Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mensch, hast du den gelesen?)

In diesem Zusammenhang kommt gerade dem Thema Küstenschutz beim Anstieg des Meeresspiegels eine entscheidende Bedeutung zu. Wir wissen, dass es nicht damit getan ist, die Deiche zu erhöhen. Wir müssen uns in allernächster Zukunft mit einem Programm beschäftigen, das das Land an der Nordseeküste und an der Ostseeküste in den Flussniederungen hochflutensicher macht. Das wird sicherlich ein Milliardenprogramm werden. Das gilt aber auch für Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Insofern ist auch der Bund gefordert, dies als nationale Aufgabe zu begreifen. Wir sollten uns hier gemeinsam einsetzen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Schwerpunkt, den der Ministerpräsident genannt hat, ist die Förderung der Fischerei. Ich halte das für richtig, weil wir ein Land sind, das nicht nur eine Tradition hat, sondern weil das mit uns verknüpft ist. Deshalb müssen wir auch ein Interesse daran haben, dass es in Nord- und Ostsee nicht so weitergeht, dass unsere Fischereiflotte an vielen Tagen des Jahres im Hafen liegen muss, weil die Fangquoten durch eine falsche Fischereipolitik,

die in erster Linie von Brüssel zu verantworten ist, so gering sind.

Nun könnte man denken, dass die Aquakultur einen Ausweg schafft. Sie ist der richtige Ansatz. Aber wir sollten bei der Förderung von Aquakultur aufpassen, dass wir auch ökologische Erfordernisse beachten. Es bringt uns nichts, in Aquakulturen Fisch zu produzieren, der aufgrund der räumlichen Enge und falsch verstandener Produktionsweise eine hohe Belastung mitbringt. Wir wollen Fisch aus Aquakultur, der ein hochwertiges Lebensmittel darstellt. Dann sind wir auf dem richtigen Weg. Die Ansätze gilt es in Schleswig-Holstein zu fördern.

(Beifall bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Was auch entscheidend zur Entwicklung des ländlichen Raumes beitragen kann - das hat der Kollege Baasch für den Lübecker Raum erkannt, weil dort auch einige ländliche Strukturen vorhanden sind -, ist die Produktion von Biomasse. Wer wie der Kollege Wadephul und wie ich auf der Grünen Woche war, hat gesehen, welchen Raum Biomasse dort inzwischen einnimmt. Das ist ein Potenzial, das wir in Schleswig-Holstein noch viel stärker ausnutzen müssen. Das macht uns von Erdgaslieferungen aus dem Osten unabhängig, wir schaffen zusätzliche Arbeitsplätze und sichern die Landwirtschaft in ihrer Produktionsweise. Das ist der richtige Weg, den wir in Schleswig-Holstein noch stärker einschlagen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich habe vorhin von der Nachhaltigkeit unserer Politik gesprochen. Dazu gehört natürlich auch die Finanzpolitik, mit der wir uns ganz intensiv im Dezember beschäftigt haben. Eine Fortsetzung des zügigen Schuldenabbaus ist der richtige Weg, damit wir künftig noch besser in der Lage sind, dort zu fördern, wo es notwendig ist, zum Beispiel im gesamten Bildungsbereich und bei anderen Schwerpunkten. Eine Abkehr von diesem Weg wäre vollkommen falsch, sie würde uns über kurz oder lang die gleichen Probleme bescheren, wie wir sie heute haben.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU])

Die Zukunft Schleswig-Holsteins muss von integrierten Politikprozessen und Nachhaltigkeit geprägt sein. Wirtschaftsförderung, Arbeitsmarktprogramme, Bildung und Umweltpolitik werden noch stärker ineinandergreifen. Ein Nebeneinander kann den Herausforderungen von Globalisierung, demografischem Wandel, technischer Entwicklung und gesellschaftlichem Wachstum nicht gerecht werden.

(Lothar Hay)

Das Zukunftsprogramm Schleswig-Holstein wird uns in den nächsten Jahren ein gutes Stück voranbringen. Dies ist allerdings kein Grund, um sich zurückzulehnen. Es gibt nicht nur die ewig Gestrigen, es gibt auch die ewig Morgigen, hat der Schriftsteller Erich Kästner einmal gesagt. Dies ist besonders nach positiven Steuerschätzungen nicht ungefährlich.

Also starten wir mit einem guten Zukunftsprogramm in der Gegenwart und arbeiten gemeinsam an der positiven Entwicklung für Schleswig-Holstein, um erfolgreich in der Zukunft anzukommen.

(Anhaltender Beifall bei SPD, CDU und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich danke dem Fraktionsvorsitzenden der SPDFraktion, Herrn Abgeordneten Lothar Hay. - Auf der Tribüne begrüße ich Auszubildende an der Polizeischule Eutin. - Herzlich willkommen im Landeshaus!

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe gestaunt, als ich gehört habe, was in dem Zukunftsprogramm alles drinstecken soll und wie viel zusätzliche Gelder es geben soll. Irgendjemand hat es der Presse gesteckt: Die schleswig-holsteinische Landeszeitung titelt „MilliardenSpritze für den Norden“, mit dem Hinweis auf 1,4 Milliarden € wird der Eindruck erweckt, es komme zusätzliches Geld nach Schleswig-Holstein. Tatsache ist, dass es in den kommenden sieben Jahren genauso viel sein wird, wie es in den vergangenen sieben Jahren war, wenn man die Inflationsrate berücksichtigt. Das ist identisch. Es waren 1,3 Milliarden €, jetzt sind es 1,4 Milliarden €.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An der Investitionsquote, die dieses Land hat, ändert dieses Programm überhaupt nichts; das alles steht in den Haushalten und in der mittelfristigen Finanzplanung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Es ist überhaupt nichts neu, wenn man die Quantität dieses Programms ansieht.

Es ist schon erstaunlich, dass der Landtag heute über eine Regierungserklärung diskutieren soll, die heute Morgen bereits in der Zeitung stand. Es ist also gestern alles schon verkündet beziehungsweise der Presse gesteckt worden. Ich empfinde das, was hier stattfindet, als Veräppelung des Parlaments. Das muss ich einmal deutlich sagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde trotzdem, dass es ich lohnt, darüber zu reden.

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen: Das ist in Ordnung!)

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass in der Zeitung zu lesen ist, dass in Büsum eine Einrichtung für maritime Aquakultur geplant ist. Das klingt, als fördere die Landesregierung jetzt eine neue Einrichtung. Tatsache ist, dass ich diese Einrichtung schon vor zwei Jahren besucht habe. Erstaunlich! Wir lernen immer dazu.

(Zurufe - Heiterkeit)

Kommen wir zu dem Zukunftsprogramm! Der erste Teil ist das Zukunftsprogramm ländliche Räume. Dieses Programm ist durch große Veränderungen in der EU-Agrar- und Umweltpolitik geprägt. In der Tat gibt es nicht mehr Geld, sondern weniger Geld, aber es gibt neue Förderrichtungen. Entscheidend ist, dass die Landwirtschaft ab 2013 die jetzigen vielen einzelnen Förderungen nicht mehr bekommt. Stattdessen wird es dann eine einheitliche Flächenprämie geben. Der Bauernverband findet das schlecht, wir finden das gut.

(Claus Ehlers [CDU]: Nein! Das ist in Ord- nung!)

Die kommenden sieben Jahre sind ein Übergangszeitraum und es wäre sinnvoll, wenn die Landesregierung die sieben Jahre nutzte, sich auf die neue Situation einzustellen. Leider tut die Landesregierung nichts dergleichen, sondern hält an den alten Förderbedingungen fest, sodass 2013 das böse Erwachen kommt. Das finden wir ausgesprochen dumm und schlagen Ihnen vor, dass Sie das ändern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die zweite große Änderung betrifft die Naturschutzpolitik. In den nächsten sieben Jahren müssen die Natura-2000-Gebiete, die ausgewiesen worden sind, mit entsprechenden Maßnahmen ausgefüllt werden. Hinzu kommt die Wasserrahmenrichtlinie.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

(Lothar Hay)

Um das Artensterben zu stoppen, sollen die Fließgewässer und Seen in Schleswig-Holstein weitgehend wieder in einen natürlichen Zustand versetzt werden. Das ist ein Riesenprogramm, das viel Geld erfordert. Nun könnte man es so gestalten, dass man integrierte Agrar- und Umweltprogramme auflegt, also praktisch den Bauern Geld gibt, um damit gleichzeitig den Umweltschutz zu fördern und die Programme umzusetzen. Das ist auch die Idee, die hinter den neuen EU-Programmen steht. Leider macht die Landesregierung nichts dergleichen. Sie setzt stattdessen das fort, was früher gemacht worden ist - was jetzt aber anders möglich wäre -: Sie subventioniert die Bauern. Die Bedingungen an Umwelt- und Tierschutzkriterien sind abgeschafft worden und parallel fördert man die Umwelt. Das ist nicht schlau, das ist dumm, weil man damit mehr Geld mit weniger Wirkung ausgibt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme jetzt zum Zukunftsprogramm Fischerei. An diesem Zukunftsprogramm hat mich positiv überrascht, dass die Aquakulturförderung fortgesetzt wird. Das ist richtig, denn wir werden in den nächsten Jahrzehnten dazu kommen, dass wir - ähnlich wie wir Fleisch nicht mehr jagen, sondern in Tierzucht produzieren - auch keinen Fischfang mehr betreiben werden, sondern die Fische überwiegend in Aquakultur produzieren. So wird es sein. Heute stammt schon die Hälfte aller Meereserzeugnisse aus Aquakulturen.

Worauf es ankommt, ist, dass wir unser Potenzial nutzen und - darauf hat Lothar Hay hingewiesen dass das ökologisch geschieht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genauso, wie wir bei der Tierzucht Skandale hatten, weil wir erst lernen mussten, wie man ökologisch und tiergerecht Tierzucht betreibt und vermeidet, dass unser Fleisch mit Medikamenten und Chemikalien hinterher vergiftet ist,

(Claus Ehlers [CDU]: Eben haben Sie sich noch für Massentierhaltung ausgesprochen!)

müssen wir das auch bei der Aquakultur lernen und darauf achten, dass wir ökologisch vernünftige Produktionsbedingungen haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Programm für den Fischfang beurteile ich allerdings nicht so positiv. Mittlerweile haben wir nur noch ein Zehntel der Dorschfänge wie vor 30 Jahren, weil die Nordsee praktisch leer gefischt ist. Die EU hat wieder einmal Quoten angesetzt, die so hoch sind, dass sie gar nicht gefangen werden kön

nen. Vor diesem Hintergrund ist es völlig unsinnig, dass Sie jetzt ein Programm auflegen, um eine neue Fischfangflotte zu produzieren. Was soll das Ganze? Wenn Sie so weitermachen, können Sie das Zukunftsprogramm Fischerei gleich in der Nordsee versenken, Herr Ministerpräsident. Das ist kein Zukunftsprogramm Fischerei, das ist ein Programm zur Abwicklung der Fischerei.

Ich komme zum Zukunftsprogramm Arbeit. Zum Zukunftsprogramm Arbeit fällt meine Bewertung durchweg positiv aus. Wo Lob berechtigt ist, sollen Sie Lob auch bekommen. Sonst behaupten Sie noch, die Opposition nörgelt aus Prinzip.

Das Programm wird nach einer völligen Umstellung der Arbeitsmarktpolitik infolge Hartz I bis IV der neuen Situation angepasst und greift jetzt zielgerichtet dort ein, wo es landesspezifische Lücken und insbesondere Handlungsbedarf gibt. Vor allem die Programme ASH J1 bis J7 zur Förderung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen für Jugendliche und zur Vorbereitung von Jugendlichen auf die Ausbildung erscheinen uns sinnvoll und zielgerichtet, Herr Minister. Wir begrüßen auch, dass es mit ASH Q1 wieder ein gezieltes Programm zum beruflichen Wiedereinstieg von Frauen gibt. Ich weiß noch, früher hat die Opposition viel dagegen polemisiert. Ich glaube, dass es genau richtig ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)