Protokoll der Sitzung vom 12.10.2006

Hamburg ist bereits jetzt der wirtschaftliche Taktgeber für Schleswig-Holstein. Künftig wird mit Kopenhagen noch ein zweiter Partner dazukommen.

Es ist völlig klar, meine Damen und Herren, dass wir die Chancen und Risiken abwägen müssen, bevor die Entscheidung für den Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung fällt. Dazu liegen bereits über 30 Studien vor. Dies sollte meiner Meinung nach ausreichen, um Ende dieses Jahres - das ist wichtig eine abschließende positive Entscheidung zu treffen.

Ich bin der Landesregierung dankbar, dass sie den Entscheidungsprozess seit nunmehr einem Jahr intensiv vorantreibt. Mit der am 22. September in der Landesvertretung in Berlin veranstalteten Fehmarnbelt-Konferenz hat die Landesregierung ein wichtiges Signal gesetzt. Mit der Anwesenheit des dänischen Verkehrsministers Flemming/Hansen hat die dänische Regierung erneut die Bedeutung der festen Fehmarnbelt-Querung für Dänemark unterstrichen. Alle Beteiligten - also internationale Baukonsortien, Banken, Behörden und die Europäische Union - waren sich darüber einig, dass das Projekt machbar ist. Da sich die Baufirmen, die Banken und die EU für dieses Projekt aussprechen, ist es aus meiner Sicht grob fahrlässig, wenn schleswigholsteinische Abgeordnete auf Bundes- wie auf Landesebene gegen ein solches Projekt Stellung beziehen.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Wir haben hier eine einmalige Chance, ein Jahrhundertprojekt durchführen zu können. Ich vergleiche die Bedeutung mit der des Baus des Nord-OstsseeKanals vor 111 Jahren. Damals nannte man das visionär. Der Ministerpräsident hat in Brunsbüttel kürzlich Herrn Verkehrsminister Steinbrück - nein, es war Herr Minister Tiefensee - gesagt - es war in jedem Fall jemand aus Berlin:

(Heiterkeit)

Herr Minister, wir könnten auch als Visionäre in die Geschichte eingehen, wenn Sie diesem Bau jetzt zustimmen. Der Inhalt war wichtig.

Allerdings höre und sehe ich schon wieder die üblichen Zweifler; seien es die Grünen, was Detlef Matthiessen eben wieder bewiesen hat, der NABU oder der BUND und so weiter. Alle meinen, Argumente in der Hand zu haben, die hinreichend dafür geeignet seien, die Fehmarnbelt-Querung zu verhindern. Da wird damit argumentiert, die EU habe sich hinsichtlich der Finanzierung noch nicht festgelegt. Gerade deshalb sollten wir uns darum kümmern, die Weichen auch bei der EU hier und heute richtig zu stellen. Statt zu argumentieren, die EU werde den notwendigen Zuschuss nicht zahlen, sollten wir doch vielmehr dafür Sorge tragen, dass die EU diesen Zuschuss gewährt. Das ist unsere Aufgabe. Das ist das Signal, das heute von dieser Stelle ausgehen muss.

(Beifall bei der CDU)

Für ihr beliebtes Verwirrspiel verwenden die Gegner immer wieder Beispiele, die weiß Gott nicht mit der Fehmarnbelt-Querung vergleichbar sind. Ich möchte hier nur an den Herrentunnel und an den Warnowtunnel erinnern. Beide Mautprojekte leiden darunter, dass es einfache und kostengünstige Ausweichmöglichkeiten gibt. Welche einfachen und kostengünstigen Ausweichmöglichkeiten sehen Sie bei der Fehmarnbelt-Querung? Das würde mich interessieren! Die Frage müssen Sie beantworten.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil die Touristen lieber mit der Fähre fahren!)

- Das können die allein entscheiden. Lassen Sie denen doch die Möglichkeit, sich zu entscheiden. Das geht doch mit England auch.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht darum, Risiken abzuwä- gen!)

- Sie können doch nicht beurteilen, was für den Markt gut ist. Lassen Sie dem Markt die Chance!

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sagten eben, es gebe keine Ausweichmöglichkeiten!)

- Herr Kollege Matthiessen, Sie waren eben schon dran. Es gehört zum demokratischen Spiel, dass man den politischen Gegner auch einmal aussprechen lässt. Ihre Beiträge sind nicht so interessant, als dass Sie die ganze Zeit reden müssten.

Ich schlage vor, dass wir die weitere Diskussion in den Ausschuss verlegen.

Richtig, das glaube ich auch.

An dieser Stelle ist wieder ein Blick nach Dänemark hilfreich. Liebe Kollegin Spoorendonk, wir gucken gern gemeinsam nach Dänemark. Beide Brückenbauprojekte, die Øresund-Querung und die Große-Belt-Querung, haben alle Erwartungen übertroffen; sowohl bei den Mauteinnahmen als auch bei den Pendlern und bei den Touristenströmen. Die Mauteinnahmen der dänischen Brücken haben sich so gut entwickelt, dass die Maut bereits zweimal gesenkt werden konnte, ohne die Wirtschaftlichkeit der Brücken nachhaltig zu gefährden. Insgesamt konnten sich die Brückennutzer über einen Mautabschlag in Höhe von rund 30 % freuen. Dies zeigt, dass eine mautpflichtige Straßenverbindung sehr wohl wirtschaftlich betrieben werden kann, ohne staatliche Garantien in Anspruch nehmen zu müssen. Ich sehe daher keinen Anlass, warum die Bundesrepublik Deutschland die geforderte Staatsgarantie nicht abgeben sollte. Sämtliche Verkehrsprognosen sind äußerst konservativ gerechnet und selbst auf dieser konservativen Basis rechnet sich die gesamte Brücke.

Lassen Sie mich abschließend noch auf die Hinterlandanbindung eingehen. Für den Kreis Ostholstein und für den Kollegen Klinckhamer ist diese sicherlich von großer Bedeutung. Eine feste Fehmarnbelt-Querung ist nur dann sinnvoll, wenn sie über leistungsfähige Anbindungen verfügt, die die Verkehre zu- und abführen. Auch hier zeigen sich wieder deutliche Unterschiede zwischen Dänemark und Deutschland. Während es in Dänemark parteiübergreifende Einigkeit darüber gibt, 700.000 € aufzubringen und zu investieren, streiten wir uns in Deutschland über 1,2 Milliarden €. Dieses Geld stünde angeblich nicht zur Verfügung oder würde zulasten anderer Projekte in Norddeutschland gehen.

(Hans-Jörn Arp)

Die Entscheidung lautet aber nicht, ob wir innerhalb der nächsten zehn Jahre 1,2 Milliarden € für die Hinterlandanbindung ausgeben. Die Entscheidung lautet: Wollen wir, dass private Investoren 5 Milliarden € in Schleswig-Holstein investieren? Das ist die Summe, um die es geht. Wir reden hier über ein Projekt in der Größenordnung von insgesamt 6 Milliarden €. Das sind 6 Milliarden €, die in Schleswig-Holstein und in Dänemark investiert werden sollen. Das sind 6 Milliarden € für die Zukunft unseres Landes. Hören Sie auf, dieses Projekt kaputtzureden. Lassen Sie uns vielmehr die Zeit bis zum Ende dieses Jahres dafür nutzen, für die Realisierung der festen Fehmarnbelt-Querung zu werben und diese attraktiv zu gestalten! Das ist unsere Aufgabe. Mit diesem Projekt werden zwei der wachstumsstärksten Metropolen in Europa verbunden. Lassen Sie uns in Schleswig-Holstein daran teilhaben! Unsere Kinder und Enkelkinder werden uns dies danken, denn diese Region braucht weitere Arbeitsplätze.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Für die Fraktion der SPD erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Lothar Hay, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich die Diskussion - dabei in erster Linie den Beitrag des Kollegen Matthiessen - verfolge, dann ist das für mich wieder einmal ein Hinweis darauf, wie verzagt die deutsche Politik in der Frage der Zukunftsbewältigung vorgeht. Hätten wir diese Diskussion schon in der Vergangenheit gehabt, dann wäre nicht einmal die Rendsburger Hochbrücke gebaut worden.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Es wird immer wieder gesagt, wir sollten uns bei der Bewältigung der bei uns vorhandenen Probleme an Skandinavien orientieren und das eine oder andere Mal von dort lernen. Frau Spoorendonk weiß, wie erfolgreich das ist.

In Dänemark gibt es eine parteiübergreifende Koalition für die Fehmarnbelt-Querung. Es gibt eine vertragliche Zusage in Richtung Øresund und in Richtung Schweden. Man setzt sich für eine Realisierung der Fehmarnbelt-Querung ein. Daran kann man schon erkennen, dass es hier um eine internationale Dimension des Themas Fehmarnbelt geht. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine feste

Fehmarnbelt-Querung für die Region Ostholstein und für Schleswig-Holstein insgesamt genauso wie für Schweden - vor allem für Südschweden - und Dänemark eine herausragende verkehrspolitische und vor allem wirtschaftspolitische Bedeutung hat. Das beweist aus meiner Sicht auch die Antwort auf die Große Anfrage, es sei denn, man liest das, was dort nicht drinsteht, um zu seiner eigenen Position zu kommen.

(Beifall bei der SPD)

Die dänische Seite hat schon seit Jahren ihre Vorarbeiten geleistet. Diese Ergebnisse liegen auf Deutsch und auf Dänisch vor, sodass man sie nachlesen kann. Die Dänen favorisieren das sogenannte Staatsgarantiemodell, bei dem beide Staaten ein Unternehmen etablieren, das auf Grundlage einer staatlichen Garantie auf internationalen Kreditmärkten Darlehen aufnimmt, die über die zu erwartenden Mauteinnahmen zurückgezahlt werden. In zwei Fällen funktioniert dies hervorragend.

Lassen Sie mich an dieser Stelle Folgendes einschieben: Hier verstehe ich auch den ehemaligen schleswig-holsteinischen Wirtschaftsminister Steinbrück nicht. Dieser lässt glauben, dass das Staatsgarantiemodell etwas vollkommen Neues sei, was es überhaupt noch nicht gegeben habe. Jeder, der hier im Lande Schleswig-Holstein einmal Politik gemacht hat, weiß, dass Schiffsneubauten durch das Land Schleswig-Holstein mit Bürgschaften abgesichert werden, weil sie sonst überhaupt nicht finanzierbar wären.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Man muss es nur wollen und nicht mit Dingen nach vorn gehen, bei denen man sofort erkennt, was dahintersteckt. Nach den Erfahrungen bei der Querung von Øresund und Großem Belt favorisieren die Dänen dieses Modell. Ich habe in der Vergangenheit in Kopenhagen viele Gespräche geführt. Ich habe auch viele Gespräche mit wechselnden Verkehrsministern geführt. Die meisten Gespräche habe ich mit dem dänischen Verkehrsminister Flemming Hansen geführt. Dabei habe ich die Frage gestellt, ob man nicht die Schweden an einer solchen Realisierung beteiligen sollte.

(Beifall beim SSW)

Seine Antwort war, dass wir das Geschäft klugerweise allein machen sollten. Man sollte sich den Profit doch lieber durch zwei teilen und nicht durch drei. Das zeigt aber auch den ganz anderen Ansatz, mit dem die Dänen an dieses Projekt herangehen. Sie tun dies nicht verzagt, so wie wir dies teilweise tun. Ich bin froh, dass sich die Koalitionspartner

(Hans-Jörn Arp)

hier im Hohen Haus - ebenso wie die FDP - darin einig sind, dass dies ein ganz wichtiges Projekt ist.

Herr Kollege Matthiessen, auch die Vorgänger-Regierung hat sich in Berlin für dieses Projekt eingesetzt. Allerdings hatte unser ehemaliger Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Rohwer nicht immer die Gelegenheit, in Berlin mit sachkompetenten Verkehrsministern zu sprechen. Die haben zu Zeiten der rot-grünen Regierung andauernd gewechselt. Man hatte manchmal sogar den Eindruck, dass die Verkehrsminister der rot-grünen Regierung beim Verlassen ihres Amtes auch noch die Unterlagen mitgenommen haben, weil sie jedes Mal wieder von vorn anfangen mussten.

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Kubicki [FDP]: Die waren alle von der SPD!)

- Ich bin bekannt dafür, dass ich mit Selbstkritik nicht hinter dem Berg halte. Das ärgert mich wirklich. Hier geht es um eine Zukunftsprojektion für Schleswig-Holstein und darüber hinaus. Das kann nicht zum Teil an solchen Kleinigkeiten scheitern, dass man mit den Verkehrsministern ständig von vorn anfangen muss!

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Wenn ich die Daten zugrunde lege, die sowohl die Øresund als auch die Store-Belt-Brücke in Dänemark erreicht haben, dann weiß ich, dass dort auch ein großer Teil des innerdänischen Verkehrsaufkommens abgewickelt wird. Gleichzeitig sehe ich aber, wie sich die Metropolregion Malmö/Kopenhagen aufgrund der Brücke durch steigende Zahlen sowohl im Schienenverkehr als auch im Personenverkehr und im Güteraustausch entwickelt. Dabei berücksichtige ich, dass der Austausch von Gütern im Ostseebereich in den nächsten Jahren um mindestens 50 % steigen wird. Dänemark und Südschweden werden dabei eine große Rolle spielen. Wie wollen wir dieses Verkehrsaufkommen bewältigen, wenn just in time und andere wichtige Faktoren eine Rolle spielen?

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Du weißt, dass 90 % des Ver- kehrs mit dem Schiff auf der Ostsee abge- wickelt wird!)

- Martin, sieh dir die Unterlagen einmal genau durch, dann weiß du auch, warum das so ist!

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Fehmarnbelt-Brücke kann entscheidend dazu beitragen, dass Schleswig-Holstein an einer positi

ven Entwicklung im Ostseebereich teilhaben kann und nicht ausgeschlossen wird.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, einen Punkt muss man allerdings auch ansprechen und das ist die Frage - bei der ich dem Kollegen Matthiessen dankbar bin, dass er sie angesprochen hat, weil das bisher nicht Bestandteil ist - der zweiten Fehmarnsund-Brücke. Das muss man ehrlicherweise sagen. Wenn ein bestimmtes Verkehrsaufkommen erreicht wird, darf es nicht irgendwo einen Flaschenhals geben. Diesen Punkt müssten wir noch mit aufnehmen.

Die Gesamtfinanzierung, die weit über 5 Milliarden € liegt - man muss natürlich gucken, wie groß die Hinterlandanbindungen sind, Dänemark 700.000 €, Schleswig-Holstein 1,2 Milliarden bis 1,5 Milliarden € -, könnte durch die EU-Förderung entscheidend erleichtert werden. Der zuständige EU-Kommissar hat gegenüber dem dänischen Verkehrsminister Flemming Hansen im Juni deutlich gemacht, dass die EU bereit sei, 20 % an Förderung aus dem Topf für Transeuropäische Netze zur Verfügung zu stellen. Ich habe keinen Grund, an dieser Zusage der Europäischen Kommission zu zweifeln.