Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Ein kleines Bonbon nur am Rande: Wenn Sie sich immer wieder als Robin Hood der Kommunen darstellen,

(Zuruf von der CDU: In Strumpfhosen? - Heiterkeit)

dann muss man, auch wenn man Steuermehreinnahmen plant, den Gemeinden ihren Teil davon abgeben, der ihnen zusteht. Wenn man also sonst für den KFA kämpft, aber ihn im Wesentlichen abschaffen will, weil man überhaupt nichts vorsieht, wenn Sie also 235 Millionen € Steuermehreinnahmen planen, müssen Sie den Gemeinden 41 Millionen € abgeben. Das ist normal, und das haben Sie schlicht und ergreifend wie viele andere Dinge auch nicht getan.

Mir haben Sie vorgeworfen, wir würden die Nettoausgabenentwicklung über das verantwortbare Maß hinaus steigern. Die Nettoausgabenentwicklung steigert sich, wenn man Ihren alternativen Anträgen folgen würde, von derzeit vorgesehenen 1,2 % auf über 4 %. Damit hätten wir sämtliche Dämme, die wir im Finanzplanungsrat vereinbart haben, gebrochen. Deshalb sage ich, die Alternativen, die Sie vorgelegt haben, sind geprüft worden. Teile davon werden wir in den nächsten Monaten miteinander erörtern, aber insgesamt sind sie nicht akzeptabel für unsere Politik der Konsolidierung der Finanzen des Landes Schleswig-Holstein. Da werden wir weitere Anstrengungen unternehmen müssen. Die sind heute angesprochen worden, insbesondere auch vom Ministerpräsidenten und vom Fraktionsvorsitzenden der CDU, Herr Wadephul.

Wir werden die Aufgaben reduzieren, wir werden hier einen deutlichen Schlag zulegen müssen. Den

Mitgliedern des Kabinetts ist klar, dass wir mehr tun müssen, als wir bisher auf den Weg gebracht haben. Wir werden in der Folge die öffentlichen Aufgaben mit weniger Personal wahrnehmen, und wir werden insbesondere auch die Leistungen reduzieren müssen und die Verwaltung neu strukturieren. Wir müssen, wenn wir über Wahrheit sprechen, dem Bürger die Wahrheiten sagen und deutlich machen, es wird weniger öffentliche Aufgaben geben und es wird weniger öffentliche Leistungen geben, sonst wird es nicht gelingen, den Haushalt zu sanieren. Die verbleibenden öffentlichen Leistungen werden alle teurer werden, als sie es bisher waren. Diese Wahrheit haben Herr und Frau Bürger verdient, und wir sollten nicht davor zurückscheuen, sie auch zu sagen.

Um diese Gesundung zu ermöglichen, brauchen wir ein erhebliches Maß an Einschränkungen aller staatlichen Ebenen, insbesondere auf der Ebene der Europäischen Union und des Bundes. Wir haben uns verabredet, dass wir massiv auf die Bundesebene einwirken, um uns von Aufgaben zu befreien. Ich sage ganz deutlich, dass es nicht akzeptabel ist, wenn der umgekehrte Weg gegangen wird und wenn man Leistungen, die man in Schleswig-Holstein nicht in das Regelwerk hineinbekommt, klammheimlich auf dem Wege über Bundestagsfraktionen oder sonstige Ausschüsse in Gesetzeswerke hineinzubekommen versucht. Darüber werden wir miteinander sprechen müssen.

Meine Damen und Herren, dieser Haushalt und dieser Finanzplan haben Risiken. Ein Risiko wurde hier genannt: Wie wird sich die Entwicklung der Mehrwertsteuer im kommenden Jahr auswirken? Ich habe das Risiko Unternehmensteuerreform genannt. Ich sage aber dennoch, es ist zwingend notwendig, dass wir eine Reform auf den Weg bringen, die die schleswig-holsteinischen Unternehmen in Europa wettbewerbsfähig macht. Sie sind derzeit - was die steuerlichen Belastungen anbetrifft - nicht wettbewerbsfähig aufgestellt. Deshalb müssen wir zu einer Unternehmensteuerreform kommen, um den Export von Gewinnen und den Import von Verlusten endlich zu bremsen und schließlich auch in relativ kurzer Zeit im Ergebnis mehr Steuereinnahmen zu generieren als wir derzeit haben.

Ich sage auch sehr deutlich, dass es eine Reihe von ungelösten Problemen gibt, die auch mit markigen Entscheidungen nicht vom Tisch sind. Bestimmte Äußerungen zur Lösung der Aufgaben des UK S-H führen nicht dazu, dass das Problem des Defizits gelöst wird. Ich erkläre hier sehr deutlich, dass es im nächsten Jahr notwendig sein wird, sehr klare

(Minister Rainer Wiegard)

Konsequenzen zu ziehen, was die Überschuldung des UK S-H, das heißt den Abbau des Bilanzverlustes, anbetrifft, weil ich mich sonst gezwungen sehe, die aufgelaufene Summe von 100 Millionen €, die eine Art von verschleierter Verschuldung des Landes ist, im Haushalt auszuweisen. Das bedeutet 100 Millionen € weniger für andere Aufgaben.

Auch Entscheidungen zur Nichteinführung von Studiengebühren - wie sie heute schon zweimal angesprochen wurden - lösen das Problem der Unterfinanzierung unserer Hochschulen in keinster Weise. Deshalb hilft es nicht, nur eine Entscheidung zu treffen, sondern man muss auch die zweite treffen. Ähnliches gilt im Übrigen auch für die Forstwirtschaft.

Meine Damen und Herren, wir haben eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dem Antrag des Landes Berlin zur Kenntnis zu nehmen. Sie besagt: Ihr müsst im Wesentlichen eure Schularbeiten selbst machen. Wir haben Ihnen eine ganze Menge von Möglichkeiten aufgezeigt, wie wir das lösen wollen, aber - der Ministerpräsident hat gerade darauf hingewiesen- wir sind auch auf die Solidarität unter den Ländern angewiesen. Diese Solidarität soll aber nicht nur in eine Richtung gehen. Auch die Länder, die strukturell schwach sind, müssen aufpassen. Es gibt eine Reihe von Beispielen unter den Ländern -, dass sie die Standards, die sie haben und die Angebote, die sie ihren Bürgerinnen und Bürgern machen, nicht deutlich höher schrauben als diejenigen Standards und Angebote sind, die die sogenannten besser strukturierten Länder machen.

Schleswig-Holstein liegt im Ranking der Finanzkraft pro Einwohner vor dem Länderfinanzausgleich auf Platz sieben. Es ist nicht so schlecht hinter Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, vor Rheinland-Pfalz und anderen Ländern zu liegen.

(Holger Astrup [SPD]: Niedersachsen schaf- fen wir auch noch!)

- Niedersachsen schaffen wir auch, wir schaffen auch noch ein paar andere, wenn man uns nur lässt -. Nur, nach dem Länderfinanzausgleich und nach dem ganzen Umverteilen liegen wir auf Platz vierzehn. Dann liegen nur noch Rheinland-Pfalz und Niedersachsen hinter uns. Ich sage Ihnen: Wir werden in einer neuen Auseinandersetzung auch über die Frage reden, ob man die Reihenfolge durch Umverteilung so verändern sollte, wie das derzeit erfolgt.

Ich bin im Übrigen nicht bereit, monatelang über irgendwelche Formen von Frühwarnsystemen zu

diskutieren. Ich habe dem Kollegen Steinbrück im Finanzplanungsrat gesagt: Wer zehn Jahre - wenn man die Vorgaben der Verfassung auch auf den Vollzug des Haushalts anwendet - verfassungswidrige Haushalte vorlegt, der braucht kein Frühwarnsystem, der sollte lieber langsam die Stöpsel aus den Ohren nehmen, damit er endlich die Signale empfängt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Das gilt im Übrigen auch für andere Länder. Deshalb halte ich eine Diskussion über Frühwarnsysteme für ziemlich unsinnig, im Übrigen auch die Diskussion über neue Grenzen der Neuverschuldung, weil sie nur dazu führen, dass wir nicht von den Schulden herunterkommen. Es kann derzeit nur ein Ziel geben: null Neuverschuldung, weil wir schon genug Schulden haben.

Deshalb trete ich dafür ein, dass eine Zielvereinbarung zwischen allen Ländern und dem Bund geschlossen wird, in der ganz eindeutig der Korridor für einen Zeitraum, für Instrumente, für Maßnahmen, für Controlling und für Sanktionen festgelegt wird, um auf null Neuverschuldung zu kommen. Dies sollte für jedes Land einzeln verabredet werden. Nur so werden wir auf den richtigen Weg kommen: Durch eigene Anstrengung und durch die Solidarität aller Länder.

Ich will Ihnen zum Abschluss ein Zitat vorlesen, um deutlich zu machen, dass die Probleme, die wir heute haben, nicht nur allein Probleme von heute sind. Diese Probleme gibt es schon ein bisschen länger. Ein kluger Mann hat gesagt: Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein, die Arroganz der Behörden muss gemäßigt werden, die Leute sollten wieder lernen zu arbeiten, anstatt auf öffentliche Rechnung zu leben. Gesagt hat das Marcus Tullius Cicero. Er hatte einen „Nachteil“, er ist 43 vor Christi Geburt hingerichtet worden. Ich arbeite daran, dass mir dieses Schicksal erspart bleibt.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren! Nach § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung steht den Fraktionen jeweils wieder eine Redezeit von 25 Minuten zu. Der Kollege Hildebrand meldet sich zu Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige Dinge, die eben nach der Mittagspause gesagt wurden, müssen doch noch korrigiert oder anders und richtig dargestellt werden. Herr Finanzminister, Sie

(Minister Rainer Wiegard)

haben eben davon gesprochen, dass die 120 Millionen €, die aus der FAG-Masse der Kommunen herausgenommen werden - wie auch immer man das jetzt bezeichnet - nicht kompensiert werden.

Ich bin mit Ihnen einer Meinung. Sie haben gesagt: Wir haben das Ziel, es geht nicht von heut auf morgen, sondern es dauert seine Zeit. Wenn ich die Rede des Fraktionsvorsitzenden der CDU, Herrn Dr. Wadephul, von heute Morgen noch richtig in Erinnerung habe, dann hat er gesagt, dass die 120 Millionen € kompensiert sind. Hier stelle ich im Ergebnis einen erheblichen Unterschied zwischen der Aussage des Finanzministers und der des Fraktionsvorsitzenden der CDU fest. Ich kann hier nur eindeutig feststellen: Die 120 Millionen € sind eben nicht hundertprozentig kompensiert und wir werden uns vielleicht in ein oder zwei Jahren wieder treffen und dann genau nachrechnen, wie sich das ausgewirkt hat.

Herr Minister, dann sagten Sie, die entsprechende Finanzausgleichsmasse werde trotz der Entnahme der 120 Millionen € nicht abnehmen, sondern eher mehr werden. Das mag sein, das heißt aber, dass das, was normalerweise in die Finanzausgleichsmaße aufgrund des wirtschaftlichen Wachstums hineinkommen müsste, bei den Kommunen zumindest zu einem großen Teil abgeschöpft wird und beim Land landet. Das ist praktisch der Effekt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt, dass die Kommunen in diesem Fall am wirtschaftlichen Wachstum nicht teilnehmen, weil große Teile dessen, was dort zuwachsen würde, abgeschöpft werden. Ich denke, dass die Kommunen nicht verdient haben, dass so mit ihnen umgegangen wird.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf eines hinweisen. Der Landkreistag hatte - ich glaube, vor drei Wochen - eine Veranstaltung in Neumünster. Dort war der ehemalige Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Herr Erwin Teufel, als Gastredner eingeladen. Der hat über die Funktionalreform in Baden-Württemberg gesprochen und gesagt, welche tollen Erfolge dort erreicht werden konnten. Dort hatte man sich zum Ziel gesetzt, im ersten Jahr - ich glaube, es waren 5 %

(Peter Lehnert [CDU]: 2 %!)

- vielen Dank, Kollege Lehnert -, 2 % zu sparen, in den nächsten Jahren aber immer eine steigende Prozentzahl. Sie haben festgestellt, dass schon im ersten Jahr 15 % erreicht werden konnten, teilweise sogar 20 %.

Dann hat aber Herr Teufel auch mitgeteilt, dass es, bevor sie das Thema Funktionalreform angefasst haben, zwei Dinge gab, die von vornherein unverrückbar waren. Das erste war, dass es keine Kreisgebietsreform gab oder geben sollte. Es hat also beim Zuschnitt der Kreise in Baden-Württemberg überhaupt keine Veränderung gegeben.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Und das, obwohl die Kreise in Baden-Württemberg im Durchschnitt wesentlich kleiner sind, als die in Schleswig-Holstein.

(Unruhe)

Diese Erkenntnis hatte ja zum Beispiel auch der Ministerpräsident noch bis zum Mai dieses Jahres. Es gibt ja noch entsprechende Pressemitteilungen, wörtliche Zitate des Ministerpräsidenten, dass es mit ihm keine Kreisgebietsreform gibt. Da muss also in der Zwischenzeit irgendwann schon etwas Tolles passiert sein, dass er alle Versprechungen, die er auch seinen eigenen Parteifreunden und den Kreisen gegenüber gemacht hat, nicht mehr einhalten kann.

Der zweite Punkt, den Herr Teufel genannt hat, war, dass von vornherein sämtliche Einsparpotenziale oder sämtliche Ersparnisse, die durch die Funktionalreform erzielt werden sollten, nicht vom Land abgeschöpft, sondern bei den Kommunen verbleiben sollten.

(Beifall beim SSW)

Hier passiert beides: Sie kassieren einmal die 120 Millionen aus der Finanzausgleichsmasse und sagen, zur Kompensation ziehen Sie noch mögliche Einsparungen heran, um letztlich die Finanzsituation des Landes zugunsten der Kommunen zu verbessern.

Wer ist denn bei den Kommunen davon betroffen? Diese 120 Millionen gehen ja praktisch aus der Finanzausgleichsmasse heraus und werden weniger an Schlüsselzuweisungen verteilt. Welche Kommunen bekommen denn die Schlüsselzuweisungen? Das sind zum einen Kreise, und das sind zum anderen die Kommunen, die finanziell relativ schlecht gestellt sind. Das heißt, es werden genau diejenigen getroffen, die es eigentlich am nötigsten hätten. Das sind beispielsweise auch die Kreise, Städte und Gemeinden, die sogar Fehlbetragszuweisungen bekommen, die eigentlich sogar - ich sage es jetzt mal so - pleite sind. Die werden durch diese Entnahme der 120 Millionen praktisch bestraft.

(Günther Hildebrand)

Jetzt ist der Ministerpräsident gerade gegangen. Er hat vorhin der FDP vorgeworfen, dass wir gegen diese Entnahme der 120 Millionen sind und dass wir genauso gegen die Kürzung bei den Sonderzahlungen sind. Dazu muss ich sagen: Eigentlich sind wir da mit ihm in bester Gesellschaft, denn vor nicht allzu langer Zeit hatte er selbst diese Forderung erhoben, dass es erstens bei den Kommunen keine Einschnitte geben würde und dass es zweitens, wie er den Beamten versprochen hat, keine Kürzungen bei den Sonderzahlungen gibt. So verkehrt kann also unser Standpunkt nicht sein, wenn ich das mit den Aussagen des Ministerpräsidenten vergleiche.

(Beifall bei FDP und SSW)

Ich finde, er sollte da etwas redlicher in seinen Ausführungen sein und uns nicht das vorwerfen, wofür er selbst lange eingetreten ist.

Dann noch dazu, wer mit wem spricht. Eines muss ich dem Ministerpräsidenten zugestehen: Wenn er irgendwo auftaucht, dann wird natürlich der rote Teppich ausgerollt und es wird möglichst das Positive von Vereinen und Verbänden und so weiter dargestellt. Wenn wir bei Vereinen, Verbänden oder auch bei Bürgerinnen und Bürgern auftauchen, dann werden wir mit der Realität konfrontiert und diese sieht anders aus.

(Lachen bei CDU und SPD)

Ich kann nur sagen: Wir freuen uns über jeden zusätzlichen Arbeitsplatz. Wir freuen uns über jede zusätzliche Steuermark, die aufgrund von Wachstum entsteht, aber so, wie es hier von der Regierung und auch vom Ministerpräsidenten dargestellt wird, ist die Realität in Schleswig-Holstein nicht.

(Beifall bei FDP und SSW)