Protokoll der Sitzung vom 16.06.2005

Für die Fraktion der SPD erteile ich der Frau Abgeordneten Sandra Redmann das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kubicki, ich freue mich sehr, mit welcher Aufmerksamkeit Sie mein Klatschen verfolgen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich habe alles im Blick!)

- Das freut mich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich darf mich im Namen der SPD-Landtagsfraktion beim Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses für den vorgelegten Bericht und die Erläuterungen dazu bedanken.

Wir sprechen mit der Feinstaub-Richtlinie ein vielschichtiges Thema an: Wir reden über Umwelt. Wir reden über Gesundheit. Und wir reden nicht zuletzt über einen Standortvorteil Schleswig-Holsteins, den es zu pflegen und zu nutzen gilt.

(Beifall bei SPD und CDU)

Inhaltlich kann ich mich bei der Bewertung der Ergebnisse der langjährigen Prüfungen den Worten meines Vorredners in großen Teilen anschließen, sodass ich mir im Wesentlichen Erläuterungen zur Feinstaub-Richtlinie und deren Auswirkungen sparen kann; das ist bereits umfänglich dargestellt worden.

Betonen möchte ich jedoch an dieser Stelle, dass sich insbesondere die Erstellung von Messkonzepten auf Grundlage langjähriger Messungen aller Schadstoffe in der Luft als ausgezeichnete Maßnahme erwiesen hat. Damit lassen sich die Erkenntnisse - wie sich auch und gerade bei der Umsetzung der StickstoffRichtlinie im Jahre 2010 zeigen wird - so verwerten, dass erforderliche und absehbare Maßnahmen bereits frühzeitig angegangen werden können.

Die Zusammenarbeit mit den Kommunen ist dabei unverzichtbar und auch der richtige Weg, um gemeinsam spezifisch auf die Ergebnisse reagieren zu können. Insofern gilt mein Dank auch all denen, die in den vergangenen fünf Jahren dieses Modell aufgebaut, mit Nachdruck befördert und umgesetzt haben; ich blicke jetzt zur linken Seite.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute reden wir über die Feinstaub-Richtlinie. Dabei lautet die gute Nachricht, dass wir im Bundesvergleich eine undramatische Lage haben. Das liegt im Wesentlichen an der Lage Schleswig-Holsteins als Land zwischen den

(Sandra Redmann)

Meeren mit besonderen klimatischen Faktoren: Unsere frische Luft ist für Einwohner und Touristen ein Markenzeichen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Staubsauger!)

- Also, Herr Kubicki, Sie haben es offenbar mit den Haushaltsgeräten. Ich bin beeindruckt. Man sollte Sie zur Hausfrau des Landtages küren.

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen: Die kennt er nur vom Namen her!)

- Der Herr Ministerpräsident sagt gerade, Sie kennen die Haushaltsgeräte nur vom Namen her. Ich würde mich nie trauen, so etwas zu sagen.

Dies versetzt uns in die aus Sicht anderer Länder beneidenswerte Lage, die ernstzunehmende gesundheitliche Gefährdung, die Feinstaub verursachen kann, wohl mit Aufmerksamkeit, aber nicht mit Anspannung zu betrachten. Ignorieren können wir die Gefährdung deswegen noch lange nicht. Es muss unser aller Anliegen sein, dass die im Wesentlichen gute Luftqualität in Schleswig-Holstein erhalten und nach Möglichkeit noch verbessert wird. Die Wahrnehmung des Themas Feinstaub durch die Öffentlichkeit ist sicherlich allen im Gedächtnis.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Die Konsequenzen der Überschreitung der Richtwerte werden einige Regionen in Deutschland nachhaltig treffen und haben sie schon getroffen, wie das Urteil zum Ballungsraum Stuttgart bewiesen hat. Sicherlich werden Reduzierungen von Emissionen durch Erhöhung von technischen Standards erreicht werden können; das Stichwort Rußpartikelfilter für Dieselmotoren ist bereits häufig gefallen, jedoch sind längst nicht alle Faktoren hinlänglich erforscht und beherrschbar.

Eine vollständige Abwehr der Gefährdung durch Feinstaub wird aber gerade im städtischen Raum und in touristischen Hochburgen kaum möglich sein; mein Vorredner hat darauf schon hingewiesen. Ich würde mir hierbei auch ein größeres Verantwortungsgefühl unter anderem der Automobilindustrie wünschen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der aktuellen Diskussion um Feinstaubbelastungen ist es auch eine Chance für uns, den Standortvorteil, den Schleswig-Holstein mit seiner überdurchschnittlich guten Luftqualität hat, herauszuheben und dafür zu werben. Hier haben wir einen Umweltvorteil, den es zu erhalten, zu schützen und zu fördern gilt.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Die insgesamt guten Werte, die die Feinstaubmessungen im Land bisher ergeben haben, sind so, wie sie sich derzeit abbilden, im Ganzen erfreulich. Und eine politische Diskussion mit diesem Ergebnis ist mir allemal lieber als eine, die erst aufgrund schlechter oder dramatischer Werte zustande kommt.

Dennoch dürfen wir uns darauf nicht ausruhen. Ich freue mich auf eine umfangreiche Diskussion im Umweltausschuss.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf nunmehr dem Kollegen Günther Hildebrand für die Fraktion der FDP das Wort erteilen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu meiner Stellungnahme zum Bericht komme, kann ich es mir nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass ich im Anblick des Antrages schon ein bisschen geschmunzelt habe.

Da fragt die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nach den Zuständigkeiten in Schleswig-Holstein für die Umsetzung der Feinstaub-Richtlinie. Da fragt die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nach den Maßnahmen, die in Schleswig-Holstein bisher zur Umsetzung der Richtlinie ergriffen wurden. Und da fragt die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ob die vorhandenen Messstationen und die erhobenen Daten ausreichen, um die Einhaltung der Richtlinie zu kontrollieren.

Dass aber nun gerade die Grünen, die bis zum 26. April dieses Jahres für neun Jahre den für die Umsetzung der Feinstaubrichtlinie zuständigen Minister gestellt haben, einen Tag nach Verlassen dieses Ministeriums diesen Antrag stellen, das lässt tief blicken.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Das ist schlichtweg der Beweis dafür, dass der Kollege Müller, der ja als Fraktionsmitglied diesen Antrag mitgestellt hat, während seiner Tätigkeit als Umweltminister dieses Landes wirklich nichts mitbekommen hat.

(Beifall der Abgeordneten Herlich Marie Todsen-Reese [CDU])

Darüber hinaus sind die von Ihnen hier gestellten Fragen eher für eine Kleine Anfrage geeignet als für eine Große Anfrage hier im Parlament.

Für uns als FDP-Fraktion ist es keine Frage, dass eine zu hohe Feinstaubbelastung ein ernst zu nehmendes

(Günther Hildebrand)

Gesundheitsrisiko darstellen kann. Die Gefährlichkeit von Staub hängt im Wesentlichen von drei Eigenschaften ab: Von der Größe, von der Beschaffenheit - beziehungsweise der Zusammensetzung der Partikel - und schließlich ihrer Herkunft. Insbesondere für gesundheitlich anfällige Menschen ist Staub umso gefährlicher, je kleiner die Partikel sind, weil insbesondere ultrafeiner Staub eine hohe Durchgängigkeit in den Atmungsorganen hat.

Die Beschaffenheit der Partikel ist - beispielsweise mit Blick auf die Metallhaltigkeit der Stäube - bei Kleinstpartikeln besonders wichtig, weil deren Oberfläche, auf der schädliche Komponenten transportiert werden, relativ groß ist. Hinsichtlich ihrer Herkunft sind offenbar solche Staubpartikel besonders gefährlich, die aus Verbrennungsprozessen hervorgehen. Damit ist der Straßenverkehr und der damit verbundene Dieselruß - neben Anlagen der Industriefeuerung und Hausbrand - eine qualitativ ernst zu nehmende Gefährdungsquelle. Selbstverständlich muss überwacht werden, ob bei uns im Land ein solches Risiko besteht.

Der uns vorliegende Bericht zeigt, dass auf Landesebene entsprechende Messungen stattfinden, dass die Immissionsgrenzwerte für Feinstaub in SchleswigHolstein durch die Bank eingehalten werden und dass in der Folge Maßnahmen auf Landesebene mit dem Ziel der Einhaltung dieser Werte zurzeit nicht erforderlich sind. Andere Bundesländer stehen nicht so gut da.

Wenn wir Feinstaub aber tatsächlich wirksam bekämpfen wollen, dann müssen wir aus unserer Sicht ein bundesweites - besser sogar europaweites - Gesamtkonzept erarbeiten. Dies ist erforderlich, weil Feinstaub oft die Folge bestimmter Wetterlagen und geographischer Besonderheiten ist und häufig auch in benachbarten Regionen und Ländern entsteht. Hier liegt das wesentliche Versäumnis der rot-grünen Bundesregierung, denn es wäre ihre Aufgabe gewesen, sich mit den europäischen Mitgliedstaaten, aber auch national mit Ländern und kommunalen Landesverbänden an einen Tisch zu setzen, um die Entwicklung eines solchen Konzepts voranzutreiben und die Arbeit zu koordinieren. Bisher ist bis auf bloße Lippenbekenntnisse nichts geschehen. Die Debatte um die Förderung von Dieselrußfiltern ist nur ein Bestandteil einer wesentlich umfassenderen Debatte.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Herlich Marie Todsen-Reese [CDU])

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann einmal mehr sagen, dass in Brüssel mit den Stimmen der Bundesregierung wieder einmal etwas beschlossen wurde, mit dem sich dann in Deutschland kein Mensch beschäftigt hat. Schon seit 1996 ist die Feinstaubrichtlinie beschlossene Sache und eigentlich hätte man erwarten können, dass ein Staat diese Richtlinie in knapp zehn Jahren auch umsetzen kann. Stattdessen haben wir nun wieder die altbekannte Hektik und zeigen erst einmal schlüsselreizmäßig nach Brüssel, wenn der Schuldige gesucht wird.

Um es aber noch einmal klarzustellen: Alles, was in Brüssel beschlossen wird, ist nicht das Werk eines orwellschen Überstaates, sondern der Wille der einzelnen nationalen Regierungen und Parlamente, die an dieser Beschlussfassung beteiligt sind. Deshalb ist es auch Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass auf nationaler Ebene die jeweilige Richtlinie umgesetzt wird. Deutschland gilt in diesem Zusammenhang nicht als eines der schnellsten Länder. Dies ist ein Grundproblem in der Debatte um Feinstaub und Dieselrußfilter, denn nur deshalb haben wir immer wieder das Problem, dass kurzfristig hektische Debatten über Problemstellungen entstehen, die eigentlich schon vor Jahren hätten abgearbeitet sein sollen. Schon seit Jahren gibt es Dieselrußfilter serienmäßig in französischen Autos und in den Fahrzeugen anderer EULänder, weil dies dort für Neuwagen vorgeschrieben ist.

Dieselrußfilter sollen nun steuerlich gefördert werden und so könnte man denken, dass alles in Butter sei. Im Gegenteil: Dadurch, dass nun Dieselrußfilter gefördert werden sollen und die Industrie versprochen hat, Dieselrußfilter serienmäßig in knapp zwei Jahren in allen PKWs einzubauen, hat man es geschafft, rechnerisch die gigantische Zahl von knapp 2 % des Gesamtproblems zu lösen, denn so hoch ist nach aktuellen Schätzungen der Anteil des durch die Verbrennung von PKW-Diesel entstehenden Feinstaubs am gesamten Feinstaubaufkommen.

Feinstaub entsteht an vielerlei Stellen. Das wurde schon gesagt. Rund 12 % entstehen durch PKWVerkehr aller Art. Dabei entsteht dieser bei der Verbrennung von allen Kraftstoffen und hier zugegebenermaßen in besonderem Maße bei der Verbrennung von Dieselkraftstoff. Genauso schädlich ist aber der Abrieb von Bremsen und Reifen oder auch das Aufwirbeln von Kleinstpartikeln durch Reifen. Solche Feinstaubimmissionen werden von allen PKWs verursacht und entstehen auch durch den LKW-Verkehr, der zu 23 % zu den Feinstaubverursachern gehört.

(Lars Harms)

Hinzu kommen dann noch zu rund 20 % die Industrie, zu knapp 15 % die Kraftwerke, zu 10 % der so genannte Hausbrand und sogar zu 5 % - man höre und staune - die Landwirtschaft. Die restlichen knapp 15 % gehen weitgehend auf natürliche Ursachen zurück.

Will man also punktuelle Probleme lösen, die nur punktuell an ganz bestimmten Stellen zu finden sind und die sich vornehmlich an Industriestandorten und in größeren Städten ergeben, so sollte man nicht so sehr an die Filtertechnik von Diesel-PKWs denken, sondern eher an die großen Industrien und Kraftwerke. Ich glaube, wir haben wieder einmal ein gewisses Tier durch das Dorf gejagt, um unser Gewissen zu beruhigen. An den grundlegenden Problemen ändern wir nur unwesentlich etwas.

Gehen wir aber trotzdem noch einmal auf den normalen PKW- und LKW-Verkehr zurück. Wie lässt sich hier wirklich das Problem angehen? Wer weniger Immissionen will, der muss versuchen, dass der Verkehr in den Städten so kanalisiert wird, dass er besser läuft. Grüne Wellen gibt es leider noch nicht überall. Wer hier beispielsweise nach Kiel einpendelt, das gilt allerdings auch für andere schleswig-holsteinische Städte, der kann sehr genau sagen, wo Ampeln besser geschaltet werden könnten. Wir brauchen bessere ÖPNV-Angebote und bessere Schienenverbindungen. Bevor man also einen Flugplatz in Kiel ausbaut und so noch mehr Feinstaubimmissionen produziert, ist es besser, eine vernünftige Bahnanbindung nach Hamburg zu schaffen, die nicht nur den Fluggästen hilft, sondern die auch dafür sorgt, dass bisherige Autofahrer auf die Schiene umsteigen. Das bringt wesentlich mehr als sämtliche steuerlichen Förderungen von Dieselrußfiltern.