Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst einmal am Ende der Debatte für die sachliche Aussprache bedanken. Ich wünsche mir, dass wir den einen oder anderen Punkt, der noch nicht befriedigend genug war, in den Ausschüssen vertiefen, zum Beispiel die Frage, wie man aktiv dazu beitragen kann, dass sich Demokratie lohnt, wie man das mit einem Landtagsforum oder auf andere Art und Weise, Herr Landtagspräsident, voranbringen kann. Denn daran fehlt es ja gelegentlich, zum Ausdruck zu bringen, dass sich Demokratie lohnt.
Ich habe mich hauptsächlich aber deswegen noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich finde, dass ein Teil dessen, was Anke Spoorendonk eben gesagt hat, noch einmal angesprochen werden muss. Den Umkehrschluss, was das Thema Integration angeht, finde ich so nicht zulässig. Es ist natürlich nicht so, dass es irgendeine Rechtfertigung für Fremdenfeindlichkeit gibt. Das hat auch niemand gesagt und unterstellt. Wenn wir allerdings für Toleranz werben, müssen wir dafür werben - und zwar nicht auf die Art und Weise, die der Oppositionsführer von Frau Schwarzer zitiert hat, sondern anders -, dass Integration auch Pflicht ist. Integration ist nicht Assimilation, sondern Integration ist Pflicht. Das bedeutet, dass bestimmte Spielregeln bei uns für alle
gelten, für die Deutschen und für die anderen. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das gilt für jeden.
Deswegen ist Integration ungeheuer wichtig, und zwar nicht nur in Sonntagsreden. Das muss man an manchen Punkten auch sehr hart sagen. Es widerspricht zum Beispiel eben nicht der Religionsfreiheit zu sagen, dass bestimmte Dinge nicht gehen. Die Gleichheit von Mann und Frau gilt nach unserem Grundgesetz. Auch, dass wir Dinge nicht mit Gewalt regeln. Auch, dass wir Pressefreiheit haben. Auch, dass sich der Staat nicht für Dinge entschuldigt, die in der Zeitung stehen. Viele andere Dinge mehr gelten.
Anke Spoorendonk, ich finde, es war im letzten Jahr ein richtiger Gewinn, als wir über Ausländerrecht gesprochen haben, endlich auch dafür zu werben, dass es verknüpft wird und wir nicht immer nur über die Probleme reden, sondern dass wir sagen: Integration ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Nur so war es in dem Bericht gemeint und nicht etwa so, dass wir dem Einzelnen Schuld geben, der sich nicht integriert. Dieses Missverständnis wollte ich hier gern noch einmal klarstellen.
Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich dem Oppositionsführer das Wort, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es immer wieder anregend, wenn man über solche Themen einmal etwas fundierter diskutiert. Ich wollte etwas Ähnliches zu dem sagen, was im Bericht stand, wie der Innenminister. Aber ich möchte noch etwas darüber hinausgehen. Wenn wir die Menschen erreichen wollen, müssen wir die Kirche im Dorf lassen. Ich will das an einem Beispiel demonstrieren. Nicht jeder Türkenwitz ist Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit. Auch die Ostfriesenwitze waren kein Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit. Der beste Erzähler von Türkenwitzen ist mein ehemaliger Mitarbeiter Mehmet Daimagüler, selbst Türke.
Das bedeutet, in dem Moment, in dem wir eigentlich ganz normale menschliche Regungen, die sich entwickelt haben, von vornherein diskreditieren
Ich sage noch einmal - das habe ich bei der Debatte, die wir hier geführt haben, schon einmal gesagt -: Mich hat bei der Frage, warum sich Jugendliche von Rechtsradikalen überhaupt beeindrucken lassen, die Schilderung meines Kreisvorsitzenden aus Neumünster, Reinhard Ruge, aufgerüttelt und aufgeschüttelt, dessen Tochter auf dem Schulweg von jungen Menschen mit Migrationshintergrund häufiger belästigt worden ist. Niemand hat darauf reagiert, weil es einfach nicht zum guten Ton gehörte, darauf zu reagieren, weil man sich nicht den Vorwurf gefallen lassen wollte, man würde fremdenfeindlichem oder ausländerfeindlichem Gedankengut nachgehen.
Die einzigen, die sich darum gekümmert haben, waren rechtsradikale Jugendliche. Das hat den Zugang verschafft. Da hat er zu mir in einer Vorstandssitzung gesagt: Wenn wir nicht aufpassen, wenn wir bestimmte Probleme gar nicht mehr wahrnehmen wollen, weil es politisch nicht opportun ist, und darauf nicht reagieren, dann werden wir Fremdenfeindlichkeit und Hass erzeugen, und nicht, wenn wir darauf angemessen reagieren.
Ich sage noch einmal: Recht ist unteilbar. Unsere Verfassung hat keinen religiösen Charakter. Tötung bleibt Tötung, egal aus welchen Motiven sie geschieht. Das kann man vielleicht bei der Strafzumessung berücksichtigen, aber es bleibt Tötung. Wer Gewalt anwendet, egal ob in der Ehe oder außerhalb der Ehe, ist ein Straftäter. Es gibt keine legalisierte Gewalt in der Ehe. Ich weiß gar nicht, wer jemals auf die Idee gekommen ist, so etwas zu verbreiten. Selbstverständlich müssen wir uns dagegen wehren, auch heute noch - ich sage das aufgrund eigener beruflicher Erfahrung -, dass Eltern ihre Töchter mit zwölf oder 13 Jahren in die Türkei zurückschicken, um sie dort zwangszuverheiraten, und unsere Amtsrichter haben momentan Probleme damit, in entsprechender Weise einzuschreiten, und zwar aus lauter Furcht, sie würden als Ausländerfeinde oder Fremdenfeinde oder Rechtsradikale an die Wand gestellt werden.
- Der Kollege Hentschel sagt: Quatsch. Ich nehme Sie gern mit, Herr Kollege. Es ist kein Quatsch. Wir müssen auch ein Klima in unserer Gesellschaft schaffen, indem wir dokumentieren: Recht ist unteilbar und gilt für jeden Mann und jede Frau, die bei uns leben.
Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich das Wort der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, lieber Kollege Kubicki, ich fühle mich missverstanden. Ich weiß schon, was ich gesagt habe. Meine Pointe war, dass Fremdenfeindlichkeit nichts mit dem Willen zur Integration zu tun hat. Fremdenfeindlichkeit hat mit dem äußeren Erscheinungsbild zu tun, damit, dass Menschen, die fremd sind, anders aussehen. Das können gut integrierte Menschen sein, sie sehen aber immer noch anders aus. Sie sprechen vielleicht auch noch immer ihre eigene Sprache. Trotzdem werden sie von fremdenfeindlichen Menschen angegriffen. Das war eigentlich meine Pointe.
Das heißt, ich will die Toleranz anders aussehende Menschen gegenüber einfordern. Sie muss eingefordert werden. Natürlich ist unser Grundgesetz unteilbar, sind die Rechte unserer Gesellschaft unteilbar. Dazu kann es keine zwei Meinungen geben. Aber das hilft uns nicht weiter. Wir müssen auch den Menschen beibringen, dass wir in einer offenen Gesellschaft leben, dass Menschen unterschiedlich aussehen und trotzdem integriert sein können. Das wollte ich gern zum Ausdruck gebracht haben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Bericht Drucksache 16/1287 dem Innenund Rechtsausschuss und mitberatend dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Dann ist einstimmig so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Detlef Matthiesen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die europäische Richtlinie 2002/91 über die Gesamteffizienz von Gebäuden verpflichtet alle EU-Mitgliedstaaten, einen Energieausweis für Gebäude einzuführen. Das kann ein wichtiger Anreiz werden, um Gebäude energetisch zu sanieren. Der Vermieter kann für die energetisch optimierte Wohnung mehr Miete verlangen, und ein Mieter kann das dann auch bezahlen, wenn er tendenziell steigende Energiekosten dauerhaft spart.
Am 17. November 2006 haben das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und das Ministerium für Wirtschaft und Technologie den Referentenentwurf der neuen Energieeinsparverordnung, genannt ENEV, veröffentlicht und damit auch einen detaillierten Vorschlag zur Einführung von Energieausweisen für Gebäude vorgelegt. Im Entwurf der ENEV ist vorgesehen, dass der Vermieter einer Wohnung dem Kauf- beziehungsweise Mietinteressenten den Energieausweis zugänglich machen muss. Er ist aber nicht verpflichtet, den Energieausweis von sich aus aktiv in das Verkaufs- oder Vermietungsgespräch einzubringen. Das genau sollte aber geregelt werden: der Energieausweis als obligatorischer Bestandteil des Mietund Kaufvertrages mit Vorlagepflicht des Energieausweises, damit die beabsichtigte Lenkungswirkung des Energieausweises auch wirklich greifen kann.
Die ENEV regelt weiterhin: Für Bestandsgebäude, Wohn- wie Nichtwohngebäude, können Energieausweise sowohl auf der Grundlage des ingenieurmäßig errechneten Energiebedarfs als auch auf der Grundlage des gemessenen Energieverbrauchs erstellt werden. Bei Neubauten wird der Ausweis auf der Grundlage des berechneten Energiebedarfs ausgestellt, so der Entwurf der ENEV. Genau das sollte aber auch für Bestandsgebäude gelten. Es geht um die tatsächlich erreichbare Einsparung von Energie und nicht um ein zufälliges Verbraucherverhalten, das gemessen wird. Hier hat sich offensichtlich die Lobby der Wohnungswirtschaft durchgesetzt. Ziel muss ein einheitlicher, kostengünstiger, leicht verständlicher und mit Vergleichswerten versehener Energieausweis sein, meine Damen und Herren.
ein erhebliches Potenzial für Einsparungen von Energie und damit von CO2. Deshalb muss eine Energieeinsparverordnung, die ihren Namen verdient, ambitionierte Ziele verfolgen. Der Entwurf der ENEV sieht vor, dass Mindesdämmniveau für Neubauten und Renovierungen auf dem Niveau von 1995 zu belassen. Warum das denn, meine Damen und Herren? Wir haben jetzt das Jahr 2007! Neubauten und Renovierungen auf dem Niveau von 1995, und das im Jahre 2007 - ich habe die Zeitung auf meinem Platz liegen, meine Damen und Herren -,
in dem Zeitungen solche Artikel veröffentlichen; gucken Sie sich das einmal an. Im Jahre 2007 wird auf Werte von 1995 zurückgegriffen, und das in einer Energieeinsparverordnung mit einem Einsparpotenzial von 40 % des gesamten Energieverbrauchs dieser Gesellschaft.
Meine Damen und Herren, Wärmedämmmaßnahmen können Energieeinsparungen in einem typischen Bestandsgebäude von bis zu 90 % erzielen. Deshalb erwähne ich das ja. Würden die Kennzahlen auf ein anspruchsvolles Niveau gebracht, hätten wir nicht nur eine deutliche CO2-Minderung, sondern ein Beschäftigungsprogramm im Handwerk und einen Beitrag zur Senkung der Mietnebenkosten.
Mit diesem Antrag bittet die grüne Landtagsfraktion die Landesregierung, sich im Rahmen der Bundesratsbefassung mit dem Entwurf der Energieeinsparverordnung dafür einzusetzen, dass die vorgeschlagenen Änderungen in die neue Verordnung aufgenommen werden.
Erstens. Der Eigentümer einer Wohnung wird verpflichtet, den Miet- und Kaufinteressenten den Energieausweis für die Wohnung vorzulegen.
Zweitens. Für Wohnbestandsgebäude werden die Energieausweise wie bei Neubauten auf der Grundlage des berechneten Energiebedarfs ausgestellt. Für Nichtwohngebäude soll die Regelung mit einer Übergangsfrist von zehn Jahren ebenfalls verbindlich werden.
Drittens. Das Anforderungsniveau an den Mindestwärmeschutz für Neubauten sowie für Nachrüstung, Änderung und Modernisierung von Gebäuden soll um 30 % angehoben werden und sich damit am Passivhausstandard orientieren. Das ist Stand der Technik heute, meine Damen und Herren! Warum also eine so wenig ambitionierte Verordnung?
Mit diesen Änderungen werden die Klimaschutzziele so erreicht, wie es möglich und erforderlich ist. Wirtschaft und Handwerk erhalten wichtige Impulse. Es entsteht Wertschöpfung vor Ort. Wenn wir von Wertschöpfung vor Ort reden, meine Damen und Herren: Häuser haben den entscheidenden Vorteil, dass sie nicht weglaufen können, und Arbeitsplätze können nicht verlagert werden.
Insofern bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. Lassen Sie uns gemeinsam ernst machen mit dem Klimaschutz.
Lieber Kollege Matthiessen, Anschauungsmaterial, auch Zeitungsblättchen, sollten nicht Bestandteil einer Rede sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Matthiessen, das war sehr interessant, was Sie hier vorgetragen haben. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Antrag Ihrer Fraktion so flüssig vorgetragen wurde.