Protokoll der Sitzung vom 12.09.2007

(Beifall bei CDU und SPD)

Für eine Kreisgebietsreform gibt es hohe Hürden. Diese hohen Hürden können Land und Kommunen nur gemeinsam überwinden. Für mich ist damit auch eine Option definitiv ausgeschlossen: Großkreise wird es in Schleswig-Holstein nicht geben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, eine Reform der Verwaltung ist kein Selbstzweck. Sie muss dem Allgemeinwohl dienen. Das heißt, sie muss der kommunalen Leistungs- und Verwaltungskraft dienen, sie muss in der Ausgleichsfunktion den Regionen dienen und sie muss der besseren Wirtschaftlichkeit dienen.

Von Beginn an hatte die Frage der Wirtschaftlichkeit im Modernisierungsprozess für uns hohe Priorität. Die Gutachter, die sich mit der Frage der Wirtschaftlichkeit befasst haben, kommen zu einem einhelligen Ergebnis: Mit einer Reform der bestehenden Strukturen lassen sich bedeutende Einsparungen erwirtschaften. - Auch dieses Ergebnis ist für uns ein deutlicher Fingerzeig.

Natürlich gibt es auch Kritiker, die Zweifel an den Gutachten haben, und diesen Leuten sage ich aus voller Überzeugung: Zaudern, zögern und nörgeln sind hier nicht angebracht. Die Ergebnisse sind gesichert. Es handelt sich jeweils um eine bewährte und verlässliche Methodik auf der Basis gesicherter und valider Daten.

Mit den Gutachten haben wir eine tragfähige Grundlage für die Gestaltung einer zukunftsfähigen Verwaltung auf Kreisebene, auf die wir aufbauen können. Zwar präsentieren uns die Gutachter ein breites Spektrum von Reformansätzen, aber ich möchte trotzdem an dieser Stelle die Empfehlung von Herrn Professor Hesse herausheben, da sich zurzeit das öffentliche Interesse auf zwei seiner Modelle konzentriert.

Umfassend hat er eine Verflechtungs- und Potenzialanalyse, eine Aufgabenanalyse auf Kreisebene und eine statistische Finanz- und Wirtschaftlichkeitsberechnung durchgeführt. Er hat uns differenzierte Vorschläge unterbreitet. Er selbst empfiehlt ein Modell punktueller Anpassung, das zur Gebietsreform mittlerer Reichweite ausgebaut werden

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

kann. Das heißt, er sieht dringenden Neuordnungsbedarf bei den kreisfreien Städten Neumünster und Flensburg und plädiert für die Zusammenschlüsse mit den benachbarten Kreisen, um den demografischen, entwicklungspolitischen und haushalterischen Problemen entgegenzuwirken. Gleiches gilt im Falle einer Fusion der Kreise Dithmarschen und Steinburg und einer Fusion der Kreise Plön und Ostholstein.

Das Einsparvolumen beziffert er in diesem Modell auf 33 bis 46 Millionen €, und das Jahr für Jahr.

Die Gebietsreform mittlerer Reichweite ist ein darüber hinausgehendes Modell. Es sieht die Fusion weiterer Kreise vor. Die Entwicklungsachsen in den Regionen sollen noch stärker abgebildet werden, sodass noch mehr Effizienz erzielt wird. Bei einer Zahl von sechs Kreisen könnten die jährlichen Einsparungen bei 37 Millionen bis 61 Millionen € liegen.

Das ist keine Vorfestlegung meinerseits. Ich möchte lediglich deutlich machen, dass sich eine gestaltende Diskussion angesichts dieser durchaus bemerkenswerten Ergebnisse und nennenswerten Beträge lohnt.

(Beifall bei CDU und SPD)

Klar ist, dass es eine zeitlich begrenzte und verbindlich vereinbarte Freiwilligkeitsphase geben wird - daran ist mir besonders gelegen -, damit die Kommunen die Möglichkeit erhalten, sich nach wie vor intensiv an dem gestaltenden Prozess zu beteiligen. Das konsensuale Verfahren zwischen Land und kommunaler Seite ist mir dabei von großer Wichtigkeit.

Deshalb kündige ich hier eine erste Reformklausur an, zu der wir gemeinsam mit den Gutachtern möglichst im September zusammenkommen wollen. Mit den kommunalen Spitzenverbänden, den Landräten und Kreispräsidenten, den Oberbürgermeistern und Stadtpräsidenten werden wir wie schon im Januar an einem Tisch sitzen und gemeinsam über die Schlussfolgerungen aus den Gutachten beraten. Dabei ist Sorgfalt oberstes Gebot.

(Beifall bei der CDU)

Weil die Modernisierung der Verwaltung für uns ein Schlüsselprojekt ist, hat das Kabinett bereits im Dezember 2006 eine ressortübergreifende Lenkungsgruppe unter dem Vorsitz des Chefs der Staatskanzlei eingerichtet. Sie hat nach den Vorgaben des Kabinetts die Aufgabe, den Gesamtprozess zu planen, zu steuern und zu koordinieren. Das Innenministerium ist das fachlich zuständige Ressort.

Meine Damen und Herren, alle Skeptiker, insbesondere die auf den Oppositionsbänken, möchte ich daran erinnern: Im ersten Schritt der Verwaltungsmodernisierung haben wir bereits erfolgreich Meilensteine gesetzt.

(Beifall bei CDU und SPD)

- Ja, das kann man im Grunde wiederholen: Im ersten Schritt der Verwaltungsmodernisierung haben wir bereits erfolgreich Meilensteine gesetzt.

(Widerspruch des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Ich staune darüber ein bisschen. Sollten wir dem Kollegen vielleicht einmal eine Netzkarte besorgen, damit er zu den Ämtern fahren kann? - Sie merken jedenfalls mein Staunen. Ich bin fast sprachlos; das kommt selten vor. Es stimmt eben nicht, dass dort nichts passiert sei und nicht erfolgreich gearbeitet worden sei.

Ich höre es bei den Amtsvorstehern inzwischen nämlich anders. Es hat sich ein Prozess getan, Herr Hentschel, der für mich außerordentlich interessant war. Am Anfang stand eine gewisse Begeisterung. Nach einigen Monaten gab es eine riesige Skepsis. Da gab es Schwierigkeiten. Am Ende des Prozesses, der von diesen Leuten einmal mitgestaltet worden ist, haben die Leute plötzlich gesagt: Jawohl, es war richtig! Die Kommunen hatten etwas in der Kasse, weil sie Amtsgebäude verkauft hatten. Sie haben gemerkt, dass die Amtsumlagen niedriger wurden. Heute sagen die Leute: Das war ein guter Tipp. Was für ein Glück, dass wir das gemacht haben!

Ich sage Ihnen ganz offen: Einige von denen, die sich darüber gestritten haben, ob 7.000 plus 900 plus 40 zusammen 8.000 ergibt oder nicht, werden irgendwann sagen: Wären wir doch bloß in eine größere Einheit gegangen!

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Für die Ämter und amtsfreien Gemeinden haben wir die Maßstäbe vergrößert. Es gab zwar Proteste, jedoch sind wir auf freiwilliger Basis zu tragfähigen Lösungen gekommen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass uns das auch beim zweiten Schritt der Reform der Kreisstrukturen gelingen kann und wird, wenn wir klug vorgehen und die Beteiligten intensiv und vertrauensvoll in diesen Prozess einbinden.

Wir haben das Ziel klar vor Augen. Bis Sommer 2008 werden wir auf der Grundlage gemeinsam entwickelter Ergebnisse von Land und Kommunen ein Gesamtkonzept vorlegen. Darin wird das Ziel zeitlich und inhaltlich festgelegt sein. Bei den kom

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

munalen Vertretern bedanke ich mich schon jetzt, dass Sie bislang sehr konstruktiv, wenn auch kritisch, an den Reformüberlegungen mitgewirkt haben. Wir bauen weiterhin auf ihre sachliche, aktive und gestaltende Mitarbeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Über die Modernisierungspläne wird dieses Hohe Haus zu entscheiden haben. Bis zum Ende der Legislaturperiode wird es konkrete Ergebnisse geben, die sich durch mehr Wirtschaftlichkeit, größere Effizienz und mehr Bürgernähe unserer Verwaltung in Schleswig-Holstein auszeichnen werden.

(Lebhafter Beifall bei CDU und SPD)

Ich erteile dem Herrn Innenminister Dr. Ralf Stegner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Geduld und langer Atem sind in der Politik immer wieder gefragte Eigenschaften. Ich habe schon in meiner Zeit als Finanzminister immer gesagt: Wir sollten nicht bei innerer Sicherheit, Bildung und Justiz sparen, sondern lieber bei Bürokratie und Verwaltung. Insofern hatte ich realisierbare, einschneidende Verwaltungsstrukturveränderungen gefordert.

Dies aufgreifend haben die regierungstragenden Parteien im Koalitionsvertrag 2005 festgelegt, die Verwaltungen des Landes und der Kommunen grundlegend zu modernisieren. Ein Teil dieses Prozesses, die Reform des Bereichs der Kreise, ist weitgehend abgeschlossen. Ich bin dem Herrn Ministerpräsidenten außerordentlich dankbar, dass er das hier so vorgetragen hat. Die Anzahl der Verwaltungen ist nämlich um 74 gesunken. Unabhängige Untersuchungen - ich betone das - zeigen, dass das Einsparpotenzial von 200.000 € je wegfallender Verwaltung, wie vom Landesrechnungshof prognostiziert, nicht nur erreicht, sondern übertroffen worden ist. Das bedeutet 15 Millionen € mehr in der kommunalen Kasse, die für andere Zwecke verwendet werden können. Dies haben unsere Kommunalpolitikerinnen und -politiker erreicht. Der Gesetzgeber hat den Mandatsträgern vor Ort vertraut und ihnen Handlungsspielräume eingeräumt.

Wir haben aber auch eindeutige Mindestvorgaben gemacht. Was habe ich Kritik dafür geerntet, dass wir das getan haben! Wir haben eine Frist für freiwillige Phasen gesetzt. Der Erfolg lässt sich schon daran ersehen - das finde ich am schönsten -, dass

plötzlich alle schon immer dafür gewesen sind. Das finde ich klasse. Das freut mich. Manchmal, lieber Herr Kollege Wadephul, muss man sich die Dinge einfach ein bisschen länger ansehen; dann merkt man, dass das, was man gemeinsam will, am Ende erfolgreich ist.

Die Reform im kreisangehörigen Bereich schafft neue finanzielle Handlungsspielräume. Doch ist die Situation nicht so rosig, dass wir dabei stehen bleiben dürften. Die geschilderten Ergebnisse unserer bisherigen Arbeit lassen erahnen, was weiter möglich ist. Es wäre eine leichtfertige Verschwendung von Steuergeldern, diese Chance von uns zu weisen. Weitere Veränderungen sind dringend nötig.

Die Koalition hat daher die Struktur der Kreise und kreisfreien Städte auf den Prüfstand gestellt und sich darauf verständigt, diese Aufgabe in der neuen Legislaturperiode anzugehen. Ich meine, dies geschieht zu Recht. Zum Zeitplan komme ich gleich noch.

Die von der Landesregierung zu diesem Thema eingeholten Gutachten gelangen - für mich ist das nicht überraschend; ich habe vorher viel darüber gelesen, dass das alles Unfug sei und dass sich etwas ganz anderes zeigen werde - einheitlich zu dem Ergebnis, dass die Kreise und kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein keineswegs optimal aufgestellt sind, wie es uns einige glauben machen wollen. Alle Gutachter sprechen sich dafür aus, auch diese Ebene zu reformieren, und erwarten dadurch erhebliche Einsparungen.

Bitte gestatten Sie mir die Anmerkung, dass das Innenministerium bereits im Rahmen seiner überschlägigen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen, die zum Teil sehr unfreundlich kommentiert worden sind - ich glaube, sogar von dem einen oder anderen in diesem Hause -, zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine Kreisreform Mittel für Kindergärten oder bessere Schulausstattungen freisetzen wird. Diese Berechnung wurde von den Gutachtern auf Nachfrage bestätigt.

Die finanzielle Situation des Landes und der Kommunen ist alles andere als rosig. Je günstiger die Verwaltung der Kreise, desto geringer die Kreisumlage. Darauf gucken die Kommunalpolitiker ja auch. Dies ist zwar nicht das Einzige, aber ein wichtiges Kriterium.

Ich habe übrigens festgestellt - das hat mich sehr amüsiert -: Je näher die Gutachten kamen, umso eher wurde gesagt, mit der Wirtschaftlichkeit sei das ja gar nicht so wichtig. Vorher hatte man nämlich noch bestritten, die Lösung sei wirtschaftlich.

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

Es handelte sich also nicht um ein besonders überzeugendes Argument.

Je weniger wir für eine Verwaltung ausgeben müssen, die immer noch gut funktionieren muss, desto mehr Mittel haben wir für politische Entscheidungen. Das ist eine Stärkung des politischen Ehrenamts.

Wir müssen allerdings ein wenig mehr berücksichtigen, als sich manch einer am grünen Tisch ausdenkt. Dies hat das Urteil des Verfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern bestätigt. Dennoch freue ich mich, dass zumindest der grundsätzliche Weg die Unterstützung des Herrn Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein findet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie soll es nun weitergehen? Bevor ich Ihnen die weiteren Schritte der Reform schildere, lassen Sie mich drei Leitgedanken vor die Klammer ziehen.

Erstens. Auch den Kreisen und kreisfreien Städten wird in einer freiwilligen Phase ermöglicht, aufeinander zuzugehen und einvernehmliche Positionen zu verabreden. Das Land ist hier zunächst gefragt, einen Rahmen vorzugeben. Erst später stellt sich die Frage, ob und welche weiteren gesetzlichen Schritte nötig sind. Wir werden damit den erfolgreichen Weg, den wir bei der Reform im kreisangehörigen Bereich beschritten haben, weitergehen.

Zweitens. Mit der kommunalen Seite wird ein intensiver Dialog darüber geführt, wie die künftigen Strukturen aussehen sollen und wie sie erreicht werden können. Dies gilt auch und gerade für die Frage, wie das Ehrenamt gestärkt werden kann. Das Innenministerium steht den Vorschlägen der Kommunen offen gegenüber und ist bereit, darüber zu sprechen, welche Veränderungen notwendig sind und aus kommunaler Sicht für notwendig gehalten werden.