Wir Grünen wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger erkennen können, was mit einer Verwaltungsreform erreicht werden soll. Unsere Vision ist, dass die Wege für die Menschen hin zu ihrer Verwaltung verkürzt werden. Unser Ziel ist es, Verwaltungskosten in erheblichem Umfang einzusparen. Diese Einsparsummen müssen errechnet werden, sie müssen benannt werden und auch der Gegenwert muss klar sein. Wenn es tatsächlich so ist, dass mit einer tief greifenden Gebietsreform jährlich weit über 100 Millionen € eingespart werden können, wäre damit beispielsweise das kostenlose Kitajahr - die Kosten dafür betragen 26 Millionen € - zu finanzieren. Wir hätten dann sogar noch 75 Millionen € übrig, die dafür verwendet werden könnten, die Nettoneuverschuldung zu reduzieren, was dringend notwendig wäre.
Meine Damen und Herren, ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen, weil Sie sich wahrscheinlich selbst tierisch darüber ärgern, dass Sie eine gute Reform an die Wand gefahren haben, dass Sie kein Konzept haben, dass Sie keine Idee bezüglich der Finanzierung haben und dass Sie die Menschen im Lande verprellen, statt sie zu gewinnen. Das würde mich an Ihrer Stelle auch ärgern.
Nein, ich kenne die Meinung meines Kollegen Kalinka. - Ich bin fest davon überzeugt, dass den Menschen eine gute Bildung im Lande wichtiger ist als
die Grenze ihres Kreises. Ich bin mir sicher, dass die Menschen ihre Anliegen lieber im ortsnahen Rathaus erledigt bekommen, als dafür weite Wege zur Kreisverwaltung zurückzulegen. Die Landesregierung hat schon viel Vertrauen verspielt. Sie hat die notwendige Gebietsreform mit Koalitionsgezänk belastet, statt ein überzeugendes Konzept vorzulegen. Hinzu kommt, dass täglich neue Meinungsäußerungen beispielsweise vom Fraktionsvorsitzenden der CDU zu hören sind, sodass auch niemand mehr weiß, was die CDU eigentlich will.
Meine Fraktion will nicht darauf warten, bis ein weiterer nächtlicher Koalitionsausschuss weitere Zeitpläne verabschiedet. Deshalb stimmen wir dem Antrag des SSW zu. Es ist richtig und dringend notwendig, jetzt einen Weg zu finden, um diese Reform noch zum Erfolg zu führen. Wir haben kein Vertrauen mehr, dass die Landesregierung es schafft. Es ist schade, dass Sie im Mai vor zwei Jahren sowohl den Antrag des SSW als auch unseren Antrag abgelehnt haben. Hätten wir bereits vor zwei Jahren den Weg gewählt, eine Kommission einzuberufen, bei der wir, wie von uns gewollt, die Kommunen mit einbeziehen, dann wären wir heute vielleicht ein Schrittchen weiter.
Das Ziel muss es sein, alle Aufgaben, die die Bürger direkt betreffen, in die Rathäuser vor Ort zu verlagern. Die Bürger können die sie betreffenden Angelegenheiten dann direkt im eigenen Rathaus erledigen. Das Ziel muss es sein, eine demokratische Amtsverfassung zu verankern. Herr Kalinka, Sie haben eben gesagt, die Ämter würden in Zukunft mehr Kompetenzen erhalten. Das Ziel muss es sein, dass durch die Bildung von vier bis fünf Großkreisen die Randgemeinden und die kreisfreien Städte wieder zusammengeführt werden. Das Ziel muss es sein, die restlichen Aufgaben der Kreise und die Aufgaben der regionalen Landesbehörden zusammenzufassen.
Wir brauchen einen belastbaren Zeitplan. Wir brauchen ein überzeugendes Konzept. Wir brauchen Visionen und Ideen, damit wir die Menschen für das begeistern können, was wir in unserem Land verändern wollen. Ein gutes Konzept könnte auch dazu führen, dass wir mehr Geld für die Bildung zur Verfügung haben, was wir alle ja wollen. Ich fordere uns alle auf: Wagen wir einen neuen Start unabhängig vom bisherigen Regierungsgewürge!
Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in meinem Redebeitrag mehrfach unterstrichen, dass es uns um das Verfahren geht. Natürlich teilen wir inhaltlich nicht die Auffassung der Grünen, aber wir sind uns dahin gehend einig, dass es ein anderes Verfahren sein muss. Wir wollen mit unserem Antrag eine Versachlichung der Debatte, wollen einen Neuanfang.
Da Kollege Puls gesagt hat, dass es nicht zutreffe, dass Aufgabenkritik sozusagen am Ende stattfinde, möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen, dass wir im November oder Dezember 2006 das Zweite Verwaltungsstrukturreformgesetz beschlossen haben. Wir haben das Erste Verwaltungsmodernisierungsgesetz beschlossen, haben Strukturen beschlossen, ehe wir uns mit Inhalten befasst, ehe wir uns mit Aufgabenkritik beschäftigt haben.
Wenn ich mich recht entsinne, steht im Zeitplan zu lesen, dass bis April 2007 öffentlich Aufgabenkritik gemacht werden soll. Ich meine, dass man das am Ende tun sollte.
Lieber Kollege Puls, wir haben die anderen Gesetze beschlossen, bevor wir die Aufgabenkritik durchgeführt hatten. Ich denke, darin sollten wir uns auf jeden Fall einig sein.
Noch eines: Wir haben, weil wir die Strukturen zuerst beschlossen haben und es dann die Probleme mit den kommunalen Verwaltungsstrukturen, den Kreisreformen und diesem ganzen Kram gegeben hat, die Chance vertan, eine Reform aus einem Guss zu bekommen.
Wir haben uns noch keine Gedanken darüber gemacht, wie das Verhältnis zwischen Kreisen und Kommunen künftig gestaltet werden soll, welche Aufgaben wohin verlagert werden sollen, wie die Aufgabenverteilung insgesamt aussehen soll. Wir haben aber schon eine neue Verwaltungseinheit beschlossen. Die Größe dieser neuen Ämter ist auch
schon beschlossene Sache. Wir wissen aber überhaupt noch nicht, wie das Gesamtkonstrukt der kommunalen Verwaltung auszusehen hat.
Also noch einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir sollten nicht so tun, als sei schon alles in trockenen Tüchern und auf einem guten Weg, denn das stimmt auf keinen Fall. Darum war aus unserer Sicht notwendig, noch einmal deutlich zu machen, wo wir stehen: nämlich vor einem Scherbenhaufen. Ich bin gespannt, wie es mit diesem Scherbenhaufen weitergehen kann. Ich glaube, der einzig richtige Weg ist, zu sagen: Fegen wir den ganzen Kram zusammen und schmeißen ihn auf den Müll!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mir erhofft, dass wir diesen Vorschlag noch einmal im Ausschuss miteinander beraten und auch zu der Erkenntnis kommen können, dass eine Expertenkommission wichtig ist, damit wir diese Vorstellung auch einmal aus dem Koalitionsausschuss herausbekommen.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Ich plädiere also dafür, dass wir für uns als Parlament auch in diesem Sinne sagen, dass einfach mehr Transparenz notwendig ist.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mein Manuskript zur Seite gelegt. Nachdem ich die Debatte gehört habe, bin ich doch etwas ratlos. Große Worte sind gefallen: Scherbenhaufen! Alle Bürger sind irritiert! Und dann ist es ausgerechnet der SSW, der einen ausgesprochen deutschen Vorschlag unterbreitet, nämlich: Lasst uns doch eine Expertenkommission gründen!
Die Deutschen lieben Expertenkommissionen. Das Problem ist aber nicht, das wir noch Informationen brauchten; die brauchen wir wirklich nicht. Am Ende wird Politik entscheiden müssen, wird dieses Parlament, das dazu da ist, entscheiden.
Um auch Folgendes einmal zu sagen: Es geht, liebe Frau Kollegin Spoorendonk, nur um Verwaltungsreformen. Die Menschen in diesem Land müssen über die Reformen der Alterssicherung, auf dem Gebiet des Gesundheitswesens und des Arbeitsmarkts, die sie persönlich betreffen, reden. Wir reden nur über Verwaltungsreformen. Dabei gibt es ein Ziel, nämlich, für Verwaltung weniger Geld zu verwenden, damit wir mehr Geld für die Inhalte von Politik haben. Das ist der Sinn.
Genau das haben wir in den Ämtern gemacht, nämlich gesagt, wie uns der Rechnungshof empfohlen hat: Mindestgröße bei gleichbleibenden Aufgaben ist kostengünstiger. - Da sollten wir die Kirche im Dorf lassen; ich kann die ganze Aufregung nicht begreifen.
Wir werden jetzt einen neuen Fahrplan vorlegen und ergebnisoffen - aber nicht ergebnislos - diskutieren. Wir diskutieren mit den Kommunen, sprechen darüber, Aufgaben vom Land weg zu verlagern, die nicht auf Landesebene erfüllt werden müssen. Im kreisangehörigen Bereich, in den größer gewordenen Ämtern will man auch Aufgaben haben.
Was wir nicht wollen, ist eine Gemeindegebietsreform. Das ist eine politische Willensentscheidung. Da sind wir anderer Meinung als andere. Das wollen wir nicht, weil die Heimat der Menschen ihre Städte und Gemeinden sind. Was wir wollen, ist eine Verwaltungsreform. Sie muss dann für alle Ebenen gelten.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Vieles, was Herr Hildebrand gesagt hat, war falsch; manches war richtig. Ich finde auch nicht jedes Interview begeisternd. Warum muss man sich jetzt ständig zu irgendwelchen Zwischendingen äußern? Das gilt für Politiker, für politische Beamte, gilt für manch anderen. Das halte ich für überflüssig; damit verwirren wir Menschen nur.
Wir sollen jetzt unsere Arbeit machen. Dann werden unabhängige Experten Wirtschaftlichkeitsberechnungen anstellen und uns sagen, ob die gegenwärtige Struktur mit elf Kreisen und vier kreisfreien Städten die optimale ist. Wenn ja, dann bleibt es so. Wenn nein - da können wir unterschiedliche Erwartungen hegen -, wird das geändert.
Ich bin heute auf dem Weg in den Plenarsaal gefragt worden: Wie ist denn das? Bereiten die heimlich ihren Ausstieg vor und wollen doch etwas an
deres? Ich bin zum Beispiel nach dem Kollegen Stritzl gefragt worden, weil der ein Interview gegeben hat. Ich kann den Kollegen Stritzl nicht interpretieren und habe deshalb gesagt: Fragen Sie ihn selbst! Ich halte mich an das, was zum Beispiel mit dem Ministerpräsidenten, mit der Regierung verabredet worden ist. Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass wir genau das tun. Da werden Entscheidungen am Ende getroffen und nicht am Anfang. Wir haben die Grundzüge miteinander vereinbart, und wir verfahren so.
Manch einem, der hier auch ein bisschen die Leute aufzubringen versucht, muss man vielleicht sagen, dass am Ende die Fragen, wie die Strukturen sind und wer welche Position hat oder auch nicht, bezogen auf die Sorgen, die die Menschen haben, sehr zweitrangig sind.
Zu den sehr ernstzunehmenden Sorgen - um die wir uns kümmern müssen - gehört: Wie schaffen wir es bei veränderten Verwaltungsstrukturen, den ehrenamtlichen Teil der Politik zu stärken? Das wollen wir nämlich auch. Ich wiederhole: Die Verwaltung ist für die Bürger da. Das heißt, das hat sie so zu organisieren. Es ist auch falsch, wenn die Politik nicht in den Gemeindevertretungen, sondern irgendwo anders gemacht wird. Wir wollen, dass die Politik vor Ort ehrenamtlich gemacht wird. Wir wollen die Verwaltung effizient auf allen Ebenen organisieren. Wir wollen Geld frei haben für die Inhalte von Politik. Das sind unsere Zielrichtungen. Alles andere überhöht das maßlos.
Es geht im Übrigen nirgendwo um die Identität, denn die Identitäten bleiben erhalten, völlig unabhängig davon, wie Verwaltungsstrukturen beschaffen sind. Niemand nimmt irgendjemandem etwas von seiner persönlichen Identität weg.
- Ist sie hier? - Nein, Heike Franzen meinte ich nicht. Ich meinte Frau Franzen von der SPD-Fraktion. Sie war Anfang der 90er-Jahre in der Enquetekommission. Alles, was wir wissen müssen, ist schon damals erarbeitet worden. Wir sind jetzt im Jahr 2007. Wenn wir das mit diesen Mehrheiten in diesem Landtag nicht zuwege bringen, ist das ein Armutszeugnis für die Politik.