Protokoll der Sitzung vom 22.02.2007

Eines darf ich kritisch anmerken: Wir haben immer wieder Klagen darüber, dass die Integration mangels ausreichender Unterrichtsstundenkapazität und mangels ausreichender Gesamtkonzeption für die gesamte Klasse, in die einzelne Kinder integriert werden, nicht so erfolgreich ist, wie wir uns das erhoffen. Das inspiriert natürlich immer wieder Anträge wie den der FDP. Das spricht aber nicht gegen Integration, sondern für eine Optimierung der Instrumente der Integration.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum anderen muss man kritisch sehen, dass wir ein Schul- und ein Kindergartensystem haben, das Kindern, die besondere Förderung brauchen, zu weite Wege mit Bussen und so weiter zumutet. Dies bedingt auch eine schon sehr früh einsetzende Aussonderung, indem vermittelt wird: Du musst jetzt zu deiner Fördermaßnahme! Das ist dem Integrationsgedanken auch nicht dienlich. Hier gilt es, immer sorgsam abzuwägen und die Instrumente klug zu planen, um eine optimale Wirkung zu erreichen. Ich bin sehr gespannt auf den Bericht.

Jetzt möchte ich noch einmal genauer auf den FDPAntrag eingehen. Sie möchten die weniger werdenden Sprachheilgrundschulen erhalten, Herr Dr. Klug. Wir glauben, sprachbehinderte Kinder lernen Sprechen vor allem durch Integration. Diese gibt es jedoch nicht zum Nulltarif. Darauf bin ich eingegangen. Herr Dr. Klug, wir wollen deswegen über Ihren Antrag auf der Grundlage des Berichts der Landesregierung entscheiden. Insofern finden wir es richtig, dass über Ihren Antrag und über den Bericht der Landesregierung gemeinsam im Ausschuss diskutiert wird.

Nachdenklich macht uns die neue von Ihnen vorgestellte Initiative zur Sprachförderung aus Dithmarschen. Das Konzept folgt der Montessori-Pädagogik der individuellen Förderung sowie neuen sprachheilpädagogischen Erkenntnissen und klingt soweit überzeugend. Wir finden es gut, dass eine Initiative vor Ort aus der pädagogischen Praxis entsteht. Das Konzept hat die Kinder mit besonderem Sprachheilförderbedarf im Blick. Es beschreibt aber Anforderungen, die ich heute eigentlich an jeder guten Grundschule für selbstverständlich halte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Insofern frage ich mich, an welcher Pädagogik sich der Unterricht der Mehrheit der Dithmarscher Grundschulen bisher orientiert. Wir wünschen die

ser Initiative deshalb, dass alle Grundschulen von ihrem Konzept inspiriert werden, um integrativ, individuell, sprachfördernd und heilend zu arbeiten.

Natürlich bedarf es dazu auch besonders ausgeprägter und fachlich versierter Förderschulpädagoginnen und -pädagogen, die in die Grundschulen kommen. Hierzu sollte aber auch eine landesweite Offensive zur Lehrerbildung beitragen, zu der wir heute noch unter einem anderen Tagesordnungspunkt sprechen werden. Es ist klar: Die Grundschullehrerinnen und -lehrer müssen den Förderbedarf erkennen. Sie müssen wissen, wo sie sich Hilfe holen können.

Hier komme ich auf einen Punkt zu sprechen, der auch Sie, Frau Trauernicht, betrifft. Es ist leider so, dass die Jugendämter, die Herr Höppner angesprochen hat, in diesen Fragen immer noch nicht selbstverständlich mit den Schulen kooperieren, sodass die notwendige Hilfe, die einem Kind entweder über das Schulsystem oder über das System der Behindertenhilfe im Bereich der Jugendarbeit zusteht, auch tatsächlich gewährt wird. Wir wissen von ellenlangen Wartezeiten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir wissen von Entmutigungen der Eltern. So kommen solche in der Nachbetrachtung völlig unverständlichen Situationen zustande, dass ein Kind in der Schule vier Jahre lang nicht spricht, bis ihm geholfen wird. Das aber sollte der Vergangenheit angehören!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke Frau Abgeordneter Angelika Birk. - Für den SSW erteile ich Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kleine Kinder, die den lautlichen Unterschied zwischen einem D und einem T nicht hören können, für die also „Fehde“ und „Fete“ absolut gleich sind, scheitern später als Schulkinder. Sie hören keinen Unterschied und schreiben ihn demzufolge auch nicht. Diese Kinder scheitern bei Diktatprüfungen und erhalten wegen unzureichender Rechtschreibung schlechte Noten. Das baut Schulfrust auf, der durch eine Frühförderung vermeidbar gewesen wäre. Wir müssen also die möglichst frühzeitige

(Angelika Birk)

Förderung von Kindern sicherstellen, damit die Kinder in der Schule nicht versagen.

Diese beiden Zusammenhänge sind klar und im Landtag auch mehrmals einhellig besprochen worden. Sie wurden nicht nur besprochen, es wurden auch Nägel mit Köpfen gemacht. Der SSW lehnt in diesem Zusammenhang aber eine einseitige Bestandsgarantie einzelner Institutionen ab. Das habe ich in der Vergangenheit schon mehrfach gesagt. Nach meinem Dafürhalten sollte der Landtag über Strukturen entscheiden und nicht über einzelne Einrichtungen.

Das vorbildliche integrative Sprachförderkonzept der Landesregierung leistet auch aus Sicht des SSW gute Arbeit. Allen voran ist das Projekt „Fördephon“ zu nennen. Meines Erachtens werden wir dafür zu Recht bundesweit gelobt. Dennoch möchte ich auf einige Fragen hinweisen. Ich beziehe mich auf Zahlen aus Flensburg. Von 634 potenziellen Schulanfängern wurden dort im Jahr 2005 83 Kinder als besonders förderungswürdig eingestuft. Das ist keine besonders hohe Zahl. Von den Kindern mit Förderbedarf hatte allerdings jedes fünfte Kind keinen Kindergarten besucht. Für diese Kinder fängt also erst mit der Einschulung die Förderung an. Wir wissen, dass es dann einfach zu spät sein kann.

Obwohl das Projekt SPRINT gerade in diese Lücke einspringen soll, halten wir unsere Forderung aufrecht, Kinder auch jenseits der Institutionen zu fördern, und zwar möglichst frühzeitig. Der SSW hat dies in der Vergangenheit beharrlich gefordert. Wir müssen Wege finden, auch diejenigen Kinder zu erreichen, die keinen Kindergarten besuchen. Aus diesem Grund müssen wir aufsuchende Sozialarbeit auf stabile institutionelle Füße stellen. Letztlich geht kein Weg daran vorbei, das letzte Kindergartenjahr zur Pflicht und für die Eltern gebührenfrei zu machen.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Den Problemen von zweisprachigen Kindern, die Schwierigkeiten mit der Schulsprache Deutsch haben, wird mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen zu Leibe gerückt. Die Einbeziehung der Eltern ist dabei besonders wichtig, damit die Kinder ausreichend motiviert werden. Hier könnte meines Erachtens noch mehr geschehen.

Probleme bei Sprache und Kommunikation haben aber nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund. Auch in deutschen Familien wird oftmals länger vor dem Fernseher gesessen als miteinander gesprochen. Die Presse schreckte die Leserschaft letz

te Woche zum Beispiel mit der Horrorvision der Generation der Stammler und Nuschler auf. Das sage ich, um das Bild noch einmal deutlich zu machen.

Bei immer mehr Kindern werden bei der Einschulung Sprachdefizite festgestellt. Allerdings fragen Kritiker, ob wir nicht eine Geisterdebatte führen. Bei 50 verschiedenen Sprachtests allein in Deutschland liegt der Verdacht nahe, dass man heute sensibler auf kleine Defizite reagiert als noch vor zehn Jahren. Es gibt auch Wissenschaftler, die vor der Frage kapitulieren, welcher sprachliche Entwicklungsstand bei Kindern in einem bestimmten Alter als normal angesehen werden kann. Kinder, die gravierende Artikulations- und Wortfindungsprobleme haben, sollten aber wohnortnah gefördert werden. Ich halte nichts davon, Kindergartenkinder zur Sprachförderung viele Kilometer durch die Gegend zu kutschieren. Das kommt heute vor! Das vermittelt den Kindern den Eindruck, dass bei ihnen irgendetwas nicht in Ordnung ist. Eine direkte Förderung im Kindergarten durch eine Sprach- oder Heilpädagogin scheint mir daher der beste Weg zu sein.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Fortbildung der Pädagogen in den Kitas ist die starke Säule der Sprachförderung in SchleswigHolstein. Diese Pädagogen sind in der Lage, Sprachentwicklungsverzögerungen zu erkennen und den Eltern die geeigneten Maßnahmen zu empfehlen. Das spricht nicht gegen eine - in den meisten Fällen vorübergehende - Unterbringung in einem Internat. Kinder mit komplexen Sprachstörungen haben die Möglichkeit, das Internat in Wentorf zu besuchen. Das wissen wir. Dieses Internat ist durch seine ganzheitliche Arbeit bekannt und hat Hervorragendes geleistet.

Letztlich sollten wir nach dem Motto kurze Wege für kurze Beine versuchen, die Förderung der Kinder vor Ort zu ermöglichen. Von daher begrüßen wir ausdrücklich, dass die die Regierung tragenden Fraktionen diesen Berichtsantrag eingebracht haben. Auch ich möchte deutlich machen, dass eine Evaluation der verschiedenen Maßnahmen für uns notwendig ist. Diese wird - so hoffe ich - uns alle gemeinsam dazu bringen, zu sehen, wie wir weiterkommen können. Vielen Dank für den Antrag! Eine Ausschussberatung des FDP-Antrages ist okay.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Anke Spoorendonk)

Ich danke Frau Abgeordneter Spoorendonk und erteile das Wort für einen Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung dem Herrn Abgeordneten Werner Kalinka.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach den sehr ansprechenden Darlegungen der Kollegin Franzen und des Kollegen Dr. Klug wäre nichts mehr nötig gewesen, wenn nicht der Kollege Dr. Höppner gekommen wäre. Er hat hier das Zitat zum Besten gegeben: Die Lokalredaktion glaubte, ein Thema gefunden zu haben. Das kann in diesem Haus so nicht stehen bleiben.

Die Eltern laufen seit mindestens zehn Monaten Sturm gegen diese Entscheidung, gegen die damals drohende Entscheidung. Es gab einen massiven Elternprotest, wie ich ihn deutlicher kaum irgendwo erlebt habe. Es gibt gute Gründe dafür anzunehmen, dass die Lehrer das genauso sehen.

Der Plöner Kreistag, dessen Schulausschuss sich vorher mehrfach damit beschäftigt hat, hat einstimmig, mit allen 51 zu 0 Stimmen, als Träger der Schule für den Erhalt votiert. Dann können Sie das hier nicht so darstellen, wie Sie das hier gemacht haben, Herr Kollege Dr. Höppner. Das geht einfach nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Henning Höpp- ner [SPD])

- Was haben Sie zu sagen?

(Dr. Henning Höppner [SPD]: Die Presse hat die Zahl der Kinder nicht genannt! - Zuruf von der SPD: Ein bisschen freundlicher!)

- Nein, es gibt ein paar Dinge, die gehen einfach nicht.

(Zuruf von der SPD: Freundlichkeit geht im- mer!)

- Ja, das bin ich immer, das habe ich vorhin auch gezeigt.

Zweitens. Wir haben bis vor einem halben Jahr etwa 35 Schüler gehabt. Das war völlig ausreichend. Der Kernpunkt, um den es hier geht, ist der, dass durch Vorgaben die Zahl der Schüler eindeutig reduziert wurde, so dass Mitte des Jahres dort kein Schulunterricht mehr stattfinden kann. Das ist der Kernpunkt der Diskussion.

Sie haben gesagt, der Schulleiter sei vom Schulrat abgezogen worden. Das kann ich nicht beurteilen,

das müssen Sie besser wissen. Die Ministeriumsspitze wird sich dazu vielleicht äußern.

Eine Beschulung zum Beispiel in Wentorf würde im Monat Kosten pro Schüler in Höhe von 6.000 € auslösen. Wohnortfern, ist das vernünftig? - Ich meine, da sind Fragen erlaubt.

Es geht deshalb hier um folgenden Punkt: Der Herr Staatssekretär war gestern im Kreis Plön. Nach den Zeitungsberichten heißt es:

„Und sollten sprachgestörte Kinder nicht sinnvoll integrativ beschult werden können, dann gebe es zentrale Möglichkeit in drei Sprachheilschulen im Lande.“

Das steht hier, ich zitiere das. Ich frage mich dann, warum in jedem Fall die Schule in Preetz aufgelöst werden soll,

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

die allerbeste Noten hat, wo ein großartiges Klima herrscht und hervorragende Arbeit geleistet worden ist. Sie wäre ein guter Zwischenschritt in dem Sinne, wie das hier dargelegt worden ist. Das kann ich eigentlich nicht verstehen.

Ich möchte den Beratungen und der Diskussion nicht vorgreifen und ich freue mich, dass wir weiter darüber sprechen. Aber, Herr Kollege Dr. Höppner, ich bitte Sie sehr, hier im Haus den Tatsachen entsprechend vorzutragen.

(Beifall bei der FDP)