Protokoll der Sitzung vom 11.10.2006

nisse beseitigt, die im Rahmen des bisherigen Reformprozesses offenkundig geworden sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eines möchte ich noch einmal sehr deutlich sagen: Ich habe hier noch nie jemanden gehört, der gesagt hat, dass er gegen Verwaltungsreformen sei. Das tut niemand und öffentlich wird immer alles unterstützt. Ich habe allerdings in den letzten anderthalb Jahren erlebt, dass buchstäblich jeder Zentimeter auf diesem Weg entschieden bekämpft wird und deswegen erlauben Sie mir den Freimut zu sagen, dass man bei Verwaltungsreformen Mut haben muss, zumal es den Bürgern völlig egal ist, was wir machen. Denn solange die Verwaltung kostengünstig, professionell und bürgernah bleibt, ist es für die Bürger in Ordnung. Das ist der Punkt, der die Bürger interessiert und an dem wir uns zu messen haben. Denn die Bürgerinnen und Bürger sind unser aller Arbeitgeber.

Die Verwaltung dient den Bürgern und nicht umgekehrt. Insofern hoffe ich auf eine zügige Beratung dieses Zweiten Strukturreformgesetzes, das zum 1. Januar 2007 in Kraft treten kann, und ich glaube, dass die ganztägige Anhörung am 15. November 2006 im Innen- und Rechtsausschuss genau der richtige Weg ist, um zu gewährleisten, dass die Reform im kreisangehörigen Bereich abgeschlossen wird.

Wir haben bisher die kleinteiligste Verwaltung in der gesamten Bundesrepublik, meine Damen und Herren. Wir haben dann in diesem Bereich die Grundlagen für eine wirtschaftliche, professionelle und bürgernahe Verwaltung. Wir können dann die Aufgaben mit Schwung angehen. Wir stärken das politische Ehrenamt, das sich einer professionellen Verwaltung bedienen soll. Denn entscheiden sollen die Ehrenamtler in der Politik und die Verwaltung soll das tun, was die Politik entschieden hat.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Innenminister und gehe davon aus, dass wir uns darin einig sind, dass unsere Art des Seins als Abgeordnete in Art. 11 Abs. 1 der Landesverfassung geregelt ist und wir dies wissen.

Als weiterem Mitglied der Landesregierung erteile ich Herrn Finanzminister Rainer Wiegard das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Kollege Innenminister hat über

(Minister Dr. Ralf Stegner)

die Strukturen gesprochen, ich spreche über die Aufgaben, die den Strukturen vorausgehen.

(Zuruf des Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP]: So sollte es sein!)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden wir Teile der Aufgabenkritik in rechtliche Änderungen umsetzen. Diese Maßnahmen sollen Kosten sparen. Sie sollen durch einfachere Verfahren die Wirtschaftlichkeit von Verwaltung verbessern und vor allen Dingen die Bürgerfreundlichkeit steigern. Die Projektgruppe Verwaltungsmodernisierung hat dazu die erste entscheidende Grundlage geschaffen und gerade die jetzt einsetzenden Diskussionen im Bund und auch in der Europäischen Union über dieses Thema zeigt, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind.

Es zeigt aber auch, dass es darum geht, ziemlich dicke Bretter zu bohren, und bei diesen dicken Brettern ist der Bohrer bei Staatssekretär Klaus Schlie wirklich in den richtigen Händen. Für die ersten Bohrungen, Herr Staatssekretär, danke ich Ihnen und Ihren sechs Mitarbeitern im Referat Verwaltungsmodernisierung ganz herzlich.

(Beifall)

Wir setzen mit diesem Gesetz nach der Aufgabenanalyse und Bewertung die Verwaltungsmodernisierung in erste sichtbare praktische und entlastende Schritte um. Mir sind drei Dinge wichtig, die ich dazu ausführen möchte.

„Gesetz“ steht vorn drauf. Es ist nämlich das erste Gesetz zur Verwaltungsmodernisierung. Meine Damen und Herren, es ist der erste Aufschlag, der „first service“. Es ist ein Anfang, ein erster kleiner Schritt, um Verwaltung schlanker, bürgerfreundlicher und - davon gehen wir aus - wirtschaftlicher zu machen. Bei insgesamt 860 bislang überprüften Aufgaben sind es vor allem die vielen kleinen Aufgaben - das lässt sich schon aus der Vielzahl der Maßnahmen ableiten -, die zu Erfolgen führen. Ich nenne als Beispiel den Verzicht auf bisher gesetzlich vorgeschriebene Berichtspflichten. Im Zuge der laufenden und der noch folgenden weiteren Prüfungen wird die Landesregierung deshalb weitere Verwaltungsmodernisierungsgesetze vorlegen.

Der zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist, dass diese Aufgabenkritik und die Umsetzung dessen, was wir hier erarbeitet haben, Teamarbeit darstellt. Es ist eine Aufgabe für die gesamte Landesregierung, für das gesamte Parlament und natürlich auch für die kommunalen Familienmitglieder, die die Masse dieser Aufgaben umsetzen sollen.

Der durch die Aufgabenkritik ausgelöste Änderungsbedarf wird deshalb nicht allein in diesem Verwaltungsmodernisierungsgesetz sichtbar, sondern in Gesetzen, Verordnungen und weiteren Verfahren von den Ressorts in eigener Verantwortung umgesetzt.

Beispiele: Die Ergänzungen im Landeswassergesetz und im Kommunalabgabengesetz eröffnen den Kommunen die Möglichkeit, die Aufgabe der Abwasserbeseitigung dort flexibler und wirtschaftlicher wahrzunehmen. Die Landesbauordnung bietet eine große Anzahl von Möglichkeiten, bürokratische Hemmnisse abzubauen. Jeder, der damit befasst ist, dieses Gesetz zu bereinigen, zu entschlacken, der weiß, wie groß die Widerstände sind, hier überhaupt zu Ergebnissen zu kommen.

Wir vereinfachen Verwaltung auch im Bereich der Schulverwaltung, im Bereich der Hochschulen, im Bereich des Denkmalschutzes und des Naturschutzes; darüber wird in dieser Woche hier noch zu reden sein.

Das Dritte, meine Damen und Herren, worauf ich aufmerksam machen will, ist, dass Aufgabenabbau vor allem auch eine Aufgabe für den Bund und die Europäische Union ist. Es ist nicht immer nur eine hilfreiche Ausflucht unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn im Zuge von Aufgabenkritik auf mehr oder weniger sinnhafte Vorgaben des Bundes oder vor allem der Europäischen Union hingewiesen wird. Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass offensichtlich auf Bundesebene nun begonnen werden soll, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Die Landesregierung wird hierzu entsprechende Initiativen vorlegen.

Von noch mehr Bedeutung ist allerdings für mich, dass wir als die politisch Verantwortlichen den Hang der Europäischen Union wirksam beenden, alle Lebensbereiche vom Nordkap bis Sizilien bis ins Einzelne zwangsbeglücken zu wollen.

(Beifall bei der CDU)

Die EU-Lärmschutzrichtlinie, meine Damen und Herren, ist nur ein klitzekleines Beispiel, aber mit riesiger Auswirkung. Es mutet für mich als Minister schmerzlich an, wenn man im Bundesrat im Interesse Schleswig-Holsteins gegen die Lärmschutzrichtlinie spricht, dann aber im Interesse SchleswigHolsteins dafür stimmen muss, um Schaden in Form von Zwangszahlungen abzuwenden. Das ist schon außerordentlich schwierig.

Herr Minister, Ihre fünf Minuten sind um.

(Minister Rainer Wiegard)

- Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. - Ich glaube, wir müssen deutlich machen, dass sich die Europäische Union auf die Aufgaben konzentriert, die für die europäische Einigung insgesamt wichtig sind, sich aber nicht um alle Lebensbereiche zu kümmern hat.

Aufgabenreduzierung ist mühevoll. Sie ist aufwendige Kärner- und Detailarbeit. Die Landesregierung setzt dies mit dieser Gesetzesvorlage beharrlich und kontinuierlich um. Dieses Gesetz ist der Beginn eines sehr langwierigen Prozesses. Es ist nicht in seinen Einzelpunkten spektakulär, aber in der Summe der Maßnahmen ist es ein erster konkreter Schritt, dem viele weitere Schritte folgen werden. Auf diesem Weg müssen einige noch einen kräftigeren Gang vorlegen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke der Landesregierung. Die Fraktionen hatten sich auf Zehnminutenbeiträge geeinigt. Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Wilfried Wengler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Zweiten Verwaltungsstrukturreformgesetz erreicht die große Koalition einen weiteren Meilenstein für eine umfassende Verwaltungsstrukturreform in Schleswig-Holstein. Es ist etwas länger als ein Jahr her, dass CDU und SPD vereinbart haben, dass die Verwaltungen im kreisangehörigen Bereich 8.000 bis 9.000 Einwohner betreuen sollen, damit im ganzen Land leistungsstarke, wirtschaftliche und bürgernahe Verwaltungseinheiten gewährleistet werden. Wir haben dabei bewusst auf eine Gemeindegebietsreform verzichtet, denn gerade in den ländlichen Bereichen unseres Landes haben die Gemeinden ebenso wie das mit ihnen verbundene ehrenamtliche Engagement eine unersetzbare Bedeutung.

Die CDU hat im gesamten Prozess auf Freiwilligkeit gesetzt. Die zukünftigen Verwaltungsstrukturen sollten nicht am grünen Tisch entworfen, sondern von den Gemeinden vor Ort gestaltet werden. Hierfür war es zunächst erforderlich, für die Betroffenen Rechtssicherheit zu schaffen. Damit war der ursprüngliche Zielkorridor von 8.000 bis 9.000 Einwohnern nicht zu vereinbaren. Daher wurde schon in den Beratungen für das erste Verwaltungs

strukturreformgesetz eine klare und handhabbare Grenze von 8.000 Einwohnern vereinbart.

Der nächste wichtige Punkt für die CDU ist eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Es muss den Beteiligten überlassen werden, in welcher Form sie miteinander kooperieren wollen und können. Daher ist es auch nicht zwingend, dass Gemeinden fusionieren oder sich zu Ämtern zusammenschließen. Vielmehr sind weitgehende Möglichkeiten zur Bildung von Verwaltungsgemeinschaften eröffnet worden. Dieser Weg hat sich als richtig erwiesen. Derzeit sind fast überall im Land die erforderlichen Schritte getan, um rechtzeitig zu Verwaltungszusammenschlüssen zu kommen. Selbst scheinbar aussichtslose Fälle wie in meinem Wahlkreis die Gemeinde Ellerau haben für sich nunmehr eine geeignete Lösung gefunden. An anderen Stellen hat die Entwicklung eine ungeahnte Eigendynamik bekommen. In Nordfriesland ist inzwischen unter Einbindung der Städte ein Großamt mit circa 40.000 Einwohnern in Vorbereitung.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für derartige Fälle hätte es sicherlich eine Hilfestellung bedeutet, wenn zumindest Gemeinden und Städten mit mehr als 8.000 Einwohnern weiterhin die Berufung eines hauptamtlichen Bürgermeisters ermöglicht worden wäre. Mit dem Gemeindedezernenten wurde aber auch hier auf Betreiben der CDU hin zumindest ein Kompromiss gefunden. Es muss sich in den nächsten Jahren zeigen, ob es in dieser - wie der Innenminister sagte - Rechtsfigur gegebenenfalls zu weiteren Verbesserungen kommen muss.

Die Position der CDU-Fraktion zum ersten Entwurf des Zweiten Verwaltungsstrukturreformgesetzes war eindeutig: Der ursprüngliche Ansatz einer starren Einwohnergrenze, nach der Gemeinden mit eigener Verwaltung mindestens 8.000 Einwohner haben müssen, war sachlich und systematisch nicht haltbar. Hierbei geht es ausdrücklich nicht nur um den Fall Helgoland. Die im jetzigen Entwurf vorliegende Sollbestimmung bedeutet eine Regel, von der in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden kann.

Nehmen wir als einfaches Beispiel einmal eine Gemeinde mit knapp über 8.000 Einwohnern, die durch die Verkettung ungewöhnlicher Umstände kurzfristig die Grenze unterschreitet. Nehmen wir auf der anderen Seite eine wachsende Gemeinde, die die geforderte Einwohnerzahl heute noch knapp verfehlt. Nach dem Ursprungsentwurf befänden sich diese Gemeinden in einem rechtswidrigen Zu

stand und die Landesregierung wäre zum Handeln veranlasst. Daher liegt es auf der Hand, dass in der Tradition von Gemeindeordnung und auch in der Tradition des Ersten Verwaltungsstrukturreformgesetzes, das wir vor nicht allzu langer Zeit beschlossen haben, lediglich eine Regel aufgestellt wurde. Es freut mich, dass hier mit der Lesart einer möglichen Abweichung von 3 % eine gemeinsame Linie gefunden wurde und dass die Geburtenrate dadurch auch in der Gemeinde Oststeinbek endlich nicht mehr beherrschendes Thema ist.

Schließlich wird die Entscheidung für verbleibende Einzelfälle - ich betone das Wort Einzelfälle - auf einer verbreiterten Basis erfolgen. Auch hierfür ist eine solide Grundlage gefunden worden.

Diese Einzelfallentscheidungen bedürfen einer Verordnung der Landesregierung, also einer Entscheidung des gesamten Kabinetts. Die veränderte Verwaltungsstruktur mit größer werdenden Ämtern macht auch eine Anpassung der Amtsordnung erforderlich. Amtsausschüsse, die die Größe von Kreistagen haben, sind mit effizienten Entscheidungsstrukturen und einer nachhaltigen Kontrolle der Verwaltung nicht zu vereinbaren. Es gilt sowohl die Interessen von kleinen Gemeinden an einer Mitsprache als auch die Interessen von Großgemeinden an einer der Einwohnerzahl entsprechenden Stimmgewichtigung zu berücksichtigen.

Der Entwurf des Innenministers kann hier eine praktikable Lösung anbieten. Auch wenn es auf den ersten Blick sehr kompliziert erscheint, wenn die Mitglieder des Amtsausschusses eine unterschiedliche Stimmenzahl repräsentieren, so wird dieses Verfahren schon jetzt in einer Vielzahl von Zweckverbänden praktiziert. Positiv ist auch, dass über diesen Weg die Aufgabe der Amtsversammlung auf den Amtsausschuss übertragen und diese - die Amtsversammlung - abgeschafft werden kann.

Zu einer umfassenden Verwaltungsreform gehören notwendigerweise eine Aufgabenkritik und der Abbau bürokratischer Hemmnisse. Der Bedeutung dieser beiden Punkte hat die große Koalition mit der Einrichtung der Position eines Staatssekretärs für Entbürokratisierung Rechnung getragen. Mit dem derzeit teilweise in der Umsetzung und teilweise noch in der Diskussion befindlichen SchlieBericht wurde eine umfassende Aufgabenkritik begonnen. Ich hoffe, dass durch den Beginn der Diskussion um die Kreisstruktur auch eine Aufgabenkritik und vor allem die beabsichtigte und erforderliche Aufgabe und Übertragung von Aufgaben den entscheidenden Schub bekommen, um die avisierten Synergieeffekte zu erzielen. Um im Bild des Fi

nanzministers zu bleiben: Ich hoffe nicht, dass alle Bretter aus Hartholz sind.

Selbstverständlich müssen die Strukturen an den zukünftigen Aufgaben ausgerichtet werden. Verbunden mit dem Namen Schlie sind auch die bereits in der Landesregierung durchgeführten Maßnahmen zur Verwaltungsvereinfachung, durch die eine Vielzahl von Erlassen endlich abgeschafft werden konnten. Der vorliegende Entwurf eines Ersten Verwaltungsmodernisierungsgesetzes ist eine flankierende Maßnahme. Es ist erforderlich, an allen Stellen zu überprüfen, ob Verwaltungsabläufe in ihrer momentanen Ausgestaltung tatsächlich zeitgemäß sind. Die Bedeutung des Gesetzes liegt daher auch nicht in den Einzelpunkten, sondern sie liegt vielmehr in der Summe der Vorschläge.

Dieses Gesetz ist ein Startschuss für weitere Maßnahmen, die teilweise auch in andere Gesetzgebungsvorhaben einfließen werden. Ich hoffe daher sehr, dass sich der Landtag bei der Beratung nicht in Einzelheiten verstrickt, sondern seinen Willen zum Ausdruck bringen wird, zu einer echten Entbürokratisierung in unserem Land zu kommen. Herr Dr. Stegner, den Mut dazu können Sie bei unserer Fraktion unterstellen.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU-Fraktion beantragt die Ausschussüberweisung der Gesetzentwürfe zur weiteren Beratung.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wengler. - Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Klaus-Peter Puls das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwei Wortungetüme stehen auf der Tagesordnung: Der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Reform kommunaler Verwaltungsstrukturen, Zweites Verwaltungsstrukturreformgesetz, und der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Verwaltung, Erstes Verwaltungsmodernisierungsgesetz.