schafts- und Europaausschuss, und zwar zur abschließenden Beratung, beantragt worden. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenenthaltungen? - Das ist so beschlossen.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, teile ich Ihnen mit, dass ab heute Nachmittag der Herr Abgeordnete Kubicki beurlaubt ist.
Auf der Besuchertribüne möchte ich sehr herzlich Genossenschaftsmitglieder der Coop Kiel begrüßen. - Seien Sie uns herzlich willkommen!
Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Petitionswesens und zur Zentralisierung der Landesbeauftragten und ihrer Aufgaben
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Grundsatzaussprache und erteile das Wort für den Antragsteller dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Petitionsausschuss, Bürgerbeauftragte, Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderung und Flüchtlingsbeauftragter sind für die Bürger in Schleswig-Holstein unverzichtbar geworden. Das macht die steigende Zahl der Eingaben an diese Stellen deutlich. 2005 waren es allein 2.976 Eingaben an die Bürgerbeauftragte.
Deutlich wird bei der Auswertung aller Tätigkeitsberichte, dass sich die Bürger von der Politik zunehmend alleingelassen fühlen. Gesetze und Verordnungen sind kaum noch verständlich. Gesetzliche Handlungsspielräume, wenn sie da sind, werden zu wenig, oft auch zu wenig im Sinne der Be
troffenen, ausgeschöpft. Oftmals nicht nachvollziehbares Verwaltungshandeln führt dazu, dass sich der einzelne Betroffene ohnmächtig einer Bürokratie ausgeliefert fühlt. Trauriges Beispiel - darüber haben wir hier im Landtag oft beraten - sind die Auswirkungen des Vollzugs des 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Ersparen Sie mir die Abkürzung; denn ich glaube, der Namensgeber verdient es nicht, hier im Landtag noch einmal genannt zu werden.
Die Politik hat als Gesetzgeber die Aufgabe, liebe Kolleginnen und Kollegen, rechtliche Regelungen für die Bürgerinnen und Bürger verständlich und nachvollziehbar, das heißt operationabel, also umsetzbar, zu gestalten. Solange genau dies nicht geschieht und Verwaltungen nicht in der Lage sind, den Vollzug einzelner Gesetze für den einzelnen Bürger nachvollziehbar und verständlich zu gestalten, muss die Politik ein niedrigschwelliges Hilfeangebot und damit den hilfe- und ratsuchenden Bürgerinnen und Bürgern kompetente Ansprechpartner oder kompetente Ansprechpartnerinnen zur Verfügung stellen.
Das Ziel des heute von uns vorgelegten Gesetzentwurfes ist deshalb die Etablierung des Landtages Schleswig-Holstein als eine Zentrale, als die eine zentrale Anlaufstelle für alle Anliegen und Hilfeersuchen der Bürgerinnen und Bürger, die Stärkung des Petitionswesens durch Konzentration der Aufgaben, die Bündelung des Beratungsangebotes, das heißt eine Beratung aus einer Hand, die Optimierung des vorhandenen Fachwissens für eine umfassende Beratung der Bürgerinnen und Bürger, für mehr Bürgerfreundlichkeit und für mehr Bürgernähe. Dieses Ziel kann dadurch erreicht werden, dass die vier auf Landesebene vorhandenen Beratungsangebote gebündelt werden.
An wen kann und darf sich ein Bürger im konkreten Fall wenden, wenn nicht nur soziale Belange, sondern auch noch andere Aspekte, beispielsweise eine Behinderung, berührt werden? Wer ist in einem solchen Fall eigentlich originär zuständig, und wer kann schnell und umfassend helfen? Der Petitionsausschuss, der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, die Bürgerbeauftragte, womöglich der Abgeordnete, den man kennt? Oder ist es nicht besser, sich gleich an alle Ansprechpartner gleichzeitig zu wenden? Allein dieser Umstand kann zu Frustrationen bei den Bürgerinnen und Bürgern führen; denn sie wenden sich im Regelfall erst dann an einen dieser Ansprechpartner, wenn sie nicht mehr weiter wissen, die Zeit aber drängt, weil womöglich Fristen eingehalten werden müssen.
Bei genauerer Betrachtung der bestehenden Strukturen wird deutlich, dass neben dem Petitionsausschuss nur die Bürgerbeauftragte die zentrale Anlaufstelle ist, die im konkreten Einzelfall überhaupt den Bürger beraten darf. Das ist der entscheidende Unterschied: den Bürger beraten darf. Bereits heute überweist der Petitionsausschuss Hilfeersuchen in sozialen Angelegenheiten an die Bürgerbeauftragte. Das sieht § 41 der Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtages ausdrücklich so vor.
Bei genauerer Betrachtung seiner rechtlichen Möglichkeiten müssen wir feststellen, dass der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung in der derzeitigen Ausgestaltung seiner rechtlichen Möglichkeiten nur in Ausnahmefällen und in Abstimmung mit der Bürgerbeauftragten tätig werden kann. Der in § 5 LBGG festgeschriebene Aufgabenbereich gibt dem Landesbeauftragten zu wenig Spielraum, um bei individuellen Hilfeersuchen beratend tätig werden zu dürfen. Und er will es, gerade bei individuellen Hilfeersuchen.
Anstatt nach außen so zu tun, Frau Heinold, als ob der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung auch im Einzelfall Beratungsleistungen erbringen darf, wird ihm genau diese Möglichkeit durch unseren Gesetzentwurf erstmalig eingeräumt.
Das gilt auch für den Flüchtlingsbeauftragten, der nach § 2 des Flüchtlingsbeauftragtengesetzes nur eingeschränkt konkrete Einzelfälle bearbeiten darf.
Es geht deshalb bei unserem Gesetzentwurf gerade nicht um die Abschaffung von Beauftragten durch die Hintertür, liebe Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Er gibt vielmehr ratsuchenden Bürgerinnen und Bürgern zum ersten Mal überhaupt die Möglichkeit, sich mit ihren individuellen Problemen an alle Beauftragten zu wenden.
Die zentrale Frage ist, Frau Heinold - das war die Schwierigkeit bei diesem Gesetzentwurf -: Was steht im Vordergrund, der Erhalt formaler Strukturen, von denen ich deutlich sage - Sie wissen, dass ich seit sechs Jahren in diesem Landtag nie etwas anderes gesagt habe -, dass sie sich in vielen Fällen bewährt haben, formale Strukturen, die in dem einen oder anderen Fall eine Beratungsvielfalt vormachen, die es so noch nicht gibt und noch nie gegeben hat, oder steht die Hilfe für den einzelnen Bürger im Vordergrund?
Wenn es darum geht, eine Beratung aus einer Hand in jedem einzelnen Fall zu ermöglichen, dann ist es aus unserer Sicht der richtige Weg, die Informations- und Beratungsaufgaben aller Beauftragten zunächst in der Person der Bürgerbeauftragten zusammenzufassen. Genau dieses Anliegen verfolgt unser Gesetzentwurf. Er sieht die Einrichtung einer zentralen Organisationseinheit beim Landtag vor, die ein umfassendes Beratungsangebot in allen sozialen Belangen für Menschen mit Behinderung sowie in Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen ermöglicht. Ich sage auch eines an dieser Stelle ganz deutlich, was sich mit unserem Gesetzentwurf ändern würde: Der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung kommt endlich dorthin, wohin er gehört, nämlich zum Landtag. Der gehört nicht ins Sozialministerium.
Er soll Gefahren durch Regierungshandeln im Vorfeld abwenden. Er soll im Vorwege Gesetzesvorhaben kritisch beleuchten. Er gehört zum Landtag und nicht zum Ministerium für Soziales und Gesundheit.
Gleichzeitig werden die vorhandenen Beratungskompetenzen gebündelt und die hochqualifizierten Mitarbeiter räumlich und organisatorisch zusammengefasst. Ein solches Angebot ist deshalb ein Beitrag des Landtages Schleswig-Holstein für noch mehr Bürgerfreundlichkeit und zu einer effektiveren und zielgenaueren Bearbeitung der Bürgerfragen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass dieser Gesetzentwurf überhaupt nicht als Sparmodell taugt, wird schon allein aus der Aufgabenstellung deutlich. Denn personell ändert sich gar nichts. Im Gegenteil, durch die Möglichkeit, den derzeit amtierenden Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung zum Stellvertreter - ich sage das noch einmal in Richtung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: der Bürgerbeauftragten zu ernennen, erhalten erstmals Menschen mit Behinderung einen eigenen Ansprechpartner im konkreten Einzelfall - und das unabhängig und dem Landtag zugeordnet.
Der vorgelegte Gesetzentwurf gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile. Die Stellung der oder des Bürgerbeauftragten wird neben dem Petitionsausschuss in der Landesverfassung verankert. Damit erhält die Bürgerbeauftragte als Beauftragte des Petitionsausschusses eine dem Petitionsausschuss vergleichbar starke Stellung gegenüber Behörden und Verwaltungen. Gleichzeitig werden die Kompetenzen der verschiedenen Beauftragten in einer Person gebündelt und in einem neu zu schaffenden Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz zusammengefasst. Dabei wird bewusst offen gelassen, wie eine zentrale Anlaufstelle organisiert werden kann, denn das wollen wir den handelnden Akteuren selbst überlassen. Es wird allerdings eine aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendige Aufgabentrennung zwischen Petitionsausschuss und Beauftragten vorgenommen. Mir ist auch wichtig festzustellen, dass dabei die Rechte des Petitionsausschusses in keinster Weise beschnitten werden. Vielmehr wird ihm ein starker Partner zur Seite gestellt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ich freue mich, dass Sie die Beratungen nutzen wollen, eigene Vorschläge einzubringen. Bisher hatte der angekündigte, von Ihnen als alter Vorschlag des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zur Einrichtung eines zentralen Bürgerbeauftragtenbüros nach meinen Recherchen noch kein Eingang in ein parlamentarisches Verfahren gefunden. Von daher kann von einer solchen Einbringung, wie Sie sie dargestellt haben, keine Rede sein.
Das Problem, das wir sehen, dass Sie ein Bürgerbüro sozusagen als Anlaufstelle etablieren wollen, wird gerade nicht gelöst. Denn nicht alle Beauftragten haben eine umfassende Beratungskompetenz in allen Einzelfällen. Durch die Einrichtung einer gemeinsamen Anlaufstelle würde das auch nicht gelöst werden. Denn die Anlaufstelle hätte nach wie vor mit datenschutzrechtlichen und dienstaufsichtsrechtlichen Problemen zu kämpfen. Die Schwierigkeit bestand genau darin, diese Probleme mit einem Gesetzesvorschlag zu lösen.
Unser Gesetzentwurf bietet auch die rechtliche Grundlage dafür, weitere Aufgaben und Beratungsangebote einzubinden, wie beispielsweise - das sage ich in Richtung des SSW - die Rechte von Minderheiten.
Ich freue mich erstens auf die Beratungen in den entsprechenden Fachausschüssen. Ich denke, dass wir da kritisch, konstruktiv mit unseren Vorschlägen umgehen können. Am Ende möchte ich zweitens aber auch sagen: Ich wünsche mir, dass nach Ablauf der Amtszeit des Landesbeauftragten für
Menschen mit Behinderung, die im übrigen laut diesem Gesetz nicht fünf, sondern sechs Jahre beträgt, Normalität in Schleswig-Holstein einkehren kann. Mein größter Wunsch wäre, dass dann der oder die nächste Bürgerbeauftragte auch ein Mensch mit Behinderung sein kann. Denn das ist die eigentliche Zielvorstellung, die wir haben, Normalität im alltäglichen Umgang. Menschen mit Behinderung sind etwas ganz Normales. Ich würde mir das zumindest sehr wünschen und bedanke mich für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit.
Ich danke Herrn Abgeordneten Heiner Garg. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Torsten Geerdts.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der von der FDP eingebrachte Gesetzentwurf zur Stärkung des Petitionswesens und zur Zentralisierung der Landesbeauftragten und ihrer Aufgaben findet in Teilen die Zustimmung, in wesentlichen Punkten aber auch die Ablehnung meiner Fraktion. Das will ich eingangs sagen.
Ich werte den vorliegenden Antrag als eine Aufforderung. Bisherige Zuschnitte zu hinterfragen und gegebenenfalls zu bürgerfreundlicheren Lösungen zu kommen. Die CDU-Landtagsfraktion will einen starken, vollwertigen und eigenständigen Petitionsausschuss erhalten.
Die Landesverfassung garantiert jedermann, sich über den Petitionsausschuss gegen Ungerechtigkeiten aller Art, gegen Benachteiligungen in allen Lebensbereichen und gegen ungleiche Behandlung durch staatliche Stellen zur Wehr zu setzen. Die Themenpalette, mit denen unsere Mitglieder im Petitionsausschuss befasst werden, ist deutlich breiter als die aller Landesbeauftragten, die wir zur Zeit haben.
Eine der wichtigsten Aufgaben des Petitionsausschusses sieht die CDU darin, dass Politikerinnen und Politiker aller Fraktionen ein offenes Ohr für die Sorgen der Menschen behalten. In diesem Ausschuss werden regelmäßig Bürgersorgen aller Art „abgeladen“ und - was das Gute ist - unbürokratisch und schnell beschieden. Ich will aber auch die ganzen Ortstermine nennen, die der Petitionsaus
schuss macht. Das ist praktizierte Bürgernähe. Über diese Bürgernähe kommen Themen in den Schleswig-Holsteinischen Landtag. Viele Petitionen tragen dazu bei, Anregungen für die Arbeit der Abgeordneten zu geben. Hier erhalten wir als Parlamentarier ein ganz konkretes Bild von den Anliegen und den Nöten der Bürgerinnen und Bürger. Wir hören ganz direkt, wo sich Lücken und Schwachstellen in gesetzlichen Regelungen befinden.
Diese direkten Kontakte zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und dem Schleswig-Holsteinischen Landtag gingen aus unserer Sicht ein Stück weit verloren, wenn wir dem Anliegen der FDP folgen würden. Wir gehen davon aus, dass die Umsetzung dieses Gesetzentwurfes eher zu einer Schwächung statt zu einer Stärkung des Petitionsausschusses führen würde.