Viertens. Die große Justizreform, die immer noch in der Diskussion steht, sollte nach unserer Auffassung abgewartet werden. Was heute verabschiedet werden soll, ist keine Reform, sondern eine gemurkste Umsetzung des Koalitionsvertrages.
Lassen Sie mich noch einige wenige Sätze zu Kappeln sagen. Ich bin enttäuscht darüber, mit welchem Desinteresse sich die Mitglieder der Koalitionsfraktionen den berechtigten Argumenten aus den Stellungnahmen für Kappeln verweigert haben. Auch hier bleibt festzuhalten, dass es keine einzige Stellungnahme gab, die die Schließung des Amtsgerichts Kappeln befürwortet hat. Ich bin enttäuscht, dass die exponierte geographische Lage Kappelns und die Folgen der Schließung insbesondere für die älteren und schwächeren Menschen vor Ort nicht einmal ansatzweise berücksichtigt wurden. Ich sage Ihnen voraus - und gehe jede Wette ein, Herr Minister -, dass die neue Lösung wegen der Vielzahl der Betreuungsfälle für die Justiz teurer wird. Darüber hinaus sind Protestreden von CDU und SPD gegen die Schließung von Bundesbehörden in Kappeln vor diesem Hintergrund völlig unglaubhaft.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Kubicki und erteile jetzt das Wort in der Reihenfolge der Fraktionsstärken. - Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Thomas Stritzl.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Oppositionsführer hat darauf hingewiesen, dass in der Koalitionsvereinbarung der die Regierung bildenden Fraktionen und der die Regierung tragenden Parteien eine Amtsgerichtsstrukturreform vereinbart worden ist. So hat der zuständige Justizminister bereits im August letzten Jahres einen ersten Entwurf vorgelegt. Der ist intensiv diskutiert worden. Sie haben einige Punkt aufgeworfen, die in der Tat Diskussionsstoff gebildet haben und nach wie vor bilden.
Da ist die strukturpolitische Komponente. Man kann sie am Beispiel Kappeln besonders deutlich machen. Es ist die Frage der Bürgernähe. Bürgernähe ist notwendig für eine funktionierende Rechtspflege. Es bleibt natürlich auch die Frage der Kosten.
Im Rahmen des Diskussionsprozesses hat es Veränderungen gegeben. Wenn man dem Gesetzentwurf der Regierung und der Begründung folgt, ist Reinbek nicht geschlossen worden, weil offenbar wurde, dass es dort einen 24-jährigen Mietvertrag gibt. Der ist aus der Vorgängerzeit übernommen.
Die Frage Bürgernähe ist am Beispiel Ratzeburg gespiegelt worden. Die Frage der Kosten, die eine Rolle spielen, etwa notwendige Neubauten, zum Beispiel in Lübeck, hat dazu geführt, dass man die Umzugstermine für Bad Oldesloe und Malente prolongiert hat. Die Frage Neuschneidung der Amtsgerichtsbezirke vor dem Hintergrund notwendiger Bürgernähe und Verankerung in der Region hat dazu geführt, dass Kappeln in der jetzigen Struktur zum Teil zum Amtsgerichtsbezirk Flensburg und nicht nach Kiel geschlagen worden ist. In Bad Oldesloe führt die Auflösung dazu, dass der Amtsgerichtsbezirk dahin gehend verändert wird, dass der Norden Zugang zum Landgerichtsbezirk Lübeck bekommt.
Nimmt man all diese Veränderungen, kann man sehen, dass es einen Diskussionsprozess gegeben hat, der nicht spurlos an der ersten Fassung vorbeigegangen ist. Gleichwohl ist es so - das hat auch die intensive Diskussion bei uns in der Fraktion gezeigt -, dass Bedenken bleiben. Das ist einmal an der schriftlichen Anhörung des Ausschusses ablesbar. Natürlich bleibt in Kappeln die Beschwernis Herr Kollege Kubicki, Sie haben das angespro
chen -, dass insbesondere nach dem Abzug der Bundeswehr eine weitere Behördenstruktur nicht mehr vorhanden ist. Es bleibt das Bedenken in Lübeck, dass eine ehemals intensive Behördenstadt zunehmend abschmilzt. Wir haben die Situation in Bad Schwartau, dass trotz erheblicher Investitionen in den Standort die Kommune große Bedenken hat, ob sie das denkmalgeschützte Gebäude, in dem sich das Amtsgericht befindet, in Zukunft wirtschaftlich wird vermarkten können. In Geesthacht bleibt die Diskussion, die auch den Petitionsausschuss beschäftigt hat.
Das sind alles Punkte, die bei uns in der Fraktion intensiv diskutiert worden sind. Ich mache kein Geheimnis daraus: auch mit unterschiedlicher Gewichtung. Die unterschiedlichen Sichtweisen sind fair gegeneinander abgewogen worden. Nach Abwägung all dieser Punkte - eine solche Diskussion muss geführt werden - kommt meine Fraktion zu dem Ergebnis, dass wir der Vereinbarung in der jetzigen Fassung, so wie sie ausformuliert und vom Ausschussvorsitzenden vorgetragen worden ist, in dieser Kompromissfassung die Zustimmung erteilen werden. Ich darf ausdrücklich sagen: bei Enthaltung des Kollegen Hamerich.
Wir vertrauen auf die Bewertung, dass die jetzige Struktur aus fachlichen Gründen geboten ist, wie das Ministerium dargelegt hat, insbesondere vor dem Hintergrund kommender Veränderungen auf der justizpolitischen Ebene, Stichwort große Justizreform. Wir vertrauen auf die Sicht des Ministeriums im Hinblick auf die gebotene Fachlichkeit. Wir vertrauen im Ergebnis auf die nachgesteuerte und aufgrund von Fragen detaillierter dargelegte Gesamtwirtschaftlichkeitsberechnung, die das Ministerium der Finanzen mit dem Ministerium für Justiz abgestimmt und widergespiegelt hat.
- Sehr geehrter Herr Kollege, dass sich wirtschaftliche Einsparungen auf einen längeren Zeitraum besonders gut rechnen, ist Ihnen bekannt, ist mir bekannt, wird aber nichts an der Zustimmung meiner Fraktion ändern.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Stritzl. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Klaus-Peter Puls.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD-Landtagsfraktion wird dem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Neuordnung von Amtsgerichtsbezirken zustimmen. Der Regierungsentwurf sieht vor, fünf kleinere Amtsgerichte in SchleswigHolstein zu schließen und ihre Bezirke angrenzenden Amtsgerichten zuzuordnen. Für jeden einzelnen Standort, für Kappeln, für Geesthacht, für Bad Schwartau, für Mölln und für Bad Oldesloe, ist das ein schmerzhafter Standortverlust. Denn alle Bürgerinnen und Bürger, die die öffentliche Dienstleistung Justiz in Anspruch nehmen wollen oder müssen, möchten ihr Gericht schnell erreichen und ihren Fall von qualifizierten Richtern und Rechtspflegepersonal ohne zeitliche Verzögerung und ohne inhaltliche Mängel schnell bearbeitet und erledigt haben.
An jedem der 27 Amtsgerichtsstandorte in Schleswig-Holstein gibt es Gründe, die für die Erhaltung des örtlichen Amtsgerichts sprechen. Für jeden der fünf Amtsgerichtsstandorte, die zur Schließung vorgesehen sind, sind in der parlamentarischen Anhörung, die wir durchgeführt haben, solche Gründe vorgetragen worden. Unsere regionalen Vertreter in der Fraktion haben diese Gründe bei uns in verschiedenen intensiv geführten Diskussionen vehement vorgetragen.
Wir sind nach Auswertung der Anhörergebnisse gleichwohl dabei geblieben, dass die vorgesehene Amtsgerichtsstrukturreform die Leistungsfähigkeit unserer dann noch 22 Amtsgerichte in SchleswigHolstein insgesamt auf hohem Niveau stabilisiert und insbesondere im Landgerichtsbezirk Lübeck, wo vier Amtsgerichte geschlossen werden sollen, zu einer Effizienzsteigerung der verbleibenden Gerichte führen wird.
Alle Amtsgerichte in Schleswig-Holstein werden dann den fachlichen Vorgaben des Justizministers entsprechen, die für eine auch in Zukunft leistungsfähige Amtsgerichtseinheit einen Personalbestand von mindestens acht Richtern oder Richterinnen und eine Gesamtbeschäftigtenzahl von 65 bis 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorsehen.
Geht man davon aus, dass jedes Amtsgericht für jede der vier regelmäßig zu erfüllenden Kernaufgaben amtsrichterlicher Tätigkeit - Zivilrecht, Familienrecht, Strafrecht und freiwillige Gerichtsbarkeit - eine qualifizierte und fachlich spezialisierte Richterpersönlichkeit verfügbar und im Einsatz haben sollte, so kommt man, wenn man gleichzeitig der Auffassung ist, dass es jederzeit möglich sein muss, diese Person zu vertreten, auf eine Zahl von
Diese Größenordnung wird von den zur Schließung vorgesehenen fünf Amtsgerichten zum Teil eben nicht einmal annähernd erreicht. Mölln ist mit nur drei Richtern besetzt, Kappel und Geesthacht mit jeweils 3,5, Bad Oldesloe mit 4,5 und Bad Schwartau mit 5,5 Richtern, jeweils gemessen in Arbeitskraftanteilen.
Auch die für eine effektive und qualifizierte Dienstleistung erforderliche Gesamtbeschäftigtenzahl von 67 wird in den fünf Amtsgerichten bei Weitem nicht erreicht. In Mölln und Geesthacht sind jeweils nur 24, in Kappeln 27, in Bad Oldesloe und Bad Schwartau jeweils 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.
Die Amtsgerichtsbezirke der zur Schließung vorgesehenen Amtsgerichte werden angrenzenden Amtsgerichten zugeordnet. Für jeden Bürger und jede Bürgerin - das ist unsere Auffassung - werden die mit der Aufhebung der genannten Amtsgerichte im Einzelfall verbundenen längeren Anfahrtswege zumutbar bleiben. Dasselbe gilt für die Arbeitswege der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu aufnehmenden Nachbargerichten und dies gilt auch für die Reisewege der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.
Wenn mit der Reform, wie vorgesehen, gleichzeitig Gebietsteile aus den Bezirken der aufnehmenden Amtsgerichte Schwarzenbek, Lübeck und Ahrensburg bestehen bleibenden Nachbargerichten zugeschlagen werden, so werden insbesondere im Landgerichtsbezirk Lübeck die vergrößerten Amtsgerichte den Recht suchenden Bürgerinnen und Bürgern sogar noch bessere Servicemöglichkeiten bieten können, und es besteht endlich auch die Möglichkeit, die in fünf Liegenschaften zerfledderte Amtsgerichtslandschaft in Lübeck selbst neu zu ordnen und örtlich und organisatorisch zu konzentrieren.
Die Amtsgerichtsstrukturreform ist nicht als Sparmaßnahme konzipiert. Sie ist justizfachlich begründet, dennoch ist sie wirtschaftlich. Die Zahlen sind dem Gesetzentwurf beigefügt. Sie sorgt außerdem für eine insgesamt ausgewogene Amtsgerichtsstruktur in Schleswig-Holstein.
Herr Kubicki hat darauf hingewiesen, dass schon vor 30 Jahren eine Amtsgerichtsreform stattgefunden hat. Herr Kubicki, das ist richtig. Schon in den 70er-Jahren sind von den im Jahre 1969 noch vorhandenen 60 Amtsgerichten rund 30 geschlossen worden, und zwar vorrangig und vor allem im nördlichen und westlichen Landesteil. Die Reform war
damals aber unvollständig. Im Landgerichtsbezirk Lübeck ist die Anpassung der Amtsgerichtsgrößen nämlich weitgehend unterblieben. Ein im Norden verbliebenes kleines Amtsgericht Kappeln und vier kleinere Amtsgerichte im Osten und Südosten des Landes sollen mit dem heutigen Gesetzesbeschluss, sozusagen nachträglich, aufgehoben werden.
- Ich komme zum letzten Satz. - Die wichtige öffentliche Dienstleistung der amtsgerichtlichen Versorgung ist damit in allen Landesteilen SchleswigHolsteins wieder gleichgewichtig vorhanden.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Keiner der angehörten Verbände, Gerichtspräsidenten und kommunalen Vertreter erwartet von der hier vorgelegten Neustrukturierung eine Verbesserung der Rechtsprechung in SchleswigHolstein. Im Gegenteil. Die Feststellung, dass diese Reform bar jeder fachlichen Begründung erfolgt, zieht sich durch die gesamte Phalanx der Stellungnahmen. Die Erwartung der Landesregierung übrigens, dass diese Amtsgerichtsstrukturreform eine 30-jährige Debatte nun endlich abschließen und dann für viele Jahre Bestand haben werde, kann sich auch nicht erfüllen. Denn längst befindet sich die große Justizreform, die mit erheblichen Aufgabenverlagerungen einhergehen würde, bundesweit in der Diskussion.
Wir können also das Fazit ziehen - dazu brauchen wir gar nicht lange auszuholen -: Diese Reform tut nur Wenigen weh und sie stößt nur lokal auf Ablehnung. Das kann eine große Koalition locker verkraften. Der Minister kann zeigen, dass er in der Lage ist, etwas zu gestalten. Ob sie wirklich Geld spart oder ob sie durch Investitionen, wie im Ausschuss diskutiert, nicht möglicherweise sogar teurer wird, das steht alles in den Sternen.
Trotzdem werde ich hier nicht den Populisten spielen und sagen, alle Reformen seien schlecht. Denn ich denke, wir sollten nach vorn blicken und die Frage stellen: Wie könnte sich die Justiz in Zukunft weiterentwickeln?
Die große Justizreform, über die bundesweit diskutiert wird, geht davon aus, dass es nur noch eine Art von Eingangsgerichten gibt. Das heißt, Landgerichte und Amtsgerichte werden zusammengeführt. Damit stellt sich natürlich die Strukturfrage für sämtliche Standorte neu. Das ist auch der Grund, warum wir den Gesetzentwurf ablehnen werden. Wenn wir ohnehin eine völlig neue Struktur brauchen, dann ist es nicht besonders sinnig, jetzt einzelne Gerichte zu schließen und dafür neue Investitionen an anderen Standorten zu tätigen, obwohl man noch gar nicht weiß, wie die zukünftige neue Gesamtstruktur aussehen soll.
Bei einer zukünftigen Reform ist es möglich, dass die Zahl der Gerichtsstandorte wesentlich reduziert wird.
Es gibt zahlreiche Lebenssituationen von Menschen, die einen unkomplizierten und ortsnahen Zugang zum Gericht erforderlich machen. Das ist auch immer in der Diskussion gewesen. Dies gilt zum Beispiel für die Beantragung eines Erbscheins, für die Unterstützung eines ehrenamtlichen Betreuers, für die Einsicht in das Vereins- oder Handelsregister und auch die Einsicht in das Grundbuch ist ein Beispiel dafür. Auch die Zusammenarbeit der Gerichte mit den anderen Einrichtungen wie Jugendämtern, Schuldnerberatungsstellen, kommunalen Betreuungsbehörden, Polizei und anderen ist bei der Veränderung von Amtsgerichtsbezirken zu berücksichtigen. Damit stellt sich aber hinsichtlich der Gerichtsstruktur im Grunde die gleiche Frage wie hinsichtlich der gesamten Verwaltungsstruktur: Wie kann ich die Aufgaben effizient gestalten und gleichzeitig hoch spezialisiert und fachkundig erledigen, aber dennoch eine bürgernahe Ansprechbarkeit erreichen?
Nach langer Diskussion haben wir einen Vorschlag zur Verwaltungsstrukturreform gemacht, wobei wir gesagt haben: Wir wollen eine Struktur, bei der der Bürger vor Ort, im Rathaus, in den Gemeinden und Städten alle seine Angelegenheiten erledigen kann und für alle Fragen Ansprechpartner gewinnt. - Was bedeutet das für die Justizreform?
Erstens. Wir brauchen natürlich Gemeinden, die eine gewisse Größenordnung haben. Das ist klar. Darüber sind wir uns mittlerweile wohl zunehmend einig, bis auf Teile der schwarzen Fraktion.
Zweitens. Wir müssen die Behördenstrukturen neu denken und von der Idee Abschied nehmen, dass Behördenmitarbeiter immer nur in ihrer eigenen Behörde arbeiten können und müssen. Dann können Gerichte durchaus radikaler zusammengeführt