Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute hier im Haus und seit einigen Wochen bereits bundesweit über den Ausbau von Betreuungsangeboten für Kinder, die jünger sind als drei Jahre. Und das ist gut so.
Diese Debatte ist längst überfällig: zum einen vor dem Hintergrund der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zum anderen in Anbetracht der immer häufiger festgestellten Defizite bei der Entwicklung von Kindern.
Wenn wir wirklich wollen, dass Familien die Erziehung von Kindern und die beruflichen Tätigkeiten miteinander vereinbaren können - und wir müssen es wollen, denn bereits jetzt zeichnet sich ein Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt ab und die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft zeigt, dass wir in Zukunft auf die Arbeitskraft der arbeitsfähigen Bevölkerung angewiesen sein werden -, dann benötigen wir zwei Dinge:
Erstens brauchen wir ein ausreichendes Angebot von qualifizierten Betreuungsplätzen auch für unter Dreijährige, und zwar sowohl in Form von Krippenplätzen als auch im Bereich des Tagespflegepersonals. Denn was nützt uns das neu eingeführte Elterngeld, wenn anschließend nicht klar ist, wie die Betreuung der Kleinen sichergestellt werden kann, wenn die Eltern wieder in den Beruf eintreten wollen oder müssen?
Dabei muss die Betreuung sehr flexibel gestaltet werden können - ebenso flexibel wie die Arbeitgeber ihre Arbeitszeiten für ihre Mitarbeiter gestalten. Hier begrüße ich übrigens ausdrücklich den Vorschlag der Familienministerin von der Leyen, mehr Betriebskindergärten einzurichten.
Zweitens, meine Damen und Herren, brauchen wir endlich die gesellschaftliche Anerkennung der unterschiedlichen Formen von Familie. Es gibt keine guten und keine schlechten Familien.
Es gibt Familien mit unterschiedlichen familiären Bedürfnissen: Die einen bleiben zu Hause, um ihre Kinder zu erziehen; das ist gut so. Die anderen haben einen Betreuungsbedarf, um ihre Kinder zu erziehen; auch das ist gut so. Ausschlaggebend ist dabei ausschließlich, dass es den Kindern dabei gut geht.
Hinzu kommt, dass gerade wir von der nachfolgenden Generation viel verlangen. Sie ist zahlenmäßig viel geringer vertreten als wir. Sie soll jedoch sich selbst, ihre Kinder und uns finanzieren, versorgen und pflegen. Dabei muss sie flexibel, innovativ und wettbewerbsfähig sein. Dafür braucht sie das nötige Rüstzeug in Form von guter Betreuung und Bildung. Das ist meiner Auffassung nach eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns alle stellen müssen, weil wir auch alle davon profitieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, 2005 hat die Bundesregierung das Tagesstättenausbaugesetz verabschiedet und einen Anspruch auf Kinderbetreuung für unter Dreijährige für einen gezielten Personenkreis festgeschrieben. Finanziert werden sollte das aus den jährlichen Mehreinnahmen der Kommunen durch die Umstellung auf Hartz IV. Mehreinnahmen sind allerdings bei den Kommunen nicht zu verzeichnen gewesen. Ganz im Gegenteil: Die Kommunen hatten mehr Ausgaben.
Wir haben bereits im September 2005 über den Stand der Ausbaumaßnahmen in den Kreisen diskutiert und feststellen können, dass sich die Kommunalpolitiker dennoch - und das verdient Anerkennung - auf den Weg gemacht haben, um das Tagesbetreuungsausbaugesetz umzusetzen.
Zum damaligen Zeitpunkt konnten nur wenige konkrete Aussagen über die Umsetzung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes gemacht werden, da es ja gerade erst beschlossen war. Jetzt haben wir 2007 und nun sollten die Entwicklungen in den Kreisen und kreisfreien Städten doch absehbar sein und wir wollen uns darüber einen Überblick verschaffen.
Der Ausbau von Betreuungsplätzen für unter Dreijährige ist meiner Ansicht nach eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für die die Zusammenarbeit von Bund, Ländern, Kommunen und freien Trägern erforderlich ist. Und wenn wir den Ausbau als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sehen, dann müssen sich auch alle an der Finanzierung beteiligen.
Wenn der Bund einen deutlich schnelleren und größeren Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten will, dann muss er sich auch an der Finanzierung beteiligen.
Das Gleiche, meine Damen und Herren, gilt im Übrigen für die Gesellschaft. Eine einseitige Finanzierung von Betreuungsangeboten durch die Eltern schulpflichtiger oder in Ausbildung befindlicher Kinder über eine Kürzung des Kindergeldes ist schlicht ungerecht.
Hier muss sich der Koalitionsausschuss auf Bundesebene etwas anderes überlegen, um diesen richtigen und wichtigen Weg zu finanzieren.
Wichtig ist dabei, dass nicht an den Bedürfnissen der Familien vorbei geplant wird, und deshalb ist es auch richtig, wenn zunächst einmal der Bedarf für weitere Betreuungsplätze ermittelt wird, und zwar sowohl auf der Ebene der Länder - dies bezwecken wir ja mit unserem Antrag - als auch auf der Ebene des Bundes.
Wir wissen, dass das Angebot insbesondere zwischen den alten und den neuen Bundesländern sehr unterschiedlich ist. So liegt das Angebot in den neuen Bundesländern bei rund 37 %, bei uns hingegen bei nur 8 %. Man kann also bereits heute deutlich sehen, wo der Ausbaubedarf wohl liegen kann.
Bei allem guten politischen Willen, hier an dieser Stelle mehr tun zu wollen, müssen wir auf dem Teppich bleiben. Die unterschiedlichen Angebote resultieren aus unterschiedlich gewachsenen Gesellschaften und deren Bedürfnissen. Darum ist auch eine Bedarfsermittlung für den Ausbau von Betreuungsangeboten insbesondere in den alten Bundesländern notwendig.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss zwei Anmerkungen zum Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN machen.
Erstens. Bei diesem Antrag hat man den Eindruck, dass er nach dem Motto: „Es ist zu diesem Thema zwar schon alles gesagt worden, aber nur noch nicht von den Grünen“, gestellt wurde.
Zweitens freue ich mich außerordentlich, dass Sie in Ihrer Begründung unseren Antrag sowie das Vorgehen der Bundesregierung unterstützen. Sie schreiben: „Das von der Großen Koalition in Berlin beschlossene Verfahren, jetzt den Bedarf der Kin
derbetreuungsausbauangebote für unter Dreijährige zu ermitteln, ist nicht nichtzielführend.“ Wo Sie recht haben, da haben Sie recht.
Für die CDU-Fraktion beantrage ich die Überweisung der beiden vorliegenden Anträge zur abschließenden Beratung federführend an den Bildungsausschuss und mitberatend an den Sozialausschuss.
Ich danke der Frau Abgeordneten Heike Franzen. Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Astrid Höfs.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kleinkindbetreuung ist derzeit stark in den Mittelpunkt gerückt, von allen beachtet, nicht nur von der Politik, sondern auch von jungen Eltern. Es ist eigentlich sehr erfreulich, dass diese Diskussion endlich so ausdauernd geführt wird.
Kinder brauchen andere Kinder. Sie müssen Beziehungserfahrungen sammeln können, wenn sie sich optimal entwickeln sollen. Das Tagesbetreuungsausbaugesetz verpflichtet und fordert Kommunen zu einem Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren auf. Durch das Tagesbetreuungsausbaugesetz, das am 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, sollen in Deutschland endlich mehr Angebote zur Kinderbetreuung in ausreichender Zahl und in guter Qualität ausgebaut werden. Bis zum Jahr 2010 sollen danach deutlich mehr Kinder in Kindertageseinrichtungen von Tagesmüttern und hoffentlich auch von Tagesvätern betreut werden, und zwar so, dass der Bedarf der Eltern und Kinder gedeckt wird.
Dies ist eine der bedeutenden gesellschaftspolitischen Aufgaben unserer Zeit. Für uns Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen ist der Ausbau von Bildung und Betreuung die familienpolitische Aufgabe Nummer eins. Gute Kinderbetreuung und frühe Förderung ermöglichen Kindern echte Chancengleichheit in Bildung und Erziehung und ermöglichen den Eltern überhaupt erst die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Viele Eltern wollen dies gern, können aber Familie und Beruf sozusagen nicht unter einen Hut bekommen, weil es einfach keine echte Wahlmöglichkeit für sie gibt. Ausreichend Betreuungsplätze sind nicht vorhanden. Besonders schwierig ist es, ausreichend Betreuungsplätze zu finden, wenn es Kinder unter drei sind
oder wenn die Mutter sehr früh nach der Entbindung in den Beruf zurückkehren möchte oder gegebenenfalls auch muss.
Wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, haben es Eltern in Deutschland schwerer als in anderen europäischen Ländern, und dieses, obwohl die familienpolitischen Leistungen zu den höchsten in Europa zählen. Ein gutes System öffentlicher Kinderbetreuung würde beiden Elternteilen eine Vollbeschäftigung ermöglichen, zu einer vermehrten Berufstätigkeit von Müttern führen und so auch der relativ großen Kinderarmut in Deutschland entgegen wirken. Deswegen ist es sinnvoll, den Ausbau von Betreuungsplätzen für unter Dreijährige voranzutreiben. Dies wird nur in gemeinsamer Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen gelingen. Denn in Fragen der Kinder- und Jugendhilfe haben alle - Bund, Länder und Kommunen - Kompetenzen durch das Grundgesetz. Alle Kräfte müssen für unsere Kinder gebündelt werden.
An dieser Stelle muss auch gesagt werden, dass der Bundestag und die Bundesregierung endlich Genaues über ihren finanziellen Beitrag zum Ausbau der Betreuungsplätze entscheiden und ein solides Finanzierungskonzept vorlegen müssen, damit wir alle an diesem Thema weiter vorankommen und unsere Ziele natürlich auch verwirklicht werden. Die Kommunen sind hier schon viel länger in der Pflicht. Leider sind sie den Anforderungen bisher nicht angemessen oder gar nicht nachgekommen. Eigentlich hätten sie längst nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz handeln müssen und hätten Krippenplätze und Betreuung durch Tagesmütter sicherstellen sollen.
Familienbildungsstätten haben das schon vor Jahren erkannt. Sie haben vor Jahren damit begonnen, Tagesmütter für ihre Arbeit mit Kleinkindern zu qualifizieren. Das ist gut so, denn mit dem Angebot an Kindertagesstätten, Krippen und Tagesmüttern geht es darum, Kindern und Eltern bessere Rahmenbedingungen zu schaffen.
Ich glaube, dass vielen Gemeindevertretern, die vor Ort Entscheidungen treffen, die Bedeutung und Wichtigkeit der Kleinkindbetreuung noch gar nicht deutlich ist. Fast nirgends in Deutschland bleiben so viele Drei- bis Fünfjährige tagsüber bei der Mutter wie in Schleswig-Holstein. Die unter Dreijährigen sind fast alle zu Hause. Dort allerdings, wo inzwischen Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren angeboten werden, werden sie auch angenommen. Sie sind nicht nur besetzt, es gibt sogar Wartelisten. Eltern und Erzieherinnen stellen immer wieder fest, dass die Kinder in den Krippen wesentlich schnellere Entwicklungsschritte machen
als erwartet, sich frühzeitig Kompetenzen auf den sozialen Gebieten erwerben. In allen anderen Bereichen suchen Eltern verzweifelt nach Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder, schließlich wollen sie ihren Arbeitsplatz erhalten und ihre Kinder gut betreut wissen. Was das bedeutet, können wir uns alle vorstellen.
Wenn vor Ort nicht endlich gehandelt wird, müssen wir uns nicht wundern, wenn immer weniger Kinder geboren werden. Kinder sind unsere Zukunft. Sie sind die Zukunft unseres Landes. Dies wurde gestern schon in der Diskussion um die Änderung der Landesverfassung gesagt. Deshalb ist es auch unsere Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass sie in geeigneter Umgebung mit anderen Kindern aufwachsen, durch frühzeitige Bildung und Förderung gute Zukunftschancen für ihren Lebensweg erhalten. Wir setzen uns für einen zügigen Ausbau der Betreuungsplätze für unter Dreijährige ein. Es ist gut, wenn die Kommunen und Kreise endlich ihre neusten Planungen offenlegen, sodass der Landtag über die flächendeckende derzeitige Situation informiert ist. Es ist auch gut, dass der Betreuungsbedarf jährlich fortgeschrieben werden soll. Die Kinderzahlen sind ja keine feste Größe. Ich hoffe, dass die jetzige Bestandsaufnahme bessere Ergebnisse als die vorige Umfrage aufweist.
Ich schlage vor, dass wir eine alternative Abstimmung vornehmen. Ich glaube, wir müssen die Anträge nicht weiter im Ausschuss beraten. Ich bitte Sie natürlich, dem Antrag von CDU und SPD zuzustimmen.
Ich danke der Frau Abgeordneten Astrid Höfs. Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Manchmal bringt einen so ein Änderungsantrag dazu, sein Manuskript komplett umzustellen. Ich will das auch gern tun.