Protokoll der Sitzung vom 14.09.2007

Ich bat Sie, Ihren letzten Satz zu formulieren.

Frau Präsidentin, mein letzter Satz. Dass Sie sich weigern, im Ausschuss über einen konkreten Maßnahmenkatalog zu diskutieren, ist eine Katastrophe, und zwar insbesondere für die Sozialdemokratie. Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die Landesregierung erhält Frau Ministerin Ute Erdsiek-Rave das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Hentschel, das Thema gesunde Ernährung voranzubringen, ist eine gute Sache.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum soll das nicht diskutiert werden? - Das ärgert mich!)

Es ist ein lobenswertes Ziel, dieses Anliegen voranzubringen. Ich glaube, es gibt keinen Vorredner, der dies nicht auch gesagt hat. Gerade aber wenn es darum geht, ein wichtiges Anliegen voranzubringen, muss man sich davor hüten, mit Übertreibungen und mit Verzerrung zu arbeiten. Davon gab es in den letzten Beiträgen einiges, das muss ich sagen. Ich komme gleich noch darauf.

(Beifall bei SPD und CDU)

Man muss sehr gut abwägen, was der richtige politische Weg ist, um die hier genannten Ziele durch

zusetzen. Man muss dies sehr gut überlegen. Ich befürchte, dass Sie sich - was den Weg angeht - mit den Ansätzen, die Sie hier gefunden haben, im Grunde selbst und auch der Sache ein Bein stellen. Es ist auch nicht hilfreich, so zu tun, als ob es an allen Ganztagsschulen in Schleswig-Holstein nur matschiges Tiefkühlessen gäbe. Es ist auch nicht hilfreich, so zu tun, als ob jede Grundschullehrerin nicht wüsste, dass man morgens mit den Kindern nach der ersten Stunde erst einmal frühstücken muss, weil sie sieht, dass die Kinder ansonsten möglicherweise nicht essen. Es ist auch nicht hilfreich, den Lehrerinnen und Lehrern und den Erzieherinnen in den Kitas grundsätzlich jede Verantwortung und jedes Problembewusstsein abzusprechen. Das haben Sie hier getan. Ich weise das zurück, das ist nicht in Ordnung!

(Vereinzelter Beifall bei SPD und CDU so- wie Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Übrigens ist auch nicht anderswo und überall alles besser als in Deutschland. Ich kenne mich ganz gut in Schweden aus. Das Schulessen ist dort seit Jahrzehnten kostenlos. Ich weiß nicht, ob das in Dänemark auch der Fall ist. Niemand würde dies noch infrage stellen, dass Kinder in der Schule etwas zu essen kriegen. Das Essen ist ausgewogen und frisch zubereitet. Trotzdem finden die Kinder das oft eklig. Ich habe das erlebt. Gerade die Kinder aus besser gestellten Familien bringen sich andere Sachen in die Schule mit oder holen sich etwas. Die Kinder aus den schwierigeren Familienverhältnissen essen das normale Schulessen. Nicht alles, was man vorschreibt, ist immer gleich besser.

(Beifall bei SPD und CDU)

Manches aus Ihrem Maßnahmenkatalog ist auch kontraproduktiv. Das ist diese Haltung, die von oben herab kommt und den Kindertagesstätten und Schulen oder auch den Schulträgern mit großer Lust am Detail etwas vorschreiben will, was diese dann umsetzen müssen. Entschuldigung, manche Maßnahmen sind auch Banalitäten: „In offenen Ganztagsschulen soll sichergestellt werden, dass ein warmes und gesundes Mittagessen in entspannter und räumlich angenehmer Atmosphäre angeboten werden kann.“ Das ist eine absolute Banalität und Selbstverständlichkeit. Wenn man meint, das wirklich in einen Antrag schreiben zu müssen, dann unterschätzt man die Politikfähigkeit von Kommunalpolitikern und von beteiligten Eltern, Lehrkräften, Schulkonferenzen und so weiter.

(Beifall bei SPD und SSW)

Für mich atmet das Ganze ein Misstrauen gegen alle an diesem Prozess Beteiligten. Es scheint, als ob sich die Beteiligten dieses Problems überhaupt nicht bewusst wären. Ich finde, so holt man Eltern und Schul- und Kita-Träger nicht unbedingt mit ins Boot. Was die Betroffenen selbst angeht, so sollte man immer abwägen, ob nicht Kinder und Jugendliche genau das Gegenteil tun, wenn man versucht, ihnen Gewohnheiten mittels Vorschriften auszutreiben. Jeder weiß aus der Erziehung, dass so im Grunde Trotzreaktionen vorprogrammiert werden und dass man einen anderen pädagogischen Ansatz wählen muss. Herr Hentschel, vielleicht sollten Sie das noch einmal abwägen. Sie gehören doch sonst zu denjenigen, die die Freiheit und die Selbstständigkeit sowie die Eigenverantwortung von Schulen und Erziehungseinrichtungen besonders hochhalten. Dieses Prinzip muss man doch auch dann beachten, wenn es um solche Anliegen wie dieses hier geht.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Das heißt jedoch nicht, dass man alles laufen lässt und immer nur hofft, dass sich alles von unten heraus entwickelt. Das heißt es nicht, insofern gehe ich mit Ihnen konform. Es muss darum gehen, zu werben und zu überzeugen, statt zu verordnen und zu diktieren, denn wir brauchen gerade die Eltern und die Lehrerschaft sowie die Träger von Kitas und Schulen - und nach Möglichkeit auch die Ernährungswirtschaft - als Partner mit im Boot.

Was von großen Firmen zum Teil als Schulessen angeboten wird und was morgens über Hunderte von Kilometern antransportiert wird, erfüllt mit Sicherheit nicht in jedem Fall die Regeln einer gesunden Ernährung. Das ist absolut richtig. Das müssten eigentlich auch Schulträger und Kommunalpolitiker zusammen mit den Eltern so sehen. Es gilt jedoch auch festzustellen, dass das Interesse an diesem Thema bei Kitas und bei Schulen groß ist. Die wissen, was da los ist. An ganz vielen Initiativen sind Eltern beteiligt. Ein Beispiel ist zum Beispiel die Käthe-Kollwitz-Schule, an der eine Kantine eingerichtet wurde. Hier hat man gemeinsam mit den Schülern einen Konsens darüber gefunden, was ein ausgewogenes Angebot ist. Solche Anstöße gehen übrigens auch von der Service-Agentur „Ganztägig lernen“ aus. All dies ist in der Regel viel wirkungsvoller, als etwas zu verordnen. Dies kann auch im Sinne von Best Practice vorbildhaft sein.

Das gilt gerade jetzt, wo durch die Schulreform an vielen Stellen neue Profile und neue Angebote entstehen und wo sich immer mehr Schulen als Ganztagsschulen weiterentwickeln. Diesen Schwung müssen wir nutzen. Wir wollen gern die Initiative

aufnehmen, darzustellen, was aktuell alles passiert. In der Kürze der Zeit kann ich das leider nicht tun. Gleiches gilt für das, was weiterentwickelt werden muss. Aufklärung und Beratung stehen an erster Stelle. In vielen Kitas und Schulen wird das bereits praktiziert. Es geht um ein gesundes Zusammenspiel von Ernährung, Gesundheitsvorsorge und Bewegung. Ich finde, hier ist dieser Antrag auch ein bisschen zu eng.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Insgesamt ist es eine Problematik, die unumstritten ist. Aber die Lösungsansätze sind vielfältig. Verantwortung tragen ja auch hier viele, meine Damen und Herren. Wir müssen den Teil, den Schule und Kitas leisten können, auch leisten. Da gebe ich Ihnen recht, aber wir müssen sehr sorgfältig über den Weg diskutieren.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Ministerin und erteile das Wort für einen weiteren Dreiminutenbeitrag der Frau Abgeordneten Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, Ihr Redebeitrag bestand aus zwei Teilen. Im ersten Teil sagten Sie: Was soll eigentlich der Antrag? Das müssen wir doch alles vor Ort regeln. Warum die Debatte? Im zweiten Teil haben Sie dann sehr deutlich gemacht, welche Missstände wir zum Teil in Schulkantinen haben. Ich lasse mir nicht nachsagen, dass ich hier dramatisiert hätte, dass ich die schlimmsten Geschichten ausgepackt hätte. Ich bin durch das Land gereist im Rahmen einer Kampagne und habe bewusst gute Kindertagesstätten besucht, habe sie in den Vordergrund gestellt und ihr Engagement gelobt. Obwohl das Kindertagesstätten waren, die exzellent gearbeitet haben, die sich um ein gesundes Frühstück und gesunde Mahlzeiten gekümmert haben, haben mir alle diese Kindertagesstätten gesagt, dass es einen dringenden Handlungsbedarf gibt. Einen dringenden Handlungsbedarf gibt es einmal hinsichtlich der Qualität der Mahlzeiten. Das Essen wird zum Teil stundenlang vorher angeliefert. Nach drei Stunden geht der Kübel auf und keiner mag das Essen. Die Kinder gehen hungrig nach Hause und die Eltern beklagen sich.

Gehen Sie nach Norderstedt, Frau Ministerin, wenn Sie den Kopf schütteln. Genau dort war es so.

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Die Kampagne hat dazu geführt, dass Öffentlichkeitsarbeit stattgefunden hat, dass der Sozialdezernent der Stadt Norderstedt gemeinsam mit Kitas und mit uns diskutiert hat und dass es Nachmittags und auch Mittags mal einen Salat und Obst gibt.

An dieser Stelle sehen Sie aber, wie wichtig es ist, dass wir einen Maßnahmenkatalog erarbeiten, dass es Standards gibt und dass endlich eine Diskussion über die Qualität geführt wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn es denn so ist, dass das Bundesverbraucherschutzministerium, wahrscheinlich mit viel Geld, gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Qualitätsstandards für die Schulverpflegung entwickelt, muss es doch selbstverständlich sein, dass man diese Qualitätsstandards anschließend nicht in die Schublade legt, sondern hier in Schleswig-Holstein umsetzt.

Noch eines an die SPD: Die SPD kann sich von jeglicher sozialpolitischer Debatte und von jeglichem sozialpolitischem Engagement verabschieden, wenn sie nicht einmal bereit ist, mit uns darüber zu diskutieren, wie wir es erreichen können, dass Kinder mit Familien mit wenig Geld an Kindertagesstätten- und Schulmahlzeiten teilnehmen können.

Wir beantragen die Überweisung des Antrages an den Ausschuss. Lassen Sie uns darüber diskutieren. Es gibt Länder wie Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, die das auch betreiben. Dies einfach abzubügeln ist unglaublich.

Frau Ministerin, Sie haben gesagt: Vielfältige Lösungsansätze sind notwendig. Genauso ist es. Deshalb unser Maßnahmenkatalog. Den kann man verändern, den kann man bereichern, den kann man ergänzen. Aber man kann ihn nicht einfach abbügeln angesichts der Situation, die wir in Schleswig-Holstein haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag erhält der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde die Schärfe in der Diskussion an der Stelle ein bisschen schade. Die Grünen haben einen Vorschlag gemacht. In dem Vorschlag ist vieles dabei, was meine Fraktion mit Sicherheit so nie mit trägt. Wir wollen niemandem etwas verbieten. Jeder soll

sich mit Salzstangen vollstopfen, bis er umfällt; das ist in Ordnung. Ich möchte mir auch meine Marzipankartoffeln nicht verbieten lassen. Darum geht es überhaupt nicht, sondern die Grünen haben einen konkreten Vorschlag zu einem Problem gemacht, das wir noch vor einer Stunde alle mehr oder weniger staatstragend hier anhand des vorgelegten Gesundheitsberichtes erörtert haben.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, es ist ein rhetorisch geschicktes Stilmittel, aber deswegen ist es nicht richtig. Ich habe hier niemanden, auch nicht die Kollegin der Grünen, so verstanden, dass sie irgendjemandem die Kompetenz oder das Engagement abgesprochen haben, weder Erzieherinnen noch Lehrern und Lehrerinnen. Auch das hat nicht unbedingt dazu beigetragen, sich ganz in Ruhe damit auseinanderzusetzen, was wir mit diesem Antrag tun.

Wenn es zu einer Abstimmung in der Sache kommt, werden wir den Antrag der Grünen ablehnen, aber ich plädiere dafür, dass wir diesen Antrag zum Anlass nehmen, uns, und zwar nicht erst im Dezember, wenn der Bericht gegeben werden soll, sondern im Sozialausschuss, mit dieser von uns allen für wichtig befundenen Problematik in Ruhe zu beschäftigen. Es mag ja sein, dass aus dem Antrag der Grünen nicht ein einziger Punkt in dieser Form, wie er im Antrag enthalten ist, übrig bleibt. Aber es mag ja auch sein, dass wir schon im Dezember gemeinsam einen Maßnahmenkatalog erarbeitet haben, der das eine oder andere Problem löst.

Ich will Ihnen eines sagen: Ich würde gern, nicht nur wegen Weihnachten, schon vor Dezember das Problem lösen, dass Kinder mit hungrigem Bauch zugucken müssen, wie andere Kinder im Kindergarten etwas zu Essen bekommen. Deswegen bin ich dafür, dass wir uns gleich damit beschäftigen, im Zweifel hilfsweise auch mit Hilfe des Selbstbefassungsrechts der Ausschüsse. Aber ich finde, wenn ein Angebot vorliegt, dann kann man dieses Angebot auch annehmen und im Ausschuss darüber sprechen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach den Vorschlägen der Fraktionen schlage ich Ihnen jetzt vor, abweichend von der Geschäftsordnung beide vorliegenden Anträge zu selbstständigen Anträgen zu erklären. - Widerspruch höre ich nicht; dann werden wir so verfahren.

(Monika Heinold)

Wer dem Antrag der Fraktionen von CDU und SPD, Drucksache 16/1585, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Dieser Antrag ist einstimmig angenommen worden.

Wer dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/1528, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.

(Zurufe: Ausschussüberweisung! Der Antrag auf Ausschussüberweisung geht vor! - Wei- tere Zurufe)

- Okay, dann werden wir zunächst über die Ausschussüberweisung abstimmen. Wer der Ausschussüberweisung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/1528, zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt worden.