Protokoll der Sitzung vom 10.05.2007

(Beifall bei der FDP)

Frau Birk, wenn Sie hier die Initiative aus der letzten Legislaturperiode gegen die sogenannten Alkopops als Erfolg feiern, kann ich Ihnen nur sagen: Die mischen sich die Jugendlichen jetzt aus den einzelnen Substanzen selbst zusammen. Das war alles andere als ein großartiger Erfolg.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei konsequenter Anwendung der bestehenden Gesetze hätten die bekannt gewordenen Fälle, in denen sich Jugendliche bis ins Koma gesoffen haben, gar nicht passieren dürfen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der praktische Vollzug dieser Gesetze vor Ort nicht nur kontrolliert, sondern ein Verstoß dagegen konsequent geahndet werden muss. Genau an dieser Stelle scheint der Jugendschutz regelmäßig zu scheitern.

Es kann nicht sein, dass Falschparker strenger verfolgt werden als jemand, der Alkohol an Jugendliche ausschenkt, obwohl er das gar nicht darf.

(Beifall)

Nach § 9 des Jugendschutzgesetzes dürfen an Jugendliche unter 16 Jahre weder alkoholische Getränke ausgeschenkt noch deren Verzehr gestattet werden. Hochprozentiges darf erst ab 18 Jahren konsumiert werden. Eine konsequente Alterskontrolle könnte deshalb sehr wohl wirksam sein, wenn es darum geht, die unzulässige Abgabe von Alkohol an Jugendliche zu unterbinden.

Auch sogenannte Komapartys sind bei konsequenter Ausschöpfung des vorhandenen Rechts bereits verboten. Denn nach § 20 Nr. 2 des Gaststättengesetzes darf an Betrunkene - unabhängig davon, wie alt sie sind - überhaupt kein Alkohol abgegeben werden. Wenn aber der Titel einer Veranstaltung bereits auf das Ziel eines kollektiven Alkoholrausches weist, ist dies eine unzulässige Veranstaltung und könnte sogar im Vorfeld verboten werden.

(Beifall bei der FDP)

Instrumente, um Alkoholmissbrauch zu verhindern, sind vorhanden, sie müssen nur konsequent eingesetzt und ausgeschöpft werden.

(Zuruf der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Warum Sie hier immer dazwischen quaken, obwohl ich eigentlich nichts anderes erzähle, als Sie eigentlich hören wollen müssten, verstehe ich wirk

(Peter Eichstädt)

lich nicht, Frau Kollegin! Es mag sein, dass wir beide absolut inkompatibel sind, auch nach einer Flatrateparty.

(Beifall und Zurufe)

- Entschuldigung, das ist manchmal unerträglich.

(Zurufe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind nicht nur Gastwirte in der Verantwortung, sondern auch die Eltern.

(Vereinzelter Beifall)

Der richtige Umgang mit Alkohol ist selbstverständlich auch eine Erziehungsfrage. Auch der womöglich eigene unkritische Umgang mit Alkohol kann selbstverständlich ein schlechtes Vorbild sein. In manchen Familien - das darf man nicht verallgemeinern, aber es passiert in einigen Familien - wird das Trinken wie eine Einführung in das Erwachsenenleben zelebriert. Wenn Jugendliche Erwachsensein mit einer möglichst hohen Menge an Alkoholkonsum gleichsetzen, ist etwas schiefgelaufen. Die Eltern stehen nach wie vor genauso in der Verantwortung wie Gastwirte und Handel, diesem Problems Herr zu werden.

(Beifall und Unruhe)

Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine nachhaltige Anti-Drogen-Politik sollte sich ihre Tagesordnung nicht von spektakulären Einzelfällen diktieren lassen. Panik ist der denkbar schlechteste Ratgeber für eine Politik, die auf eine grundsätzlich neue Einstellung zu Drogen setzt. Ein bewusster Umgang mit Drogen ist nicht von heute auf morgen zu erlernen. Die Verteuerung von Alkopops war richtig, hat aber letztlich nur zu einem Umsteuern der Industrie geführt, die stattdessen ihr Geld jetzt mit süßen Biermixgetränken macht.

Niemand wird davon ausgehen, dass Jugendliche keinen Alkohol mehr trinken werden. Es kommt darauf an, ihnen einen vernünftigen Umgang mit der Rauschdroge Alkohol beizubringen. Komatrinken, bei dem 14- oder 15-Jährige ein ganzes Wochenende aus ihrem Gedächtnis wegsaufen, zeugt von einem derartig exzessiven Vergessenwollen der Wirklichkeit, dass einem angst und bange wird. Wir müssen zumindest feststellen, dass, selbst wenn die Häufigkeit des Betrinkens nicht gestiegen sein soll

te - wie Fachleute sagen - die Ausschläge doch heftiger geworden sind. Diese Ausschläge müssen wir eingrenzen.

Mir als Vater geht es nicht gut, wenn ich im Bekanntenkreis höre, wie leicht sich Jugendliche und auch Kinder an Tankstellen, in Kiosken und in Kneipen Alkohol besorgen können. Solange es zu wenig Kontrolleure gibt und niemand Strafen wirklich fürchten muss, wird es ständig so weitergehen.

Aber ist es wirklich so? Stimmen die Berichte der Medien über die weite Verbreitung des Flatratetrinkens überhaupt? Oder wird auf Teufel komm raus skandalisiert? - Ich weiß es - ehrlich gesagt - nicht. Darum mein Lob an die Kollegen der grünen Fraktion, die sich zunächst gründlich über die Tatsachen informieren wollen und nachfragen, wie hoch das Ausmaß des gesundheitszerstörenden Alkoholmissbrauchs unter Kindern und Jugendlichen bei uns in Schleswig-Holstein ist.

Die Fragen sind sehr umfangreich, so umfangreich, dass eine erschöpfende Antwort nicht mittels eines mündlichen Berichts hätte gegeben werden können. Deshalb ist es sicherlich besser, dass wir einen schriftlichen Bericht bekommen werden.

Aber eigentlich geht es ja auch eher um Teil B des Antrages der Grünen. Dort beschreiben die Grünen schon genau ein Konzept, das erstellt werden soll, ohne aber die unter A geforderten Fragen beantwortet bekommen zu haben. Ich finde, dass dem Anliegen, nämlich einer nachhaltigen Drogenpolitik und zwar mehr als auf den einen konkreten Fall, den wir jetzt diskutieren, bezogen -, ein Bärendienst geleistet wird, wenn solche gemischten Berichtsund Inhaltsanträge gestellt werden.

Das ist auch der Grund für unsere Ablehnung; nicht der Inhalt, sondern die Form ist nach unserer Auffassung nicht angemessen. Erst sollten wir die Fakten ermitteln und dann als Landtag landespolitische Beschlüsse hierzu fassen, wenn sie denn notwendig sind. Das wäre nach unserer Auffassung der richtige Weg und dem kommen wir näher, wenn wir den Bericht zu dem Antrag von CDU und SPD abwarten und sehen, was dabei herauskommt.

Der SSW hat schon früher ein grundsätzliches Werbeverbot für Alkohol und Zigaretten gefordert. Letzteres hätten wir ja beinahe schon bekommen, wenn die alte Bundesregierung einen entsprechenden EU-Vorschlag übernommen hätte. Leider ist das nicht erfolgt und so sehen wir weiter Alkoholreklame, die sich im Fernsehen unverhohlen an ein minderjähriges Publikum wendet. Nehmen wir nur die Sendung „Deutschland sucht den Superstar“: Sie wird mehrmals von Bierreklame unter

(Dr. Heiner Garg)

brochen. Aber auch Produzenten anderer alkoholischer Getränke, allen voran ein Kräuterbitterhersteller aus Braunschweig, suchen gezielt die jugendliche Zielgruppe per Abendprogramm. Wenn die sich um mich kümmern, ist das kein Problem, aber wenn es um Leute unter 18 Jahren geht, ist das ein Problem, auch Werbung ist dann ein Problem.

Wer täglich mit bunter Alkoholreklame animiert wird und reihenweise Prominente in der Öffentlichkeit Alkohol trinken sieht, dem ist es fast nicht mehr vorzuwerfen, dass er oder sie zur Flasche greift. Das ist ein Skandal.

Andere Länder verbieten Alkoholreklame. Das wäre ein radikaler Schritt, der zum kollektiven Aufschrei der Werbefirmen führen würde, aber dieses Verbot wäre nur ein weiterer konsequenter Schritt einer nachhaltigen Anti-Drogenpolitik.

Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam auf einer aktuellen Faktengrundlage eine nachhaltige Anti-Drogen-Politik auf den Weg bringen können.

(Unruhe)

Dabei ist natürlich klar, dass die Kommunen die Möglichkeit zu effektiven Kontrollen haben müssen. Das Ordnungsamt muss personell in der Lage sein, Kontrollen häufiger durchzuführen. Dann muss es natürlich auch harte Konsequenzen haben, wenn Kinder oder Jugendliche in Kneipen, Tankstellen oder auch Supermärkten unberechtigt Alkohol bekommen.

Erst wenn diejenigen, die den Alkohol abgeben, wirklich mit Kontrollen und Konsequenzen zu rechnen haben, werden sie ernsthaft überlegen, ob sie weiterhin Alkohol an jeden abgeben. Diesen Ansatz haben ja auch CDU und SPD in ihrem Antrag. Ob dies möglich ist und welche gesetzlichen Änderungen hierfür möglicherweise sonst noch vonnöten sein sollten, das sollten wir, nachdem wir den Bericht erhalten haben, im Ausschuss - nicht unbedingt wieder hier im Landtag - diskutieren.

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Thomas Stritzl das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es wohltuend, dass man auf der einen Seite über nachhaltige Gefahrensituationen bei Alkohol reden kann, ohne im Vergleich zu anderen Politikfeldern in unserer Gesellschaft gleich in eine blinde Prohibitionspolitik zu verfallen, etwa

nach dem Motto: Was uns nicht gefällt, wird verboten.

Ich teile die Auffassung, dass wir an das Problem mit Augenmaß herangehen müssen. Die gesetzlichen Mittel, die wir haben, sind entsprechend anzuwenden. Wo Prohibition stattfindet, läuft sie meistens schief. Ich sage das, Herr Kollege Neugebauer, auch im Hinblick auf das Glücksspielverhalten.

Wenn wir allerdings maßvoll vorgehen wollen und dabei Vorbildfunktionen anmahnen, dann denke ich daran, was Kollege Eichstädt gesagt ha: Es gilt nicht nur für den privaten Bereich, sondern auch für die Kommunen. Da gebe ich ihm völlig recht. Selbstverständlich müssen die Kommunen mitziehen. Sie müssen allerdings auch mitziehen können.

Da spreche ich ein Problem an. Die Kommunen haben oft nicht die Möglichkeit, so mitzuziehen, wie sie mitziehen wollen oder sollten. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht nur über problematisches Trinkverhalten in geschlossenen Räumen reden, sondern auch überlegen, was mit öffentlichen Räumen passiert. Was ist mit dem Geschehen auf öffentlichen Plätzen? Dort findet Alkoholmissbrauch in einem Ausmaß statt, dass sich mittlerweile nicht nur Betroffene faktisch öffentlich ins Koma saufen, sondern die Geschäftswelt und Bewohner sich beschweren. Das ist nicht mehr förderlich und nicht zu dulden. Die Polizei sagt dazu: Wir haben leider keine rechtliche Handhabe.

Ich weiß, dass dies im Vorfeld, nämlich am Anfang der Legislaturperiode, schon einmal eine Rolle in der Diskussion gespielt hat. Ich meine, wir sollten uns gemeinsam noch einmal an das Thema heranbegeben und uns im Zuge der Diskussion fragen, ob wir nicht doch gut beraten sind, der kommunalen Familie die Möglichkeit einzuräumen, dort, wo sie es nach Kenntnis der Lage für notwendig erachtet, entsprechend satzungsrechtlich - man spricht hier von der sogenannten Trinkersatzung - aktiv zu werden. Wenn wir schon sagen, dass wir einen gemeinsamen Ansatz machen wollen und dass Vorbildfunktion geschaffen werden soll, damit Gaststätten und andere Veranstalter ihre Verpflichtungen erfüllen, dann muss auch die Kommune in der Lage sein, dort, wo öffentliche Räume vorhanden sind, ihre Pflichten zu erfüllen, soweit sie nach eigener Überzeugung dort tätig werden muss. Dafür braucht sie aber die Instrumente. Soweit solche Instrumente nicht vorhanden sind, ist in die Überlegung einzubeziehen, dass sie durch den Landesgesetzgeber zu schaffen sind. Ich bitte, darüber eine Diskussion zu führen. Das wäre ein vernünftiger Beitrag.

(Lars Harms)

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung hat Herr Ministerpräsident Peter Harry Carstensen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Birk, ich schätze den Kollegen Stoiber sehr. Aber ich werde, wenn es dort irgendwo ein Fest gibt, nicht auch noch Tee in ein Bierglas schütten. Wir sollten auch unterscheiden können zwischen denjenigen, die etwas vertragen können, und denjenigen, die saufen. Das sind nämlich zwei verschiedene Dinge.

Wir sollten uns aber auch um die Probleme kümmern, die wir haben. Kollege Garg, dort von einer Ausreißergruppe zu sprechen und diese mit 10 % anzugeben ist wohl nicht gerechtfertigt. Vielleicht ist es nur 1 %. Es sind vielleicht nur wenige Jugendliche, die bei uns durch die genannten Probleme in Gefahr kommen, aber es ist Grund genug da, sich darum zu kümmern.

Deswegen kümmert sich diese Landesregierung um die Probleme schon wesentlich länger, als es die Schlagzeilen und die Artikel in der „Bild-Zeitung“ und wo auch immer darstellen. Wir sind schon seit längerer Zeit dabei. Wir werden uns sehr sorgfältig darum kümmern und uns dabei nicht jagen lassen.