken würden. Ob wir denn den Landeswald nicht mit höheren Anteilen an NATURA 2000-Gebieten, Erholungswald, Reit- und Wanderwegen et cetera versehen sollten als den Privatwald. Man konnte den Eindruck gewinnen, Waldpolitik und unser Landeswald seien bei der Partei, die heute den Ministerpräsidenten stellt, ganz oben auf der politischen Prioritätenliste. Und plötzlich soll das fiskalische Verfügungsmasse sein?

Es ist noch keine zwei Jahre her, als aus dem Landeswald ein Sondervermögen gemacht wurde, um ihn dem einfachen fiskalischen Zugriff ein Stück weit zu entziehen. Wir Grünen wollten lieber die Rechtsform einer Stiftung daraus machen, um diesen Zugriff besonders zu erschweren, sind dann aber den Kompromiss mit dem Sondervermögen mit unserem Koalitionspartner eingegangen. Es gab auch von Seiten der damaligen Opposition keine Einwände gegen diese Änderung, mit der dem besonderen Charakter des Waldes als unveräußerlichem Besitz der öffentlichen Hand entsprochen werden sollte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Keine Partei hat vor der Wahl - weder in Parteiprogrammen noch anderswo - den Verkauf des Landeswaldes angekündigt. Die angespannte Haushaltslage war auch da schon bekannt und Gegenstand intensiver politischer Auseinandersetzungen. Auch die CDU-Fraktion hat durch ihren Sprecher

(Wolfgang Kubicki)

diesbezügliche Überlegungen zurückgewiesen. Ich weiß noch genau: Bei der Podiumsdiskussion in der DEULA-Halle damals - es sitzen im Publikum auch Beteiligte dieser Veranstaltung - kurz vor der Wahl vor Hunderten Forstleuten und Waldarbeitern wurde Claus Hopp, Waldsprecher der CDU, gezielt gefragt und er erklärte, dass der Wald nicht verkauft werden solle. Auch dies stellt sich als lockeres Versprechen und als weiterer Wahlbetrug der CDU heraus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Ministerpräsident hat bereits erklärt, er könne sein Wort nicht halten, und hat sich offenbar vorgenommen, seine Politik nach dem Sprichwort fortzusetzen: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.

Meine Damen und Herren, unser Landeswald ist ein Generationenprojekt. Ministerpräsident Carstensen will unseren Wald den Heuschrecken zum Fraß vorwerfen.

(Lachen bei der CDU)

Wir Grüne stellen uns da quer. Wir wollen die Wohlfahrtsfunktion erhalten und ausbauen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es hat sich - vielleicht unerwartet für die Akteure in der Landesregierung - ein breites Bündnis aus Forstleuten, Gewerkschaften, Touristenverein, den „Naturfreunden“, Reitern, Umweltverbänden, Waldkindergärten bis hin zur Holzspielzeugindustrie für unseren Wald gebildet. Die Holzspielzeugindustrie war im Übrigen bislang bereit, unseren Landeswald zu sponsern, und sie hat ihre Zuwendung natürlich sofort eingestellt, als sie davon gehört hat.

Ich bin überzeugt, dass wir gute Chancen haben, den Verkauf mit der von uns unterstützten Volksinitiative zu verhindern, unsere ökologische Waldpolitik zu vermitteln und einen weiteren Raubbau am Vermögen kommender Generationen zu verhindern.

Unser Wald ist mehr als ein Wirtschaftraum mit Holzvorräten, unser Wald ist ein Stück Heimat. Dafür lohnt es sich zu kämpfen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Hartmut Hamerich.