Protokoll der Sitzung vom 26.05.2005

Der Zugang zu einer tiefgehenden Kultur, die länger als fünf Minuten fasziniert, wird diesen Menschen immer weniger angeboten. Ich glaube, dass die kulturelle Erziehung für unsere Gesellschaft in Zukunft noch viel wichtiger wird, als wir es bisher ahnen. Wie sagte doch Grillparzer:

„Kunstliebe ohne Kunstsinn bringt bei Fürsten wenig Gewinn, sie öffnet Kunstschwätzern ihr Ohr und die Kunst bleibt einsam wie zuvor.“

Ich glaube deshalb, Grillparzer hätte unserem Antrag zugestimmt. Jetzt haben Sie die Chance dazu.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Jürgen Feddersen [CDU]: Kunst kommt von Können! - Hans-Jörn Arp [CDU]: Ich habe schon bessere Beiträge von Ihnen gehört!)

Vielen Dank. - Bevor ich das Wort dem nächsten Redner erteile, möchte ich sehr gern die Teilnehmer eines Seminars für Öffentlichkeitsarbeit an der Hermann-Ehlers-Akademie in Kiel als Besucher auf der Tribüne herzlich begrüßen. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Wilfried Wengler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Kulturpolitik muss im Kabinett vorkommen“. Mit diesem

(Wilfried Wengler)

Imperativ ist der Antrag der Grünen überschrieben. Jedoch: Kulturpolitik für Schleswig-Holstein muss gestaltet, gepflegt und ressortübergreifend unterstützt werden.

(Beifall bei der CDU)

Nur das Vorkommen im Kabinett reicht hier nicht aus. Daher ist es nur folgerichtig, dass der Ministerpräsident die Kulturpolitik zur Chefsache erklärt und gesagt hat, dass sie ihm, wie er es uns gestern erklärt hat, eine Herzensangelegenheit ist. Höher lässt sich dieses Thema in unserem Land wohl kaum aufhängen.

(Thomas Stritzl [CDU]: Sehr richtig!)

Den Koalitionsvereinbarungen entsprechend ist die Kulturabteilung in der Staatskanzlei angesiedelt

(Anke Spoorendonk [SSW]: Liegt sie 2,5 m hoch oder wie sehe ich das?)

- Frau Spoorendonk, hören Sie erst einmal zu - und dem Staatssekretär Maurus zugeordnet. In dieser Entscheidung steckt eine große Chance sowohl für das Kulturleben in Schleswig-Holstein als auch für eine erfolgreiche und zielstrebige Kulturpolitik des Landes.

Diese Vorgehensweise hat in der Öffentlichkeit und bei den Beteiligten zu unterschiedlichsten Reaktionen geführt: von hoffnungsvollen Erwartungen bis zu ernsten Bedenken, von einer Kultur als leuchtendem Faktor bis zu einer Kultur ohne Kopf. Eines aber spiegeln alle Beiträge wider: eine große Erwartungshaltung. Daher sollte man dieser neuen Struktur die Gelegenheit geben, sich zu bewähren, bevor man vorschnell urteilt.

(Beifall bei CDU, FDP, SSW und vereinzelt bei SPD)

Herr Hentschel, glauben Sie mir: Sie wird sich bewähren.

Schleswig-Holstein verfügt über eine vielfältige und attraktive Kulturlandschaft mit unterschiedlichsten regionalen Ausprägungen:

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

vom Feuerwehrmuseum in Norderstedt über die Eutiner Festspiele, die Theaternacht in Kiel und dem wiedererstandenen Globus in Schleswig bis hin zum Sylter Heimatmuseum in Keitum. Diese Beispiele sind zufällig gewählt und bei weitem nicht vollständig. Ich habe sie nur genannt, um nicht nur die renommierten und international anerkannten Ereignisse wie zum Beispiel das Schleswig-Holstein-Festival oder die Ars Baltica zu nennen.

Es gilt, diese Kulturlandschaft von zahlreichen öffentlichen und privaten Aktivitäten und Einrichtungen zu stärken und auszubauen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Es gibt aber auch noch einen weiteren Aspekt: Für den Tourismus in Schleswig-Holstein ist das breit gefächerte Angebot an kulturellen Ereignissen und Institutionen eine nicht zu unterschätzende Attraktion.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Damit wird die Kultur zu einem zunehmend bedeutenderen Wirtschaftsfaktor unseres Landes.

(Beifall bei der CDU)

Unter dem Gesichtspunkt unserer schwierigen Haushaltslage sind im Kulturbereich eine gut funktionierende Zusammenarbeit aller Beteiligten, ein hohes Engagement und viele gute Ideen gefragt. Dr. Klug hat in seiner Presseinformation sicherlich zu Recht beklagt, dass das Kulturbudget in den letzten 14 Jahren real um ein Fünftel geschmolzen ist.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Siehe da, Herr Hentschel!)

Wir wollen trotzdem der Bedeutung gerecht werden, die der Kultur zusteht.

(Beifall bei CDU, FDP und vereinzelt bei der SPD)

Ich setze daher volles Vertrauen in unsere neue Kulturbeauftragte Caroline Schwarz.

(Beifall bei CDU und FDP)

- Ich komme in Zeitnot, wenn Sie so weitermachen. - Ehrenamtliches Engagement ist immer zu begrüßen. Das bedeutet keineswegs, dass die anstehenden Aufgaben qualitativ schlechter erfüllt werden als von einer hauptamtlichen Kraft. Im Gegenteil: Ich bin mir sicher, dass es Caroline Schwarz mit ihrem Wissen, ihrer Erfahrung und ihrem Elan sowie bei Unterstützung durch die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatskanzlei gelingen wird, den der Kultur angemessenen Stellenwert zu vertreten und das ererbte finanzielle Defizit mittelfristig auszugleichen.

Wir wollen eine Kulturpolitik für Schleswig-Holstein machen. Wir bauen auf der Kulturpolitik der letzten Jahre auf und stehen für eine inhaltlich qualifizierte und auf die Anforderungen der Zukunft ausgerichtete Kulturpolitik. Die Aussage, Kultur ist Chefsache, impliziert, dass es der Koalition Ernst ist und dass sie es auch ernst meint mit der Kultur.

Bitte kommen Sie zum Schluss.

Ja, ich werde mich bemühen. - Es kommt auf die Inhalte an und nicht darauf, ob auf der Verpackung Kulturstaatssekretärin oder Kulturstaatssekretär steht.

Meine Damen und Herren von den Grünen, wir werden Ihren Antrag daher ablehnen. Wir empfehlen Ihnen, den Antrag von CDU und SPD zu unterstützen. Sie sollten nicht der Verführung unterliegen, aus populistischen Motiven die Struktur verändern zu wollen, bevor erste Arbeitsergebnisse vorliegen und gegebenenfalls eine sachliche Kritik angebracht ist. Sie sollten stattdessen Ihre Kraft und Ihre Ideen in die gemeinsame Arbeit einbringen, damit Kultur ein erfolgreicher Standortfaktor für Schleswig-Holstein bleibt.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herr Wengler, wir haben Ihnen 20 % Zuschuss zu Ihrer Redezeit gegeben. Ich denke, das war gerecht bei Ihrer zweiten Rede.

Für die SPD-Fraktion hat Dr. Henning Höppner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sagen, ich habe den Antrag der Grünen nicht so recht verstanden. Kulturpolitik muss im Kabinett vertreten sein? Dahinter steht wohl die Forderung, dass man für Kultur einen eigenen Staatssekretär oder zumindest jemanden, der den gleichen Namen hat, braucht, um das deutlich zu machen.

Liebe Freunde von den Grünen, lassen Sie mich einen historischen Vergleich anstellen. Bis zum Frühjahr 2002 haben wir ein Ministerium für ländliche Räume und ein Umweltministerium gehabt. Es hat zwei Staatssekretäre gegeben; einen Umweltstaatssekretär und einen Staatssekretär im Ministerium für ländliche Räume. Beide Ministerien sind zusammengepackt worden und es hat im Umweltministerium einen Staatssekretär gegeben, der beide Teile abgedeckt hat. Offensichtlich wurde nicht die Frage gestellt, ob die Agrarpolitik nun im Kabinett vertreten ist. Wenn ein Staatssekretär oder der Chef der Staatskanzlei zwei Aufgabenbereiche vertritt, dann muss dies so akzeptiert werden können. Wir haben das im Bereich der Agrarpolitik auch einfach so hingenommen beziehungsweise so getragen.

Lassen Sie mich etwas zu meinem Kulturverständnis sagen. In unserer Verfassung beschreiben wir zum Beispiel einen Begriff von Kulturhoheit, der die Bereiche Bildung, Wissenschaft, Forschung und die allgemeine Kulturarbeit umfasst. Hiermit sind in den Bundesländern die umfangreichsten und größten Aufgaben ebenso wie die größten Haushaltsbereiche beschrieben. Die Verfassung unseres Landes legt diesen Begriff - wie das Grundgesetz - in zwei Artikeln dar. Artikel 8 beschreibt die Grundsätze unseres Schulwesens. Artikel 9 beschreibt die Förderung von Kultur. In Artikel 9 wird in Absatz 1 die Landesaufgabe beschrieben, Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre zu fördern und zu schützen. Das tun wir mit unseren Hochschulen. Die Kunst fördern wir durch die Kunsthochschule, die Muthesius-Hochschule für Kunst.

Absatz 2 beschreibt die Förderung der Kultur als Aufgabe des Landes, der Gemeinden und der Gemeindeverbände. Kulturförderung verstehe ich also ganz wesentlich als eine Gemeinschaftsaufgabe und auch als eine Aufgabe, die im Wesentlichen die Kommunen zu leisten haben.

Kultur lebt von der Freiheit des Geistes und von den Freiräumen, die die Kulturschaffenden für sich selbst definieren. Im Bereich der Bildung hat der Staat Eingriffsrecht. Er hat die Aufsicht über das gesamte Schulwesen. Der Staat muss - vertreten durch die Landesregierung und die Landesverwaltung - steuern, um es einfach zu sagen. Das sieht im Kulturbetrieb ganz anders aus. Vielfach laufen große Kulturbereiche und große Kulturbetriebe mit oder ohne Förderung des Landes über viele Jahre hinweg völlig reibungslos, ohne dass wir uns hier im Parlament oder staatlicherseits damit beschäftigen. Das wissen wir aus eigener Erfahrung.

Lieber Kollege Dr. Klug, wenn ich mich richtig erinnere, dann haben wir uns in der 15. Wahlperiode mit keinem Tagesordnungspunkt im Landtag oder im zuständigen Bildungsausschuss und mit keinem einzigen Antrag beispielsweise mit den Themen Theater und Klangkörper beschäftigt. Ich will es nicht heraufbeschwören, aber man merkt deutlich, dass man auch ohne große Debatten und ohne große staatliche Förderung Kultur fördern kann.

Staatsferne ist der Grundsatz des Artikels 5 unseres Grundgesetzes. Er steht für die Freiheit von Presse, Funk und Fernsehen und ebenso für die Freiheit von Kunst und Kultur. Obwohl die breite Bevölkerung täglich und oft ganze Teile des Tages Medienkonsum betreibt, haben wir zu keiner Zeit hier in SchleswigHolstein eine Staatssekretärin oder einen Staatssekretär für Medien gehabt. Ich kenne viele kulturschaf

(Dr. Henning Höppner)

fende und kulturengagierte Bürgerinnen und Bürger, die mit dem Hinweis auf die aktuelle Diskussion um die Platzierung der Kultur in der Landesregierung sagen, dass Sie sich Ansprechpartner in der Landesverwaltung wünschten, etwa in der Kulturabteilung, die in ihren personellen Bereichen genauso erhalten ist wie bisher. Sie sagen aber auch, dass sie keine staatliche Steuerungsstelle brauchen.