Protokoll der Sitzung vom 13.12.2006

Bei der Großen Koalition treffen zwei Pole aufeinander, die in puncto Gesundheitsreform nicht gegensätzlicher sein könnten, sodass diese Reform aus Sicht aller Beteiligten zu wünschen übrig lässt. - So ist das nun einmal. - Es ist unsere Aufgabe, durch das Einholen von Sachverstand und durch intensiven Meinungsaustausch mit allen Akteuren im Gesundheitswesen die Gesundheitsreform konstruktiv-kritisch zu begleiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, auch wenn mir noch niemand begegnet ist, der dem Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform in seiner jetzigen Form vorbehaltlos zustimmen kann, wird der Entwurf nicht dadurch besser, dass wir uns ständig wiederholen und uns alle 14 Tage damit beschäftigen.

(Beifall bei CDU und SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Oh doch!)

Auch hier gilt der Grundsatz: Qualität vor Quantität. Eine der beiden Debatten zu diesem Thema hätten wir uns sparen können. Wir sollten der Landesregierung konkrete Aufgaben mit auf den Weg geben, die im Fachausschuss abgearbeitet werden.

Eine Ablehnung dieses Gesetzes wird keine Wirkung im Hinblick auf die Verbesserung der Situation für Schleswig-Holstein haben.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Aber auch nicht im Hinblick auf eine Verschlechterung!)

Dass es grundsätzlich Handlungsbedarf gibt, wird keiner der hier Anwesenden bestreiten. Wir brauchen in der gesetzlichen Krankenversicherung in allen Bereichen verlässliche Regeln, die den Wettbewerb intensivieren, um die Qualität und Effizienz der medizinischen Versorgung zu optimieren.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Aber auch die ha- ben wir ja nicht!)

Wer für Schleswig-Holstein wirklich etwas erreichen will, muss zum jetzigen Zeitpunkt Verbesserungsvorschläge erarbeiten, statt die Ablehnung der dringend benötigten Reform zu fordern beziehungsweise zu fordern, das Gesetz zurückzuziehen. Wir

(Dr. Heiner Garg)

werden diesen durchsichtigen Antrag der Opposition mit großer Mehrheit ablehnen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Eigentlich sind wir ja gar nicht weit auseinander, wie Zitate aus der letzten Debatte zeigen. Von einer Rücknahme des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes war dort keine Rede, eher vom kritischen Mitgestalten, um Nachteile für Schleswig-Holstein zu verhindern. Hier einige Zitate aus der letzten Landtagsdebatte:

„Ministerin Dr. Gitta Trauernicht: Auch die Bundesregierung sieht weiteren Abstimmungsbedarf bei dem Gesetz.

Vielmehr geht es darum, wie wir in den künftigen Verhandlungsrunden mit dem Gesetzentwurf umgehen.

Kollegin Schümann von der SPD: Wir setzen zum jetzigen Zeitpunkt weiterhin auf Mitwirkung und Mitgestaltung.

In dieser Hinsicht wäre das einzige Abwehrrecht, das wir in Schleswig-Holstein hätten, Sonderbonscher zu verhandeln. - Das versucht die Ministerin gerade.

Wenn es keine gravierenden Änderungen in eine positive Richtung gibt, dann muss die Landesregierung die Reform im Bundesrat ablehnen.“

(Beifall bei CDU, FDP und SSW - Lars Harms [SSW]: Sehr gut!)

Genau da setzen wir an. Es geht um Änderungen in die positive Richtung. Unsere Forderungen und die der Gesundheitsexperten wurden in wesentlichen Teilen von der Landesregierung aufgegriffen. Das Kabinett hat gestern entsprechende Beschlüsse gefasst. Die Ministerin wird in ihrer Rede sicherlich sehr deutlich hierauf eingehen. Ich möchte nur einige Beispiele anführen.

Vorgesehen ist die Streichung des Sanierungsbeitrages für alle Krankenhäuser in Höhe von einem Prozentpunkt des Budgets.

Die Beschlüsse beinhalten einen zielgenauen Risikostrukturausgleich, der eine Benachteiligung von grundlohnsummenschwachen Ländern mit hoher Krankenrisikostruktur wie Schleswig-Holstein ausschließt, eine Entschärfung des Insolvenzrechtes und die Verlängerung der Frist zur Entschuldung der Kassen sowie die ersatzlose Streichung der im Gesetzentwurf vorgesehenen dreiprozentigen Kür

zung der Leistungsentgelte bei Fahrtkosten. Sie werden nachher sicherlich noch weitere Punkte hören.

Darüber hinaus wird Schleswig-Holstein von der Veränderung der GKV-Finanzströme durch den Gesundheitsfonds profitieren. Der erwartete Betrag beziffert sich nach Auskunft aus dem Bundesministerium für Gesundheit auf circa 12 Millionen € ohne Risikostrukturausgleich.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Und mit Risi- kostrukturausgleich?)

Sie sehen an diesen Beispielen, dass es sich lohnt, das Gesetzesvorhaben kritisch, aber konstruktiv zu begleiten. Dies werden wir weiterhin tun.

(Beifall bei CDU und SPD)

Schleswig-Holstein strebt eine Vorreiterrolle im Gesundheitswesen an. Zahlreiche Präventionsmaßnahmen einschließlich Vorsorge- und Früherkennungsprogrammen und günstige natürliche Gegebenheiten wie das gesundheitsfördernde Klima der Nord- und Ostsee stärken das Profil unseres Gesundheitslandes. Schleswig-Holstein hat daher Grund genug, sich selbstbewusst an der Diskussion um die Gesundheitsreform zu beteiligen, und hat als Tourismus- und Gesundheitsstandort eine wichtige Stimme, mit der die Ministerin um Unterstützung im Bundesrat werben muss. Die von der Opposition formulierten Forderungen werden also Gegenstand beim ersten Durchgang der Gesundheitsreform im Bundesrat am 15. Dezember 2006 sein. Wir gehen davon aus, dass die Landesregierung keiner Reform zustimmen wird, die dem Land schadet.

An dieser Stelle möchte ich Herrn Professor Dr. Fritz Beske, den Direktor des Fritz-Beske-Instituts für Gesundheits-Systemforschung in Kiel, zitieren:

„Man kann alles wollen, aber man muss wissen, was man tut. Forderungen zu erheben und auch umzusetzen ist das eine, die Konsequenzen zu bedenken das andere.“

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Damit hat er den Gesetzentwurf gemeint!)

- Ich weiß.

„Jedes System und auch unser Gesundheitswesen muss sich weiterentwickeln. Weiterentwickeln mit der Bewahrung von bewährten Strukturen und Werten oder Umbruch hin zu einem neuen, einem völlig anders strukturierten Gesundheitssystem mit unkalkulierten und unkalkulierbaren Auswirkungen - da gibt es manches zu bedenken. Zerstören ist leicht,

(Ursula Sassen)

korrigieren, zurücknehmen oder wieder aufbauen dagegen schwer, sehr schwer.“

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wie oft haben Sie denn in den letzten acht Monaten mit Herrn Beske gesprochen?)

Vor dem Hintergrund dieser Aussage wird erkennbar, dass wir uns auf einem schwierigen, steinigen Weg befinden.

Zum Schluss noch diese Bemerkung zur Gesundheitsreform: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker oder am besten die Ministerin selbst. Das werden wir im Ausschuss tun.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke der Frau Abgeordneten Ursula Sassen. Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Jutta Schümann das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts des rasanten medizinischen Fortschritts - ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen -, das heißt angesichts neuer und besserer Diagnoseund Behandlungsmöglichkeiten, aber auch angesichts des demografischen Wandels in der Bevölkerung und einer Zunahme chronisch Erkrankter ist eine nachhaltige Stabilisierung der Einnahmen- und Ausgabenseite durch eine langfristige und strukturelle GKV-Reform dringend erforderlich. Das wird auch von keiner Seite bestritten.

Der uns vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vier Reformbereiche vor: erstens eine Strukturreform, zweitens eine Organisationsreform, drittens eine Umstellung der Finanzierung und viertens neue Regelungen für die GKV.

Der Gesetzentwurf umfasst 581 Seiten. Damit wird deutlich, wie umfangreich, komplex und auch detailliert das Reformpaket ist. Die jetzt in der Abarbeitung befindlichen gut 150 Änderungsvorschläge machen deutlich, dass wir noch lange nicht am Ende der Beratung sein können. Sie machen auch noch einmal deutlich, dass immenser Diskussionsund Nachbesserungsbedarf besteht. Trotz massiver und lautstarker Proteste gehen jedoch alle Beteiligten davon aus, dass es ein Wettbewerbsstärkungsgesetz geben wird. Alle Beteiligten gehen davon aus, wenn man mit ihnen unter vier Augen spricht. Das ist das Problem: Sie tun so, als wäre das Gesetzgebungsvorhaben nicht notwendig, aber sie gehen inzwischen alle davon aus, dass es solch ein

Gesetz geben wird. Wir halten dies im Übrigen auch für notwendig. Deshalb werden wir uns im derzeitigen Bundesratsverfahren dafür einsetzen, dass insbesondere für die schleswig-holsteinische Krankenhauslandschaft und für den Gesundheitsstandort keine Nachteile entstehen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Eine Ablehnung des gesamten Verfahrens und des Gesetzentwurfes, wie es die Antragsteller in ihrem Antrag im ersten Absatz fordern, halten wir für falsch. Deshalb möchte ich jetzt schon ankündigen, dass wir den Antrag ablehnen werden.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir setzen auf weitere Verhandlungen, um jetzt absehbare Benachteiligungen in einzelnen Bereichen zu vermeiden, und begrüßen die von der Landesregierung erarbeiteten Änderungsempfehlungen für die erste Bundesratsbefassung.

Auch wir sind der Auffassung, dass die Finanzierung der Gesundheitsreform weiterhin eine breite Basis haben muss. Insofern ist aus unserer Sicht problematisch und eventuell sogar nicht akzeptabel, dass das Aufkommen aus der Tabaksteuer in Höhe von 4,2 Milliarden € aus dem Topf der gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen wird und stattdessen in zwei Raten von je 1,5 Milliarden € ein geringerer Beitrag aus Steuermitteln zukünftig in den Topf fließen soll. Hier bedarf es in den Folgejahren sicherlich zusätzlicher Nachbesserungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte jetzt noch kurz zu einigen Einzelregelungen Stellung nehmen. Ich finde dazu auch etwas in Ihrem Antrag wieder, und bei den hier angesprochenen Punkten sind wir uns interessanterweise auch einig. Im Interesse der kommunalen Rettungsdienste in Schleswig-Holstein lehnen wir die vorgesehene pauschale dreiprozentige Kürzung der Leistungsentgelte im Bereich der Fahrtkosten ab.

(Beifall bei SPD und CDU)