Protokoll der Sitzung vom 21.02.2007

Teledienste sind Angebote zur Individualkommunikation. Wir kennen sie alle. Dazu gehören Online-Banking, E-Mails, Börserenticker, Wetter- und Verkehrsdaten, Telespiele, Angebote von Waren in abrufbaren Datenbanken.

Was sind Mediendienste? - Hierbei steht ein redaktioneller Inhalt, der zur Meinungsbildung beiträgt,

(Monika Schwalm)

im Vordergrund. Beispiele sind Teleshopping-Angebote, Fernsehtext, Newsletters, Online-Zeitungen, Nachrichtenagenturen wie dpa oder Reuters, die wiederum von anderen Medien genutzt werden.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

- Das habt ihr alle gewusst. Ich weiß.

Das ist also ein ziemliches Durcheinander, wobei sich diese Bereiche zunehmend untereinander und mit den klassischen Medien Rundfunk und Fernsehen vermischen. Bisher galten unterschiedliche Bestimmungen und Zuständigkeiten. Das wird jetzt durch diesen Staatsvertrag vereinheitlicht, Herr Weber.

Grundlage für die dies betreffenden Regelungen im Staatsvertrag ist das Telemediengesetz des Bundes, das zum 1. März 2007 in Kraft tritt. Damit werden die wirtschaftsbezogenen Bestimmungen für Telemedien wie Herkunftsland, Zulassungsfreiheit, Informationspflichten, Verantwortlichkeit und Datenschutz einheitlich gefasst. Sie gelten zukünftig für alle Telemedien, also auch für solche Dienste, die weder der Telekommunikation noch dem Rundfunk zuzuordnen sind. Dies sind zum Beispiel OnlineAngebote von Waren und Dienstleistungen mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit, Video auf Abruf, Online-Dienste, die Instrumente zur Datensuche wie Google, zum Zugang von Daten und zur Datenabfrage.

Weitere Änderungen des Staatsvertrages betreffen die Einfügung eines neuen § 95 - wir haben lange darauf gewartet - über Informationsrechte von Rundfunkveranstaltern und die Neuregelung zur Auswahl des Veranstalters zu Sendezeiten für Dritte im Rahmen eines Hauptprogramms, die sogenannten Fensterprogramme. Damit soll die Unabhängigkeit dieser Sendezeiten und dieser Anbieter besser gesichert werden.

Künftig gilt für alle Rundfunkveranstalter das Datenschutzrecht für Telemedien in dem entsprechenden Bundesgesetz. Weiter wird im ARD-Staatsvertrag die Gremienaufsicht über die ARD-Hauptprogramme, die ARD-Gemeinschaftsprogramme und das Internetangebot der ARD gestärkt. - Die Begründung hierfür überspringe ich jetzt.

Mit der Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages wird die Voraussetzung dafür geschaffen, dass sich zum Beispiel die Fusion der Medienanstalten von Hamburg und Schleswig-Holstein, die wir soeben beschlossen haben, überhaupt rechnet. Diese Neuregelung bedeutet, dass der zweite oder weitere Sockelbetrag insgesamt sieben

Jahre nach der Fusion von Medienanstalten weiter gewährt wird, ab dem vierten Jahr allerdings in Schritten von jeweils 25 % vermindert.

Meine Damen und Herren, der Neunte Rundfunkänderungsstaatsvertrag trägt den technischen Veränderungen Rechnung. Medien haben sich weiterentwickelt. Der Begriff „Telemedien“ fasst passend die Konvergenz von Mediendienste und Telediensten zusammen. Damit wird eine rechtliche Grauzonen beseitigt. Es findet das rechtliches Gehör, was sich in der Medienrealität schon lange entwickelt hat.

Der Neunte Rundfunkänderungsstaatsvertrag enthält nicht alles, was zur Neuordnung der Medienlandschaft notwendig gewesen wäre. Ich bin sicher, der Redner der Fraktion der Grünen wird gleich noch hierauf eingehen. Deshalb ist schon jetzt klar, dass ein zehnter Staatsvertrag weitere Klarheiten schaffen wird. Ich hoffe vor allem, dass es dann zu der dringend erforderlichen Neuordnung der Finanzierung des Rundfunks in Deutschland kommt. Unter anderem die absurde Diskussion um die Heranziehung von Handy-TV und internetfähigen Computern zeigt, dass diesbezüglich dringender Handlungsbedarf besteht. Diese von SchleswigHolstein maßgeblich mit angestoßene, geräteunabhängige Neuordnung konnte in dem Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag noch nicht berücksichtigt werden. Offensichtlich wusste man noch nicht genau, wie man das machen sollte. Zumindest im Moment besteht noch keine Einigkeit zwischen den Ländern.

Bleibt zum Schluss die Aussage, die ich schon zu Anfang getroffen habe: Wir werden dem Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag zustimmen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Herrn Oppositionsführer, dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion wird dem Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag zustimmen. Damit ist bereits alles Wesentliche gesagt. Da ich hier, anders als im Deutschen Bundestag, Reden bedauerlicherweise nicht zu Protokoll geben kann, möchte ich darauf verweisen, dass meine Rede, die ich jetzt nicht halten werde, als Pressemitteilung der FDP-Fraktion verumdruckt wird.

(Peter Eichstädt)

(Peter Eichstädt [SPD]: Online-Dienste!)

Das sage ich für den Fall, dass das jemand nachlesen möchte, wozu ich raten würde, weil es ein bedeutender Beitrag ist.

Bevor ich nun wirklich zum Schluss komme, will ich noch auf einen Punkt hinweisen, der bisher bedauerlicherweise nicht angesprochen worden ist. Das ist die Diskussion über die Frage des Datenschutzes im Rahmen des Telemediengesetzes. Das Schleswig-Holsteinische Unabhängige Landeszentrum für den Datenschutz hatte gerade die datenschutzrechtlichen Regelungen in diesem Gesetz im Rahmen der Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages sehr stark kritisiert, die nun durch diesen Rundfunkstaatsvertrag in dieses Gesetz implementiert werden. Der Datenschützer hatte insbesondere die Ausweitung der Auskünfte gegenüber den Sicherheitsbehörden kritisiert. Kollege Eichstädt, deswegen hatten wir beantragt, ihn zu diesem Thema noch einmal zu hören.

Uns hat überzeugt, was Herr Dr. Weichert gesagt hat. Er hat erklärt, dass seine Bedenken nach wie vor bestehen, dass es aber auf der Grundlage einer bundeseinheitlichen Regelung unverantwortlich wäre, wenn der Landesgesetzgeber diese Sache, die auf Bundesebene zu regeln wäre, durch Verweigerung des Rundfunkstaatsvertrages konterkarieren würde. Er hat seine Bedenken insoweit zurückgestellt. Das war für uns mit ausschlaggebend dafür, dass wir dem Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag aus vollem Herzen zustimmen können.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Vorsitzenden, Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorwegzunehmen: Wir werden uns enthalten. Der vorliegende Staatsvertrag setzt im Wesentlichen das neu verabschiedete Telemediengesetz auf Bundesebene um. Insofern bleibt dem Parlament im Grunde nichts anderes übrig, als den Staatsvertrag abzunicken. Wir haben aber erhebliche Kritik am Telemediengesetz. Man kann sich hier so oder so verhalten. Wir haben uns entschlossen, uns an dieser Stelle zu enthalten. Das ist keine Kritik an dem Gesetz in Schleswig-Holstein. Es ist

aber ein deutliches Votum dahin gehend, dass das, was dem zugrunde liegt, nicht unsere Akzeptanz findet.

Dazu möchte ich noch einige Anmerkungen machen: Grundsätzlich ist die Zusammenlegung der Tele- und der Mediendienste in einem Gesetz sinnvoll. Durch diese Bereinigung der Gesetzeslandschaft sollten klare rechtliche Rahmenbedingungen für die Wirtschaft gesetzt und auch Fragen des Datenschutzes einheitlich geklärt werden. Das war eine große Chance. Diese Chance ist in Berlin von der Großen Koalition nicht genutzt worden. Im Gegenteil, nicht einmal die Mindestanforderung an ein solches Telemediengesetz, nämlich eine klare Definition des Begriffs Telemedien, wurde erfüllt. Die Große Koalition lässt die Anbieter von Diensten nach wie vor im Unklaren darüber, ob ihr Dienst Teil der Rundfunk-, der Telemedien- oder der Telekommunikation ist.

Erheblich ist auch die Absenkung des Datenschutzniveaus. Gleiches gilt auch für die unterschiedlichen Niveaus, die nicht angepasst werden konnten. Die Koalition verpasst die Chance, die Verbraucher im Bereich des Internets endlich besser vor lästiger Werbung und davor, dass persönliche Daten auf Verdacht gespeichert werden, zu schützen. Die Koalition untergräbt den Datenschutz sogar. Das ist der gleiche Passus wie beim Polizeigesetz, über das wir morgen reden werden. Die Koalition untergräbt den Datenschutz, wenn sie die Herausgabe persönlicher Daten an die Polizei durch den Dienstanbieter auch zur vorbeugenden Gefahrenabwehr erlaubt. Das ist einfach nicht akzeptabel! Dabei sind in einer Informationsgesellschaft gerade die persönlichen Daten, die wir dem Internet anvertrauen, Schlüssel zu unserem Privatleben. Wenn wir hier keinen vernünftigen Schutz haben, dann macht uns das Internet immer stärker zu einem gläsernen Staatsbürger. Nicht umsonst warnen die Verbraucher- und Datenschutzorganisationen in einer gemeinsamen Stellungnahme: Dieser Entwurf sehe sogar noch weitere erhebliche Absenkungen des Datenschutzniveaus vor.

Das Gesetz ist also weder verbraucherfreundlich noch wirtschaftsfreundlich, denn auch die Wirtschaft ist essenziell auf einen vernünftigen Datenschutz im Internet angewiesen. Keine Firma möchte Daten ins Internet stellen, wenn sie damit rechnen muss, dass ihre Konkurrenz diese anschließend liest. Eines ärgert mich ganz besonders an diesem Gesetz. Herr Ministerpräsident, vielleicht benutzen Sie das Internet nicht.

(Zurufe von der CDU)

(Wolfgang Kubicki)

Das kann ja sein. Jeder aber, der das Internet benutzt, weiß, wie nervig es ist, jeden Tag 50 bis 100 Spam-Mails zu bekommen.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen - Heiterkeit)

- Herr Ministerpräsident, seien Sie nicht so empfindlich! Jetzt denken Sie schon, Sie seien auch dafür verantwortlich. Ich habe Sie nur angesprochen, weil Sie so guckten. Das Leben als Ministerpräsident ist hart, ich habe Sie vorher gewarnt! Sagen Sie das nicht, Sie hätten auch da hinten sitzen bleiben können.

Herr Ministerpräsident, ich kann es nicht mehr einsehen, dass ich ohne gesetzlichen Schutz Tag für Tag mit Spam-Mails überschüttet werde. Ich werde nicht nur mit Werbemails überschüttet, um die ich nicht gebeten habe, sondern auch mit Dutzenden von Mails, in denen die Betreffzeile oder der Absender bewusst verschleiert werden. Wir fordern, dass es endlich eine Möglichkeit gibt, gegen solche unerwünschten Mails juristisch vorzugehen. Wir fordern auch, dass Werbemails durch ein einheitliches „W“ oder anderes gekennzeichnet werden. Ich weiß natürlich, dass Deutschland das Problem nicht allein lösen kann. Deutschland könnte durch eine solche Maßnahme aber Vorbild werden und bei internationalen Verhandlungen und bilateralen Abkommen gegen Spam-Mails eine starke Position einnehmen. Bei internationalen Verhandlungen ist es immer so gewesen, dass es gut ist, wenn jemand anfängt und wenn die Geschichte erst einmal in Gang gebracht wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin sicher, dass auch in anderen europäischen Ländern und selbst in den USA der Leidensdruck bezüglich der Spam-Mails zunimmt. Dort werden wir auch zu Verbesserungen kommen.

Das Telemediengesetz ist ein Armutszeugnis und verdient die Bezeichnung Neuordnung der Medienordnung nicht. Wie wir es immer öfter erleben, hat die Große Koalition - diesmal nicht hier, sondern in Berlin - so lange verhandelt, bis sie sich am Schluss auf fast nichts einigen konnte. Das Ergebnis dieser Methode nennt man Murks.

Auch wenn der Staatsvertrag, den wir heute verabschieden sollen, dieses Gesetz lediglich umsetzt, werden wir uns angesichts der grundsätzlichen Kritik an dieser Neuordnung der Telemedien der Stimme enthalten und nicht zustimmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich dessen Vorsitzender, Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich lasse meine Frustration über die Verabschiedung von Staatsverträgen einmal weg und verweise darauf, dass mit diesem Staatsvertrag schon der nächste in Arbeit ist. Das soll heißen, dass wir dafür sorgen müssen, dass wir uns als Parlament rechtzeitig in diese Debatte einklinken und uns auch einklinken können. Dabei geht es bei dem Zehnten Staatsvertrag zum Beispiel um die Umsetzung der Verabredung zwischen den Ländern und der EUKommission mit Blick auf das Beihilfeverfahren. Es geht um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Gebührenfestsetzungsfrage und nicht zuletzt um die Verabredung der Ministerpräsidenten, ein neues Gebührenmodell zu entwickeln. Das sind ganz wesentliche Fragen.

Der vorliegende Vertrag ist trotz seines sperrigen Namens und des ärgerlichen Verfahrens ein wichtiger Baustein bei der Einbeziehung der neuen Medien. Der Vertrag versucht mit der Entwicklung der neuen Medien Schritt zu halten. Konsequenterweise wird der alte Mediendienste-Staatsvertrag damit abgelöst, denn heutzutage kann man - dank guter Datenübertragungsraten und des sich ständig verbilligenden Angebots - am Computer alles machen. Man kann fernsehen, Zeitung lesen, Filme abrufen und über Kabel, Satellit oder Telefonleitung einkaufen und vieles mehr. Diese Gesetze hinken der rasanten technischen Entwicklung bislang aber hinterher. Die neuen Vorgaben zu Inhalt, Werbung und Gegendarstellungsrecht bei den Onlineangeboten waren mehr als überfällig.

Dennoch bleiben viele Regelungen in dem neuen Vertrag ungenannt, weil der Bund im Telemediengesetz wirtschaftsbezogene Regelungen für Telemedien wie das Herkunftslandprinzip, die Zulassungsfreiheit, die Pflichten und die Datenschutzbestimmungen regeln wird. Darum sage ich, ich hätte mir wirklich gewünscht, dass dieses Nebeneinander bei dieser Gelegenheit auch gleich mit entsorgt worden wäre.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Beim Thema Vereinheitlichung der Gebührenbefreiung bin ich leider nicht ganz so optimistisch, wie es der dem Vertrag angefügte Begründung zu

(Karl-Martin Hentschel)

entnehmen ist. Zwar finde ich es prinzipiell richtig, dass die Befreiung von den Rundfunkgebühren aus sozialen Gründen seit einiger Zeit auf eine einheitliche Grundlage gestellt wurde, doch ist das Verfahren - wie es mir zu Ohren gekommen ist - wieder Sache der Länder. Sie wissen, es geht um Hartz IV, denn dessen Empfänger können sich von der Gebühr befreien lassen. Früher wurde beim Sozialamt ein kurzer Antrag ausgefüllt. Heutzutage erwartet die Gebühreneinzugszentrale eine beglaubigte Abschrift des Arbeitslosengeld-II-Bescheides. Diese zusätzlichen Kosten trägt jeder Hartz-IV-Empfänger selbst. Das Verfahren ist umständlich, teuer und letztlich nur der Zentralisierung geschuldet. Ich denke, das muss ganz einfach geändert werden.

(Beifall beim SSW)

Als letzten Punkt nenne ich die sogenannten Drittsenderechte, die jetzt gestärkt wurden. Das begrüßen wir ausdrücklich. Anlässlich des 75. Geburtstags von Alexander Kluge, der die privaten Sender mit seinen Angeboten bereichert, ist das auch bei den privaten Fernsehsendern wirklich der richtige Weg zur Sicherung der Meinungsvielfalt. Wir werden dem Staatsvertrag zustimmen.