Protokoll der Sitzung vom 10.10.2007

kenswerterweise darauf hingewiesen. Ich will nur ein Beispiel nennen, weil mich das auch wirklich ärgert.

Bei der Kreisgebietsreform, Frau Kollegin Spoorendonk, gibt es ein völliges Auseinanderklaffen. Die Liberalen wollen - mit Ausnahme von Herrn Kubicki - gar nichts. Der SSW möchte Gemeinden zu Einheiten mit mindestens 8.000 Einwohnern zusammenlegen. Und die Grünen wollten zumindest bis zum vergangenen Wochenende vier Großkreise haben. Das ist nur ein Beispiel für die Uneinigkeit.

Wir als Koalition haben ein Konzept. Wir haben eine Position. Wir haben ein Ziel. Das Ziel werden wir in dieser Legislaturperiode erreichen. Dazu sind die ersten Ansätze gemacht worden. Wir werden die Dinge gemeinsam in diesem Hohen Haus beschließen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Herr Oppositionsführer, Sie sagen, wir bewegten in diesem Land nichts. Aber die Ämterreform, die wir gemacht haben, ist doch die größte Reform der letzten 30 Jahre im kommunalen Bereich. Das war ein gewaltiges Stück Arbeit. Wie erfolgreich wir sind, werden wir nach der Kommunalwahl sehen. Wir kommen zu vernünftigen wirtschaftlichen Einheiten auf der Ämterebene. Das ist der Ort, zu dem die Bürger gehen, wenn sie ihre kommunalen Angelegenheiten regeln wollen. Da sind wir auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei SPD und CDU)

Auf einen Punkt nehmen Sie besonders Bezug. Das sind angebliche Verhandlungen über Pensionen. Wer Ralf Stegner persönlich kennt, weiß, dass es ihm bei den Verhandlungen am Abend des 17. September 2007 nicht im Geringsten um persönliche Belange ging. Derlei Überlegungen zur Alterssicherung bedeuten ihm vielleicht deutlich weniger als anderen.

Ich war Ohrenzeuge des Gesprächs, wohlgemerkt: dessen, was Herr Stegner geäußert hat, und habe wie auch Frau Erdsiek-Rave - den Eindruck, dass es sich zwischen den Gesprächspartnern um ein klassisches Missverständnis gehandelt hat - das kann es geben -, das sich nicht mehr aufklären lässt.

Dass Sie, Herr Kubicki, an dieser Stelle gern Öl in das fast erloschene Feuer gießen, ist für niemanden in diesem Parlament eine Überraschung. Dass Sie aber Ralf Stegner einen Lügner nennen und ihm nahelegen, sich dagegen doch vor Gericht zur Wehr zu setzen, ist ein Stil, der nicht nur eines Parlamentariers, sondern auch eines Juristen unwürdig ist frei nach dem Motto: Wenn ich auch ohne Kenntnis

der Fakten ordentlich mit Schmutz um mich werfe, wird schon etwas haften bleiben. Ihr Verhalten diskreditiert Sie persönlich für die Zukunft als politischen Partner.

(Beifall bei der SPD)

Mir stellt sich die Frage: Was würde die Opposition denn von Neuwahlen in den nächsten Wochen erwarten? Kann sie wirklich so sicher sein, dass sie dann besser dasteht?

Wer sich jetzt auf neue Verhältnisse einstellen möchte, kann dadurch bitter enttäuscht werden, dass wir auch nach einer Neuwahl vor einer ähnlichen Konstellation stehen, wie sie jetzt gegeben ist.

Wir Sozialdemokraten lassen uns durch Versuche weder einiger Medien noch der Opposition auseinanderdividieren. Wir sehen für die Große Koalition noch wichtige Aufgaben bis zum Jahr 2010. Wir werden unseren Teil dazu beitragen, das inhaltliche Profil der Großen Koalition durch wichtige, grundlegende Entscheidungen zu stärken. Dazu gehört auch der Doppelhaushalt 2009/10 mit den Fakten, die genannt worden sind. Das ist ein schweres Stück Arbeit. Die kann nur die Große Koalition schultern.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende und ich sind uns in der Bewertung einig. Es gibt eine ausreichende Grundlage für die Fortsetzung der Großen Koalition und auch genug Arbeit. Wir wollen und werden in der Großen Koalition weiterarbeiten. Neuwahlen gibt es 2010.

(Lebhafter Beifall bei SPD und CDU)

Für die Fraktion der FDP erteile ich das Wort dem Herrn Vorsitzenden und Oppositionsführer, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beantragen, der Landtag möge sich auflösen. Denn wir wollen, dass Schleswig-Holstein wieder von einer handlungsfähigen Landesregierung regiert wird. Deshalb fordern wir Neuwahlen am 9. Dezember 2007. Dann sollen die Menschen unseres Landes, denen wir dienen, entscheiden, von wem sie regiert werden wollen.

Die Große Koalition hat ihre politischen Gemeinsamkeiten erschöpft. CDU und SPD betrachten sich in der Koalition nicht mehr als Partner, sondern nur noch als Gegner.

(Lothar Hay)

Es ist schon so weit, dass der Landesparteitag der SPD das Gegenteil dessen beschließt, was CDU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Der SPD-Landesvorsitzende verkündet stolz, als Minister erfülle er notgedrungen den Koalitionsvertrag, aber als SPD-Vorsitzender setze er sich für die Parteitagsbeschlüsse ein, was also gegen den Koalitionsvertrag ist.

Ich hatte es schon einmal von dieser Stelle aus gesagt: Morgens hü, abends hott. So verspielen politische Possenreiter das Ansehen der Politik und das Vertrauen der Menschen in die politischen Institutionen. Deshalb muss dieses Possenspiel nach der gemeinsamen Auffassung der Oppositionsfraktionen beendet werden. Wir müssen nicht gleiche Auffassungen in der Sache haben, wenn wir glauben, dass die Demokratie darin besteht, den Menschen ihre Entscheidungsmöglichkeiten zurückzugeben.

(Beifall bei der FDP)

Dieser Meinung ist offensichtlich auch die Landesspitze der SPD. Denn sie erklärte in einem Brief an die SPD-Mitglieder, der Wahlkampf sei eröffnet. Sinnvoll kann dies nur erscheinen, wenn sie damit vor allem den Wahlkampf gegen die CDU meint. Anders gesagt: Die SPD hat die Große Koalition in Schleswig-Holstein bereits aufgekündigt.

Die SPD bewies ja schon 2005, dass sie trotz einer Mehrheit keine Regierung unter ihrer Führung bilden konnte. Wenn sie jetzt als Juniorpartner die Koalition aufkündigt und den Wahlkampf ausruft, dann sollten die Abgeordneten der SPD den großen Worten ihrer Parteiführung auch Taten folgen lassen. Sie sollten für die Auflösung des Landtages stimmen und sich dann in den Wahlkampf stürzen.

(Beifall bei der FDP)

Angeblich wurde die Große Koalition gebraucht, weil die großen politischen Aufgaben in SchleswigHolstein nur gelöst werden können, wenn CDU und SPD zusammenarbeiteten. Bei der Ämterreform, Kollege Hay, gab es in diesem Hohen Hause überhaupt keinen Dissens. Deshalb hätte es der Großen Koalition nicht bedurft.

Da Sie offensichtlich nicht mehr zusammenarbeiten, ist dieser Koalition die Geschäftsgrundlage abhandengekommen. Bei den entscheidenden politischen Themen stehen sich CDU und SPD so unversöhnlich gegenüber, dass nur noch faule Kompromisse zum Schaden Schleswig-Holsteins möglich erscheinen, wenn überhaupt.

Als Beispiel nenne ich die Energiepolitik. Die Koalition hat sich notdürftig darauf geeinigt, am Atomkonsens festzuhalten. Die Kernkraftwerke in

Schleswig-Holstein sollen planmäßig abgeschaltet werden, wenn sie ihre Reststrommengen geliefert haben. Zukunftsgerichtete Energiepolitik bedeutet dann, dass die Kapazitäten ersetzt werden müssen. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten ist es unmöglich, den Energiebedarf in Schleswig-Holstein allein aus regenerativen Energiequellen zu decken. Die SPD peilt dies zum Beispiel erst für das Ende dieses Jahrhunderts an. Aber gleichzeitig ist sie gegen Kohlekraftwerke, die die Kernkraftwerke ersetzen sollen.

Mit dieser Haltung ist aber kein Staat zu machen. Nehmen wir an, es gelänge, den Anteil der erneuerbaren Energien in den nächsten beiden Jahrzehnten auf 40 % zu steigern, woher sollen die anderen 60 % kommen, wenn die Kernkraftwerke abgeschaltet sind?

Nächstes Beispiel: Bahnprivatisierung. Das letzte große Stück Tafelsilber des Bundes ist die DB AG. Sie soll nach Vorstellung der Bundesregierung teilprivatisiert werden. Als Mitgift soll den privaten Investoren mietfrei das Schienennetz überlassen werden, das der Bund dann nach 15 Jahren mit Steuergeldern zurückkaufen darf. Das ist ein einseitiges Spiel: Fällt beim Münzwurf Zahl, gewinnen die Investoren; fällt Kopf, verliert der Bund. Die SPD ist dagegen, die CDU dafür.

Nächstes Beispiel: Glücksspielstaatsvertrag. Der Entwurf der Landesregierungen für den Erhalt des staatlichen Lottomonopols ist eindeutig verfassungs- und europarechtswidrig. Glücksspielmonopole sind nur zur Eindämmung von Spielsucht erlaubt. Da es keine Lottosucht gibt, ist das Lottomonopol unzulässig.

Lange Zeit hat sich unser Ministerpräsident in der Ministerpräsidentenkonferenz ehrenhaft gegen die beabsichtigten Rechtsbrüche gewehrt. Anders dagegen war die Haltung der SPD; sie sucht der Menschen Heil immer noch in der Vormundschaft durch die staatliche Obrigkeit.

Jetzt komme ich zu dem Beispiel Schulpolitik. SPD und CDU einigten sich, die Gemeinschaftsschule und die Regionalschule als neue Schulformen einzuführen. Der Bedarf an zusätzlichen Lehrerstunden für Förderung und Differenzierung soll in dieser Wahlperiode durch den sogenannten Förderfonds gedeckt werden. Fakt ist also: durch Umverteilung, durch Abzug von Stellen aus Grundund Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien. Dort wachsen die Defizite in der Unterrichtsversorgung. Wie der erhebliche Schülerzuwachs an den Gymnasien ohne weitere Personalverstärkung in diesem Bereich verkraftet werden kann, ist unklar.

(Wolfgang Kubicki)

Auch hier bleibt die Landesregierung eine Antwort schuldig.

Insgeheim rechnet der Finanzminister längst damit, wenigstens einen Teil der Lehrerstellen, die durch Pensionierung frei werden, für die Sanierung des Landeshaushaltes zu nutzen. Mittelfristig sollen 2.900 Lehrerstellen eingespart werden.

Die 1.300 zusätzlichen Lehrerstellen, von denen der Kollege Wadephul gesprochen hat, die die Landesregierung den neuen Schularten ab 2010 verspricht, sind in Wirklichkeit keine neuen Stellen, sondern Stellen, die von zusätzlichen Stellenstreichungen verschont bleiben sollen. Herr Kollege Wadephul, mit den geplanten Stellenstreichungen würde das Land den Schulen dann aber zuletzt weniger Lehrer zuweisen, als sie Anfang der 90er-Jahre zur Verfügung hatten, als die Schülerzahlen ähnlich hoch oder niedrig - waren, wie es die Prognose für das Ende des kommenden Jahrzehnts voraussagt. Das ist wahrhaft keine investive Bildungspolitik.

(Beifall bei der FDP)

Auch bei dieser Haushaltssanierung stehen CDU und SPD miteinander auf Kriegsfuß. Beide beschwören zwar öffentlich ihren unbedingten Willen dazu. Aber nur beim Finanzminister ist das wirklich glaubhaft.

Die einzigen eigenen Anstrengungen der Großen Koalition, schon im laufenden Doppelhaushalt wenigstens den Anschein von Konsolidierung zu erwecken, bestand in dem Bruch von Wahlversprechen und des Koalitionsvertrages. Den Kommunen wurden 240 Millionen € aus dem kommunalen Finanzausgleich entwendet und den Beamtinnen, Beamten und Versorgungsempfängern des Landes wurden die Gehälter und Pensionen um 200 Millionen € gekürzt. Die Landesregierung hatte zwar zugesagt, ihrerseits 160 Millionen € Ausgaben einzusparen, drückte sich aber nachweislich davor. Sie bezeichnete es einfach als Einsparungen, dass die Ausgaben der sozialen Sicherung im Aufschwung von allein sanken.

Dann kam es am 1. Mai zum Eklat, als Innenminister Dr. Stegner verkündete, die Kürzungen der Beamtenbezüge teilweise wieder ausgleichen zu wollen.

Ein Grund, warum die Sanierung des Haushaltes stockt, ist die angedachte Modernisierung der Landesverwaltung. Dafür wurde unser ehemaliger Kollege Klaus Schlie zum Staatssekretär berufen. Ergebnis seiner Bemühungen - nicht meine Worte, sondern die der Medien -: „Flop I und Flop II“, zwei telefonbuchdicke Berichte, mit deren Hilfe es

gelang, in der Landesverwaltung insgesamt zwei Fünftel einer Stelle einzusparen. Klaus Schlie erklärte daraufhin - ehrlich, wie er ist -, die Reform sei gescheitert, und zwar hauptsächlich, weil die personalstarken Ressorts Bildung, Justiz und Inneres nicht bereit waren, sich auch nur einen Millimeter in Richtung des von der Großen Koalition vereinbarten Zieles zu bewegen. So ist es im „sh:z“ vom 30. März 2007 nachzulesen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, schon jetzt verharrt die Große Koalition im Stillstand und versucht, das als Fortschritt zu verkaufen. Und es ist überhaupt nicht zu erwarten, dass das besser wird. Es gibt für die Koalition noch zwei große Brocken: den Doppelhaushalt 2009/2010 und die Kreisgebietsreform.

Im Doppelhaushalt 2009/2010 müssen nach Angaben des Finanzministeriums noch bis zu 900 Millionen Euro eingespart werden. Wie will die Koalition das machen? - Fehlanzeige.

Außerdem will die Große Koalition dem Land noch eine Kreisgebietsreform von oben aufdrücken, obwohl sie genau das im Koalitionsvertrag ausgeschlossen hat. Dabei weiß die Regierung bis heute nicht, was sie will. Deshalb trat sie in der letzten Tagung nach Parteien getrennt auf. Erst erklärte der Ministerpräsident, es werde keine Großkreise geben, dann verkündete der Innenminister, keine Option werde ausgeschlossen, auch nicht die von ihm favorisierten Großkreise.

Wie brüchig die Koalition ist, wurde dann bei der Debatte über die Elternbeteilung an den Kosten der Schülerbeförderung deutlich. Die Große Koalition feierte es 2005 als große Leistung, dass sie sich auf dieses verkappte Schulgeld geeinigt hatte. Im Gegenzug sollte es keine Studiengebühren geben. Damit hatten sich wieder die reaktionären Kräfte in der SPD durchgesetzt, an denen schon Heide Simonis scheiterte. Sie sagte - ich möchte das in Erinnerung rufen -: Sie verstehe nicht, warum es zumutbar sein solle, allen Eltern Beiträge für Kindergärten aufzuerlegen, auch den ärmeren, warum es aber unzumutbar sein solle, von jungen Erwachsenen mit überdurchschnittlicher Einkommensperspektive Studiengebühren zu verlangen. Das ist eine Haltung, die der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung am 25. Mai 2005 noch teilte.

Ganz anders Innenminister Dr. Stegner: Er behauptete in der letzten Tagung, die SPD habe der Elternbeteiligung an den Schulbuskosten nur zugestimmt, weil die CDU sonst die Novelle des Schulgesetzes verhindert hätte - wie wir wissen, eine klare Unwahrheit. Damit hätte er Schleswig-Holstein fast

(Wolfgang Kubicki)