Ausgangspunkt der Migrationssozialberatung, so wie wir sie heute kennen, ist das Zuwanderungsgesetz, das am 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist. Hierdurch wurden in einem breiten Konsens der politischen Kräfte in unserem Land die Weichen für eine zielgerichtete und nachhaltige Integrationspolitik gestellt.
Die Migrationssozialberatung ist ein wichtiger Baustein für die Integration der hier dauerhaft lebenden Migrantinnen und Migranten. Daher geht das Rahmenkonzept des Landes auch von zwei unterschiedlichen Zielgruppen aus. Vorgesehen ist eine Integrationsbegleitung von Migrantinnen und Migranten mit Daueraufenthalt und eine Beratung in Krisensituationen für Migrantinnen und Migranten mit vorübergehendem Aufenthalt.
Diese Zielsetzungen entsprechen dem Gedanken des Zuwanderungsgesetzes, wonach auf der einen Seite dauerhaft hier lebende Migrantinnen und Migranten zur Integration verpflichtet und ihnen zugleich entsprechende Hilfestellungen gegeben werden. Das ist der Ansatz des Förderns und Forderns.
Auf der anderen Seite ist aber auch die Begrenzung der Zuwanderung klares Ziel des Zuwanderungsgesetzes. Daher ist auch eine Ausweitung der Migrationssozialberatung mit dem Ziel einer Integration auf Gruppen mit vorübergehendem Aufenthalt nicht gewollt. Ein vorübergehender Aufenthalt endet mit der Ausreise aus der Bundesrepublik
Deutschland und nicht mit einer vollständigen Integration in die Gesellschaft. Alles andere würde ungebremster Zuwanderung Tür und Tor öffnen. Stattdessen streben wir einen gezielten Mitteleinsatz an. Daher haben wir den weiter gehenden Antrag der Grünen bereits abgelehnt.
Von diesen Prämissen ausgehend, ist die Migrationssozialberatung an den folgenden Zielen, die in dem vorliegenden Bericht beschrieben sind, auszurichten.
Migrantinnen und Migranten mit Daueraufenthalt sollen in die Lage versetzt werden, selbstständig, wie es der Minister vorhin bereits dargestellt hat, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das heißt, sie sollen wirtschaftlich integriert sein, und sie sollen in ihrer sozial-gesellschaftlichen Kompetenz gestärkt werden. Das bedeutet soziale Integration.
Diese Ziele erfordern nicht nur ein intensives Bemühen der Beratungsstellen, sondern in erster Linie den Willen und die Anstrengung der Betroffenen. Insoweit muss in der Diskussion zur Weiterentwicklung des Zuwanderungsgesetzes auch ein Anreizsystem vorgesehen werden.
Für das Haushaltsjahr 2005 wurde, um einen schnellen Einstieg gewährleisten zu können, ein zunächst sehr großzügiger Finanzierungsansatz gewählt, da die Zeit für eine konzeptionelle Aufstellung nicht reichte. Die Landesregierung hat dies aber selbstverständlich nachgeholt, um einen gezielten Mitteleinsatz zu gewährleisten. In dem vorliegenden Bericht wird deutlich, dass das Land nun eine Konzeption für eine bedarfsgerechte Förderung gefunden hat.
Selbstverständlich stößt dies nicht auf große Gegenliebe bei den Trägerorganisationen, die eventuell Beratungsangebote einstellen müssen. Der Bericht betont jedoch auch ausdrücklich, dass bei der Bedarfsermittlung die Integration von Migrantinnen und Migranten und damit die betroffenen Menschen selbst in den Mittelpunkt zu stellen sind.
Das Innenministerium hat deutlich gemacht, dass verlässliche Aussagen zu einer dauerhaften Förderung nicht von Anfang an gemacht werden konnten, sondern dass die Zuschüsse für 2005 eine einmalige Leistung waren. Dennoch wurden Möglichkeiten gefunden, auch in diesem Jahr den Übergang zu einer neuen Struktur ausreichend abzufedern. Ohne Zweifel ist es aber erforderlich, die Angebote auf das tatsächlich erforderliche Maß zu begrenzen und nicht Vielfachangebote vorzuhalten. Selbstverständlich ist dabei mit den Trägerorganisationen ein intensiver Dialog zu führen, so wie es das Innenministerium in der Vergangenheit bereits getan hat.
Wir werden den Prozess auch weiterhin intensiv begleiten, unter anderem durch die Beratung dieses Berichtes im Innen- und Rechtsausschuss.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wengler. - Für die SPD-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Thomas Rother das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anlass für diesen Bericht - das ist gesagt worden - ist die anstehende Neuverteilung der Mittel für die Migrationssozialberatung. Ich möchte erst einmal darauf hinweisen, dass auch im Haushaltsentwurf für 2007 und 2008 eine Fortschreibung der bisherigen Mittel in Höhe von insgesamt rund 1,8 Millionen € vorgesehen ist. Das ist angesichts der Haushaltssituation schon einmal eine echt bemerkenswerte Leistung.
Es ist klar, dass ein Mehr wünschenswert wäre. Dennoch bleibt Schleswig-Holstein bei der Finanzierung der Migrationssozialberatung - auch im Vergleich zu anderen Ländern - wirklich vorbildlich.
Durch die Neuverteilung der geförderten Stellenanteile für die Beratung soll eine bessere und bedarfsgerechtere Versorgung in der Fläche erreicht werden. Quantitative Veränderungen, die es tatsächlich gegeben hat - beispielsweise bei bestimmten Flüchtlingsgruppen -, und neue Qualitätsstandards sind hierfür der Maßstab. Dass dabei Probleme entstanden sind - es geht letzten Endes um Geld -, ist nicht besonders erstaunlich, aber dennoch zugleich ein wenig kurios, vor allem weil aufgrund der Zuwanderungsregelung des Bundes im Haushaltsjahr 2005 - darauf ist schon hingewiesen worden - ein höherer Betrag möglich war und eine Neubewertung aller Angebote - also auch derjenigen, die dazugekommen sind - vorgenommen worden ist. Es trifft uns jetzt im Jahre 2006 ein Stück weit auch der Fluch der guten Tat, wenn es nun Protest gegen diese Neuverteilung gibt.
Die Neubewertung ist auf der Grundlage des vereinbarten Rahmenkonzeptes für die Migrationssozialberatung erfolgt. Dass nun weder die Träger noch die Kommunen, mit denen das Konzept vereinbart und erarbeitet worden war, sich an den Konsequenzen dieser Neubewertung richtig beteiligen wollen, ist zwar durchaus nachvollziehbar, aber nicht ver
ständlich. Die Interessenlagen der Trägerverbände untereinander und auch gegeneinander sowie der Kreis- und der Landesverbände intern sind ganz unterschiedlich und die daraus entstandenen Konflikte sind eigentlich nicht Sache des Landes beziehungsweise nicht durch das Land zu regeln. Das müssen die Verbände schon selbst tun. Das Land bleibt allerdings natürlich die Vergabestelle für die Mittel. Für das Land haben die Migrantinnen und Migranten mit ihren Belangen und nichts anderes im Blickpunkt zu stehen.
Bei der Neuverteilung im Hinblick auf das Beratungsangebot war eine konsequente Orientierung am Ziel der Beratung notwendig. Über diese Zielbeschreibung hinausgehende Angebote allgemeiner Sozialarbeit sind natürlich sinnvoll, aber nicht Gegenstand der Förderung. Es ist gut, dass auf Seite 6 des Berichts ausdrücklich auf das hingewiesen wird, was eben nicht zu den Aufgaben der Migrationssozialberatung gehört. Als Zielsetzung wird in den Richtlinien neben der Beratung in migrationsspezifischen Krisensituationen der Integrationsprozess in unserer Gesellschaft als Kernauftrag genannt. Herr Wengler, dieser Auftrag gilt auch für diejenigen, die vorübergehend hier sind, denn ihr vorübergehender Aufenthalt kann durchaus auch etwas länger dauern. Deshalb ist es sinnvoll, auch diese Personen mit einem Beratungsangebot zu versorgen.
Aus meiner Sicht ist es das Kernanliegen der Beratung, Migrantinnen und Migranten zu einem selbstständigen, eigenverantwortlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland zu begleiten. Dieser Prozess ist sehr wichtig. Es ist sinnvoll, diese Beratung zu einem tatsächlichen Integrationsmanagement fortzuentwickeln.
Meine Damen und Herren, wir reden hier über erwachsene Menschen, die ihr Leben in die eigenen Hände nehmen sollen und das in der Regel auch können. Natürlich ist es notwendig, dass es eine Beratung in der Heimatsprache gibt, und es ist auch wichtig, bei Behördengängen begleitet zu werden. Das gilt natürlich vor allem für die erste Phase des Aufenthalts, ist aber auf Dauer keine Lösung und trägt auch nicht so richtig zur Integration in die Gesellschaft bei. Der Kritik in dieser Hinsicht muss sich auch die Sozialarbeit stellen.
Erst kürzlich haben der Kollege Baasch und ich mit Vertreterinnen des Deutschen Frauenrings über die
Situation der Menschen, die aus der ehemaligen Sowjetunion zu uns gekommen sind, gesprochen. Bei diesem Gespräch wurde deutlich, dass der Integrationsprozess für manche Personengruppen tatsächlich wohl nie enden wird, solange sie hier leben. Auch dieser Realität müssen wir uns stellen. Dabei geht es aber um das Thema Integration an sich.
Mit der Umsetzung der neuen Bleiberechtsregelung wird zudem ein weiterer, vielleicht auch nur vorübergehender Beratungsbedarf für den betreffenden Personenkreis entstehen. Je weiter und verbindlicher die Regelung angelegt worden wäre, desto mehr Probleme hätten für die betroffenen Menschen, aber letztlich sogar für die Behörden gelöst werden können. Wir müssen nun aber mit diesem Kompromiss leben. Schließlich wäre keine Regelung eine noch schlechtere Variante gewesen. Wir sollten diesen Bericht deshalb zur abschließenden Beratung dem Innen- und Rechtsausschuss überweisen, auch wenn dadurch unmittelbar vielleicht kein Einfluss mehr auf das Haushaltsverfahren genommen werden kann. Für das Jahr 2007 ist ein Controllingkonzept angekündigt worden, das zur Anwendung kommen soll. Dies kann uns im Ergebnis bei der Beratung noch ein Stück weiterbringen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Rother. - Für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Deutschland ist ein Zuwanderungsland. Das haben wir nach viel zu langen Debatten durch das Zuwanderungsgesetz endlich klargestellt. Deutschland ist auch ein Land, dem durch die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges eine besondere Rolle beim Schutz von Kriegsflüchtlingen und politisch Verfolgten zukommt. Bei beiden Gruppen, also sowohl denen, die nach dem Zuwanderungsgesetz in Deutschland eingereist sind, als auch denjenigen, die aus Gründen der Not und der Verfolgung in unser Land geflüchtet sind, handelt es sich um Menschen, denen unser Land, unsere Sprache, unsere Kultur und auch unsere Regeln für ein gesellschaftliches Zusammenleben zu einem Großteil fremd sind. Sie brauchen Beratungsangebote, um sich dauerhaft oder aber für eine Übergangsphase bis zur Rückkehr in ihre Heimatländer bei uns zurechtzufinden. Die sogenannten Migrationssozi
alberatungsstellen sind ein wichtiger Baustein, um für diese nach Deutschland gekommenen Menschen Perspektiven aufzuzeigen, wie sie ihr Leben in unserem Land künftig gestalten können, unabhängig davon, wie lange ihr Aufenthalt in unserem Land dauert. Diese Beratungsstellen sind unter anderem Schnittstellen zum Arbeitsamt, zum Wohnungsamt oder zum Jugendamt.
Wie wir dem Bericht des Innenministers entnehmen können, scheint bei der Migrationssozialberatung alles in bester Ordnung zu sein. Lieber Herr Dr. Stegner, Sie machen sich sogar schon Sorgen um meinen Humor. Vielleicht lesen Sie Ihre Karnevalsgrußbotschaften noch einmal, in denen Sie ehemalige Kabinettskollegen beleidigen. Vielleicht können Sie mir auch einmal erklären, wie es möglich sein kann, dass es anlässlich einer Demonstration des Flüchtlingsrates Anfang Oktober 150 Migranten gelungen ist, 1.800 Unterschriften gegen den Rotstift der Landesregierung bei der Migrationssozialberatung zu sammeln. Das lässt sich wie folgt erklären: Die Landesregierung hat Kriterien entwickelt und verteilt nach diesen Kriterien die im Haushalt veranschlagten 1,5 Millionen €. Der Bedarf - das zeigen die Anträge auf Förderung der Migrationssozialberatungsstellen im Land - liegt aber bei mindestens 2,2 Millionen €. Sollten diese Mittel nicht fließen, dann werden - das kann man beim Flüchtlingsrat erfahren - in Schleswig, in Husum und in Ostholstein Beratungsstellen massiv abgebaut. Der Innenminister nennt das „bedarfsgerecht“. Wir nennen das „nicht bedarfsgerecht“.
In Kiel, in Rendsburg, in Norderstedt und auch in Schleswig sind hierbei insbesondere freie Träger betroffen, also Träger, die mit einem besonders hohen ehrenamtlichen Engagement ihre Arbeit leisten und die sich im Besonderen auch dem Beratungsund Hilfebedarf von Migrantinnen und Migranten widmen. Lieber Kollege Rother, in Lübeck müssen Diakonie und Flüchtlingsforum ihr Migrationssozialberatungsangebot wegen der erheblichen Stellenkürzungen einstellen. Auch wenn manche Abgeordneten von den Regierungsfraktionen glauben, das Lob der Regierung sei sozusagen eine Pflichtveranstaltung, meine ich, dass sie an dieser Stelle ruhig hätten widersprechen können. Aus unserer Sicht ist das, was in Lübeck passiert, ein Skandal. Es ist nichts, was man hier großartig hervorheben müsste.
Der Grund für die Kürzungen ist folgender. Nach Angaben der Landesregierung gab es in der Vergangenheit eine Unterversorgung in einzelnen Kreisen und eine Überversorgung an historisch gewachsenen Standorten. Nun wird umverteilt. In Gesprächen mit den entsprechenden Verbänden hat meine Fraktion eine Überversorgung allerdings nirgends feststellen können. Im Gegenteil, es haben sich erhebliche Zweifel an den im Bericht dargestellten Bedarfsermittlungen der Landesregierung ergeben. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Auf Seite 9 des Berichts stellt die Landesregierung klar, dass es nur für die 2.732 in Schleswig-Holstein geduldeten Personen eine punktuelle Beratung in Krisensituationen geben soll. Das heißt, im Gegensatz zu den Migranten mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht wird diesen Geduldeten lediglich eine Krisenberatung und keine regelmäßige Beratung zur Verfügung gestellt. Das ist schon an sich ein Kritikpunkt.
Zum anderen wird für die im Land befindlichen circa 2.500 Asylbewerber überhaupt kein Bedarf an Migrationssozialberatung gesehen. Ich erinnere daran, dass der Innenminister von Bedarfsdeckung gesprochen hat. Die eben erwähnten Personen haben nach unserer Auffassung aber auch einen Bedarf an Migrationssozialberatung. Das Personal, welches laut Bericht das sogenannte Betreuungsangebot in den Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber sicherstellen soll, ist für eine Beratung im Sinne der Migrationssozialberatung überhaupt nicht ausgebildet. Dieses Personal kümmert sich eher um die notwendigen Dinge des täglichen Lebens für die Asylbewerber, anstatt sie integrativ zu betreuen. Aber das sollte doch gerade unser Ansatz sein.
Wissen wir doch alle, dass auch Asylbewerber egal ob mit später anerkanntem Status oder nicht zumeist auch längerfristig beispielsweise aus humanitären Gründen in unserem Land verbleiben. Es kann also nicht in unserem Interesse sein, diese von integrativen Maßnahmen auszugrenzen.
Wir sollten uns mit diesem Bericht im Ausschuss noch einmal intensiv beschäftigen und dazu auch die Flüchtlingsverbände anhören. Das wird mit Sicherheit dazu führen, dass die eine oder andere geschönte Aussage in diesem Bericht relativiert wird.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Gesellschaft muss sich daran messen lassen, wie sie mit Zuwanderern umgeht. Das ist ein Gratmesser für ihre demokratische Verfasstheit. Dabei geht es nicht nur um den Zugang, sondern eben auch um Integration. Dass Ausländer, die weder beraten noch mittels Sprachkursen unterstützt werden, oftmals außen vor bleiben, ist vielfach belegt. Die Zahl der Menschen, die am Rand stehen, muss aber so niedrig wie möglich bleiben. Ansonsten entwickelt sich unser Land in eine Zweiklassengesellschaft.
Der SSW begrüßt darum ausdrücklich den Kompromiss der Innenminister zur Neuregelung des Bleiberechts. Geduldete Ausländer, die sich von einer Duldung zur nächsten hangeln, haben jetzt die Chance, zunächst eine auf zwei Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Sie können sich auf ein Leben in Deutschland einrichten, die hier geborenen Kinder haben das in der Regel sowieso schon getan.