Protokoll der Sitzung vom 26.05.2005

fende und kulturengagierte Bürgerinnen und Bürger, die mit dem Hinweis auf die aktuelle Diskussion um die Platzierung der Kultur in der Landesregierung sagen, dass Sie sich Ansprechpartner in der Landesverwaltung wünschten, etwa in der Kulturabteilung, die in ihren personellen Bereichen genauso erhalten ist wie bisher. Sie sagen aber auch, dass sie keine staatliche Steuerungsstelle brauchen.

Die SPD-Fraktion hat für sich entschieden, dass die Vertreter ihrer Fraktion verstärkt am Kulturleben im Land teilnehmen wollen und sollen. Wir werden uns dort, wo sich im Lande Kultur darstellt, beispielsweise auf Veranstaltungen, Ausstellungen und Aktionen, verstärkt zeigen. Ich habe zwar Verständnis für all diejenigen Kollegen, die nicht vorrangig von kulturellen oder kulturwissenschaftlichen Themen beseelt sind, aber ich glaube, dass wir als Parlamentarier dieses Landes das Kulturleben stärker wahrnehmen sollten und auf diese Weise denjenigen Referenz erteilen sollten, die sich im kulturellen Bereich engagieren. Das ist besser, als wenn wir dies einem Staatssekretär oder den staatlichen Aufgaben der Landesverwaltung überließen.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und CDU)

Der Kollege Wengler hat es gesagt. Wir bitten um Ablehnung des Antrags der Grünen und um die Zustimmung zum gemeinsamen Antrag von CDU und SPD.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zuordnung der Kulturpolitik zum unmittelbaren Zuständigkeitsbereich des Ministerpräsidenten hat nach der Regierungsbildung ein gewisses Aufsehen erregt. Es ist jedoch eindeutig Sache der Regierung, wie sie ihre Arbeit organisiert. Zumindest die Überschrift des Antrags der Grünen, „Kulturpolitik muss im Kabinett vorkommen“, ist insoweit ein wenig merkwürdig, als nach volkstümlichem Verständnis der Regierungschef eines der herausragenden Vorkommnisse einer Regierung darstellt. Das würde ich zumindest meinen.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Ich interpretiere das jetzt einmal, dann kommen wir vielleicht auf einen gemeinsamen Nenner. Gemeint ist sicher Folgendes: Die Kulturpolitik darf nicht zum

fünften Rad am Wagen der Staatskanzlei werden. Für den Erfolg der schleswig-holsteinischen Kulturpolitik kommt es weniger darauf an, wo die Zuständigkeit innerhalb der Landesregierung angesiedelt ist. Vielmehr kommt es darauf an, was im Land materiell für die Entwicklung von Kunst und Kultur zuwege gebracht wird.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Ministerpräsident Carstensen wird die Skeptiker dann überzeugen, wenn er in der Kulturpolitik unseres Landes tatsächlich neue Akzente setzt. Er darf sich nicht damit begnügen, bei bedeutungsvollen Kulturevents nur die landesväterlichen Eröffnungsansprachen zu halten. Insoweit begrüßen wir nachdrücklich die Aussage, die Herr Carstensen gestern in seiner Regierungserklärung gemacht hat, nämlich dass er sich der Themen Kunst und Kultur wirklich als Herzensangelegenheit annehmen wird. Für meine Fraktion möchte ich hinzufügen: Herr Carstensen, falls es notwendig werden sollte, wären wir auch in der Lage, einen kulturpolitischen Herzschrittmacher bereitzustellen. Das ist dann im Zweifelsfall auch die Aufgabe des Landesparlaments. Es kommt also darauf an, dass Sie die Spötter widerlegen, die sagen, es sei schon zufrieden stellend, dass die Kultur nicht beim Landwirtschaftsministerium gelandet sei, frei nach dem Motto, die Kulturpflanzen machen die dort ja auch schon.

Auf die betrübliche Entwicklung der realen Ausstattung des Kulturetats hat Herr Wengler hingewiesen. Das Ergebnis meiner Kleinen Anfrage brauche ich also nicht mehr im Detail anzusprechen. Ich möchte in aller Kürze zu dem Thema Kulturpolitik und dem, was in dieser Wahlperiode vielleicht noch ansteht, vier kurze Stichpunkte hinzufügen. Nach dem Bericht, der später kommt, werden wir darüber noch eine längere Aussprache haben.

Punkt 1. Das Land muss klar definieren, wo es im Dreieck zwischen der Landesebene, den kommunalen Gebietskörperschaften und dem privaten und bürgerschaftlichen Engagement seine zentrale kulturpolitische Aufgabe sieht. Diese Aufgabe liegt nach meinem Dafürhalten einmal darin, für die großen Leuchttürme im Kulturbereich zu sorgen. Ich nenne als Beispiel die Stichworte Landesmuseen, Musikhochschule Lübeck, Muthesius-Kunsthochschule und SchleswigHolstein Musik Festival.

Es ist aber auch Aufgabe des Landes, dafür zu sorgen, dass die Vernetzungsstrukturen im Kulturbereich weiter existieren können, die wir dringend brauchen, und zwar unter anderem auch zur Talentförderung. Ein Beispiel für viele ist etwa der Landesmusikrat, dessen Möglichkeiten durch eine langjährige Auszeh

(Dr. Ekkehard Klug)

rung inzwischen wirklich sehr begrenzt sind. Da wäre zu überlegen, ob man nicht aus Teilen dessen, was das Ministerium bisher selbst gemacht hat, Projektmittel oder andere Tätigkeiten auskoppelt und das dann im Rahmen einer Zielvereinbarung Institutionen wie dem Landesmusikrat überträgt. Das wäre eine Möglichkeit, auch solche für die kulturelle Entwicklung in unserem Land wichtige Strukturen wieder zu beleben und neue Spielräume beziehungsweise neue Tätigkeitsfelder zu eröffnen.

Punkt 2. Ich meine, neue Akzente sollten insbesondere durch kulturpolitische Initiativen im Rahmen der Ostseezusammenarbeit in Anknüpfung an das, was mit Ars Baltica schon vorhanden ist, entwickelt werden, etwa in Form themenbezogener Ausstellungen, Kulturwochen, Symposien oder Initiativen anderer Art, die dann von den Ostseeanrainerstaaten nach einem gemeinsamen Konzept im Sinne der Stärkung einer gemeinsamen Identität dieser Regionen im Norden Europas durchgeführt werden. Das ist ein Anliegen, dem sich nicht nur die Regierung öffnen kann, sondern auch wir können im Rahmen der Ostseeparlamentarierkonferenzen Anstöße in diese Richtung geben.

Punkt 3. Das ist sozusagen eine Kooperation auf etwas kleinerer Ebene. Dabei geht es um eine deutliche Belebung beziehungsweise Intensivierung der kulturpolitischen Zusammenarbeit im deutsch-dänischen Grenzraum, wo immer möglich, unter Einbeziehung der Minderheiten, eine Initiative, die sowohl die Gemeinsamkeiten dieser Region, die sozusagen zwei unterschiedlichen Staaten zuzuordnen sind, deutlich macht, die aber auch unterschiedliche nationale oder regionale Perspektiven verdeutlicht. Das wäre etwas, was für die Identitätsbildung im Sinne der Bevölkerung der Region wichtig wäre, aber auch ein attraktives Kulturangebot für die vielen Gäste, die in den Landesteil Schleswig oder auch in den Süden Dänemarks kommen, sein könnte.

Bitte kommen Sie zum Schluss, Herr Dr. Klug.

Mir steht offensichtlich keine Redezeit mehr zur Verfügung. Der letzte Punkt, den ich ansprechen wollte, betrifft das Thema „Revitalisierung der Kulturstiftung des Landes“. Darüber könnten wir dann vielleicht in der 5. Tagung im Rahmen der Aussprache über den Bericht der Landesregierung etwas ausführlicher reden.

(Beifall)

Das Wort für den SSW im Landtag hat die Vorsitzende Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kulturpolitik ist ein Politikfeld, das es zu meinem großen Bedauern zu selten auf die Tagesordnung des Landtages schafft. Die ungeheure Vielfalt der Kulturlandschaft sollte nicht ausschließlich der Exekutive vorbehalten bleiben. Ich wiederhole hier einen Standpunkt, den der SSW in der Vergangenheit immer wieder hervorgehoben hat, nämlich dass das Parlament der geeignete Ort ist, um sich über die Ausgestaltung der Kulturpolitik und die Förderung der Kulturszene zu streiten und zu einigen. Das sage ich auch selbstkritisch; denn auch wir haben in der Vergangenheit zu wenig dazu beigetragen, dass dieses grundlegend geändert wurde.

Aus der Antwort auf die Kleine Anfrage des Kollegen Klug wissen wir, dass der Stellenwert der Kulturförderung im Landeshaushalt in den letzten Jahren dramatisch abgenommen hat. An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich dafür bedanken, dass nun die Zahlen auf dem Tisch liegen.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

- Das ist natürlich richtig, lieber Kollege. Trotzdem freuen wir uns darüber, dass wir das jetzt noch einmal gebündelt bekommen haben.

Ich stimme damit überein, dass das reale Absinken des finanziellen Engagements des Landes einer Austrocknung der Kulturpolitik gleichkommt. Wenn das Land seine Funktion ernst nehmen möchte, nämlich die Kulturhoheit auszuüben, muss die Förderung kulturellen Lebens verstetigt werden.

(Beifall bei SSW und FDP)

So dankenswert die Arbeit der Freiwilligen und der vielen privaten Stiftungen auch ist: Eine lebendige Kultur ist auf eine sichere Förderung angewiesen. Genau darum geht es dem SSW bei der Frage, ob nun die Kulturpolitik an den Kabinettstisch gehört.

Der Ministerpräsident hat Caroline Schwarz zur Kultur- und Minderheitenbeauftragten ernannt. Er hat ihr eine schwere Bürde zugemutet. Renate Schnack war bereits terminlich sehr gefordert und sie war ausschließlich für die Minderheiten zuständig. Anders die derzeitige Struktur: Caroline Schwarz ist neben ihrem Engagement für die Minderheiten auch noch ehrenamtliche Kulturbeauftragte der Staatskanzlei. Ich befürchte, dass sie bei allem guten Willen schon

(Anke Spoorendonk)

sehr schnell an ihre zeitlichen Grenzen stoßen wird. Aber ich halte auch nichts davon, in einen Ablehnungsautomatismus zu verfallen, wenn es um Neuerungen geht. Unabhängig von der Materie gilt für den SSW stets der Grundsatz, dass man Politik am besten an ihren Taten messen sollte. Das gilt auch und gerade für die Kulturpolitik. In Klammern bemerkt: Ich denke, es steht jeder Regierung zu, sich selbst zu organisieren und Zuständigkeiten festzulegen.

(Beifall bei SSW, CDU und FDP)

Ich möchte daher an alle appellieren, erst einmal ein wenig Zeit ins Land gehen zu lassen. Caroline Schwarz hat in einigen Interviews darauf hingewiesen, dass die Kulturlandschaft mit der neuen Struktur nun drei Ansprechpartner habe: den Ministerpräsidenten als zuständigen Kulturminister, den Chef der Staatskanzlei als Kulturstaatssekretär und die Beauftragte. - Auf den ersten Blick mag das so sein. Bei allem Verständnis muss aber auch der Hinweis gestattet sein, dass sich weder der Ministerpräsident noch sein Staatssekretär bisher in diesem Bereich hervorgetan haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Heiterkeit)

Engagement und Begeisterung reichen eben nicht aus. Mit anderen Worten: Vom Fach ist allein die ehrenamtliche Beauftragte. Hier gilt es dafür zu sogen, dass diese Ehrenamtlichkeit nicht überstrapaziert wird; denn, wie gesagt: Sowohl in der Minderheitenpolitik als auch in der Kulturpolitik gibt es viel zu tun. Wer Caroline Schwarz kennt, weiß, dass es ihr nicht liegt, einfach die „Grußtante“ zu sein. Es besteht also der Bedarf, sich noch einmal in Ruhe mit der Funktionsfähigkeit dieser Strukturen zu befassen. Das werden wir tun. Wir werden auch anlässlich des Berichts der Landesregierung die Möglichkeit erhalten, uns über Schwerpunkte und Akzente auseinander zu setzen, wie es der Kollege Klug vorhin vorgeschlagen hat.

Noch ein Satz, Frau Präsidentin. Ich finde Zitate zum Thema Kultur immer schön. Sowohl der Kollege Hentschel als auch der Kollege Wengler hatten einige Zitate, die man nachlesen kann. Auch ich habe eines. Das schönste ist aus meiner Sicht immer noch das Zitat eines dänischen Künstlers. Dieses Zitat hat den Vorteil, dass man es ohne weiteres übersetzen kann. Er kommt also mit der Frage: Was ist denn nun Kultur? - Die Antwort lautet: Damit reibt man Möbel ein.

(Beifall beim SSW)

Das Wort für die Landesregierung hat nun Ministerpräsident Peter Harry Carstensen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich - genauso wie der Kollege Dr. Höppner - gefragt, was denn dieser Antrag nun soll. Ich bin ja ein positiv denkender Mensch; das zeichnet mich aus. Ich habe das anschließend, Herr Kollege, als Lob verstanden. Es ist nämlich das erste Mal, dass eine Regierung etwas beschlossen und gemacht hat, bevor die Opposition einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Wir sind schneller als Sie, meine Damen und Herren, wesentlich schneller.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ihr Antrag ist vom 5. Mai. Wir hatten vorher schon beschlossen, dass Kulturpolitik des Landes nach der Verlagerung in die Staatskanzlei in Zukunft einen hohen Stellenwert erhält. Ich kann Ihnen sagen: Bis jetzt habe ich noch nicht gefehlt, sodass Kultur bis jetzt immer auch am Kabinettstisch vorkommt.

(Beifall bei der FDP)

Wenn ich einmal nicht da bin, dann ist mein Staatssekretär oder meine Vertreterin da. Meine Vertreterin ist Frau Ministerin Erdsiek-Rave. Dass sie ein bisschen was mit Kultur zu tun hat, wissen Sie ja wohl auch.

(Beifall bei der CDU)

Da Sie mich gefragt haben, Herr Kollege Hentschel, was denn der sachliche Grund gewesen ist, will ich Ihnen einmal vorlesen, was ich heute in den „Lübecker Nachrichten“ unter dem Titel „Wie stopft Lübeck das 108-Millionen-Loch?“ gefunden habe. Unser Haushaltsloch ist größer; aber ich will Ihnen sagen, was dort steht: Susanne Hillbrecht, die Bewerberin der Grünen um das Amt des Bürgermeisters

(Zuruf von der SPD)

- das ist wohl wahr; aber es steht hier - will an Tabus wie Theater und Musik- und Kongresshalle herangehen.

(Unruhe)

Genau aus dem Grund, damit nämlich nicht immer zuerst an Kultur herangegangen wird, Herr Kollege, haben wir die Kultur in der Staatskanzlei angesiedelt.