Protokoll der Sitzung vom 10.05.2007

Deswegen kümmert sich diese Landesregierung um die Probleme schon wesentlich länger, als es die Schlagzeilen und die Artikel in der „Bild-Zeitung“ und wo auch immer darstellen. Wir sind schon seit längerer Zeit dabei. Wir werden uns sehr sorgfältig darum kümmern und uns dabei nicht jagen lassen.

Ich bin Ihnen, Frau Trauernicht, sehr dankbar, dass Sie gerade an diesem Thema in Ihrem Haus intensiv arbeiten.

Frau Birk, was die Alkopops betrifft, so bin ich seinerzeit im Bundestag gewesen und habe mit darüber entschieden. Aber nachher haben wir gemerkt, wie falsch die Entscheidung war; das muss einmal ganz deutlich gesagt werden. Wenn wir die Alkopops teurer machen und damit bewirken, dass die Jugendlichen sich ihre Mischungen selber zusammenstellen, dann hat das Konsequenzen. Dann kommt eine Fünf-Liter-Mischung auf vielleicht 15 €. Sie besteht aus einem Liter Schnaps und vier Liter Cola. Diese Mischung ist wesentlich preiswerter. Dann hilft es nichts, wenn im Gesetz steht, dass alkoholisierten Personen nichts ausgeschenkt werden darf. Wenn die Jugendlichen die Getränke kaufen, sind sie nämlich nicht alkoholisiert, sondern erst, wenn sie den Liter Schnaps im Bauch haben. Dann brauchen die aber auch nicht mehr einzukaufen. Das bedeutet, dass wir schon vorher einiges mehr zu tun haben.

Deswegen arbeiten wir an diesem Konzept. Daran wirken die verschiedensten Akteure im Lande mit. Dabei spielt der eben schon genannte Slogan eine Rolle: „Schleswig-Holstein feiert richtig“. Dieser von uns geprägte Slogan bedeutet, dass wir selbstverständlich feiern wollen. Wir haben ja eine Festund Volksfesttradition, die ich unterstütze. Aber Exzesse, insbesondere von Jugendlichen, verneinen wir.

Was notwendig ist, ist nicht die Forderung nach rechtlichen Bestimmungen, sondern wir brauchen an allererster Stelle eine noch bessere Zusammenarbeit von Polizei, Ordnungsämtern und Jugendschutz, weil die gesetzlichen Regelungen nämlich ausreichen. Ich sage an dieser Stelle aber auch: Die gesetzlichen Bestimmungen müssen ausreichend vollzogen werden.

Volksfeste sind in der Regel von Donnerstag bis Sonntag einschließlich. Die Arbeitszeit darf dann nicht schon Freitagmittag zu Ende sein. Vielmehr muss deutlich gemacht werden, dass dann Ordnungsbehörden, Polizei und Jugendschutz am Wochenende ausgesprochen präsent sind. Das gilt nicht nur für Volksfeste, sondern auch für Scheunenfeten und ähnliche Veranstaltungen. Wir werden uns noch wundern, was für Schreiben wir dann plötzlich bekommen und von welchen Gruppen sie stammen, die gern einmal ihre Feste durchführen wollen.

Unsere Absicht ist nicht, hier Rücksicht walten zu lassen, sondern ist, wirklich zu helfen.

Wir streben - und das ist der richtige Weg - freiwillige Selbstverpflichtungen mit dem Bundesverband Deutscher Diskotheken und mit den Tanzbetrieben in der DEHOGA an. Wenn wir das erreichen, sind wir einen großen Schritt weiter, denn Selbstverpflichtungen haben immer noch einen Vorrang vor Verboten.

Wenn aber - das sage ich ausdrücklich - Veranstaltungen wie „Flat-rate-Partys“ unter dem Titel „Saufen bis zum Umfallen“ weiterhin das körperliche, geistige und seelische Wohl unserer Kinder und Jugendlichen gefährden, dann müssen sie mit allen staatlichen Mitteln verhindert werden.

(Beifall bei der CDU)

Die Bürgermeister und die Amtsvorsteher haben hier die Möglichkeiten, Verbote auszusprechen. Ich rate ihnen - da bin ich mir mit unserer Sozialministerin völlig einig -, von der Verbotsmöglichkeit Gebrauch zu machen, wenn Kinder und Jugendliche betroffen sind.

(Thomas Stritzl)

Ich sehe Veranstalter und Gewerbetreibende in der Pflicht auch bei Scheunenfeten und ähnlichen Veranstaltungen. Hier greift das Jugendschutzgesetz. Dort sind Sanktionsmöglichkeiten bis zu 50.000 € festgeschrieben. Im Wiederholungsfall kann die Gaststättenerlaubnis entzogen werden. Ich meine, dass wir damit genügend Möglichkeiten haben; sie sind ausreichend.

Jugendschutz, Kontrollen auf Großveranstaltungen haben sich bei uns bewährt. In fünf Wochen ist es wieder so weit, dass die Kieler Woche stattfindet. Auf dem Flensburger DAMPF RUNDUM oder auf den Kappelner Heringstagen - überall wird systematisch kontrolliert; und das ist richtig so. Ordnungsbehörden und Polizeibehörden überprüfen Personen und Taschen, kümmern sich um betrunkene und orientierungslose Jugendliche, bringen sie nach Hause oder nehmen sie in Obhut und informieren die Eltern. Der Staat kümmert sich also darum. Wo wir uns darum kümmern, zeigt es auch Wirkung.

Statt bestehende Gesetze zu verschärfen, will die Landesregierung in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für dieses gesellschaftliche Problem schaffen.

Damit bin ich beim zweiten Punkt. Wir werden in Schleswig-Holstein die Beratungsfunktion stärken und gezielt auf die wichtigsten Ansprechpartner der jungen Menschen, auf ihre Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie Betreuerinnen und Betreuer in Vereinen und Jugendtreffs zugehen. Ich bin mir mit der Wirtschaft einig: Eltern müssen mit ihren Kindern Klartext reden. Wir wollen sie dabei mit Workshops und Informationsveranstaltungen an Schulen und Elternvertretungen begleiten. Familie und Schule sind für Kinder immer noch die wichtigsten Bezugspunkte.

(Beifall bei der CDU)

Drittens wollen wir die jungen Leute selber gewinnen. Wir wollen die Vorbildfunktion bekannter Persönlichkeiten, von Sportlern und Musikern, aber auch von jungen Menschen von nebenan nutzen. Vielleicht kann sich auch unser Jugendparlament des Themas annehmen.

Ich halte es für sinnvoll, wenn junge Leute selbst vor den Folgen starken Alkoholkonsums warnen. So funktioniert auch unser Projekt JiM’s CocktailBar. Dass man auch ohne Alkohol Spaß haben kann, wird dabei mithilfe einer mobilen Bar für Volksfeste gezeigt, in der extra ausgebildete Jugendliche als Barmixer auftreten. JiM steht nicht für „Jim Beam“, sondern für „Jugendschutz im Mittelpunkt“. Ich meine, das ist ein lohnenswerter und lobenswerter Ansatz.

Wir brauchen einen regelrechten Wettbewerb um die besten Ideen im Kampf gegen Jugendalkoholismus. Deshalb sind wir in eine breite Diskussion mit vielen Partnern im Land eingetreten. Alle sollen ihren Beitrag leisten und viele haben ihre Bereitschaft signalisiert: Schausteller und Volksfestorganisatoren, Diskothekenbesitzer und Tankstellenpächter, Ämter und Behörden, Eltern und Jugendliche, aber auch Spirituosenhersteller und Bierbrauer. Auch die nehmen wir nicht aus der Pflicht. Ich glaube, es ist dringend notwendig, dass dieses auch gesagt wird.

Lieber Herr Eichstädt, der Verein heißt „Bund gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr“.

(Peter Eichstädt [SPD]: Was habe ich ge- sagt?)

- Bund gegen Alkohol im Straßenverkehr. Das ist ein kleiner Unterschied. Die legen selbst immer großen Wert darauf, dass sie so heißen.

Wir sehen nicht tatenlos zu. Wir wissen um die Verantwortung und wir kümmern uns um unsere Jugendlichen. Wir werden das nicht nur in diesem Jahr, sondern in Zukunft außerordentlich intensiv tun und manche werden sich wundern, wie häufig wir auf den Volksfesten vertreten sein werden.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit hat dieser Tagesordnungspunkt für heute seine Erledigung gefunden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 40 auf:

Electronic Government in Schleswig-Holstein

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/1353

Das Wort hat Herr Finanzminister Rainer Wiegard

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht liegt Ihnen nun vor. Anders als bei anderen Tagesordnungspunkten, wo das kritisiert wurde, überschrieben e-Government - das kann man auch als etwas Unanständiges oder Unschönes missdeuten -, was bedauerlicherweise der übliche plattdeutsche Begriff für eine Sache ist, die man hochdeutsch elektronische Verwaltung nennen könnte. Aber wir können uns dem auch nicht entziehen.

Worum geht es konkret? - Es geht darum, dass wir uns der täglichen Probleme der Menschen und der

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

Unternehmen in Schleswig-Holstein im Umgang mit der öffentlichen Verwaltung annehmen. Es geht darum, dass wir uns die junge Frau vorstellen, die, um ihr Kind im Kindergarten oder - wie es häufig der Fall ist - in mehreren Kindergärten anzumelden -, um ihren Personalausweis zu verlängern, vielleicht noch eine neue, größere Mülltonne zu beantragen, einen Urlaubstag in Anspruch nehmen muss. Wenn sie vielleicht noch eine Baugenehmigung für einen kleinen Anbau hinter dem Haus braucht, und - ich nehme einmal meinen Zuständigkeitsbereich nicht aus - noch ein paar Unterlagen zum Finanzamt transportieren muss, dann kann schnell der ganze Jahresurlaub draufgehen, um notwendige Behördengänge zu erledigen.

Wir haben häufig den Zustand, dass wir Bürgerinnen und Bürgern, die ein Anliegen haben, bei einer Verwaltung ein Formular ausstellen und bescheinigen und dann einen Laufzettel für andere Behörden und Verwaltungen in die Hand geben, wo dann dieses Formular noch einmal abgeschrieben wird, um es neu in ein System einzugeben. Mit diesem Unsinn müssen wir aufhören. In einer Zeit, in der in etwa drei Viertel aller Kinderzimmer in Deutschland ein Internetanschluss und eine vollständige Computerausstattung vorhanden ist, in der wir international und weltweit vernetzt sind, müssen wir unsere Verwaltung auf einen ähnlichen, vergleichbaren Standard bringen.

Mit diesem Wahnsinn von Formularen von der Wiege bis zur Bahre, die immer wieder neu ausgefüllt werden müssen, müssen wir Schluss machen. Dies gilt insbesondere auch für die Prozesse, die mit Wirtschaftsunternehmen zu tun haben, die wirtschaftsrelevanten Verwaltungsprozesse.

Ich bin außerordentlich dankbar, dass insbesondere die Europäische Union hier Druck macht. Sie macht Druck auf die Staaten in Europa, mit diesem Thema voranzukommen. Das ist bei diesem Thema ausnahmsweise einmal gut so. Ich bin nicht jedes Mal der Meinung, dass das, was von Europa ausgeht, ein wirklich positives Signal ist. Aber dies führt uns weiter, weil es uns zwingt, mit anderen Staaten, mit anderen Ländern nach neuen Wegen zu suchen, um Verwaltung für die Menschen einfacher und für uns preiswerter und professioneller zu machen. Der Bericht, den wir Ihnen vorgelegt haben, gibt Auskunft darüber, wie weit wir sind, wo wir hinwollen und welche Aufgaben noch vor uns liegen. Ich bin dankbar dafür, dass wir in einer sehr umfassenden Diskussion in den Ausschüssen, die daran beteiligt sind, diesen Bericht mit Ihnen besprechen, um hier neue Anregungen, Hinweise und

Stellungnahmen für die weitere Arbeit an diesem Projekt zu bekommen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Winfried Wengler das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dankenswerterweise hat das Finanzministerium die von CDU und SPD gestellte Anfrage genutzt, einen wirklich umfassenden Bericht vorzulegen, sowohl über den aktuellen Stand des Electronic Governments in unserem Land als auch über die Perspektiven für die nähere Zukunft.

Meine Damen und Herren, die Idee, eine solche Anfrage zu stellen, kam bei mir durch zwei Anlässe. Das eine war ein rein lokaler oder regionaler Anlass: Bei uns in der Gemeinde wird zurzeit ein Programm mit Unterstützung von EU-Mitteln entwickelt, um die Arbeit in der Gemeindevertretung zu erleichtern. Nach einer Entwicklungszeit von gut einem Jahr wird uns am kommenden Montag ein Dokumentenverwaltungssystem oder Document Management System - wie es so schön heißt - präsentiert, ein System, das man heute in jedem Software-Shop kaufen und auch mit den entsprechenden Berechtigungssystemen versehen kann. Insofern frage ich mich, warum wir mit EU-Mitteln eine solche Entwicklung speziell für die Gemeinden fördern.

Der zweite Anlass war für mich ein Besuch, den wir im vergangenen Jahr mit der Fraktion in Estland gemacht haben. Dort haben wir ein Electronic Government höchster Kultur vorgefunden. Es geht sogar so weit, dass dort das sogenannte e-Voting, das heißt, elektronische Wahlen per Internet, möglich sind. Der Bericht sagt, in Deutschland ist dieses Thema zunächst vom Tisch.

Ich möchte hier nicht inhaltlich auf technische Details, Projektstrukturen oder Einzelprozesse eingehen. Das mag jeder nach seinem Gusto im Bericht nachlesen beziehungsweise der sicherlich ausführlichen Diskussion im Ausschuss überlassen. Mir geht es hier vielmehr um generelle Tendenzen und die nach wie vor bestehenden hohen Anforderungen und Erwartungen.

Einig sind sich sicherlich alle, die mit diesem Thema befasst sind, dass zukünftig eine wirtschaftliche und leistungsfähige Verwaltung ohne intensive Nutzung der Möglichkeiten der Informations- und

(Minister Rainer Wiegard)

Kommunikationstechnologien nicht mehr möglich sein wird. Aber - das macht dieser Bericht für mich sehr deutlich - es ist trotz mehrjähriger Entwicklungsbemühungen erst eine Basis für ein umfassendes und vor allem ebenen- und organisationsübergreifendes e-Government gelegt. Dies gilt für die Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen und erst recht für die Kommunikation mit anderen Bundesländern, dem Bund selbst und - noch weiter entfernt - der EU.

Der Blick auf andere Bundesländer zeigt, dass in vielen ein vergleichbarer Status zu verzeichnen ist. Das heißt, das wir eigentlich in guter Gesellschaft sind. Aber mit Blick auf die Zukunft sollte uns das keineswegs beruhigen.

Doch konzentrieren wir uns zunächst nur auf die Informations- und Kommunikationsbeziehungen in Schleswig-Holstein. Die EU-Dienstleistungsrichtlinie, wie auch im Bericht hervorgehoben, stellt die zurzeit ehrgeizigste und in ihren Auswirkungen weitreichende Herausforderung an unsere Systeme dar.

Die Auswirkungen werden erheblich sein, denn bei Fristüberschreitung droht eine Genehmigungsfiktion. Das heißt, wenn ein Antragsteller seinen Genehmigungsantrag elektronisch gestellt hat und dieser Antrag nicht innerhalb einer festgelegten Frist beantwortet ist, gilt die Genehmigung als erteilt. Der Umsetzungsdruck, der durch eine Realisierungsfrist der EU-Dienstleistungsrichtlinie bis zum Ende des Jahres 2009 erzeugt wird, wird von der Landesregierung richtigerweise als Chance angesehen, die Modernisierung der Verwaltung voranzutreiben. Darüber hinaus gibt die Dienstleistungsrichtlinie auch den Anstoß zu einer Reform von Verwaltungsstrukturen und -abläufen.

Dieses Beispiel macht deutlich, dass die Realisierung derartig komplexer Vorhaben nicht nur ein rein technisches Problem darstellt, sondern ebenso die Mitarbeit der Legislative fordert. Die Lösung wird auch das Aufbrechen von gewachsenen Strukturen und Hierarchien bedeuten und damit auch die Anpassung beziehungsweise Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen benötigen. Wir werden uns daher in naher Zukunft mit dem in Arbeit befindlichen E-Government-Gesetz auseinander zu setzen haben.