Protokoll der Sitzung vom 15.06.2005

Es darf nicht so sein, dass für diese Kinder Diskussionen über Details der Rechtschreibreform schon deshalb gegenstandslos sind, weil sie sie überhaupt nicht nachvollziehen können.

All das muss durch eine frühzeitige Förderung behoben werden und deshalb sind wir dafür, diesen Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur intensiven Diskussion an den Bildungsausschuss zu überweisen.

(Beifall)

Ich danke dem Abgeordneten Buder. - Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Überweisung an den Bildungsausschuss sind wir selbstverständlich einverstanden.

In der Sache begrüßen wir das, was die Grünen in ihrem Antrag zur Abstimmung gestellt haben. Es ist in der Sache vollkommen richtig, eine frühere Schuleingangsuntersuchung in Zukunft mit dem Ziel vorzusehen, dann basierend auf den Ergebnissen Fördermaßnahmen zielgerichtet und so wirksam wie

möglich vorzusehen. Solche Angebote plant im Übrigen auch die Landesregierung. Ich verweise auf das, was Ministerin Erdsiek-Rave kürzlich, nämlich am 28. Mai 2005, in einem Interview in den „Kieler Nachrichten“ gesagt hat, nämlich die Landesregierung werde Millionen in die vorschulische Sprachförderung investieren. Vielleicht bietet die Ausschussberatung dann auch Gelegenheit, hier schon einmal grob über das sprechen zu können, was die Regierung konkret für die Zukunft in diesem Bereich vorgesehen hat.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ganz allgemein ist natürlich das Anliegen, eine möglichst frühe Förderung auch über das Instrument der möglichst frühen Schuleingangsuntersuchung vorzusehen und das mit entsprechenden Förderangebote zu verbinden. Das ist eine Entwicklung, die bundesweit läuft. In Rheinland-Pfalz hat die sozialliberale Landesregierung soeben einen Gesetzentwurf zur frühen Förderung von Kindern in das dortige Landesparlament eingebracht, in dem dies Gegenstand der geplanten Änderungen ist, im Übrigen verbunden mit einem - wie ich finde - sehr beachtlichen weiteren Fortschritt, nämlich der Einführung eines beitragsfreien letzten Kindergartenjahres. Da kann man wirklich neidisch werden, wenn man sieht, was sich die Rheinland-Pfälzer leisten können. Offensichtlich haben die dort in den letzten Jahren besser gewirtschaftet als Rot-Grün in Schleswig-Holstein, sodass sie das auch finanzieren können.

(Beifall bei der FDP)

Vielleicht auch noch eine weitere Frage, die man im Ausschuss erörtern kann beziehungsweise von der Sachzuständigkeit her dann in einem anderen Ausschuss, nämlich im Sozialausschuss, der für das Thema Gesundheit zuständig ist - ich möchte das hier einmal ansprechen -: Ich habe just in diesen Tagen, in denen die beiden großen Fraktionen - möglicherweise auch in heißen Nächten; das weiß ich nicht, da müssten wir einmal Claus Ehlers und Konrad Nabel fragen -

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

über ihren Koalitionsvertrag debattiert haben, eine „dpa“-Meldung vorgefunden, und zwar eine Meldung, die eine Erklärung des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte wiedergibt. Sie bezieht sich auf einen neuen Bemessungsmaßstab der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der gesetzlichen Krankenkassen. Danach - so wird hier jedenfalls von „dpa“ berichtet - würden apparative Hörtests für Kin

(Dr. Ekkehard Klug)

der- und Jugendarztpraxen unmöglich gemacht - Zitat: „Ohne Hörtest dürfen Kinder- und Jugendärzte aber auch keine Sprachheilbehandlung verordnen.“ Und dann wurde daraus die Warnung oder die Sorge abgeleitet, dass Kinder mit gesetzlicher Krankenversicherung in Zukunft, weil man die entsprechenden Probleme nicht rechtzeitig erkennt, vielleicht nicht die Förderung erhalten können und werden, die eigentlich notwendig wäre. Es wird dann hier auch thematisiert, dass das gerade die Kinder betrifft, die aus sozial schwächeren Familien stammen. Ich denke, diese Problematik sollte man - weil das einfach zum Gesamtkomplex mit dazugehört - auch in die Diskussion, in die Beratung mit einbeziehen.

Ich denke, wenn man in diesem Bereich durch Änderungen der Krankenversicherung, der Gesundheitsvorsorge Einschnitte macht, so ist das wirklich der schlechteste Weg, Einsparungen vorzunehmen. Denn dadurch werden im Zweifelsfall auch Fördermöglichkeiten beeinträchtigt, die auch für die Gewährleistung der Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen entscheidend und wichtig sind.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wollte ich gern zum Schluss noch anmerken. Alles Weitere sollten wir uns im Einzelnen in der Diskussion im Ausschuss noch einmal anschauen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Klug. - Für die Abgeordneten des SSW im Landtag erteile ich Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Herold, inhaltlich stimme ich Ihren Ausführungen völlig zu. Eine Bemerkung kann ich mir aber nicht verkneifen.

Seitdem ich diesem hohen Haus angehöre, gehört es wirklich zu meinen grundlegenden Erfahrungen, dass bei der Formulierung von Anträgen, unabhängig von der Größe der Fraktion, immer nur mit Wasser gekocht wird. Darum sage ich ganz freundlich: Man trifft sich bei der Formulierung von Anträgen stets mehrfach. - Dies vorweg.

Im September letzten Jahres ging durch die Presse, dass der Kreis Bad Segeberg auf die obligatorische Schuleingangsuntersuchung durch Kreisärzte verzichten will. Stattdessen sollen die Hausärzte der Kinder bei der U 9-Untersuchung, also bei der neunten dieser

Reihenuntersuchungen - dann sind die Kinder fünf bis fünfeinhalb Jahre alt -, auch gleich die Schultauglichkeit mit bewerten.

Wenn das im wahrsten Sinne des Wortes Schule macht, sind wir von den Forderungen des Antrags der grünen Kollegen und des Koalitionsvertrages meilenweit entfernt. Dann müssen wir uns bemühen, die derzeitigen Standards zu halten. Von einer Verbesserung kann dann überhaupt keine Rede mehr sein.

Ein anderes Beispiel. Die Zusammenarbeit zwischen Dansk Skoleforening und dem Dänischen Gesundheitsdienst ist so geartet, dass Kinder der dänischen Einrichtungen kontinuierlich beobachtet und betreut werden. Daher gibt es kaum Kinder, die eine Extrarunde drehen müssen, weil sie entweder sozial, gesundheitlich oder von ihren Sprachfähigkeiten her nicht in der Lage sind, den Anforderungen der Schule standzuhalten. Das ist in der öffentlichen Schule immer noch ganz anders. Fast jeder siebte Junge und jedes vierzehnte Mädchen erreicht im schulpflichtigen Alter nicht die Mindeststandards. Den Eltern der Kinder wird nach der Schuleingangsuntersuchung empfohlen, ihr Kind noch ein Jahr zurückzustellen. Tatsächlich wurden im Jahre 2003 5,3 % der Kinder zurückgestellt.

Woran liegt das? Kinder durchlaufen in den ersten Lebensjahren eine ungeheure Entwicklung. Das wissen wir alle. Sie lernen, sich auszudrücken und sozial einzuordnen. Die Eltern können in diesem Prozess von erfahrenen Pädagogen unterstützt werden.

Auch dazu möchte ich nur ein Beispiel nennen: Wird eine Hörstörung bei einem Kind frühzeitig erkannt und behoben, besteht gar keine Gefahr der Entwicklungsverzögerung. Wenn aber erst der Amtsarzt im sechsten Lebensjahr diagnostiziert, dass der kommende ABC-Schütze nur deshalb so in sich gekehrt ist, weil er den Gesprächen nicht folgen kann, so ist wirklich eine Chance - und man kann sagen: auch eine Lebenschance - vertan.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit will ich den Kinderärzten nicht unterstellen, dass sie solche Störungen bei den Reihenuntersuchungen nicht entdecken. Aber es gibt genug Kinder, die nicht an den regelmäßigen Untersuchungen teilnehmen. Bei Kindern, die darüber hinaus keinen Kindergarten besuchen, fallen die Eltern dann aus allen Wolken.

8,2 % aller Kinder besuchten laut der letzten Erhebung keinen Kindergarten, bevor sie zur Schule kamen. Würde man ein kostenloses Pflichtkindergartenjahr einführen - Rheinland-Pfalz lässt grüßen -, wür

(Anke Spoorendonk)

den wir diese Quote noch weiter drücken können und hätten damit die Möglichkeit der Früherkennung sozialer und gesundheitlicher Probleme.

Der SSW unterstützt alle Bemühungen, die zur Chancengleichheit beitragen. Wir unterstützen auch, dass die verpflichtende Schuleingangsuntersuchung jetzt bereits im fünften Lebensjahr durchgeführt werden soll. Aber das kann nur ein kleiner Baustein sein. Eine nachhaltige frühkindliche Förderung ist ohne professionelle Ausbildung, kleine Gruppengrößen und individuelle Fördermöglichkeiten nicht möglich. Ich denke, das dürfen wir bei dieser Diskussion auch nicht aus den Augen verlieren.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Abgeordneten Spoorendonk. - Für die Landesregierung erteile ich der Bildungsministerin, Frau Erdsiek-Rave, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das, was in der Debatte soeben angesprochen worden ist, ist ein weites Feld. Der Antrag bezieht sich allerdings auf die vorgezogene Schuleingangsuntersuchung und auf die vorgezogene Sprachförderung. Darauf will ich mich in der Kürze der Zeit mit ein paar Ausführungen beschränken.

Ich finde - das muss man in Bezug auf diejenigen, die das in den letzten Jahren geleistet haben, anerkennen -, unter der Überschrift „Erfolgreich starten“ ist wirklich schon vieles auf den Weg gebracht worden. Das integrierte Sprachförderkonzept aus SchleswigHolstein ist ein bundesweit nachgefragtes. Die Fachleute, die damit beschäftigt sind, werden bundesweit eingeladen, um darüber zu berichten. Zu diesem Sprachförderkonzept gehören die Bausteine Sprachförderung in der Kita, Sprachstandeinschätzung vor der Einschulung, vorgezogene schwerpunktmäßige Sprachintensivförderung mit dem Kürzel SPRINT - allerdings nur in sozialen Brennpunkten -, Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund und Qualifizierungsmaßnahmen für Erzieherinnen und Erzieher.

Die Grundlagen sind also gelegt. Jetzt geht es um Weiterentwicklung und deutlichen Ausbau.

Die Regierungsparteien haben sich in der Koalitionsvereinbarung - das ist sogar wörtlich vorgelesen worden; deswegen kann ich mich hier beschränken - auf Verabredungen verständigt, die einen deutlichen

Sprung nach vorn ermöglichen, weil in Zukunft erheblich mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen.

(Beifall der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU])

Ich werfe nicht mit Millionenbeträgen um mich. Das fände ich derzeit auch unpassend. Aber Sie können sich darauf verlassen, dass wir Erhebliches verabreden wollen.

Wichtige Vorarbeiten zur Ausweitung der bisherigen Maßnahmen sind also bereits geleistet worden. Die nächsten Schritte wird es im Herbst dieses Jahres und im kommenden Jahr geben. Im vergangenen Jahr hat übrigens der Landtag mit der Änderung des Landesmeldegesetzes zugleich auch das Schulgesetz geändert, wenn ich mich richtig erinnere, mit allseitiger Zustimmung in diesem Hause. Seitdem stellen die Meldebehörden in ganz Schleswig-Holstein den zuständigen Schulen im vierten Quartal, spätestens zum 15. Oktober, die Daten der Kinder zur Verfügung, die im darauf folgenden Jahr schulpflichtig werden. Das heißt, alle Schulen des Landes verfügen zum Ende der Herbstferien über die notwendigen Daten und sollen dann die Schulanmeldung veranlassen. Das war eine wichtige Voraussetzung für die weitere Entwicklung.

Meine Damen und Herren, ich werde nach der Sommerpause das Konzept vorstellen, wie wir die Vorarbeiten in den Kindertagesstätten und Schulen des Landes flächendeckend zu einem verlässlichen System der Sprachförderung ausbauen werden. Für das kommende Jahr ist bereits eine deutliche Ausweitung und für das dann laufende Kindergarten- und Schuljahr 2006/07 ist der Endausbau geplant. Dabei sind unterschiedliche Wege notwendig, je nachdem, ob Kinder eine Kindertageseinrichtung besuchen oder nicht. Besonders Letzte gehören natürlich zu der Gruppe, der wir uns besonders intensiv zuwenden müssen.

Ich spreche nicht von einer Problemgruppe, denn Kinder mit Migrationshintergrund sind nicht per se eine Problemgruppe.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie können ja schon eine Sprache. Sie sollen eine zweite dazulernen. Das ist das Problem und nicht die Kinder selbst.

Ziel ist es, allen Kindern, die Probleme bei der Beherrschung der deutschen Sprache haben - vielleicht formulieren wir es am besten so -, die einen erfolgreichen Schulstart erschweren, zu helfen, sie zu fördern,

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)