Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die antragstellende Fraktion hat Herr Abgeordneter Günther Hildebrand.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Weltweit 3 Millionen Diabetesopfer jährlich“ - so die „Süddeutsche Zeitung“ -, „Bald 10 Millionen Zuckerkranke in Deutschland“ - „sh:z“ -, „Überaltert und überzuckert: Diabetestodesfälle nehmen zu“ - „FAZ“.
Diese und ähnliche Überschriften schreckten Mitte des Monats Bürgerinnen und Bürger in ganz Deutschland auf. Dabei kamen die Meldungen nicht wirklich überraschend. Seit Jahren werden die Rufe lauter, mehr und besser auf eine gesunde Ernährung zu achten. Nicht nur Fachleute sind sich einig, dass Gesundheitsprävention durch richtige Ernährung mittlerweile die politische Herausforderung auf dem Gebiet der Ernährungs-, Lebensmittel- und Gesundheitsforschung schlechthin darstellt.
Allein in Deutschland sterben jährlich etwa 24.000 Menschen an der Zuckerkrankheit und ihren Folgen. Bis 2020 rechnet man mit rund 12 Millionen zuckerkranken Deutschen. Kosten allein für die mit Übergewicht verbundene Diabetes: jährlich bundesweit rund 40 Milliarden €. Diabetes ist damit die teuerste Erkrankung überhaupt.
Und was fällt der Bundesregierung ein? - Selbstverständlich eine Reform, eine Strukturreform im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz!
Im Mittelpunkt der Überlegungen steht dabei unter anderem die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel, kurz BfEL, mit bisherigen Standorten in Kiel, Detmold/Münster, Kulmbach, Karlsruhe und Hamburg. Der ehemaligen Bundesanstalt für Milchforschung in Kiel kommt dabei im Rahmen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes im Ernährungsbereich die besondere Aufgabe zu, die wissenschaftlichen Grundlagen der Qualität, der Erzeugung, der Verarbeitung und der Vermarktung primär von Milch und Milchprodukten zu erarbeiten. Darüber hinaus werden in Kiel die Voraussetzungen für eine sinnvolle Verwendung dieser Erzeugnisse und für eine gesunde Ernährung insgesamt geschaffen.
Fünf Institute sind mit diesen Arbeiten betraut. Das soll sich nach dem jüngsten Konzept der Bundesregierung im Rahmen einer vermeintlich zukunftsfähigen Ressortforschung ändern. Geplant ist erstens, das Institut für Physiologie und Biochemie der Ernährung von Kiel nach Karlsruhe zu verlagern. Zweitens soll das Institut für Ökonomie der Ernährungswirtschaft von Kiel nach Braunschweig umgesiedelt werden und drittens soll der Versuchsbetrieb Ökolandbau von Trenthorst nach Mariensee in Niedersachsen verlagert werden.
Der Wissenschaftsrat schlägt angesichts eines derartig unkoordinierten Stellenabbaus die Hände über dem Kopf zusammen. Und Kiel? - Das soll damit vertröstet werden, dass das Thema Fische künftig in das Institut für Produktsicherheit und –qualität mit aufgenommen wird. Gegen Letzteres habe ich nichts, jedoch kompensiert das auf keinen Fall eine Verlagerung des Instituts für Physiologie und Biochemie der Ernährung nach Karlsruhe.
Das Institut für Physiologie und Biochemie der Ernährung in Kiel ist das Institut mit der am höchsten bewerteten wissenschaftlichen Exzellenz in der BfEL. Es ist am stärksten lokal mit anderen Forschungseinrichtungen vernetzt. Ich habe das in der Begründung zu unserem Antrag aufgelistet: Der Wissenschaftsrat hat diese Vernetzung unter anderem mit dem Universitätsklinikum und mit verschiedenen Fakultäten und Instituten der CAU für den Standort Kiel ausdrücklich als strukturellen Vorteil gegenüber Karlsruhe hervorgehoben. Das sind im Übrigen Vorteile, die der Standort Karlsruhe mangels Uni und Universitätsklinikum nicht bieten kann. Diese Vorteile können dort auch nicht aufgebaut werden.
Statt über eine weitere Reduktion am Standort Kiel nachzudenken, muss das Ziel von Umstrukturierungsüberlegungen daher sein, dass der gut angesiedelte Bereich für Ernährungsmedizin einschließ
lich der exzellenten Ernährungs-, Lebensmittel- und Gesundheitsforschung am Standort Kiel weiter ausgebaut wird. Erst am 13. November 2006 hat der Wissenschaftsrat in seiner Pressemitteilung die institutionelle Zersplitterung der Agrarforschung kritisiert und die Schaffung leistungsfähiger regionaler Cluster angeregt. Der Standort Kiel bietet die Voraussetzungen, ein Wissenschaftscluster Ernährung herauszubilden, das durch seine strukturelle Vernetzung bestmögliche Voraussetzungen für die auch im Konzept der Bundesregierung geforderte wissenschaftliche Exzellenz bietet. Ich appelliere daher dringend an die Landesregierung, sich für den Standort Kiel einzusetzen und bitte Sie um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.
Es wäre natürlich auf der einen Seite gut, wenn wir heute in der Sache abstimmen könnten. Auf der anderen Seite besteht aber auch die Möglichkeit, im Agrar- und Umweltausschuss noch einmal darüber zu sprechen und zu einem entsprechenden Termin den Institutsleiter Professor Dr. Schrezenmeir einzuladen. Deshalb bin ich in der Frage, was wir machen sollten, ein wenig unentschlossen. Vielleicht kriegen wir aus den weiteren Redebeiträgen noch entsprechende Anregungen.
Ich danke Herrn Abgeordneten Hildebrand. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Claus Ehlers das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vom Bund geplanten Schließungen von Instituten der Bundesanstalt für Ernährung und Lebensmittel in Kiel passen überhaupt nicht in unsere politische Landschaft. Mit den Bundesinstituten gehen hier in Schleswig-Holstein über 50 Arbeitsplätze verloren. Erneut zieht der Bund Einrichtungen aus Schleswig-Holstein ab und damit auch Wissenschafts- und insbesondere Forschungskompetenz. Erst kürzlich konnten wir davon ausgehen, dass die Bundesforschungsanstalt zukunftssicher ausgestaltet werden soll. Nun müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass sie stark ausgedünnt wird. Eine klare Linie ist somit nicht erkennbar. Zweifellos soll die Konzentration der Institute für den Bund Geld einsparen. Ich verkenne nicht, dass die Interessenlage des Bundes daher nicht mit unserer deckungsgleich sein kann. Es geht aber auch darum, gewachsene Strukturen weiterzuführen und zu
verbessern. Diese Strukturen stehen im engen Zusammenhang mit der Kieler Universität, aber auch mit der schleswig-holsteinischen Ernährungswirtschaft. Diesen Standortvorteil dürfen wir nicht aufgeben.
Die vorgesehenen Pläne des Bundes sind möglicherweise noch nicht das letzte Wort. Wenn wir hier den kleinen Finger reichen, dann besteht das Risiko, dass wir noch erheblich mehr verlieren werden. Daher muss die Gesamtplanung des Bundes betrachtet werden. Die Bundesanstalten in Trenthorst und in Kiel sind erheblich gefährdet. Deshalb hat unser Ministerpräsident Peter Harry Carstensen vor einigen Wochen Bundesminister Seehofer die schleswig-holsteinische Position dargelegt. Es geht darum, die schrittweise Abbaupolitik des Bundes in Bahnen zu lenken, die für unser Land verträglich sind. Wir werden möglicherweise nicht alles verhindern können, aber wir werden keinesfalls stillschweigend zusehen, wie der Bund in Schleswig-Holstein überproportionale Einschnitte vornimmt.
Wir haben mit der Kieler Universität die Einrichtung für die notwendige wissenschaftliche Zusammenarbeit. Wir haben die Ernährungswirtschaft, die praxisorientiert Ergebnisse umsetzt, und wir haben den festen Willen, dies zu erhalten. Wir sollten im Ausschuss daher über den weiteren Weg diskutieren und wir werden sicherlich zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen. Daher beantrage ich Ausschussüberweisung.
Ich danke Herrn Abgeordneten Ehlers. - Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Henning Höppner das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir sind uns auch in diesem Punkt einig. Ich glaube daher, wir hätten hier die Gelegenheit, ein wenig aufzuholen. Daher will ich meinen Redebeitrag auf wenige Punkte zusammenstreichen. Wir sind nach wie vor ein Agrarland. Das ist nicht zu verleugnen. Ein Sechstel der Beschäftigten des produzierenden Gewerbes sind in der Ernährungswirtschaft tätig. Das verdanken wir auch der Vernetzung von Forschungsinstituten des Bundes, der
Es ist unverständlich, dass der Wissenschaftsrat gerade feststellt, dass wir an der Kieler Universität eine ausgezeichnete agrar- und ernährungswissenschaftliche Fakultät haben. Der Anteil an Promotionen ist einmalig hoch. Auch das ist ein Forschungsanteil. Er fordert Konzepte zur Konzentration, die meines Erachtens durchaus in Schleswig-Holstein hätten platziert werden können.
Die Ausdünnung der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel in Kiel stellt natürlich auch langfristig den Rest dieser Einrichtung infrage. Dabei geht es um eine sehr traditionsreiche Einrichtung, nämlich um die Kieler Milchforschung, um die wir besonders kämpfen müssen. Sie wurde 1877 gegründet und wird demnächst 130 Jahre alt. Diese Einrichtung genießt - solange sie existiert - internationale Anerkennung. Ich glaube, es lohnt sich, hierfür zu kämpfen.
Wenn das infrage gestellt werden würde, dann denke ich, dass dies für Kiel ebenso wie für meinen Kreise Plön und das Gut Schädtbek, das auch in diesem Zusammenhang zu nennen ist, ein herber Verlust wäre. Ich glaube, wir müssen den Leuten draußen ganz einfach sagen: Wenn Weinanbauforschung in die Pfalz gehört oder die Forschung für Brauereitechnologie nach Oberbayern, dann gehört Milch- und Lebensmittelforschung nach SchleswigHolstein.
Es darf uns nicht das passieren, was auch bei den anderen Exzellenzclustern passiert ist, nämlich eine Abwanderung in den Süden. Ich glaube, wir sollten darum kämpfen. An dieser Stelle sollten wir auch unsere Bundestagsabgeordneten bitten, dies kräftig zu unterstützen.
Ich sage dies, weil der Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels in seinen Jahresberichten immer gern darauf hinweist, welche Kompetenz diese Kieler Einrichtung hat.
Ich danke Herrn Abgeordneten Höppner für seine zeitlich eingegrenzten Ausführungen. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Verbraucherschutz betreibt fünf Forschungsinstitute in Kiel und Umgebung und drei sollen verlagert oder geschlossen werden. Das kann der Schleswig-Holsteinische Landtag nicht gutheißen.
Bei dem letzten Tagesordnungspunkt haben wir uns bereits mit Trenthorst beschäftigt. Viele Argumente gelten analog auch für die Diskussion, die wir zu diesem Tagesordnungspunkt führen.
Meine Damen und Herren, aus forschungspolitischen, regionalpolitischen und gesundheitspolitischen, nicht zuletzt aber auch aus ökonomischen Gründen, sagen wir Ja zum vorliegenden Antrag. Bei der Zusammendampfung von 71 Instituten auf 47 Institute - wenn man sich in das Konzept rein liest - kann man vielleicht noch Gründe, sogar nachvollziehbare Gründe finden. Bei der Streichung der Forschungsstandorte von 35 auf 20 fehlen mir schlicht die Worte. Man hat fast das Gefühl, man hat es hier mit bajuvarischer Willkür zu tun.
So ein Institut spielt eine wichtige Rolle bei der Ausbildungs- und Studienentscheidung. Sein Wegzug wirkt sich auf viele andere Institutionen aus, in diesem Fall auf die Verlagerung des Instituts für Physiologie und Biochemie der Ernähung nach Karlsruhe.
Dies hätte Auswirkungen auf den Standort Schleswig-Holstein mit seiner starken gesundheitsökonomischen Ausrichtung. Karlsruhe verfügt über eine sehr gute Technische Universität, hat aber keine Universität mit Medizinischer Fakultät. Kiel dagegen hat ein Universitätsklinikum mit einem Patientenstamm, der für die Forschung des Instituts unverzichtbar ist. Der Forschungsbereich ist vom Wissenschaftsrat mit hervorragend bewertet worden. Das kann also kein Grund sein, daraus die Schlussfolgerung zu ziehen: Jetzt aber weg damit! Das ist doch absurd.
Ein Umzug würde die bisherige Forschung zunächst einmal weit zurückfahren, danach müsste zunächst einmal alles mühselig wieder aufgebaut werden. Solche Entscheidungen sollte man nicht treffen, in dem man sich über die Deutschlandkarte beugt und Striche zieht. Da sollte man in jedem Einzelfall abwägen, ob die Verlagerung mehr Vorteile oder mehr Nachteile bringt.