Protokoll der Sitzung vom 12.09.2007

Zweitens. Mit der kommunalen Seite wird ein intensiver Dialog darüber geführt, wie die künftigen Strukturen aussehen sollen und wie sie erreicht werden können. Dies gilt auch und gerade für die Frage, wie das Ehrenamt gestärkt werden kann. Das Innenministerium steht den Vorschlägen der Kommunen offen gegenüber und ist bereit, darüber zu sprechen, welche Veränderungen notwendig sind und aus kommunaler Sicht für notwendig gehalten werden.

Drittens. Es gibt keine vorzeitige Festlegung auf ein bestimmtes Modell, sondern der Prozess wird so lange ergebnisoffen geführt, wie es möglich und geboten ist. Ergebnisoffenheit ist ein wundervolles Wort. Ich finde das prima. Daran sollten wir uns halten. Das haben wir nämlich zugesagt.

Vorgaben werden erst und soweit gemacht, wie es unerlässlich ist. Das bedeutet übrigens auch, dass wir nicht vorzeitig Modelle ausschließen und Beruhigungspillen verteilen sollten. Bei allem Charme, den die Modelle von Herrn Hesse haben: Auch die Vorstellungen der anderen Gutachter verdienen sorgfältig betrachtet zu werden.

Dazu sind die prognostizierten Einsparvolumen auch zu groß. Verehrter Herr Oppositionsführer, Ihr Zwischenruf vorhin, am meisten könnte man sparen, wenn man nur noch einen Kreis hat, zeigt eben, dass es mit der Logik ein bisschen schwieriger ist, als es manchmal erscheint, wenn man die Dinge so oberflächlich betrachtet.

Lassen Sie mich eines deutlich sagen: Freiwilligkeitsphase, Dialog und Ergebnisoffenheit heißt nicht, dass wir eine Reform auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben dürfen. Wir haben nämlich am 18. Dezember letzten Jahres einen transparenten und festen Zeitplan beschlossen, der im April noch einmal bestätigt wurde.

(Zuruf)

- Pardon, am 19. Dezember. Präzision auch im Detail, Herr Staatssekretär! - Davon werden wir bei aller gebotenen Sorgfalt auch nicht abweichen. Die Landesregierung wird im Dezember auf Vorschlag des Innenministers Leitlinien zur Verwaltungsstruktur- und Funktionalreform beschließen. Um es gleich vorweg zu sagen: Damit wird keine Entscheidung für ein bestimmtes Modell getroffen. Die Leitlinien werden die Ergebnisse meiner Besuche in den Kreisen und kreisfreien Städten, die ich im November abschließe, aufnehmen und sie werden auch die Vorschläge einbeziehen, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Lenkungsgruppe und die kommunale Seite hoffentlich vorlegen werden.

Darüber hinaus werden die Leitlinien die Gutachten und die Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern berücksichtigen. Diese Leitlinien werden skizzieren, welche Inhalte das Gesamtkonzept enthalten wird. Bevor diese Leitlinien vom Kabinett beschlossen werden, wird es eine erste Reformklausur mit der kommunalen Seite geben, in dem die Gutachter Rede und Antwort und für Fragen zur Verfügung stehen. Auch hier wird Gelegenheit bestehen, den weiteren Verlauf des Prozesses zu erörtern.

Darüber hinaus plane ich, die Struktur der Leitlinien vor der Beschlussfassung des Kabinetts mit Vertreterinnen und Vertretern der Kreise und kreisfreien Städte sowie der kommunalen Landesverbände auf einer zweiten Reformklausur intensiv zu erörtern. Diese beiden Beispiele, wie auch die Phase der Begutachtung zeigen, dass wir es mit der Einbindung der kommunalen Seite ernst nehmen.

Im Sommer 2008 - insofern habe ich Ihr Gelächter nicht wirklich verstanden, Herr Kollege Klug -, also noch in dieser Legislaturperiode, soll als maßgebliche Grundlage der Reform das Gesamtkonzept verabschiedet werden. Es wird Antworten darauf

(Minister Dr. Ralf Stegner)

geben, welche Aufgaben vom Land auf die Kommunen übergehen werden, wie die interkommunale Funktionalreform, deren Wichtigkeit ich noch einmal betonen möchte, aussehen wird und wie die große Kreisstadt - so möchte ich sie einmal nennen - rechtlich ausgestaltet werden kann.

Des Weiteren wird das Gesamtkonzept das mit der Verwaltungsstrukturreform am Ende zu erreichende Ziel beschreiben und zu dessen Umsetzung auch Vorgaben zur künftigen Kreisstruktur enthalten. Der Weg dorthin wird beschrieben. Das Gesamtkonzept ist damit ein wichtiger Baustein in der Freiwilligkeitsphase.

Nach meinen Vorstellungen wird das Gesamtkonzept auch eine Regelung zur Direktwahl der Landräte treffen, Maßnahmen zur Stärkung des Ehrenamtes vorsehen, Vorschläge zur Funktionalreform machen sowie die erforderlichen Änderungen des Finanzausgleichsgesetzes darstellen. Das Gesamtkonzept wird darauf ausgerichtet sein, den Kriterien der Wirtschaftlichkeit, Professionalität und Bürgernähe zu optimaler Wirkung zu verhelfen. Denn auch die Verwaltungen der Kreise und kreisfreien Städte müssen sich an diesen Zielen messen lassen.

Die Legislaturperiode ist noch lang genug, um dem Gesetzgeber zu ermöglichen, die erforderlichen Regelungen zu beschließen, sodass sie die im Gesamtkonzept formulierten Ziele auch erreichen können.

Eins hat Mecklenburg-Vorpommern sehr deutlich gesagt: Zu entscheiden hat über diese Frage dieses Parlament, das oberste Organ der demokratischen Willensbildung im Land Schleswig-Holstein, zum Wohle des gesamten Landes Schleswig-Holstein. Deswegen finde ich Begriffe wie Zwangsfusion dem Parlament gegenüber nicht in Ordnung, das dafür da ist - übrigens alle Abgeordneten, die hier sitzen.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Die Ergebnisse der Gutachten waren eindeutig: Wir müssen etwas Grundlegendes ändern. Das werden wir auch tun. Ich sage zum Schluss mit Willy Brandt:

„Wer das Bewahrenswerte bewahren will, muss verändern, was der Erneuerung bedarf.“

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile dem Oppositionsführer, dem Fraktionsvorsitzenden der FDP, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die abgegebenen Regierungserklärungen sind ein Novum in diesem Hohen Haus, denn im Ältestenrat hat die Regierung für die Abgabe einer Regierungserklärung für den Ministerpräsidenten eine 20-minütige Redezeit angemeldet. Dann hörte ich gestern, dass der Innenminister auch reden möchte. Ich wurde gebeten - und bin der Bitte gern nachgekommen -, doch darauf zu verzichten, als Oppositionsführer unmittelbar auf den Ministerpräsidenten zu antworten. Ich dachte mir, ich höre mir die Rede des Maxi-Ministerpräsidenten und die des Mini-Ministerpräsidenten an, dann kann ich auf beide antworten, gemäß der Devise: „Hast du Mini-Max im Haus, geht dir nie das Feuer aus!“

(Heiterkeit)

Ich bin heute morgen natürlich völlig von der Entwicklung überrascht worden, als ich bei der Lektüre vernahm, dass der geschätzte Kollege und Fraktionsvorsitzende der Union, Wadephul, Herrn Stegner mit Gysi verglichen hat. Das war ein RiesenAufmacher in der schleswig-holsteinischen Landespresse und ich habe mich gefragt: Was hat Wadephul gegen Gysi?

(Heiterkeit)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Minister Stegner zeigt mit seinem bemerkenswerten Zitat, dass er die CDU erneut hinters Licht geführt hat. Ich darf das noch einmal aufgreifen:

„Bereits in meiner Zeit als Finanzminister habe ich abenteuerlichen Einspar- und Einnahmevorschlägen eine Absage erteilt und auf die Notwendigkeit einschneidender Verwaltungsstrukturveränderungen verwiesen.“

Das muss man immer wieder betonen.

„Die aufgreifend haben die regierungstragenden Parteien im Koalitionsvertrag vom 16. April 2005 festgelegt, die Verwaltungen des Landes und der Kommunen grundlegend zu reformieren.“

Eigentlich müsste Finanzminister Wiegard wieder schäumen, der seinem Kabinettskollegen vorgeworfen hat, für die größte Finanzmisere des Landes verantwortlich zu sein, die die CDU jetzt beseitigen müsse. Ich würde nicht ganz so weit gehen, sondern

(Minister Dr. Ralf Stegner)

es mit Günther Jansen halten, der gerade im Hinblick auf die Kreisgebietsreform der Großen Koalition das Zitat eines amerikanischen Dichters vorgehalten hat, das da lautet:

„Regieren ist die Kunst, Probleme zu schaffen, mit deren Lösung man das Volk in Atem hält.“

(Beifall bei der FDP)

Nach den Gutachten und den Aussagen der vergangenen Wochen ist es wohl klar: Schleswig-Holsteins Landesregierung steuert zielgenau auf eine Kreisgebietsreform zu.

Es wäre nicht die Kreisgebietsreform, von der die Grünen geträumt haben. Vier Regionalkreise sind aus verfassungsrechtlichen Gründen vom Tisch, auch wenn das der eine oder andere Gutachter der Landesregierung, der bereits in Mecklenburg-Vorpommern gescheitert ist, nicht wahrhaben will.

Aber wenn diese Landesregierung im Amt bliebt, wird es wohl aus Gründen der Gesichtswahrung eine abgespeckte Form geben, entweder in Form des Neun-plus-zwei-Modells oder des Sechs-plus-zweiModells, beide entworfen von Professor Hesse.

Ich möchte es mir nicht nehmen lassen, an dieser Stelle auch meinen Respekt gegenüber der SPD und ihrem Landesvorsitzenden zu zollen. Sie haben es geschafft, die CDU in dieser Frage vor sich herzutreiben. Sie haben es geschafft, dass die Union nach dem Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich oder nach der Schulreform mit der Abschaffung des dreigegliederten Schulsystems nun Gefahr läuft, ein weiteres wesentliches Wahlversprechen zu brechen und die SPD-Projekte weiterführt, die schon unter der Ministerpräsidentin Heide Simonis geplant wurden.

Den Bürgerinnen und Bürgern des Landes kann man zu dieser Situation nicht gratulieren. Sie haben bereits im Zusammenhang mit der Volksinitiative gezeigt, was sie von den Plänen einer Kreisgebietsreform ohne wirkliche Mitbestimmung der Kreise halten.

Daher prophezeie ich Ihnen: Momentan, mit den frischen Gutachten im Rücken, mag sich die Regierung im Aufwind fühlen. Ich bin mir aber sicher, dass sich die Frage der Kreisgebietsreform in den Kreisen bald zu einem heftigen Gegenwind - insbesondere für die CDU - entwickeln kann.

Wir haben alle nicht vergessen, dass die CDU-Basis auf dem Landesparteitag im letzten Herbst nur deswegen Kreisgebietsreformen nicht mehr von vornherein abgelehnt hat, weil der Ministerpräsi

dent mit dem Ende der Koalition drohte. Wir dürfen aber insbesondere nach den Äußerungen des SPDLandesvorsitzenden Ralf Stegner in der „Dithmarscher Landeszeitung“ feststellen: Eine Kreisgebietsreform ist kein „Dollpunkt“ mehr für die Koalition.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das wundert uns!)

Die SPD würde die Regierung nicht verlassen, wenn sie ausbliebe. Wenn die Union sie gleichwohl durchsetzt, Kollege Wadephul, wird sie nun auch inhaltlich diese Kreisgebietsreform wollen müssen. Das werden Sie Ihren Kommunalpolitikern erklären müssen, die alles andere als begeistert von dieser Entwicklung sind und sich vor Ort dem Protest der Bürgerinnen und Bürger gegen die Reform stellen müssen. Und der Protest, das sage ich Ihnen, wird kein geringer sein.

In Dithmarschen gibt es heute bereits rollende Verkaufsbuden - was ich übrigens toll finde - mit Fanartikeln lokalen Zuschnitts wie Dithmarscher Autoflaggen, Schals und so weiter. Der Verkauf brummt.

Der Druck auf den Ministerpräsidenten kommt aber auch von anderer Seite. So gab Professor Driftmann, Schleswig-Holsteins Flocken-König, Präsident der IHK zu Kiel und Intimus der CDU,

(Heiterkeit)

wohl in Unkenntnis der Entscheidungsgründe des Verfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern der Öffentlichkeit zu Gehör, man dürfe kein Reförmchen machen, sondern es müsse eine Gebietsreform mit vier Regionalkreisen her. Dabei hat das Verfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern eines klargestellt: So eine Reform wäre verfassungswidrig und daher nicht zulässig. Dazu komme ich später noch im Einzelnen. Denn Professor Driftmann ist nicht der Einzige, der dies anscheinend einfach nicht zur Kenntnis nehmen will.

Seit vergangenem Montag liegen uns nun die von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten vor. Aufgrund der Fülle von Rechtschreibfehlern, die auf den ersten Blick in diesen Gutachten auffallen, muss man davon ausgehen, dass diese Gutachten in ziemlicher Eile, also mit heißer Nadel, genäht sind. Eile beim Gutachter kann aber auf Kosten der Qualität des Inhalts gehen. In einigen Fällen hat meine Fraktion diesen Eindruck gewonnen.

Was mich in den letzten Tagen noch mehr erstaunt hat, war die Berichterstattung über die Gutachten und auch das, was Sie, Herr Ministerpräsident, heute dazu gesagt haben. So wurde teilweise veröffent

(Wolfgang Kubicki)