Protokoll der Sitzung vom 16.06.2005

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

- Lieber Kollege Astrup, ich hoffe immer noch, dass Sie lernfähig sind. Ich bin ein gutgläubiger Mensch. Zu diesem Komplex kommt auch noch ein Versäumnis der Sozialdemokratie der letzten Wahlperiode hinzu, nämlich die Güterverteilzentren. Schon vor Jahren sollte ein Güterverkehrskonzept für Schleswig-Holstein erarbeitet und umgesetzt werden. Dies ist eine Aufgabe, die nun die neue Landesregierung endlich angehen muss, weil die alte es bisher versäumt hat. Nun ist das Ganze auch vor dem Hintergrund der Feinstaubdiskussion zu sehen. Die Diskussion über Feinstaub ist somit keine isolierte steuerpolitische Diskussion, sondern sie ist eine Querschnittsaufgabe. Bei unseren landespolitischen Entscheidungen müssen wir immer auch Umweltgesichtspunkte im Auge haben.

Für mich ist es beispielhaft, wie man in Bozen in Südtirol oder auch in Klagenfurt und Graz in Österreich das Problem angegangen ist. Dort hat man überall Messstellen. Dort macht man mit den Bürgern zusammen konkrete Projekte und nimmt sich des Problems direkt vor Ort an. Ich glaube, das ist eine vernünftige Lösung.

Kollege Harms, darf ich Sie bitten, zum Schluss zu kommen?

Das werde ich tun. Ich formuliere meinen Schlusssatz. - Es ist ganz klar: Das Feinstaubproblem löst man nur dann, wenn wir wieder und weiterhin ein umweltpolitisches Umdenken haben. Was wir brauchen sind weniger Immissionen in der Industrie, saubere erneuerbare Energieformen und eine nachhaltige Verkehrspolitik. Daran sollten wir immer denken. Das ist eine Querschnittsaufgabe und nicht nur Steuerpolitik.

(Beifall des SSW)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten KarlMartin Hentschel das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte noch auf zwei Punkte eingehen. Einer davon war das Verwundern des Abgeordneten Hildebrand, warum wir einen solchen Antrag stellen. Abgesehen davon, dass ich es für die Grünen selbstverständlich finde, dass wir zu aktuellen umweltpolitischen Themen Fragen stellen, haben wir ganz bewusst nach der Behördenstruktur gefragt, weil im Koalitionsvertrag steht, dass die Behörde, die diese Arbeit gut gemacht hat, was so bestätigt wurde, aufgelöst werden soll. Von daher ist es gut, wenn das in dem Bericht dokumentiert wird. Es ist gut, wenn dokumentiert wird, dass die Behörde auch aus Sicht der neuen Regierung gute Arbeit geleistet hat. Das hat uns gefreut. Ich glaube, das trägt zu einem notwendigen Diskussionsprozess innerhalb der Koalition bei und es bewahrt Sie vielleicht vor falschen Schritten. Vielleicht löst dies das Problem Ihrer Verwunderung.

Zweitens zur Frage von Feinstaub und Diesel. Natürlich ist es richtig, dass der Verkehr nur einen Teil des Problems ausmacht. Es ist aber in der Tat so, dass

(Karl-Martin Hentschel)

Überschreitungen von Grenzwerten fast ausschließlich an Standorten stattfinden, wo der Verkehr eine wichtige Rolle spielt. An diesen Standorten gibt es die hohen Konzentrationen. Man muss insofern also differenzieren. Einerseits ist es richtig, wenn gesagt wird, dass die Gesamtproblematik des Feinstaubes sehr viele Quellen hat. Bei den Stäuben, die in der Landwirtschaft anfallen, handelt es sich im Wesentlichen um Erde. Ich gehe davon aus, dass diese Stäube nicht besonders problematisch sind. Überhaupt stellen die groben Stäube weniger ein Problem dar, auch wenn sie massemäßig einen großen Anteil ausmachen. In diesem Falle muss ich die Landwirtschaft also entlasten, Herr Ehlers.

Andererseits ist zu sagen - darauf ist schon hingewiesen worden -, dass die chemisch kompliziert zusammengesetzten und sehr feinen Stäube das Hauptproblem ausmachen. Die Messanalysen sind leider noch nicht so weit entwickelt, um hier Unterscheidungen im Detail treffen zu können. Man muss in dieser Hinsicht wahrscheinlich noch etwas tun. Dies waren meine beiden Anmerkungen.

Insgesamt würde ich mir angesichts der Situation wünschen, dass Schleswig-Holstein sein Verhalten im Bundesrat zum Thema der Einführung von Dieselrußfiltern und deren steuerlicher Förderung noch einmal überdenkt. Die Enthaltung, die SchleswigHolstein getätigt hat, finde ich ausgesprochen unglücklich. Man hätte sich dem jetzt in Gang befindlichen Prozess gegenüber positiver verhalten können. Insofern bedaure ich die Enthaltung des Landes im Bundesrat. Wenn der Minister das Ganze auch so sieht, wäre damit vielleicht schon ein Schritt auf dem Wege getan, dass Schleswig-Holstein ein positives Verhalten in Bezug auf die erwähnte Initiative zeigt. Ich sage damit gar nicht, dass Schleswig-Holstein die Initiative des Bundesumweltministers unterstützen muss, die ja sozusagen nicht aufkommensneutral ist. Wir haben vielmehr ganz bewusst gesagt: Aus Landessicht sind wir der Meinung, dass angesichts der Landesfinanzen, die wir sehr gut kennen, eine aufkommensneutrale Lösung gefunden werden muss. Deswegen sind wir eher der Meinung, dass die Initiative der Bundesregierung im Bundesrat so modifiziert werden sollte, dass sie aufkommensneutral ist. Wenn wir auf diesem Wege zusammenkommen könnten, würde ich mich sehr freuen. Dann wären wir einen Schritt weiter.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist kein Antrag gestellt. Der Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 a auf:

Bericht über die angekündigte Landesförderung für das Science Center in Kiel

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/134

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Zu diesem Bericht erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Dietrich Austermann, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die frühere Landesregierung hat auch unter Berücksichtigung der finanziellen Lage des Landes und der Kommunen nach einem sehr langwierigen Wettbewerbsverfahren entschieden, dass die Stadt Kiel ein Science Center bekommen soll, womit in Schleswig-Holstein ein wichtiger Kristallisationspunkt entstehen soll. Die Entscheidung liegt einige Zeit zurück. Sie war seinerzeit zwischen Stadt und Land umstritten. Sie war auch in der Stadt selber umstritten. Es ging vor allen Dingen um die finanzielle Frage, aber auch um die inhaltliche Ausgestaltung.

Leider könnte man bei diesem Projekt fast beispielhaft sagen, dass es nach der guten Idee, nach dem großen Gedanken Zögern, Zaudern und Zerreden gab. Damit ist Schluss. Die neue Landesregierung handelt. Ich kann bestätigen, was der Ministerpräsident vor der IHK gesagt hat: Wir werden aus dem neuen Schleswig-Holstein-Fonds für das Science Center eine Förderung von bis zu 75 % bereitstellen. Das Science Center hat für den Schleswig-Holstein-Fonds geradezu eine exemplarische Bedeutung. Wir machen damit das besondere Forschungs- und Technologiepotenzial Schleswig-Holsteins sichtbar. Wir machen unser herausragendes Know-how im maritimen Bereich für einheimische und auswärtige Besucher erlebbar. Wir zeigen unser Profil, werben für das Land und stärken letztlich auch den Wirtschafts- und den Wissenschaftsstandort Schleswig-Holstein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Fördersatz von 75 % ist auch eine Auszeichnung für den maritimen Schwerpunkt von Kiel und der gesamten K.E.R.N.-Region. Ein Schaufenster techno

(Minister Dietrich Austermann)

logischer Leistungsfähigkeit wirbt für unser Land. Die Bedeutung des Meeres, Meereswissenschaft und Meereswirtschaft, die Meeresforschung, die Schifffahrt, die Zulieferindustrie - alle sollen Möglichkeiten eröffnet bekommen. Wenn man sich vor Augen führt, dass 60.000 Menschen in Schleswig-Holstein im maritimen Bereich tätig sind und einen Umsatz von 8 Milliarden € erwirtschaften, ist, wie ich glaube, ziemlich klar, welche Bedeutung dieses Zentrum haben wird. Es muss ein Leuchtturm werden, an dem sich viele von auswärts orientieren, an dem sich deutlich feststellen lässt, was für eine Leistungsfähigkeit im Lande verfügbar ist. Ich erinnere hier an das vor kurzem vorgelegte Buch von Professor Kulik und Dr. Jenisch, die sich beide mit der Situation und der Entwicklung Kiels und mit den Forschern und Entwicklern, die über Jahrzehnte hier gewirkt haben, auseinander gesetzt haben und deutlich gemacht haben, welcher Schatz in dieser Stadt und in diesem Land vergraben ist und gehoben werden muss. Wir wollen diesen Schatz heben. Wir wollen das in einem Zentrum tun, das hoffentlich auch für viele Touristen besonders interessant sein dürfte.

Nun gibt es den einen oder anderen, der an der Entwicklung oder an der Höhe der Förderung Kritik geübt hat. Ich sage dazu Folgendes. Nach der langwierigen Diskussion muss mit dem Hin- und Herschieben von Verantwortung Schluss sein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Es muss klar sein, dass wir sagen: Das Land macht der Stadt ein Angebot, das sie nicht ausschlagen kann. Jetzt ist die Stadt bezüglich der weiteren zu treffenden Entscheidungen gefordert.

(Beifall bei CDU und FDP - Zuruf von der SPD)

- Ich spreche hier für die Landesregierung. Ich sage: Wir als Landesregierung machen der Stadt Kiel ein Angebot. Wenn die Stadt das Angebot ausschlägt, wäre das im Interesse der Sache bedauerlich. Das wäre deshalb bedauerlich, weil schon viel wertvolle Vorarbeit geleistet worden ist, wodurch meines Erachtens auch viel zusätzliche private Initiative gefördert wurde. Wenn die Wirtschaft sich bereit erklärt hat, bei einem Gesamtprojekt in der Größenordnung von 22 bis 23 Millionen € 2 Millionen € selber zu tragen, so zeigt das, in welchem Umfang Private bereit sind, Verantwortung zu tragen. Das sollte man nicht gering schätzen.

Nach mehreren ausführlichen Gesprächen mit der Oberbürgermeisterin von Kiel habe ich den Eindruck, dass sie die Sache genauso sieht und dass sie bereit ist, auf das Angebot einzugehen. Das ändert nichts

daran, dass die Stadt jetzt die inhaltlichen Vorbereitungen abschließen muss und ein fertiges Konzept vorlegen muss, so dass dann auch gehandelt werden kann.

Nun gab es den einen oder anderen, der an der Höhe der Förderung Kritik geübt hat. Dazu merke ich etwas an, was die meisten wahrscheinlich aus dem Bewusstsein verloren haben. Die ursprünglichen Wettbewerbsunterlagen gingen davon aus, dass nicht eine Förderung bis zu 60 %, sondern bis zu 70 % möglich ist. Wir gehen mit der Ankündigung, die der Ministerpräsident gemacht hat, über den bisher von meinem Vorgänger ins Auge gefassten Höchstfördersatz um maximal 5 % - nämlich bis auf 75 % - hinaus. Ich glaube nicht, dass das ein Grund wäre zu sagen, damit werde die Sache vom Grundsatz her falsch.

Ich möchte ein weiteres Argument erwähnen, das im Sinne eines Widerspruchs verstanden wurde. Jetzt entsteht in Lübeck und in Flensburg Unruhe. Es wird gesagt: Ihr plant jetzt in Kiel ein Riesenprojekt. Ihr sorgt dafür, dass dort wirklich ein Leuchtturm entsteht. Hätten wir gewusst, dass ihr dieses Projekt in einem solchen Umfang fördert, dann hätten wir uns - so sagen die Lübecker - auch beteiligt. - Dazu kann ich nur sagen: Wenn ich einen Lottoschein nicht abgebe, kann ich, selbst wenn ich die richtigen Zahlen getippt habe, nicht erwarten, dass ich gewinne.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn sich jemand am Wettbewerb nicht beteiligt, kann er auch nicht erwarten, auf dem ersten Platz zu landen.

Was den Standort Flensburg angeht, so könnte ich - wegen der kurzen Redezeit ist das aber nicht möglich - jetzt eine lange Liste von Fördermaßnahmen vorlegen, die wir für Flensburg vorgesehen haben und die zum Teil schon bewilligt sind oder die in nächster Zeit bewilligt werden. Sie können davon ausgehen, dass die Entscheidung der Landesregierung für ein klares Ja zu diesem Angebot an die Stadt Kiel, für ein klares Ja zum Science Center nicht bedeutet, dass wir die eine oder andere Region des Landes vernachlässigen. Wir sorgen dafür, dass gerecht in Bezug auf alle Regionen vorgegangen wird.

(Beifall bei CDU, FDP und vereinzelt bei der SPD)

Ich erwarte von der Stadt Kiel auf die von uns klar in den Raum gestellte Frage nun eine ebenso klare Antwort.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Minister, ich danke Ihnen für den mündlichen Bericht. - Ich eröffne nunmehr die Aussprache und erteile der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, vielen Dank für den Bericht. Ihre letzte Aussage nehme ich positiv auf. Ansonsten war es doch eine etwas verkürzte Darstellung dessen, was das stattgefunden hat, denke ich.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Nein!)

- Natürlich, das kann man alles in den Protokollen nachlesen. Ich habe den Vorteil, dass ich an den Anhörungen teilgenommen habe. Ich weiß, dass das alles so klar nicht war. Die letzte Aussage finde ich aber schon ganz gut.

Dennoch bleibt es dabei, dass uns die Landesregierung mit ihrer Ankündigung überrascht hat, dass sie nun bereit sei, eine einmalig hohe Förderung von 75 % der geplanten Kosten von 23 Millionen € bei einem Science Center für Kiel zu leisten. Angesichts der leeren öffentlichen Kassen sorgte diese Mitteilung dann doch für Furore - will ich hinzufügen -, auch bei den Mitbewerbern für den Bau des Science Centers. Denn die Entscheidung für eine so ungewöhnlich hohe Förderung hat nicht nur erhebliche Auswirkungen auf den Landeshaushalt, sondern beeinträchtigt auch den Betrieb von einer Reihe von Einrichtungen im Land, die ebenfalls mit öffentlichen Geldern gefördert wurden.

Verwundern kann auch, dass das Kieler Projekt jetzt eine Zusage der Landesregierung bekommen hat, ohne dass ein neues Konzept der Landeshauptstadt Kiel vorliegt. Völlig ungeklärt ist zum Beispiel, wer ein mögliches Defizit im laufenden Betrieb eines möglichen Science Centers tragen soll. Ich habe auch noch im Ohr, was zu dem vorläufigen Konzept der Stadt Kiel damals gesagt worden ist. So klar ist das alles nicht.

(Beifall beim SSW)

Ich finde, man fragt sich, ob das Land wirklich so viel Geld für undurchdachte Luftschlösser, wie zum Beispiel den Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau und ein neues Science Center in Kiel übrig hat, oder ob hier gar eine Kiel-Connection am Werk ist.

(Lars Harms [SSW]: So ist es!)