Protokoll der Sitzung vom 22.02.2007

Weitere Berichte oder Kommissionen sind nicht zielführend. Nötig ist ein Gesamtkonzept und insoweit wären wir inhaltlich vom SSW nicht fern. Wir brauchen ein Gesamtkonzept; darin besteht Einigkeit und das ist auch kein Thema.

Die Regierung ist dabei, einen Vorschlag zu entwickeln. Die Aspekte Aufgabenkritik, Aufgabenabbau, Aufgabenverlagerung, Abbau von Vorschriften und Entbürokratisierung befinden sich im Prüfungsprozess, im Abwägungsprozess sowie im Entscheidungsvorgang. Sie werden dazu schon bald konkretere Aussagen hören. Im Übrigen hat das Ministerium des Umweltministers 500 Erlasse außer Kraft gesetzt. Egal, wie man dazu steht, aber es

liegen auch Vorschläge von Staatssekretär Schlie vor, mit denen man sich auseinandersetzen kann.

Finanziell muss am Ende etwas dabei herauskommen. Das ist der entscheidende Maßstab. Das Land ist mit 23 Milliarden € verschuldet, die Kreise inzwischen mit über 500 Millionen €. Das sind Zahlen, die kann man nicht gering schätzen. Deswegen wird die Wirtschaftlichkeit Maßstab sein.

Zur Verlagerung der Aufgaben gibt es Eckpunkte, die definiert sind. Das Land will sich im Schwerpunkt auf die ministerielle Ebene beschränken. Die neuen zusätzlichen Aufgaben, die dann verlagert werden, werden auf die Kreise, überregionale Einheiten, verlagert. Heute gibt es schon viele Kooperationen. Ob sich mögliche neue Gebietszuschnitte ergeben, wird am Ende des Prozesses zu prüfen und zu entscheiden sein.

Die Amtsebene muss natürlich mehr Aufgaben bekommen, ganz selbstverständlich. Beispiele aus dem Bauordnungsrecht, dem Umweltrecht stehen hier zur Diskussion. Insoweit hat dieser Prozess eine hochintensive Form innerhalb Schleswig-Holsteins, innerhalb der kommunalen Familie. In der vergangenen Woche haben Innenminister und Finanzminister mit der kommunalen Familie gesprochen. Diese Gespräche werden fortgesetzt. Wir sind mitten in dieser Diskussion.

Gutachter begleiten diesen Prozess. Sie werden vor allen Dingen die Wirtschaftlichkeit, die verfassungsrechtlichen Dinge, die Aufgabenübertragung zu begutachten haben. Ich wünsche mir persönlich, dass sich der Landesrechnungshof in diesen Prozess einbringt. Er ist eine wichtige unabhängige Instanz, die diese Arbeiten begleiten sollte.

Wir sind im Übrigen in einem sehr komplizierten Prozess. Ich will nur ein paar kurze Stichworte nennen. Die EU-Dienstleistungsrichtlinie ist bis 2009 zu verwirklichen. Das ist eine riesige Aufgabe, die hier mit gesehen werden muss. Die IT-Strukturen müssen kompatibel gemacht werden. Es gibt Fragen zum Finanzausgleichsgesetz, zur Konnexität, zu den Personalübergängen. Ich könnte weitere Beispiele erwähnen. Es ist eine breite Herkulesaufgabe, vor der wir stehen.

Wichtig scheint zu sein, weil Sie über Dithmarschen und anderes sprachen, es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir versuchen müssen, die Menschen mitzunehmen. Freiwilligkeit hat höchste Priorität. Wir müssen die Menschen mitnehmen, wir müssen aber am Ende auch Entscheidungen treffen. Darüber gibt es in dieser Koalition Einigkeit. Ich betone das ausdrücklich, Herr Minister,

(Anke Spoorendonk)

von diesem Platz aus, damit keine Zweifel darüber bestehen.

In diesem Diskussionsprozess wird die Stärkung des politischen Ehrenamtes eine große Rolle spielen müssen. Ich habe die Berichte der Kommission durchgelesen. Überall war der Schwerpunkt: Das Hauptamt ist zu stark geworden, ihr müsst mehr für das Ehrenamt tun. Das ist richtig, aber dann lassen Sie uns dort auch gemeinsam die Initiative ergreifen und Schwerpunkte setzen. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, ob wieder mehr Selbstverwaltungsaufgaben übertragen werden, und wir werden auch andere strukturelle Fragen abzuwägen haben, etwa Schulentwicklungsplanung, Wirtschaftsplanung, Regionalentwicklung, Verhältnis zur Metropolregion Hamburg.

Unser Ziel, unser Grundsatz ist, Verwaltung möglichst dicht beim Bürger zu verankern, dieses möglichst kostengünstig und möglichst gut zu machen. Da gibt es von Seiten der Antragsteller - ich will gar nicht alles kritisieren, ich versuche, Sie mit ins Boot zu nehmen - einige Widersprüchlichkeiten, die ich ganz kurz nennen möchte. Im Jahr 2005 sollten es noch 60 Verwaltungen in Schleswig-Holstein sein. Sie haben als SSW bei einer Mindestgröße von 8000 statt 1130 nur noch 80 Gemeinden vorgeschlagen, so am 24. April 2004 durch Frau Hinrichsen. Ich könnte diese Zitate fortsetzen. Für uns steht von daher fest, die Kreise bleiben, es wird keine Gemeindegebietsreform geben, und wir werden im Zeitfenster bis April 2009 zu Ergebnissen kommen.

Wir müssen das Beharrungsdenken überwinden. Mit Stillstand ist niemand gedient. Ich glaube, es ist wichtig, das in den Köpfen zu verankern. Die Politik ist gefordert zu denken, zu handeln und zu entscheiden. Das sind letztendlich wir hier im Landtag, um das ganz deutlich zu sagen, die Regierung, aber auch wir. Würden wir dem SSW-Antrag folgen, würden wir in dieser Wahlperiode nichts Entscheidendes mehr bewirken können, denn Mitte 2008 würde bedeuten, dass wir keine Entscheidung mehr treffen können. Schon deshalb ist der SSW-Antrag abzulehnen. Wir haben kein Erkenntnisdefizit, wir haben Handlungsbedarf und dem wollen Regierung und Koalition gemeinsam nachkommen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die Fraktion der SPD hat der Herr Abgeordnete Klaus-Peter Puls das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die SPD-Landtagsfraktion hält eine weitere Expertenkommission nicht für erforderlich. Expertisen und Gutachten zu diesem Thema, zu einer Verwaltungsstrukturreform und zu Entbürokratisierungsmaßnahmen in Schleswig-Holstein gibt es zuhauf. Papier ist genug beschrieben worden, jetzt muss gehandelt werden. Das tut die Regierung bereits. Es liegt ein Zeitplan und es liegt eine konkrete Projektorganisation seitens der Landesregierung vor.

Der Hinweis der Kollegin Spoorendonk ist falsch, die Aufgabenkritik steht im Zeitplan der Regierung keineswegs am Ende, sie steht ganz am Anfang, wie es sich gehört. Die weiteren Phasen, die dort vorgesehen sind, sind auch ganz konsequent und logisch. Zunächst geht es um die Frage einer Aufgabenübertragung von der Landesebene auf die Kreisebene, dann wird eine Wirtschaftlichkeitsberechnung durchzuführen sein, die für verschiedene Modelle gerechnet wird, wie diese Aufgaben auf der Kreisebene am Günstigsten erfüllt werden können. Dort werden unabhängige Sachverständige der Regierung und uns allen zur Seite stehen. Die Regierung ist gerade dabei, solche Sachverständigen zu benennen.

Erst danach wird sozusagen die Frage einer Kreisgebietsreform überhaupt aktuell und zu prüfen sein, ob zum Beispiel in größeren Einheiten die Aufgaben noch wirtschaftlicher auf der Kreisebene zu erledigen sind als im jetzigen Status quo. Sollte das der Fall sein, stellt sich die Frage: Welche Gebietskulisse könnte für eine Kreisgebietsreform in Betracht kommen? Eine Entscheidung über eine Kreisgebietsreform gäbe es also erst nach der Wirtschaftlichkeitsbegutachtung durch unabhängige Sachverständige. Dann wäre natürlich auch noch zu untersuchen, welche Aufgaben von der Kreisebene in den kommunalen Raum verlagert werden, um möglichst ortsnahe Erledigung zu erreichen. Diese Frage wird uns insbesondere von den Kommunen und Städten im kreisangehörigen Raum immer wieder gestellt, und die müssen wir natürlich auch beantworten. Wir wollen das auch tun. Kollege Kalinka hat darauf hingewiesen, eine Gebietsreform innerhalb der Kreise, eine Gemeindegebietsreform, wird es nicht geben. Das steht fest.

Ein Landesgesetz, das all diese Fragen, die ich eben kurz angerissen habe, unter Dach und Fach bringt, muss nach unserer Auffassung spätestens im Frühjahr 2009 auf den Weg gebracht sein. So weit zum Zeitplan und zu den Entscheidungsphasen!

(Werner Kalinka)

Die Beteiligung unabhängigen Sachverstandes ist in all diesen Phasen gewährleistet, auch die Beteiligung - darauf legen wir auch Wert - des kommunalen Sachverstands von Beginn an, nicht nur der kommunalen Landesverbände, sondern auch aus den Kommunen, den Städten und Gemeinden, selbst. Eine zusätzliche Expertenkommission benötigen wir nicht.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin, lieber Kollege vom SSW, leider können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. Sollte eine weitere inhaltliche Debatte im Ausschuss darüber erwünscht sein, werden wir uns dem nicht verschließen. Der Grund für die Ablehnung liegt schlicht und einfach in einer mit vielen fachkundigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgestatteten Verwaltung der Landesregierung, die selbst in der Lage sein sollte, gut recherchierte, begründete, nachvollziehbare und realisierbare Vorschläge für Verwaltungs- und Kommunalstrukturen zu erstellen. Eine zusätzliche Expertenkommission würde doch eigentlich nur für die Ministerialbürokratie die Hausaufgaben machen und ihr die ureigensten Aufgaben entziehen.

Darüber hinaus habe ich meine Zweifel, ob eine solche von der Landesregierung eingesetzte Expertenkommission, deren Zusammensetzung logischerweise die Landesregierung selbst bestimmt - das ist ja das, was der SSW fordert - wirklich frei und ergebnisoffen Modelle erarbeiten kann, ohne durch politische Vorgaben der Landesregierung eingeengt zu werden. Wir glauben das nicht, das lehrt uns die Erfahrung mit dieser Landesregierung. Außerdem sind die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen beratungsresistent, wie es sich heute Morgen bei der Beratung des Polizeirechts wieder aktuell gezeigt hat.

Es bleibt dabei: Wir brauchen keine Expertenkommission. Mit der Funktionalreform, die logischerweise die Vorstufe einer möglichen Verwaltungsreform sein sollte, ist im Landesdienst ja bereits heute eine eigene Abteilung mit einem Staatssekretär beschäftigt.

Der Antrag gibt uns aber die Gelegenheit, hier im Parlament noch einmal verschiedene Dinge und das

Chaos in der Landesregierung Revue passieren zu lassen. Das, was wir in den vergangenen Monaten beobachten durften, ist in der Tat Chaos, wenn wir Wert auf verlässliche Aussagen der Regierung und der Koalition legen. Da steht auf der einen Seite die von dem Innenminister geführte SPD, die weiterhin eine Kreisgebietsreform gegen alle kommunalen Widerstände durchsetzen will. Da steht auf der anderen Seite die CDU, die zunächst die kommunalen Verwaltungsregionen in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt hat, von diesem Projekt dann wieder Abstand genommen hat, weil es sich im organisatorischen Bereich als chaotisch erwiesen hat, und dann im Koalitionsausschuss mit dem Regierungspartner einen Fahrplan für eine Kreisgebietsreform erarbeitet hat, den sie jetzt eigentlich gar nicht mehr aufrechterhalten will, zumal sie die Kreisgebietsreform gar nicht will - und ihre Basis schon gar nicht. Irgendwo dazwischen irrt der Ministerpräsident umher. Es ist schon erstaunlich, welcher Rittberger - egal ob links- oder rechtsherum - hier gesprungen wird, insbesondere vom Fraktionsvorsitzenden der CDU, Herrn Kollegen Wadephul.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Erst wird im Koalitionsausschuss der Fahrplan für eine Kreisgebietsreform verabredet, dann wird von Herrn Wadephul aufgrund des Widerstandes der unerschrockenen Dithmarscher quasi eine Lex Dithmarsia versprochen und schließlich will er wenige Tage später ganz auf eine Kreisgebietsreform verzichten und singt das Hohelied der Kooperationen zwischen den Kreisen, als ob es diese nicht schon seit Jahren in vielfältigster Form gäbe!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Angesichts dessen stellt sich die Frage, wann der Fraktionsvorsitzende der CDU endlich in der Gegenwart ankommt.

Ich glaube, die CDU hat erkannt, dass eine Gebietsreform ohne die vorherige Zustimmung der Kreise für sie zum Debakel wird. Die Widerstände in den Kreisen wachsen kontinuierlich. Dithmarschen selbstverständlich zuerst, dann Nordfriesland - die Heimat unseres Ministerpräsidenten - und jetzt auch der Kreis Herzogtum Lauenburg haben bereits entsprechende Initiativen gestartet. Alle werden interessanterweise von der örtlichen CDU unterstützt. Auch der Steinburger Kreistagsfraktionsvorsitzende der CDU, der bereits mit seinem Pinneberger Kollegen plakativ die Kreisgrenze zwischen beiden Kreisen am Grenzweg in Elmshorn weggefegt hat,

(Klaus-Peter Puls)

wurde von seiner eigenen Fraktion zurückgepfiffen und muss nun das genaue Gegenteil wollen.

Wir von der FDP haben mit Drucksache 16/991 einen Antrag zur Vorgehensweise bezüglich der kommunalen Verwaltungsstruktur eingebracht. Lesen Sie ihn! Dort steht, dass es keine kommunalen Verwaltungsregionen in Schleswig-Holstein geben soll. Dort steht auch, dass es keine von Kiel diktierte Kreisgebietsreform geben soll, freiwillige Zusammenschlüsse aber durchaus möglich sein sollen und Kooperationen über Kreisgrenzen hinweg intensiviert werden sollen. Das ist ganz im Sinne der CDU oder, besser gesagt, der CDU-Basis.

(Beifall bei FDP und SSW)

Wenn es uns gelingt, diesen Antrag im Ausschuss und anschließend hier im Plenum durchzubringen, sind wir ein ganzes Stück weiter.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! CDU und SPD haben das Thema Verwaltungsstrukturreform voll an die Wand gefahren.

(Beifall des Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP])

Die absurde Idee, mit kommunalen Verwaltungsregionen eine komplett neue Verwaltungsebene aufzubauen, war ein grandioser Fehlstart.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Die Große Koalition hat bisher nur eines erreicht: Die Kommunalvertreterinnen und -vertreter sind erbost, die Bürgerinnen und Bürger sind verunsichert, jegliches Vertrauen ist verspielt.

Dieses dilettantische Vorgehen ist deshalb so ärgerlich, weil wir - hier unterscheiden wir uns von der FDP - dringend eine tiefgreifende Gebiets- und Verwaltungsstrukturreform brauchen. Wir brauchen große kommunale Einheiten, welche den Bürgerinnen und Bürgern jeden Service vor Ort bieten: vom internationalen Führerschein bis hin zum Bauantrag, alles im kommunalen Rathaus. Diese Idee, mehr Service in die Orte zu holen, mehr Eigenverantwortung der Kommunen und mehr direkte Mitbestimmung zu verankern, steckt hinter dem Kon

zept der Grünen für eine tiefgreifenden Gebietsund Verwaltungsstrukturreform.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

CDU und SPD haben es geschafft, diesen spannenden Gedanken auf eine Formel zu bringen: Wir zerschlagen die Kreise, ohne dass wir sagen können, wo die Vorteile liegen. - Die Große Koalition - das ist eben deutlich geworden - hat noch immer kein Konzept. Es gibt keine Rechnung über das mögliche Einsparpotenzial. Es gibt keine Idee oder Vision, was für die Bürgerinnen und Bürger eigentlich besser werden soll. Wie können Sie da Zustimmung und Begeisterung in der Bevölkerung erwarten? Meine Damen und Herren von CDU und SPD, so kann man bei einem Reformprozess nicht gewinnen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)