Protokoll der Sitzung vom 24.01.2007

Wahlstedt und Bad Segeberg - ich weiß, der Kollege Behm sitzt auch dort oben - sind selbstverständlich bei Weitem nicht Nirgendwo für SchleswigHolsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner. Sie sind für uns sogar weit mehr als Irgendwo. Aber als Endpunkt der A 20 würde Wahlstedt wahrlich nur traurige Berühmtheit erlangen können.

Es kann nicht Ziel und Zweck der norddeutschen Verkehrspolitik sein, mit der A 20 Rostock und Wahlstedt verbinden zu wollen. Die Menschen und Unternehmen in Schleswig-Holstein wollen und brauchen die Nordumfahrung Hamburgs mit der westlichen Elbquerung. Die westliche Elbquerung ist zwingend. Sonst könnte man auch auf die Nordumfahrung Hamburgs verzichten; denn ein Ende der A 20 in Glückstadt wäre genauso unsinnig, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie ein Ende der A 20 in Wahlstedt. Allerdings wäre dann das Ende in Wahlstedt erheblich preiswerterer Unsinn, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ich sage Ihnen ganz deutlich, Herr Minister Austermann: Ich rechne - noch jedenfalls - nicht damit, dass es so weit kommen muss. Schließlich ist der Investitionsrahmenplan nicht der Bundesverkehrswegeplan. Bis zum Ende der Laufzeit des gültigen

(Minister Dietrich Austermann)

Bundesverkehrswegeplans im Jahre 2015 muss der Bund noch mindestens einen weiteren Investitionsrahmenplan aufstellen. In ihm könnte der Bund dann das Geld für die A 20 westlich Wahlstedts und die Elbquerung bereitstellen. Wenn die A 20 mit der Elbquerung Mitte des nächsten Jahrzehnts fertig werden soll, dann müsste der Bund dies sogar tun. Aber ab dem zu erwartenden Beginn der Laufzeit des nächsten Investitionsrahmenplanes sind trotzdem nur noch fünf Jahre Zeit bis zur Mitte des nächsten Jahrzehnts. Herr Minister Austermann, Sie wissen doch, fünf Jahre sind für den Autobahnbau in Schleswig-Holstein eine sehr kurze Zeit, um es parlamentarisch auszudrücken.

Erinnern Sie sich bitte daran, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Bau der A 20 von der ostwärtigen Landesgrenze bis zur A 1 bei Lübeck hat länger gedauert als der Bau der A 20 durch ganz Mecklenburg-Vorpommern. Und damals war noch keine Frau aus Vorpommern Bundeskanzlerin. Trotz alledem gehe ich weiterhin davon aus, dass die A 20 gebaut wird, und zwar über das niedersächsische Elbufer hinaus. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es schadet SchleswigHolstein trotzdem, dass die A 20 westlich Wahlstedts nicht in den Investitionsrahmenplan 2006 bis 2010 aufgenommen wurde. Denn es schadet auch schon, wenn sich der Bau der A 20 weiter verzögert.

(Beifall bei der FDP)

Genau deswegen müssen wir heute darüber reden. Im Wettbewerb der Regionen kommt es nicht nur auf die besseren Ideen an, sondern auch darauf, wie schnell diese Ideen realisiert werden. Wenn es an der Realisierung hakt, dann ist es zumindest Aufgabe der Opposition, da noch einmal nachzuhaken.

An der Verkehrsinfrastruktur orientiert sich ein großer Teil der Wirtschaftsstruktur, gerade in einem Transitland wie Schleswig-Holstein, das wir einerseits zur Drehscheibe des Handels im Ostseeraum entwickeln wollen und das andererseits eng mit dem größten Logistikstandort Deutschlands verwoben ist, nämlich der Metropolregion Hamburg.

Wenn in Schleswig-Holstein die Infrastruktur fehlt, dann wachsen die wirtschaftlichen Strukturen eben woanders, nämlich dort, wo es nicht so viele Engpässe im Straßenverkehr gibt, zum Beispiel südlich des Elbtunnels in Niedersachsen. Einige große schleswig-holsteinische Logistikunternehmen sind bereits gezwungen, Teile ihres Geschäfts nach Süden zu verlagern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Kollege Arp, je weiter sich der Bau der A 20 inklusive Elb

querung verzögert, umso stärker wird diese Tendenz zu Buche schlagen: mehr Arbeitsplätze in Niedersachsen, weniger Arbeitsplätze in SchleswigHolstein. Ich weiß, dass Sie das auch nicht wollen. Deswegen ist es richtig, dass wir heute den Verkehrsminister, den großen, noch einmal beim Wort nehmen.

Das beurteilt im Übrigen der Verkehrs- und Wirtschaftsminister ähnlich. Das zeigt uns ja sein Bericht. Aber das entschuldigt doch nicht, dass die A 20 im Investitionsrahmenplan 2006 bis 2010 nur so kümmerlich wie bislang berücksichtigt wurde. Wo war denn die Landesregierung, als die Investitionsrahmenplanung aufgestellt wurde? Wie kann es denn sein, dass nur Bruchstücke der A 20 aufgenommen wurden, ihre Herzstücke aber fehlen? Wie kann es sein, dass beispielsweise auch der sechsstreifige Ausbau der A 7 mal eben übersehen wurde, wie es eine Zeitung vor kurzem meldete? Wenn das alles so sein sollte - ich meine, die Regierung ist uns den Beweis des Gegenteils auch nach dem Bericht des Ministers schuldig geblieben -, dann hat auch diese Landesregierung geschlafen.

Letzte Woche hat der Wirtschaftsminister im Wirtschaftsausschuss während der Beratungen über das geplante Paralympiczentrum in Kappeln gesagt, er habe bei diesem und bei weiteren Projekten sehr sorgfältig und deshalb langsam gearbeitet, weil er der Opposition später nicht die Angriffsfläche bieten wolle, ihn, den Wirtschaftsminister, zu Recht als Ankündigungsminister abkanzeln zu können. Sehr geehrter Herr Minister Austermann, als Verkehrsminister sind Sie bis jetzt ein reiner Ankündigungsminister, geblieben

(Beifall bei der FDP)

und zwar auf allen nur erdenklichen Ebenen der wichtigen, zentralen Verkehrsprojekte für Schleswig-Holstein, weil Sie in den Verhandlungen mit der Bundesregierung offensichtlich nicht nur sehr langsam, sondern auch sehr schlampig gearbeitet haben. Wenn Sie nicht bald eine Schippe drauflegen und schneller und besser werden, dann wird sich in dieser Wahlperiode bedauerlicherweise daran auch nichts ändern. Ihre Politik frei nach dem Motto „Leere, aber laute Worte“ schadet dem Land, weil es nämlich den Bau wichtiger Verkehrsinfrastrukturprojekte nicht so voranbringt, wie das notwendig wäre.

Die drei wichtigsten Straßenverkehrsprojekte für Schleswig-Holstein sind der sechsstreifige Ausbau der A 7, das ist die Fehmarnbelt-Querung und das ist die A 20 inklusive Elbquerung. Bei allen drei schaffen Sie es nicht, Schleswig-Holsteins Interes

(Dr. Heiner Garg)

sen beim Bund angemessen durchzusetzen. Die Bundeskanzlerin stellt öffentlich den Sinn der Fehmarnbelt-Querung infrage, auch wenn Sie heute verlauten lassen, im Übrigen pünktlich zu dieser Debatte, dass die Chancen wieder ein bisschen gewachsen seien. Sie, die Bundeskanzlerin stellt öffentlich dieses zentrale Projekt infrage.

Der sechsstreifige Ausbau der A 7 fehlt im Investitionsrahmenplan 2006 bis 2010 völlig. Angeblich wurde er übersehen. Aber ebenso angeblich soll Minister Austermann gute Chancen sehen, dass der Bund diese Missgeschicke noch bereinigen könnte. Und, wie gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen, wesentliche Teile der A 20 fehlen in dem laufenden Investitionsrahmenplan ebenso.

Herr Minister Austermann, ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich finde, das ist eine erbärmliche Bilanz Ihrer bisherigen Verkehrspolitik.

(Beifall bei FDP und SSW)

Sie müssen sich hier schon an Ihren Vorgängern Sie haben ja einige genannt - messen lassen, deren größte verkehrspolitische Widersacher im Kabinett und im Koalitionsausschuss saßen und die es im Übrigen zeitweise mit einer Bundesregierung zu tun hatten - ich darf an den heutigen Finanzminister und damaligen Verkehrsminister Steinbrück erinnern -, die von der politischen Gegenseite gestellt wurde. Sie hingegen haben ein Kabinett und eine Zweidrittelmehrheit im Landtag hinter sich, die straßenverkehrspolitisch nahezu mit einer Stimme sprechen. Und die Bundesregierung wird von den gleichen Parteien gestellt und von Ihrer Parteifreundin auch noch angeführt.

Offensichtlich setzen Sie jetzt darauf, das Geld zu ergattern, das andere Länder nicht verbauen. Hätten Sie sich gleich ordentlich für Schleswig-Holstein eingesetzt, wären wir jetzt nicht nur auf die verkehrspolitischen Almosen angewiesen.

Um Schleswig-Holstein und seiner Menschen Willen hoffe ich: Machen Sie Ihre Sache ab jetzt besser, Herr Austermann, und machen Sie Ihre Sache vor allem ordentlich - dafür sind Sie nämlich gewählt worden -, damit das wichtigste Verkehrsprojekt für Schleswig-Holstein noch rechtzeitig fertig gestellt wird und nicht dafür sorgt, dass die zügige Abwanderung weiter fortgesetzt wird. Dafür, Herr Minister Austermann, tragen Sie Sorge. Wenn Sie das nicht können, dann muss eben der alles könnende Ministerpräsident die A 20 zur Chefsache machen.

(Beifall bei FDP und SSW)

Für die Fraktion der CDU erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Johann Wadephul, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was löst es doch für einen Motivationsschub für den Kollegen Garg aus, wenn sein Landesvorsitzender der Debatte beiwohnt.

(Heiterkeit)

Bei dem Kollegen Koppelin habe ich zunächst gedacht, er wolle die Dithmarscher Fraktion dort oben verstärken, über deren Anwesenheit ich mich bei meiner Rede natürlich gerade in diesen Tagen besonders freue.

(Heiterkeit - Beifall des Abgeordneten Kon- rad Nabel [SPD])

Aber er wollte eigentlich doch nur einmal seinen Namen in einem Parlament zitiert hören und das hat der Kollege Garg vorhin auch hinbekommen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das hat er im Bundestag reichlich! - Manfred Ritzek [CDU]: Und jetzt kann er gehen! - Heiter- keit)

- Im Gegensatz zum Kollegen Ritzek bin ich der Auffassung, dass Sie im Hohen Haus weiterhin herzlich willkommen sind, Herr Kollege Koppelin.

(Heiterkeit)

„Das wichtigste Verkehrsprojekt für die Zukunft unseres Landes ist die zügige Weiterführung der A 20 mit einer festen Elbquerung bei Glückstadt und einer Anbindung an das Niedersächsische Fernstraßennetz.“

Das ist der Koalitionsvertrag von CDU und SPD im Originalton.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] Wie wollen Sie uns davon über- zeugen?)

Das ist die Politik, die die Große Koalition und der Verkehrsminister Dietrich Austermann umsetzen, für die wir streiten und für die wir in der Tat in jeder Stunde die Unterstützung des gesamten Hauses - auch der verehrten Opposition - benötigen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: An uns liegt es nicht!)

Es ist auch ein erfolgreiches Einsetzen für dieses wichtige Verkehrsprojekt. Lieber Herr Kollege

(Dr. Heiner Garg)

Garg, wenn Sie jetzt anfangen wollen, eine Zwischenbilanz zu Verkehrsminister Dietrich Austermann zu ziehen, dann scheut er keine Sekunde davor zurück. Denken Sie nur einmal daran, was alles erreicht worden ist.

(Minister Dietrich Austermann: Das machen wir gleich!)

- Das machen wir gleich noch einmal, dann werde ich Ihnen das überlassen. - Aber an dieser Stelle, lieber Herr Austermann, möchte ich einmal sagen: Es sind Projekte aufgenommen worden, es werden Projekte vorgezogen und realisiert, die auf Bundesebene überhaupt nicht vorgesehen waren. Ich denke zum Beispiel, an die Störbrücke oder an die Elektrifizierung der Bahn. Das sind verkehrspolitische Leistungen, die mit dem Namen von Dietrich Austermann verbunden sind. Das ist gut so. Wir haben einen starken Verkehrsminister und wir sollten ihn unterstützen.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Bekenntnis zur A 20 ist wohlfeil. Ich schließe mich ausdrücklich dem Appell des Kollegen Garg an: Wir müssen dieses Projekt vorantreiben und alles dafür tun. Wir dürfen nicht riskieren, dass Unternehmen und insbesondere Spediteure, die Sie erwähnt haben, Schleswig-Holstein verlassen, weil Staus vor dem Hamburger Elbtunnel sie vor unkalkulierbare Risiken stellen.

Wir wissen, dass Infrastrukturpolitik ein elementarer Bestandteil moderner Wirtschaftspolitik ist, durch die wirtschaftliches Wachstum bewirkt werden kann. Wir wissen auch, das vor allem gute Verkehrsanbindungen und die Sicherstellung reibungsloser Verkehrsflüsse unverzichtbare Voraussetzungen für eine funktionierende Wirtschaft sind. Nicht zuletzt bedarf es in Schleswig-Holstein auch einer intakten Infrastruktur, um die Potenziale der Tourismuswirtschaft ausschöpfen zu können, wie es unser Ministerpräsident in seinem Arbeitspapier „Mehr Wachstum durch moderne Infrastruktur“ im Jahr 2004 bereits formuliert hat.

Versuche der Opposition, Schuldige für die Nichtberücksichtigung des Weiterbaus der A 20 im Investitionsrahmenplan 2006 bis 2010 im Haus oder in Schleswig-Holstein zu suchen, gehen deshalb ins Leere, lieber Herr Kollege Garg.

Die Bereitschaft des Verkehrsministers Dietrich Austermann, sich im Rahmen von Nachverhandlungen für Bundesmittel einzusetzen, die von anderen Bundesländern nicht abgerufen werden, im Hause

als Almosen zu diskreditieren, hilft überhaupt nicht weiter. Es ist schlicht und ergreifend klug, das zu machen. Es setzt voraus, dass wir besser sind als andere. Dabei sollten wir den Verkehrsminister unterstützen.