Protokoll der Sitzung vom 16.06.2005

tungen? - Damit ist der Antrag einstimmig angenommen.

Das hohe Haus zeigt sich geschlossen entschlossen, den Bürokratieabbau anzugehen. Vielen Dank!

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir fragen nach einem Jahr mal nach!)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 und 12 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Weniger Bürokratie. Mehr Beschäftigung - Schluss mit dem Ladenschluss

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/104

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/130

b) Ladenöffnungszeiten - Bäder- und Fremdenverkehrsregelung Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/111

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Ansicht vieler leidet Deutschland unter anderem daran, dass die Menschen zu wenig einkaufen. Neudeutsch nennt man das dann, die Konjunktur lahme, weil die Binnennachfrage zu schwach sei. Ob Ursache und Wirkung hierbei richtig zugeordnet werden, sei einmal dahingestellt. Wir können aber heute auf jeden Fall etwas beschließen, das Wachstum, Konjunktur und Binnennachfrage stärkt. Wir können uns dafür einsetzen, dass die Menschen mehr einkaufen können.

Lassen wir die Kaufleute darüber entscheiden, wann sie ihre Geschäfte öffnen wollen. Lassen Sie uns die gesetzlichen Beschränkungen der Ladenöffnungszeiten schlichtweg abschaffen. Das hätte viele Vorteile: Mehr Freiheit, weniger Bürokratie, mehr Arbeitsplätze, mehr Wohlstand und neue Nischen für kleine Einzelhandelsgeschäfte. Wir geben den Menschen ein Stück Freiheit wieder; den Verbrauchern geben wir die Freiheit einzukaufen, wann sie wollen, den Kaufleuten geben wir die Freiheit, zu verkaufen, wann sie es für vorteilhaft halten. Wir können sicher sein, dass die Kaufleute sich nach den Wünschen der Mehrheit richten werden.

Selbstverständlich zwingen wir damit niemanden zum Ein- oder Verkaufen. Wer zu bestimmten Zeiten nicht einkaufen oder verkaufen will, der oder die lässt es ganz einfach sein, zum Beispiel weil er oder sie am Sonntag Vormittag lieber in die Kirche zum Gottesdienst gehen möchte. Wir räumen sinnlose Bürokratie aus dem Weg und schaffen dadurch Platz für neue Arbeitsplätze auch und vor allem für Menschen mit geringeren Qualifikationen, denn wenn viele Geschäfte länger öffnen, dann werden dort auch mehr Menschen arbeiten.

(Beifall bei der FDP)

Wir geben den Menschen die Möglichkeit, preiswerter einzukaufen. Wer an Sonn- oder Feiertagen schnell etwas einkaufen möchte, der fährt nämlich bislang zur Tankstelle. Die Tankstellen lassen sich ihr sonntägliches Verkaufsprivileg fürstlich entlohnen, und zwar von ihren Kunden. Die Tankstellen können höhere Preise als herkömmliche Einzelhändler durchsetzen, weil sie außerhalb der gesetzlich zulässigen Ladenöffnungszeiten kaum Konkurrenz haben. Anderen Einzelhändlern ist es schließlich bis heute per Ladenschlussgesetz verboten, dann ihre Geschäfte zu öffnen. Fällt der Ladenschluss, dann fallen auch die Preise für den Einkauf am Sonntag und niedrigere Preise bedeuten höhere Kaufkraft. Der Wohlstand der Menschen steigt.

Mit der Freigabe der Ladenöffnungszeiten schaffen wir gerade für kleine Einzelhandelsgeschäfte mehr Chancen, denn die können dann öffnen, wenn ihre Kundschaft es wünscht und wenn die großen Geschäfte geschlossen haben, weil die Margen nicht stimmen. So ist es übrigens überall auf der Welt, wo Ladenschlussgesetze gänzlich unbekannt sind. Die großen Geschäfte haben nur äußerst selten spät abends, nachts oder frühmorgens auf. Das ist nämlich zu teuer. Viele kleine Geschäfte aber haben spätabends, nachts oder frühmorgens geöffnet, weil es sich für sie lohnt, denn bei kleinen Geschäften reichen wenige zusätzliche Kunden pro zusätzlich geöffneter Stunde, um die zusätzlichen Kosten zu decken und noch etwas daran zu verdienen.

Diesen Vorteil können die kleinen Geschäfte nur nutzen, wenn sie öffnen dürfen, wann sie wollen. Lieber Kollege Hentschel, deswegen ist die Freigabe der Ladenöffnungszeiten das beste Rettungsprogramm für Tante-Emma-Läden.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, einige Menschen glauben weiterhin, wir beschleunigten den Untergang des christlichen Abendlandes und der deutschen Wirt

(Dr. Heiner Garg)

schaft, wenn wir Ladenöffnungszeiten freigäben. So meinen einige zum Beispiel, die Menschen könnten sowieso nicht mehr Geld ausgeben, wenn die Läden immer geöffnet sein dürften. Das meinen übrigens auch die Gleichen, die das Problem der Massenarbeitslosigkeit mit massiven Lohnerhöhungen lösen wollen. Beides ist falsch. Wenn die Läden länger geöffnet sein dürfen, werden mehr Menschen auch mehr einkaufen und sie werden insgesamt mehr Geld ausgeben. Dieses zusätzlich ausgegebene Geld ist gleichzeitig zusätzliches Einkommen, denn jeder ausgegebene Euro ist automatisch auch ein eingenommener Euro.

Einige Menschen betrachten das Ladenschlussgesetz immer noch als arbeitsrechtliche Schutzvorschrift. In dieser Hinsicht war im Übrigen die ehemalige Arbeits- und Sozialministerin Heide Moser schon wesentlich weiter. Sie sagte einmal, das Ladenschlussgesetz sei ein viel zu grober Klotz; es gäbe schließlich Gesetze und Tarifverträge. Dazu kann ich nur sagen: Recht hat die Frau.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Grundsätzlich sollte Arbeit an Wochenenden oder in der Nacht für Kaufleute und ihre Angestellten auch kein Problem sein. In Krankenhäusern, Pflegeheimen, Polizeistationen, Kasernen, Fabriken, Callcentern, auf Fähr- und Kreuzfahrtschiffen, in Gaststätten, Hotels und in vielen weiteren Betrieben wird schließlich auch außerhalb der gegenwärtigen Ladenöffnungszeiten regelmäßig gearbeitet.

Selbstverständlich ist die Freigabe der Ladenöffnungszeiten kein gesellschaftspolitisches Allheilmittel. Die Bevölkerung wird trotzdem weiter altern und sie wird trotzdem schrumpfen. Die Umlagesysteme der sozialen Sicherung sind trotzdem pleite. Nur ein Bruchteil der sechs bis sieben Millionen Arbeitslosen in Deutschland wird wegen längerer Öffnungszeiten auch Arbeit finden. Das allerdings gilt für alle Maßnahmen, die einen Beitrag zur Linderung oder Lösung unserer gesellschaftlichen Probleme leisten können. Deshalb ist dieses also kein Argument gegen längere Ladenöffnungszeiten.

Andererseits hat die Freigabe der Ladenöffnungszeiten einen ganz großen Vorteil. Der Finanzminister muss nämlich dafür nichts bezahlen. Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts steht den Ländern die Kompetenz zu, die Ladenöffnungszeiten gesetzlich zu regeln. Unabhängig davon, was die anderen Länder tun, sollten wir in Schleswig-Holstein die Ladenöffnung rund um die Uhr im ganzen Jahr erlauben, denn Schleswig-Holstein ist eines der beliebtesten Urlaubsziele in Deutschland und wir alle

möchten, dass das so bleibt und dass es, wenn möglich, sogar noch besser wird.

Um die Nachteile des Ladenschlussgesetzes zu mildern, gibt es die Bäderregelung, damit die Feriengäste wenigstens in den Tourismushochburgen von April bis Oktober auch sonntags einkaufen können. In der anderen Jahreshälfte geht das allerdings nicht und außerhalb des Geltungsbereiches der Bäderregelung geht das auch nicht. Wir möchten diese Einschränkung der Bäderregelung aufheben, denn wir möchten, dass ganz Schleswig-Holstein das ganze Jahr über ein noch beliebteres Reiseziel wird. Nicht nur das Urlaubsland Schleswig-Holstein würde von der Freigabe der Ladenöffnungszeiten profitieren, sondern auch der Wellness- und Gesundheitsstandort SchleswigHolstein. Der Sonntag ist dort ganzjährig einer der beiden Wochentage mit den stärksten Umsätzen im Einzelhandel, denn das Wochenende ist Besuchszeit. Gerade im Winterhalbjahr, wenn die Urlauber zu Hause verweilen, wäre der Sonntag deswegen der Wochentag mit den höchsten Umsatzchancen.

Lieber Kollege Hentschel, ich habe Ihren Zwischenruf vorhin durchaus mitbekommen. Schauen Sie sich einfach einmal im Bereich des kleinen Einzelhandels in den von der Bäderregelung derzeit betroffenen Gemeinden um. Sprechen Sie einmal mit denjenigen, die eine Änderung wollen. Dann dürfen Sie auch gern wieder dazwischenrufen, ich hätte keine Ahnung. Im Gegensatz zu Ihnen habe ich mit diesen Leuten gesprochen und ich freue mich schon, ihnen das Protokoll der heutigen Debatte zu schicken.

Wir haben heute Morgen über die ganz großen gesellschaftlichen Probleme Deutschlands gesprochen. Wir waren uns einig, dass wir mehr wirtschaftliches Wachstum brauchen. Das aber kommt nicht von allein. Vielmehr müssen wir dafür etwas tun. In seiner Regierungserklärung sagte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, Krisen bewältige man nicht mit weniger Arbeit, sondern mit mehr Arbeit. Auch dazu sage ich: Recht hat der Mann. - Geben wir den Kaufleuten die Chance, mehr zu arbeiten. Dann können auch mehr Menschen bei den Kaufleuten arbeiten und uns allen wird es ein bisschen besser gehen. Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister Austermann, da Sie ja für sehr unkonventionelle Lösungen und Ansätze stehen, bin ich sicher, dass wir uns im Wirtschaftsausschuss sehr kollegial über unseren Antrag unterhalten werden und dass Sie aus der halben Sache, die die beiden großen Koalitionsfraktionen vorschlagen, eine ganze Sache machen können.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Abgeordneter. - Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Jürgen Feddersen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen die Wirtschaft stärken, wir wollen Bürokratie abbauen und wir wollen Schleswig-Holstein attraktiver für Urlauber machen. Deswegen setzen wir uns für eine Veränderung des Ladenschlussgesetzes ein.

Die Bund-Länder-Kommission zur Reform der föderalen Strukturen ist im Dezember vergangenen Jahres leider gescheitert. Dennoch bleibt festzuhalten, dass in der Kommission Einigkeit darüber bestand, die Gesetzgebungskompetenz für den Ladenschluss auf die Bundesländer zu übertragen. Wir rechnen nicht mit einer Wiederbelebung der Kommission. Auf der Grundlage der erzielten Verständigung werden wir auf Bundesebene aber die nächsten Schritte unternehmen und die Interessen Schleswig-Holsteins wahren. Wir hoffen, auf Bundesebene die nötige Unterstützung zu finden, um landesspezifische Ladenschlussregelungen umsetzen zu können.

Wir wollen darüber hinaus mit unserem Antrag die so genannte Bäderregelung ausweiten. Diese Regelung, die im Kern bereits über 47 Jahre alt ist, muss der Entwicklung in Schleswig-Holstein angepasst werden. Hierbei geht es jedoch um eine für die Jahre 2006 bis 2008 befristete Ausnahmegenehmigung. Die Ausweitung der Öffnungszeiten der Geschäfte an Nord- und Ostsee soll sich der saisonalen Entwicklung anpassen und zugleich mit den Wettbewerbern in Mecklenburg-Vorpommern Schritt halten. Die vorgesehene Ausweitung betrifft sowohl längere Öffnungszeiten als auch eine Verlängerung der jährlichen Saison um nahezu zwölf Wochen. Künftig sollen Verkaufsstellen ab dem 1. Januar bis zum 31. Oktober und vom 15. Dezember bis zum 31. Dezember geöffnet sein. Die tägliche Öffnungszeit soll sich an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 19 Uhr erstrecken, werktags bis 22 Uhr.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, möchte ich darauf hinweisen, dass sich die vorgesehene Regelung auf zu benennende Orte und bestimmte Waren bezieht, insbesondere auf Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs.

Die Neufassung der Bäderregelung, die ab 2006 greifen soll, wird in einem ordentlichen Verfahren mit den Beteiligten diskutiert. Besonderes Gewicht haben dabei die Kirchen und die Gewerkschaften. Über

deren Interessen werden wir uns nicht einfach hinwegsetzen, sondern sie einbeziehen. Im Antrag von CDU und SPD nehmen daher die Belange der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen breiten Raum ein. Schutzauflagen sind bei einer veränderten Bäderregelung unumgänglich. Auf diese geht der Antrag daher ausdrücklich ein. Wir werden im weiteren Verfahren sehen, wie weit dies für die Gewerkschaften kompatibel ist. Wir haben großen Wert darauf gelegt, in den von der Bäderregelung betroffenen Orten eine einvernehmliche Regelung mit den örtlichen Kirchengemeinden zustande zu bringen. Für die Christlich-Demokratische Union ist dies ein besonderes Anliegen. Wir wollen auch weiterhin christliche Werte und Traditionen in unsere Überlegungen einbeziehen.

Auch die Belange der Familien sind im Antrag einbezogen, insbesondere die Bereitstellung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Auch dies ist uns ein wichtiges Anliegen.

Dem Antrag der FDP, der insbesondere das Ziel verfolgt, die Ladenschlusszeiten vollständig aufzuheben, können wir nicht folgen. Die FDP ist mit ihrem Wunsch, alles zu liberalisieren, was nicht rechtzeitig in Deckung geht, ein wenig über das Ziel hinausgeschossen.

(Beifall bei CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die völlige Freigabe von Ladenöffnungszeiten berücksichtigt in keiner Weise schutzwürdige Interessen.

(Zuruf von der FDP: Lesen Sie mal Heide Moser nach!)

- Ich komme noch darauf. - Mögliche Einwände zum Beispiel von kirchlichen Vertretern oder Arbeitnehmervertretern finden keinen Raum, ebenso wenig die Interessen der betroffenen Gemeinden mit ihren Kureinrichtungen. Der Einkauf rund um die Uhr und in ganz Schleswig-Holstein ohne Rücksicht auf bestimmte Feiertage mag für einige Bürgerinnen und Bürger reizvoll sein. Dies reicht aber nach meiner Meinung nicht aus, um alle Werte und Traditionen über Bord zu werfen. Die Tatsache, dass zum Beispiel Krankenhäuser, Polizei und Feuerwehr 24 Stunden täglich für uns im Einsatz sind, ist kein hinreichendes Argument, den Konsum mit denen, die für das Gemeinwohl tätig sind, gleichzusetzen.

(Beifall des Abgeordneten Günter Neuge- bauer [SPD])

Wir werden daher den Antrag der FDP ablehnen und mit dem Antrag der Grünen ebenso verfahren, der

(Jürgen Feddersen)

Regelungen schaffen will, die rechtlich problematisch sind.

Wir brauchen Veränderungen, um mit unseren Mitbewerbern mithalten zu können und unsere Position im Tourismus zu festigen. Stillstand bedeutet Rückschritt, gerade das können wir uns aber am wenigsten erlauben. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir zügig vorankommen.

Herr Garg, erlauben Sie mir noch ein persönliches Wort. Ich glaube schon, dass Sie mit Ihrem Beitrag ein bisschen blauäugig waren. Ich komme aus einem kleinen mittelständischen Betrieb mit 10 Mitarbeitern, einem Saisonbetrieb. So einfach, wie Sie das hier vorgetragen haben, ist das weiß Gott nicht. Reden Sie doch einmal mit mehr Leuten darüber.