Protokoll der Sitzung vom 22.03.2007

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Matthiessen, das war sehr interessant, was Sie hier vorgetragen haben. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Antrag Ihrer Fraktion so flüssig vorgetragen wurde.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ich trage meine An- träge immer flüssig vor!)

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ich trage meine An- träge immer flüssig vor!)

Bitte keine Dialoge!

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es war flüssig! Das können wir zunächst festhalten!)

Sie sollten mich erst zu Ende reden lassen. Vielleicht war es auch überflüssig. Denn das, was Sie vorgetragen haben, liegt seit einigen Tagen gedruckt vor.

Spätestens seit der viel beachteten Rede der Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel, vom 1. März 2007 ist der Klimaschutz auch im politischen Alltag wieder in den Vordergrund der täglichen politischen Diskussion gerückt.

Wir alle sind uns einig, dass es verstärkter Bemühungen bedarf, um einen Klimawandel hinauszuzögern oder gar aufzuhalten. Die bisherigen Vereinbarungen des Kyoto-Protokolls reichen hierfür bei Weitem nicht aus. Vielmehr bedarf es einer nachhaltigen Energiestrategie, die sowohl die Versorgungs- als auch die Verbrauchsseite berücksichtigt. Die Wärmedämmung ist in unserer Region eines der herausragenden Themen zur Steigerung der Energieeffizienz. Daher ist es auch richtig und wichtig, dass wir mit der Änderung der Energiesparverordnung ein gutes Stück Transparenz zwischen Mieter und Vermieter schaffen.

Über neun Monate haben die beteiligten Ressorts gestritten, bevor sie sich am 24. Oktober auf Einzelheiten eines Energieausweises und insbesondere der Berechnungsgrundlagen verständigt haben. Einig war man sich dabei von vornherein, dass bei jedem Neubau Energieeffizienzgesichtspunkte eine wesentliche Rolle spielen müssen und hierfür ein entsprechender Nachweis erstellt werden muss.

Hauptdiskussionspunkt war, wie der Nachweis für den Bestand geführt werden muss. Es geht hier schlicht um das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen. Die Erstellung des sogenannten Bedarfsausweises, wie er für Neubauten in jedem Fall vorgeschrieben sein wird, erfordert einen erheblichen Aufwand. Daher soll der Bedarfsausweis auf die Fälle beschränkt werden, in denen auch tatsächlich mit einer Sanierung gerechnet werden kann.

Dementsprechend wird das Hauptaugenmerk zunächst auf die vor 1978 errichteten Gebäude gelenkt, die nicht zwischenzeitlich energetisch modernisiert wurden. Für alle übrigen soll zunächst eine Wahlfreiheit gelten und ein Nachweis anhand des bisherigen Verbrauchs möglich sein. Dieses mag sicherlich zu ungenaueren Ergebnissen führen, eklatante Abweichungen hingegen dürften hier generell nicht zu erwarten sein.

Weiterhin wird auf Anreize gesetzt. So wird derjenige, der an der Vielzahl von Förderprogrammen zur energetischen Sanierung teilnehmen möchte, einen entsprechenden Bedarfsausweis vorlegen müssen.

Ich sehe in dem gefundenen Kompromiss ein sehr gesundes Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag. Dieser Kompromiss sollte durch die von den Grünen beantragten Änderungen nicht gefährdet werden. Obendrein bedeutet es eine 1:1-Umsetzung des EU-Rechts und, meine Damen und Herren, wir sollten uns bemühen, nicht ständig auf EU-Vorschriften draufzusatteln.

(Manfred Ritzek [CDU]: Sehr gut!)

(Detlef Matthiessen)

Auch im Sinne einer nachhaltigen CO2-Vermeidung ist es von herausragender Bedeutung, der Energieverschwendung zügig zu begegnen. Sinnvollerweise ist hier bei den größten Verschwendern anzusetzen, bei denen noch bei verhältnismäßig geringem Aufwand ein hoher Ertrag zu erwarten ist. Ohne Frage sind wir damit noch längst nicht am Ende der erforderlichen Bemühungen, um das proklamierte Einsparziel von 20 % der CO2-Emissionen insbesondere bei gleichzeitigem Verzicht auf Kernenergie zu erreichen.

(Manfred Ritzek [CDU]: Darüber reden wir morgen!)

Ich bin allerdings der Überzeugung, dass bei der überarbeiteten Energiesparverordnung der richtige Schritt zur richtigen Zeit getan wird.

Sicherlich noch diskussionswürdig ist der Punkt, ob nicht schon in dieser Energiesparverordnung sinnvollerweise die langfristigen Ziele für Neubauten weiter gefasst werden sollten. Die Festschreibung des Status quo beziehungsweise der Stand des Jahres 1995 als Maßstab erscheint hier zumindest auf den ersten Blick nicht weitreichend genug zu sein. Dieser Ansatz kann in den Ausschussberatungen vertieft werden.

Ein Problem habe ich mit der von den Grünen so geliebten Bevormundung der Bürger. Ein Verkäufer, Herr Matthiessen, wird alles tun, um sein Objekt an den Käufer zu bringen. Das heißt, er wird zwangsläufig den Vorteil eines Energieausweises für sein Verkaufsgespräch nutzen,

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

ohne dass wir ihm dies gesetzlich vorschreiben.

Der mündige Kunde hingegen wird dies von ihm verlangen. Ich halte daher die geforderte Vorschrift für überflüssig. - Ich beantrage Ausschussüberweisung.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Thomas Hölck das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Lösung der anstehenden Aufgaben im Klimaschutz ist die energetische Modernisierung des Wohngebäudebestands eine wichtige Voraussetzung, um die ehrgeizigen Klimaschutzziele erreichen zu können. 30 % des Energieverbrauchs sind

dem Wohnungs- und Gebäudebestand zuzuschreiben. Altbauten verbrauchen doppelt so viel Heizenergie wie Neubauten.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Bei der energetischen Modernisierung von Bestandsgebäuden im Wohnungswesen haben wir kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Handlungsdefizit und vor allem ein Finanzierungsproblem.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Laut aktueller Wohnbauprognose für SchleswigHolstein geht die Wohnungswirtschaft davon aus, dass 40 % der Mietwohnungen in den nächsten Jahren ohne umfassende Modernisierung nicht mehr wettbewerbsfähig sein werden. Hochgerechnet sind bis 2010 150.000 Wohnungen umfassend zu modernisieren.

Dabei gehen 65 % der befragten Vermieter davon aus, dass die notwendigen Modernisierungsmaßnahmen nicht durch Mieten zu finanzieren sind. Das dafür erforderliche Investitionsvolumen wird auf 3,2 Milliarden € geschätzt - ein Betrag, der in dieser Größenordnung kaum von den Vermietern und Eigentümern alleine zu finanzieren sein wird. Daher brauchen wir zielgerichtete Förderprogramme, die diesen Modernisierungsprozess vorantreiben. Die politische Zielrichtung muss deshalb so aussehen, die energetische Modernisierung als ein Förderkriterium im künftigen Wohnraumfördergesetz für Schleswig-Holstein zu verankern.

(Beifall bei der SPD)

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Energieeinsparverordnung ist für die Bewältigung der gewaltigen Aufgaben, die wir im Bestandswohnungsbau vorfinden, nicht zielführend.

Die in dem Antrag geforderte Verpflichtung der Eigentümer, den Miet- oder Kaufinteressenten den Energieausweis vorzulegen, ist bereits heute im Entwurf verankert. In § 16 Abs. 2 des Entwurfs ist die Verpflichtung, die Sie fordern, festgeschrieben; ich zitiere:

„Soll ein mit einem Gebäude bebautes Grundstück, ein grundstückgleiches Recht an einem bebauten Grundstück, selbstständiges Eigentum an einem Gebäude oder Wohnungs- oder Teileigentum verkauft werden, hat der Verkäufer dem Kaufinteressenten einen Energieausweis gemäß § 17 sowie § 18 oder § 19 zugänglich zu machen.“

Die von Ihnen geforderte Verpflichtung ist also überflüssig.

(Wilfried Wengler)

Ihre zweite Forderung, den Energieausweis für Bestandsgebäude wie bei Neubauten auf Grundlage des berechneten Energiebedarfs auszustellen, ist nicht praxisnah. Die EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden lässt ebenso wie das Energieeinspargesetz einen Energieausweis wahlweise auf der Basis der Bedarfsberechnung oder Verbrauchserfassung zu.

Dem verbrauchsorientierten Energieausweis werden reale Daten aus dem Bestand zugrunde gelegt. Durch die Ausstellung eines Energieausweises und die entsprechenden Modernisierungsempfehlungen sollen Gebäudeeigentümer sensibilisiert werden, energetische Verbesserungen umzusetzen. Die Verbrauchsdaten sind bekannt, der Aufwand und die Kosten für einen bedarfsorientierten Ausweis sind dagegen unverhältnismäßig teurer.

Der wesentliche Unterschied zwischen Neubau und Bestand besteht nun einmal in der Tatsache, dass im Bestand in der Regel Verbrauchsdaten beziehungsweise Daten aus dem Nutzungsverhalten vorliegen, während im Neubau zunächst auf theoretisches Zahlenwerk zurückgegriffen werden muss.

Der dritte Aspekt Ihres Antrages, das Mindestdämmniveau anzuheben, ist aus technischer, wirtschaftlicher und sozialverträglicher Betrachtung zurzeit nicht zustimmungsfähig. Die derzeitigen Anforderungen der geltenden Energieeinsparverordnung führen bei der Umsetzung von energetischen Modernisierungsmaßnahmen zu erheblichen Verbesserungen des Bestands; als Beispiel verweise ich auf die bereits genannten 150.000 Wohnungen.

Wenn bei diesen Wohnungen mit einer durchschnittlichen Wohnungsgröße von 62 qm Dämmmaßnahmen an der Gebäudehülle mit einer gleichzeitigen Erneuerung der Heizungstechnik durchgeführt werden, so lässt sich damit eine CO2-Minderung von 744.000 t pro Jahr erreichen. Das ist ein wirklicher Beitrag zum Klimaschutz. Nachzulesen sind diese Berechnungen in der Antwort der Landesregierung zur Großen Anfrage der SPD-Landtagsfraktion zur Wohnungspolitik in SchleswigHolstein. Es gibt zurzeit keine umfassenden Erfahrungen im Bereich des Passivhausstandards hinsichtlich der bauphysikalischen Auswirkungen auf den Bestand.

Zum Schluss will ich ausdrücklich auf den sozialpolitischen Aspekt der Bestandsmodernisierung hinweisen. Es ist wichtig, die stetige Steigerung der Betriebskosten durch eine energetische Modernisierung abzubremsen, um bezahlbaren Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung zu sichern. Eine Orientierung am Passivhausstandard würde dazu

führen, dass die Mieten im Bestand zu stark ansteigen, sodass entweder die Maßnahmen gar nicht durchgeführt werden, da sie nicht refinanzierbar beziehungsweise durchsetzbar sind oder bezahlbarer Wohnraum vernichtet wird. Die Zielrichtung Ihres Antrages ist richtig, aber ich glaube, dass er zu früh gestellt wurde. Wir sollten diesen Antrag nicht ablehnen, sondern ich beantrage Überweisung zur vertieften Beratung in den Ausschuss.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die Fraktion der FDP hat der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Bereits seit 2006 schreibt die Europäische Richtlinie für die Gesamteffizienz der Gebäude vor, dass bei jedem Eigentums- und Mieterwechsel eines Gebäudes ein Energieausweis vorzulegen ist, zunächst als freiwilliger Energiepass und ab 2008 als verpflichtendes Zertifikat. Dieser Energieausweis enthält alle grundlegenden Aussagen über die energetische Qualität des Gebäudes. Der Zweck dieser Regelung ist bekannt. Der Verbraucher wird objektiv über die energetische Qualität des Gebäudes informiert. Er kann sich ein Bild über die Höhe der zukünftigen Energie- beziehungsweise Nebenkosten machen und Wohnungen vor Bezug vergleichen.

Es ist schon lange so, dass nicht mehr die Mietpreise als solche, sondern die Nebenkosten darüber entscheiden, ob sich jemand eine Mietwohnung leisten kann oder nicht. Darüber hinaus wird der Eigentümer in die Lage versetzt, sein Gebäude energetisch einzuordnen, Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen, Einsparpotenziale festzustellen und infolge dessen Modernisierungsmöglichkeiten zu ergreifen. Das ist deshalb wichtig, weil gut isolierte Wohnungen nicht nur weniger Energie benötigen, sie tragen auch mit dazu bei, das Klima zu schützen. Rund 20 % aller CO2-Emissionen entstehen in Deutschland aktuell im Gebäudesektor. Da gibt es mit Sicherheit noch eine ganze Menge zu tun.

Ich bin auch zuversichtlich, es wird eine ganze Menge getan. Bereits heute kennt jeder Autobesitzer den Spritverbrauch seines Fahrzeugs. Beim Kauf von Kühlschrank, Herd oder Waschmaschine ist die Einteilung in Energieeffizienzklassen längst selbstverständlich geworden. Nun wird der Energieverbrauch auch für Gebäude kenntlich werden, und zwar verbindlich. Das dient mit Sicherheit