Protokoll der Sitzung vom 12.10.2006

Die Gesamtfinanzierung, die weit über 5 Milliarden € liegt - man muss natürlich gucken, wie groß die Hinterlandanbindungen sind, Dänemark 700.000 €, Schleswig-Holstein 1,2 Milliarden bis 1,5 Milliarden € -, könnte durch die EU-Förderung entscheidend erleichtert werden. Der zuständige EU-Kommissar hat gegenüber dem dänischen Verkehrsminister Flemming Hansen im Juni deutlich gemacht, dass die EU bereit sei, 20 % an Förderung aus dem Topf für Transeuropäische Netze zur Verfügung zu stellen. Ich habe keinen Grund, an dieser Zusage der Europäischen Kommission zu zweifeln.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Die letzten Monate des Jahres 2006 sind entscheidend. Sollte bis Ende des Jahres 2006 keine positive Entscheidung in Berlin gefällt werden, ist dieses Projekt nicht mehr aus den EU-Töpfen förderfähig, weil die Zusage nur bis 2006 gegeben wird. Dann profitieren andere Transeuropäische Netze von dieser Förderung. Dann wären wir wieder in einem wichtigen politischen Bereich ins Abseits geraten. Das kann doch wohl nicht unser Ziel sein!

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Was die Perspektive der Arbeitsplätze angeht, halte ich die Annahme für richtig, dass bei einem Wegfall der Jobs auf den Fähren nach 2017 - dem Zeitpunkt der Fertigstellung - sowohl für die Bauphase als auch danach eine ähnlich hohe Anzahl von Arbeitskräften für Indstandhaltung und Bau benötigt wird. Auch der Tourismus wird davon profitieren.

In der Antwortung auf die Große Anfrage liest man vom sogenannten Brückentourismus. Die Möglichkeit, Richtung Ostholstein, Ostsseeküste auch in den mecklenburgischen Bereich zu kommen, ist aufgrund der kürzen Verkehrsverbindung eher gegeben; man kann einfach kurz einmal rüberfahren. Das heißt, der Tagestourismus, aber auch der Wo

(Lothar Hay)

chenendtourismus, der Kurzurlaub profitiert davon. Wir haben an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste etliche Perlen, vom Timmendorfer Strand bis Heiligenhafen, wo es sich durchaus lohnt, Urlaub zu machen. Wir müssen damit nur noch stärker werben.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Wichtig ist für mich - das sage ich auch, wenn ich meine Kolleginnen Regina Poersch und Frau Todsen-Reese aus Ostholstein angucke -, dass die Menschen dort rechtzeitig in die Planungen einbezogen werden und das Land - wie ich es in der Vergangenheit mehrfach gesagt habe - über die vorhandenen Förderinstrumente Hilfestellung leistet, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, wenn ab 2017 Arbeitsplätze wegfallen, wenn die Fähren aller Voraussicht nach nicht mehr fahren werden. Das haben wir auch zu Zeiten von Rot-Grün immer wieder ausdrücklich betont.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, trotz der vorsichtigen Distanzierung der Bundeskanzlerin von einer festen Belt-Querung vor wenigen Wochen - ich habe das in der Haushaltsdebatte schon angesprochen - hoffe ich, dass bis zum Ende des Jahres doch noch eine positive Entscheidung der Bundesregierung getroffen wird. Meine Hoffnung gründet auf der Tatsache, dass in Schleswig-Holstein nicht nur die beiden großen Fraktionen des Landtages und die FDP, sondern auch die Unternehmensverbände und die Industrie- und Handelskammern dieses Projekt ausdrücklich unterstützen, gerade jetzt auch noch einmal die IHK zu Lübeck; auch der Lübecker Bürgermeister steht dahinter.

Kritisch gesagt, was die Unterstützung unserer eigenen Abgeordneten im Bundestag aus dem Land Schleswig-Holstein und im Europaparlament angeht, so könnte zumindest aus Sicht meiner Fraktion die Unterstützung deutlich stärker werden und damit sicherlich auch zum Positiven beitragen.

(Beifall bei der SPD)

Letzte Bemerkung! Gerade jetzt am Dienstag hat eine große Konferenz auf Einladung des BalticSea-Forums und des Bauindustrieverbandes in Hamburg stattgefunden: Auch dort gab es eine breite Unterstützung für das Projekt.

Die Veranstaltung in Berlin ist angesprochen worden. Wer die Kritik aufgreift, die eine im nationalen und internationalen Wettbewerb nicht bedeutende Bank geäußert hat im Gegensatz zu zig anderen positiven Äußerungen, der hat nach dem berühmten Haar gesucht, das in die Suppe gefallen ist, und

wenn man auf dem Kopf keine Haare hat, zupft man sich woanders welche heraus.

Man muss die Entwicklung sorgfältig beobachten. In Berlin und in Hamburg ist deutlich geworden, dass es eine große, breite Akzeptanz für die Realisierung des Projekts Fehmarnbelt-Querung gibt. Es ist wichtig für die wirtschaftliche und verkehrliche Entwicklung Schleswig-Holsteins, damit wir hier nicht in einem Jahr über negative Konsequenzen für die Lübecker Hafenwirtschaft und darüber diskutieren, was alles in Mecklenburg-Vorpommern geschieht. Dann könnten wir bei uns ein Schild aufstellen: Bei uns findet kein Verkehr mehr statt. Das ist keine Zukunft.

(Anhaltender Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Hay, vielen Dank für Ihren Redebeitrag. Die Grünen haben einen umfangreichen Fragenkatalog zur festen Fehmarnbelt-Querung vorgelegt; sie haben alle Aspekte des Projektes angesprochen, die unseres Erachtens politisch diskutiert werden sollten. Die Antwort der Landesregierung bestätigt unsere langjährige Unterstützung des Projekts. Die FDP-Fraktion will, dass die feste Querung über den Fehmarnbelt gebaut wird.

(Beifall bei FDP, CDU und SPD)

Wir sind für die feste Querung des Fehmarnbelts, weil sie die Anrainer der westlichen Ostsee noch besser miteinander verbinden wird. Sie wird den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch zwischen den Menschen, Unternehmen und Gebietskörperschaften diesseits und jenseits des Fehmarnbelts stärken und den Wohlstand steigern.

Mit einer festen Querung wird die Vogelfluglinie interessanter für den Straßen- und den Schienenverkehr. Denn der Landweg von Hamburg nach Kopenhagen, von Westeueropa nach Skandinavien würde um gut 150 km kürzer, mit der entsprechenden Zeitersparnis.

Einschließlich der Abfertigung brauchen Pkw und Lkw für eine Überfahrt mit der Fähre derzeit im Mittel 59 Minuten. Diese Zeit könnte man noch auf 52 Minuten senken. Gutachter erwarten, dass eine Überfahrt auf einer festen Querung mit einem Pkw 12 Minuten dauern wird und mit einem Lkw 18 Mi

(Lothar Hay)

nuten. Die Fähre wäre für Pkw viermal langsamer, für Lkw immer noch dreimal langsamer.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zwar ist in einer modernen Volkswirtschaft Zeit kein Geld, aber Zeit ist Geld wert. 2005 fuhren fast 316.000 Lkw mit der Fähre über den Fehmarnbelt, mit einer festen Querung hätten sie nur noch ein Drittel der Zeit gebraucht, entsprechend niedriger wären die Fahrtkosten gewesen. Wenn hier das Argument der Arbeitsplätze angeführt wird, lassen Sie uns auch einmal an die Arbeitsplätze im Speditionsgewerbe denken: Eine Senkung der Fahrzeit auf ein Drittel bedeutet eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Speditionsgewerbes.

(Beifall bei FDP, CDU und SPD)

Hinzu kommt der Zeitgewinn für diejenigen, die nicht mehr 150 km weiter über die Jütland-Route fahren müssten. Das spart drei bis vier Stunden pro Fahrt ein, bei Stau auf der A 7 sogar noch mehr.

Für die fast 1,8 Millionen Pkw, die 2005 den Fehmarnbelt überquert haben, wäre der Zeitgewinn noch größer gewesen. Ein Zug von Stockholm nach Hamburg würde statt neun Stunden nur noch vier Stunden brauchen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung unterstellt, dass die Maut auf der festen Querung genauso viel kosten wird wie das Ticket für die Fähre. Für die gleichen Ausgaben in einem Drittel oder sogar nur einem Viertel der bisher nötigen Zeit über den Fehmarnbelt zu kommen, bedeutet, dass die feste Querung erheblich preiswerter wäre als die Fähre. Deshalb ist zu erwarten, dass Straßen- und Schienenverkehr bei einer festen Querung schneller wachsen werden als beim Fährverkehr. Genauso hat es sich bei den Brücken über den Großen Belt und den Øresund entwickelt. Für uns gibt es derzeit keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass diese Erfahrungen auf den Fehmarnbelt übertragen werden können.

Auf Dauer würde der Fährverkehr nicht mithalten können. Auch das zeigen die Erfahrungen am Großen Belt und am Øresund. Vor diesem Hintergrund ist die vehemente Kritik der Vertreter der ScandLines-Reederei verständlich: ScandLines würde bei einer festen Fehmarnbelt-Querung nicht nur ein einträgliches Monopol verlieren, sondern ganz von der Vogelfluglinie verdrängt werden.

Niemand gibt gern ein einträgliches Monopol auf. Genau deshalb ist die Kritik der ScandLines-Reederei ja so verständlich, aber sie ist auch mit höchster Vorsicht zu genießen. Denn was den Vertretern von ScandLines im Lichte ihres Monopols für sich

selbst vorteilhaft erscheint, muss für die großen Reste Deutschlands, Dänemarks und des Ostseeraums nicht zwingend auch gut sein.

Die zeitlichen Nachteile des Fährverkehrs werden noch durch einen ökologischen verstärkt: Beim Fährverkehr wird mehr CO2 ausgestoßen als beim Straßen- und Schienenverkehr auf der festen Querung - das hat uns überrascht. Wenn das so ist, dann müsste dieser Aspekt der festen Fehmarnbelt-Querung selbst den Grünen sympathisch erscheinen.

Diesem ökologischen Vorteil müssen selbstverständlich die ökologischen Nachteile gegenübergestellt werden, die bei Bau und Betrieb der festen Querung entstehen, zum Beispiel durch den schneller wachsenden Verkehr.

Genauso muss selbstverständlich auch berücksichtigt werden, dass nach kurzer Zeit alle ökologischen Nachteile des Fährverkehrs völlig wegfielen, weil dieser eingestellt werden würde. Zudem muss berücksichtigt werden, welche ökologischen Belastungen wegfielen, weil Fahrten von Hamburg nach Kopenhagen von der 150 km längeren Jütland-Route auf die Vogelfluglinie verlegt würden.

In den uns bekannten Stellungnahmen von Naturund Umweltschutzverbänden haben wir diese Betrachtungen noch nicht gefunden, aber aus unserer Sicht gehören sie zu einer ehrlichen ökologischen Bilanzierung des gesamten Projektes FehmarnbeltQuerung.

(Beifall bei der FDP)

Darüber hinaus muss eine feste Querung selbstverständlich - das bestreitet hier kein Mensch - alle Anforderungen des einschlägigen Umweltrechts erfüllen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, John Maynard Keynes sagte, wenn neue Tatsachen es nötig machten, würde er seine Meinung ändern. Ob Ihnen dies bezüglich der Fehmarnbelt-Querung bevorsteht, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber ich bin sicher, dass Sie lernfähig sind. Wenn neue Tatsachen Entsprechendes erfordern, können Sie ja noch einmal darüber nachdenken.

(Beifall bei der FDP)

Genauso unbestritten ist doch, dass wir uns selbstverständlich kritisch und mit großer Vorsicht an die Finanzierung heranwagen und darüber sehr genau reden müssen. Aber es kann doch nicht unser Job sein, seitens des Landtages - am besten noch einstimmig - das Signal auszusenden, die EU-Mittel nicht haben zu wollen. Vielmehr ist es verdammt noch einmal unser Job, diese EU-Mittel nach

(Dr. Heiner Garg)

Schleswig-Holstein zu holen, dieses Projekt zu realisieren und nicht das Gegenteil zu bewirken.

(Beifall bei FDP, CDU und SPD)

Lieber Kollege Matthiessen, es ist wirklich eine Binsenweisheit, dass die Kreditgeber bei rein privatem Betrieb höhere Zinsen verlangen, als wenn die gesamte Gesellschaft mittels der öffentlichen Hand die Risiken des Betriebs absichert.

Genau dieser Unterschied besteht dann auch zwischen der Finanzierung nach dem BOT-Modell und der Finanzierung nach dem Staatsgarantiemodell. „BOT“ steht für „built, operate and transfer“. Hierbei schießt die öffentliche Hand einen bestimmten Betrag zu, entweder einmalig oder als Zahlungsstrom mit gleichem Barwert. Alle weiteren Risiken des Baus und des Betriebs liegen beim Betreiber. Im Staatsgarantiemodell würden Bau und Betrieb einer privatrechtlichen Gesellschaft übertragen, die dem dänischen und dem deutschen Staat gehören. Der Bau würde mit staatlich verbürgten Darlehen finanziert; Zins und Tilgung würden aus den Mauteinnahmen bezahlt.

In Dänemark hat man sich dafür entschieden, die Brücken über den Großen Belt und den Øresund nach dem Staatsgarantiemodell zu finanzieren; denn ohne Staatsgarantien fanden sich dort keine privaten Betreiber. Jetzt sind die beiden Brücken wirtschaftlich so erfolgreich, dass die der Planung zugrunde liegenden Erwartungen weit übertroffen werden konnten, dass also das Risiko der Inanspruchnahme der Staatsgarantien gegen null geht und dass die Investitionen in die Brücken sich viel früher amortisieren werden als erwartet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir meinen, so kann es auch bei der festen Fehmarnbelt-Querung laufen, wenn wir mit zurückhaltenden, soliden und verlässlichen Annahmen planen.

(Beifall bei FDP, CDU und SPD)