Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Frau Kollegin, Sie hätten nicht so schnell sprechen müssen. Sie hätten die Bitte auf eine Zwischenfrage des Kollegen Garg auch ablehnen können.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wäre zumindest höflich gewesen! - Angelika Birk [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben mich gar nicht gefragt, Herr Präsident!)

- Doch, ich habe es mehrfach versucht.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ich habe Sie nicht gehört!)

- Gut, beim nächsten Mal werde ich lauter sein.

Nach § 56 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Ursula Sassen zu einem weiteren Kurzbeitrag das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Birk, ich möchte noch einmal auf Ihren Antrag zurückkommen und im Grunde nur das unterstreichen, was auch der Kollege Niclas Herbst schon gesagt hat.

(Lars Harms)

Ihr Antrag weckt die Hoffnung oder den Anschein, als könne man mit dem bundeseinheitlichen Basisfallwert das UK S-H sanieren. Das wird man aber nicht können. Denn wir wissen weder, wie er aussieht, noch wissen wir, wann er kommt, und es kann auch sein, dass andere Krankenhäuser anderer Bundesländer im Laufe der Zeit die Anstrengungen unternehmen, die Schleswig-Holstein bereits unternommen hat. Dann wird der Basisfallwert dort niedriger und dann stimmen die Zahlen sowieso nicht mehr. Also, es ist jetzt schon Handeln geboten. Von daher sollten wir schon jetzt gründlich nachdenken, damit es nicht zu einer Notoperation kommt.

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Dietrich Austermann, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin den Rednern der Koalition für den Hinweis auf die tatsächliche Situation dankbar. Frau Abgeordnete Birk, Sie sagen, es sei töricht, jetzt zu handeln. Darauf muss ich ihnen antworten: Es wäre unverantwortlich, jetzt nicht zu handeln.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir sehen die Situation, wie sie sich tatsächlich darstellt.

Das Universitätsklinikum ist der größte Arbeitgeber in Schleswig-Holstein. Es leistet eine hervorragende medizinische Versorgung. Es ist ein Standort für Forschung und Lehre. Es ist mit beiden Universitäten in hervorragender Art und Weise verbunden, aber das Universitätsklinikum ist aufgrund externer und interner Ursachen in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation.

Sie haben verschiedene Äußerungen zum Thema Basisfallwert gemacht. Frau Kollegin Trauernicht hat vor einem Jahr eine Initiative für den Bundesrat vorbereitet, um uns dort durchzusetzen, und zwar wohl wissend, dass bis 2009 zwar nichts geändert werden muss, aber aus unserer Sicht spätestens dann etwas geändert werden sollte. Gleiches werde ich bei den Wissenschaftsministern vorbringen. Es gibt zurzeit keine Entscheidung, sondern eine konkrete Gemengelage.

Da der Antrag vor einem Jahr gestellt wurde und das Parlament darüber unterrichtet wurde, hätte ich

eigentlich „Guten Morgen!“ sagen können und mich wieder hinsetzen sollen. Denn wenn man ein Jahr braucht, um zu erkennen, was eingeleitet worden ist, ist das nicht besonders schnell.

Ich habe mich auch gemeldet, weil Irritationen durch Debatten entstehen können, in denen Sachverhalte anders dargestellt werden, als sie tatsächlich sind. Es hat niemand die Absicht - weder im Kabinett noch in einer der beiden Koalitionsfraktionen -, das Klinikum zu verkaufen. Uns liegen zurzeit zwei unterschiedliche Vorschläge vor: zum einen der Vorschlag des Vorstandes des Klinikums - demnach besteht dringender Handlungsbedarf und zum anderen der Vorschlag des Gutachters, den wir beauftragt haben. - Was der Gutachter bekommt, Herr Klug, ist übrigens im Ausschuss deutlich gesagt worden; wir haben da überhaupt nichts zu verstecken.

Beide, die Stellung genommen haben, haben die Aspekte Mehrwertsteuererhöhung, Gesundheitsreform, Steuerfragen und Tarifabschlüsse ausgeklammert. Wenn man diese Aspekte allerdings einbezieht, stellt sich erst recht Handlungsbedarf dar. Denn beide Stellungnahmen sind sich darin einig, dass aufgrund der Gesundheitsreform - wir hoffen ja, dass sie nicht so beschlossen wird, wie sie in den Eckpunkten vorgetragen worden ist - eine zusätzliche Belastung auf die Krankenhäuser zukommt.

Das heißt, der Handlungsbedarf wird größer. Die Tarifabschlüsse bedeuten eine zusätzliche Belastung für die Krankenhäuser. Auch aus der Mehrwertsteuererhöhung resultiert in gewisser Weise eine Mehrbelastung für die Krankenhäuser; dies gilt möglicherweise auch für die Steuerfragen. Also, das, was auf der politischen Agenda steht, erhöht geradezu den Druck auf das Krankenhaus.

Wir sind uns in der Koalition darin einig, dass wir verschiedene Dinge verändern müssen. Dabei haben wir uns als Ministerium in gewisser Weise festgelegt, das Kabinett allerdings noch nicht. Wir beteiligen - wie es sich gehört - das Parlament, bevor wir eine Entscheidung im Kabinett treffen. Das heißt, die Debatte in den Ausschüssen liefen nicht nach dem Motto „Friss Vogel oder stirb“, sondern es ging darum, die Abgeordneten anzuhören und die Voraussetzungen für eine Kabinettsentscheidung zu schaffen, die im November erfolgen soll. Dann sollten wir das, was miteinander auf den Tisch gelegt wird, auch bewerten.

Schon heute zeichnet sich allerdings eines ab: Wir haben ein gewaltiges Defizit, und zwar sowohl jährlich als auch in der Summe. Das können wir nicht wegdiskutieren und das diskutieren wir auch

(Ursula Sassen)

dann nicht weg, wenn an irgendeiner Stelle irgendjemand einen kleinen Riegel verschieben will. Ich nenne als Beispiel die Rechtsmedizin. Dann heißt es immer, diese solle nicht angetastet werden. Sollen wir dann für jeden einzelnen Arzt und für jeden einzelnen medizinischen Teilbereich PPP-Projekte machen? Soll dann immer das Parlament sein Recht in Anspruch nehmen, um es zu verändern?

Nein, es muss eine große Lösung gesucht werden und die sieht so aus, dass wir zusätzliches privates Kapital brauchen. Wir brauchen - das sagt auch der Vorstand - eine andere Rechtsform mit mehr Flexibilität. Wenn beispielsweise beim Stichwort Apotheke jedes Mal der Landtag zusammentreten müsste, dann wäre das völlig unangemessen und es wäre zügigen Entscheidungen nicht dienlich. Und wir brauchen mehr Flexibilität.

Zur Abgrenzung! Herr Abgeordneter Baasch, der Vorschlag, der von der Medizinischen Fakultät des Klinikums in Lübeck gemacht wurde, den Campus zu verkaufen, ist nicht unser Vorschlag. Da sind wir einer Meinung. Wenn jemand von draußen guckt und sagt: „Hoffentlich prügeln die sich“, dann müssen wir ihn leider enttäuschen. Wir sind uns hinsichtlich dieses Themas einig.

Es gibt in Komplexen, die rechtlich miteinander vereint sind, übrigens Beispiele, wo wir Trennungen vorfinden. Das bedeutet: Der eine ist für den Bereich Forschung, also für das, was die Universität unbedingt braucht und was ihr als ideale Voraussetzungen zur Verfügung gestellt werden, federführend verantwortlich und der andere ist für die Krankenhausversorgung - das kann möglicherweise ein Privater sein - federführend verantwortlich.

Nach den Erfahrungen, die wir mit der LubinusKlinik, den Sana-Kliniken und in Damp gemacht haben, können wir uns doch nicht hier hinstellen und den Eindruck erwecken, dass es erstklassige Krankenhausversorgung nur unter einem öffentlichrechtlichen Dach gibt. Das ist doch völlig unzutreffend. Mancher, der in diesen Krankenhäusern arbeitet, sagt ausdrücklich, dass es prima und mindestens genauso gut wie in manch einem öffentlichen Krankenhaus läuft. Deswegen bitte ich, die Scheuklappen abzulegen.

Ich habe ja erwartet, dass sich die FDP beim Thema Privatisierung einbringt; sonst ist sie immer voll dabei.

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen: Die Zeiten sind vorbei!)

- Ja, die Zeiten sind vorbei.

(Heiterkeit bei der CDU)

Vielleicht sind sie manchmal nur voll, aber jedenfalls nicht dabei. - Ich habe jedenfalls damit gerechnet, dass hierzu eine konkrete Aussage kommt. Die FDP sagt lediglich, es gebe noch viele Fragezeichen, die man noch nicht beantworten könne, und deswegen könne sie sich hier noch nicht entscheiden. Nein, der Landtag - das betrifft jede Fraktion und jeden einzelnen Abgeordneten - ist durchaus -

(Der Abgeordnete Wolfgang Kubicki [FDP] erhebt sich von seinem Platz)

- Soll das eine Zwischenfrage sein?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein, ich werde mich gleich melden, weil Sie so erfolgreich gezeigt haben, wie Ihre Perspektiven ausse- hen!)

- Gut.

Ich fasse noch einmal zusammen. Unsere Position ist insoweit klar: Wir brauchen privates Kapital. Wir haben einen Investitionsstau in der Größenordnung von 500 Millionen € und dieser Investitionsstau hat natürlich auch etwas mit optimaler Krankenversorgung zu tun. Bei mancher Klinik auf dem Campus in Kiel kann ich nur sagen: Da kann kein Kranker freiwillig hineingeschickt werden. Denn an mancher Stelle besteht dringender Handlungsbedarf.

Schauen Sie sich den Bereich der medizinischen Forschung an. Ich habe mir neulich angesehen, wie in einem alten Schwimmbad medizinisch wertvolle Geräte aufbewahrt werden. Das Schwimmbad kann nicht mehr betrieben werden und dort werden die Geräte untergebracht. Da stehen Kühlschränke und all so ein Zeug. Insofern geht es doch nicht an, den Eindruck zu vermitteln, das sei alles Ideal.

Wir brauchen zusätzliches privates Kapital. Wir brauchen eine andere Rechtsform. Wir brauchen mehr Flexibilität, damit die Ziele, die hier eigentlich einvernehmlich vertreten wurden, erreicht werden: Wir wollen eine exzellente Medizin und eine exzellente Forschung erhalten und dafür muss sich etwas bewegen. Sie können sich darauf verlassen, dass das Kabinett einen vernünftigen Vorschlag einvernehmlich vorlegen wird.

(Beifall bei CDU und SPD)

Mir liegen jetzt noch drei Wortmeldungen vor. Deswegen schlage ich vor, dass wir den nächsten Tagesordnungspunkt nach 15 Uhr aufrufen.

Außerdem möchte ich das Plenum und Frau Dr. Trauernicht darüber unterrichten, dass wir uns

(Minister Dietrich Austermann)

darauf geeinigt haben, die Tagesordnungspunkte 40 und 49, die eigentlich am Freitag um 11:30 Uhr aufgerufen werden sollten, auf die nächste Tagung zu verschieben; sie werden also von der Tagesordnung abgesetzt.

Nunmehr erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich aus zwei Gründen zu Wort gemeldet. Der erste Grund war, Herr Minister Austermann hat auch die Problematik der Basisfallwerte angeschnitten. Liebe Kollegin Birk, ich hätte Sie vorhin gern gefragt, ob Ihnen bekannt ist, dass es eine gemeinsame Initiative von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gibt, die genau diesen Prozess in Gang gesetzt hat. Der entscheidende Unterschied bei dieser Initiative war aber, dass Grüne, FDP und SSW ausdrücklich gefordert haben, ein parallel laufendes Konvergenzverfahren einzuführen, damit es überhaupt möglich würde, 2009/2010 einen bundeseinheitlichen Basisfallwert zu bekommen.

Etwas völlig anderes hat die Landesregierung gemacht. Sie setzt nämlich auf ein Konvergenzverfahren, das erst 2009/2010 losgeht. Insofern ist die Prognose des Kollegen Klug noch eher vorsichtig optimistisch, der gesagt hat, dass das Verfahren dann 2015 möglicherweise zu einem bundeseinheitlichen Basisfallwert führt. Das ist der erste Punkt. Da hätte ich mir schon gewünscht, dass Sie gerade in dem Punkt mit der Landesregierung kritisch umgehen. Es wird nämlich nicht das umgesetzt, was wir eigentlich haben wollten.

Der zweite Punkt! Sehr geehrter Herr Minister Austermann, schaffen Sie eine verlässliche Grundlage, dann ist die FDP auch an Ihrer Seite, wenn es darum geht, ordentliche Überlegungen anzustellen, was die Privatisierung oder Teilprivatisierung von was auch immer anbelangt. Wenn Sie uns aber oder Ihre Gesellschaft, die Sie beauftragt haben, Zahlen liefern, die noch nicht einmal das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt sind,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Heute noch!)