Protokoll der Sitzung vom 21.11.2007

te müssen dafür von außergewöhnlichem universellen Wert sein.

Neben der Grube Messel werden wir jetzt, wenn es denn gelingt, ein weiteres bundesrepublikanisches Weltnaturerbe haben, nämlich das Wattenmeer. In unserer kulturgeprägten Landschaft sind große, naturnahe Landschaften etwas ganz Besonderes. Mit dem Wattenmeer haben wir ein ganz besonderes Gebiet, das die eben genannten Kriterien der UNESCO erfüllt.

Das beantragte Gebiet hat eine Fläche von circa 10.000 km² und betrifft die Nationalparke von den Niederlanden und von Deutschland. Leider haben sich die Dänen dieser Idee noch nicht angeschlossen. Aber wenn wir etwas warten, wird das auch passieren. Es ist die weltweit größte zusammenhängende Wattfläche. Neben dem eigentlichen Watt gehören auch noch die Salzrasenflächen, die Strände und die Dünenlandschaften dazu.

Die Besonderheiten des Gebietes erschließen sich jedem, der den Nationalpark schon einmal besucht hat. Da ist zu einem die große Dynamik. Wasser und Wind, aber auch die Tier- und Pflanzenwelt sind die prägenden Elemente der dynamischen Prozesse. Mit jeder Ebbe und Flut ändert das Watt sein Gesicht, und mit jedem Windstoß werden Strukturen und Formen der Strände und Dünen verändert.

Eine weitere Besonderheit ist im Schlick vergraben. Dort befindet sich eine riesige Anzahl von Tieren und Pflanzen. Die Biomassenproduktion pro Quadratmeter ist im Watt größer als die im tropischen Regenwald, und das hat natürlich weitreichende Auswirkungen.

Wegen der hohen Primär- und Sekundärproduktion kommt auch eine Vielzahl von Vogel-, Fisch- und Säugetierarten vor. Nicht zu vergessen: Die Seehundbänke sind schon seit Langem ein großer Touristenmagnet. Jeder, der die Seehunde und Kegelrobben selbst gesehen hat, kann sich deren emotionaler Wirkung nicht entziehen. Hier gibt es also ein geordnetes Nebeneinander und Miteinander von Ökologie und Ökonomie mit zertifizierten Angeboten.

Auch die riesigen Zugvogelschwärme sind weltweit ein einmaliges Schauspiel. Millionen von Zugvögeln aus ganz Nordeuropa, Sibirien oder NordostAmerika rasten im Wattenmeer. Es wirkt auf jeden faszinierend, wenn man einen Schwarm von circa 10.000 Alpenstrandläufern beobachten kann.

Mit den eben genannten Beispielen dürfte klar sein, welche Bedeutung das Wattenmeer für den Arten

schutz hat. Auch die Salzwiesen sind mit den vielen Rote-Liste-Arten von internationaler Bedeutung. Damit tragen wir eine große internationale Verantwortung, der wir nur mit einem entsprechenden Schutz gerecht werden. Der Antrag an die UNESCO soll uns dabei unterstützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die SPD steht natürlich auch der Mensch im Fokus. Was bedeutet dieser Antrag für die Menschen, was wird er ihnen bringen?

Zunächst einmal wird eine Anerkennung als Weltnaturerbe der Bevölkerung vor Ort unterstreichen, welches einmalige Gebiet sie vor ihrer Haustüre besitzen. Für Menschen, die dort aufgewachsen sind oder dort leben, wie ich zum Beispiel, ist das Wattenmeer etwas Alltägliches. Die Besonderheit und die Einmaligkeit des Gebietes geraten oft erst dadurch ins Bewusstsein, dass sich Menschen aus aller Welt für das Gebiet interessieren.

Die Anerkennung als Weltnaturerbe wird auch Arbeitsplätze bedeuten; denn der Titel wird weitere Touristen an die Nordsee locken. Lassen Sie mich dazu kurz auf eine Untersuchung des Nationalparkamtes Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer eingehen.

Übernachtungsgäste wurden gefragt, welche Rolle der Titel „Nationalpark“ bei ihrer Entscheidung, an der Nordsee zu übernachten, gespielt hat. Immerhin gaben 11 % an, dass das eine entscheidende Rolle gespielt hat. Das Nationalparkamt hat dann auf dieser Grundlage berechnet, dass im Jahr 2003 circa 6,4 Millionen € eingenommen wurden, die nur auf diesen Titel zurückzuführen sind. Es ist zu erwarten, dass mit dem Titel „Weltnaturerbe“ eine vergleichbare Wirkung erreicht wird.

Wichtig ist auch, dass es als Weltnaturerbe keine zusätzlichen Einschränkungen für die Menschen geben wird. Das Nationalparkgesetz wird weiterhin als oberstes Gesetz bestehen bleiben. Stattdessen werden die Menschen vor Ort in Zukunft sicherer planen können. Deshalb werden die Menschen in den Kreisen auch bei möglichen Änderungen und Umplanungen beteiligt werden, und es wird Rücksicht genommen werden auf die dort eindeutigen Beschlüsse der Kreise. Der Status „Weltnaturerbe“ wird eine langfristige Sicherung des jetzigen Schutzstatus bedeuten.

Eine solche langfristige Sicherung ist nötig; denn dem Nationalpark lauern Gefahren auf, die es abzuwenden gilt. Es sind vor allem die potenziellen Ölfelder, die sich eventuell unter dem Nationalparkgebiet befinden. Eine Gefährdung der Umwelt hätte

(Detlef Buder)

für das Wattenmeer und damit für die Menschen vor Ort eine verheerende Wirkung. Dazu ist es bisher aufgrund des verantwortungsvollen Verhaltens der Platebetreiber nicht gekommen. Deshalb begrüße ich auch die umfänglichen Ausbau- und Sanierungsvorhaben, die im Moment um die Förderplatte herum geplant sind und durchgeführt werden.

Man muss aber genau abwägen, wen und was man im Wattenmeer fördern will. Eines ist ganz klar: Mit der SPD wird es keine Änderung des Nationalparkgesetzes geben, weil es sich bewährt hat. Dieses Nationalparkgesetz ist von der Bevölkerung akzeptiert. Deshalb gehe ich auch davon aus, dass mit dem Titel „Weltnaturerbe“ das Nationalparkgesetz und das Landesnaturschutzgesetz im Rahmen der Anmeldung von entscheidender Bedeutung sind und weiterhin ihre Gültigkeit haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf das Wesentliche zurückkommen. Der Antrag, das Wattenmeer zum Weltnaturerbe zu ernennen, unterstreicht die weltweite Besonderheit und Einmaligkeit des Gebietes. Die Anerkennung wird die internationale Aufmerksamkeit auf das Gebiet lenken. Die Anerkennung wird die touristische Bedeutung dieses Streifens noch einmal unterstreichen, und dies wird zu vielen Synergieeffekten führen. Lassen Sie uns daher mit der Abstimmung ein Zeichen setzen. Dieses Zeichen ist: Wir stimmen diesem Antrag zu.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke dem Abgeordneten Detlef Buder. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Günther Hildebrand.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den bekanntesten Weltnaturerbestätten der UNESCO zählen das Great Barrier Reef vor Australien, die Galapagos-Inseln im Pazifik und der Grand Canyon in den USA. In Deutschland fallen sie größenmäßig etwas kleiner aus. Bislang gehören nur die Gartenanlagen Dessau-Wörlitz, die Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal, das Elbtal bei Dresden und der Muskauer Park dazu. Und wenn alles gut geht, bald auch das Schleswig-Holsteinische Wattenmeer als Teil des deutsch-niederländischen Schutzgebietes Wattenmeer. So verkündete

es jedenfalls bereits Ende Oktober landesweit Umweltminister Christian von Boetticher, nachdem die Landesregierung seinem Vorschlag zugestimmt hatte. Heute darf noch einmal das Parlament ran.

Auch die FDP spricht sich grundsätzlich für eine Anmeldung des Nationalparks „Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“ als Weltnaturerbe-Gebiet der UNESCO aus. Das Wattenmeer als eines der größten und wertvollsten küstennahen und gezeitenabhängigen Feuchtgebiete ist zweifelsohne nicht nur ein weltweit einzigartiger Naturraum. Es erfüllt auch die Kriterien für eine Nominierung als Welterbestätte der UNESCO nach dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt.

Insofern ist es nur folgerichtig, wenn Deutschland und die Niederlande nunmehr konkret werden und die seit Jahren Gespräche und Verhandlungen sowie die Zielvereinbarungen in einen konkreten Antrag auf Anmeldung gießen. - Jedenfalls für einen größeren Teil des Wattenmeeres. Denn beispielsweise Dänemark ist aktuell noch zu sehr mit der möglichen Errichtung eines Nationalparks Wattenmeer beschäftigt.

Schließlich war schon vor zwei Jahren, auf der Trilateralen Wattenmeerkonferenz vom November 2005, vereinbart worden, mit der Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebietes Wattenmeer als Weltnaturerbe zu beginnen.

Das mag sich für die eine oder den anderen nach einer langen Zeit anhören. Tatsächlich ist es das aber nicht. Insbesondere wenn man berücksichtigt, dass nach den UNESCO-Richtlinien die Beteilung der örtlichen Bevölkerung am Anmeldeverfahren unerlässlich ist. „Unerlässlich“ meint in diesem Fall nicht nur eine Anhörung, sondern die breite Unterstützung der regionalen Behörden, der örtlichen Interessengruppen und der lokalen Bevölkerung.

Genau an dieser Unterstützung hat es aber lange gefehlt. Auch heute noch ist die Begeisterung für eine Anmeldung zum Weltnaturerbe nicht überall ungetrübt. Die Menschen vor Ort hatten - und haben bisweilen auch noch - ernste Sorgen und Bedenken, was eine Benennung als Weltnaturerbe an Konsequenzen nach sich ziehen kann. Kein Wunder, wenn Sie mich fragen. Mit der Ausweisung von Artenschutz- und Naturschutzgebieten haben die Menschen hierzulande, insbesondere an der Westküste, ganz besondere Erfahrungen sammeln müssen. Ich erinnere nur an die Errichtung des Nationalparks oder die Ausweisung der Vogelschutzgebiete auf Eiderstedt. Ihr Misstrauen, dass die Benennung zu

(Detlef Buder)

weiteren Nutzungseinschränkungen oder zusätzlicher Bürokratie führen könnte, ist daher nicht unbegründet.

Unter diesen Bedingungen muss man die letzte zweijährige Beratungszeit, die bis zu einem Okay zum Antrag erforderlich war, eher als kurz bezeichnen. Die Kreise Dithmarschen und Nordfriesland, vertreten durch ihre Kreistage, bewerten jetzt jedenfalls die Benennung des Wattenmeeres als Weltnaturerbestätte grundsätzlich positiv und stimmen ihr auch zu, aber - das betone ich - ausdrücklich nur unter Bedingungen. Mir ist bekannt, dass die Bedingungen dieser beiden Landkreise im Anhang des Nominierungstexts aufgeführt sind. Wir von der FDP sind aber der Meinung, dass sich die wesentlichen auch im Beschluss des Landtages wiederfinden sollten.

Sowohl der Kreis Dithmarschen als auch der Kreis Nordfriesland haben sich ausdrücklich vorbehalten, verbindliche Eckpunkte festzuschreiben, unter denen eine Zustimmung der Region zur Benennung des Wattenmeeres als Weltnaturerbestätte der UNESCO erfolgt. Als Volksvertreter muss es deshalb unsere Pflicht sein, diese Vorbehalte nicht nur ernst zu nehmen, sondern sie auch in unseren Antrag auf die Benennung des Wattenmeeres als Weltnaturerbe aufzunehmen, jedenfalls wenn es uns wirklich ernst damit ist, dass wir dieses Ziel erreichen wollen. Denn wie heißt es in der Erklärung von Schiermonnikoog so eindringlich - ich zitiere:

„Das Ziel kann nur in Zusammenarbeit mit den Menschen erreicht werden, die in dem Gebiet leben, arbeiten oder sich erholen und bereit sind, seinen Schutz zu unterstützen.“

Ich hätte mir deshalb gewünscht, dass dieser Aspekt auch in dem Entwurf des interfraktionellen Antrages mehr Beachtung gefunden hätte, gerade wegen des bekannten Misstrauens, das an der Westküste gegenüber einer Wattenmeerregion als Weltnaturerbe bestanden hat und vielleicht teilweise auch noch besteht.

Der bloße Hinweis, dass der Landtag voraussetze, dass eine Anmeldung auf die Grenzen des Nationalparks beschränkt werde und durch eine Anerkennung als Weltnaturerbe keine Veränderung der geltenden Rechtslage verbunden sei, ist deshalb für uns deutlich zu wenig. Keine Veränderung der Rechtslage. - So etwas setzt man nicht voraus. Dafür setzt man sich ein.

Und genau das will die FDP-Fraktion mit dem vorliegenden Änderungsantrag erreichen. Wir wollen nicht einfach voraussetzen, dass es keine weiteren

Nutzungsbeschränkungen geben wird, wir setzten uns in Zusammenarbeit mit den Kreisen Dithmarschen und Nordfriesland aktiv dafür ein.

Ohne Frage werden sich mit der Anerkennung des Wattenmeeres als Welterbe weitere Chancen für den Tourismus ergeben. Das ist gut so. Aber wie sieht es mit den „Chancen“ im Bereich der Landwirtschaft oder der Fischerei aus? Ich halte es daher für zwingend erforderlich, die Vorbehalte, die in der Bevölkerung zum Teil bestehen, ausdrücklich zu benennen, so wie wir es unter Punkt 3 unseres Änderungsantrags getan haben, und die Landesregierung aufzufordern, diese Bedingungen bei der Anmeldung des Wattenmeeres auch zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere im Hinblick auf etwaige Nutzungsbeschränkungen.

Die Maßnahmen des Küstenschutzes, der Hafenentwicklung, die Aufrechterhaltung beziehungsweise Herstellung eines tidefreien Fährverkehrs, die traditionellen Nutzungen und die Maßnahmen zur Entwicklung des Tourismus dürfen bei Vereinbarkeit mit dem geltenden Recht nicht durch die Auszeichnung als Weltnaturerbestätte eingeschränkt werden. Dies gilt auch für die Erreichbarkeit und Nutzung der Strände von St. Peter Ording und der Hamburger Hallig.

(Zurufe von der CDU)

Gleichermaßen ist es nachvollziehbar, wenn Änderungswünsche der UNESCO, die sich bei oder nach der Beantragung ergeben, mit den beiden Kreistagen von Dithmarschen und Nordfriesland sowie mit den betroffenen Anrainer-Gemeinden erst abzustimmen sind und zu ihrer Umsetzen deren Einvernehmen bedürfen. Warum sollte das alte Sprichwort „Aus Schaden wird man klug“ nicht auch für Kreise gelten?

Auch die FDP spricht sich grundsätzlich für eine Anmeldung des Nationalparks „Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“ als Welterbegebiet der UNESCO aus. Lange Zeit haben wir um die Anmeldung zu einem Weltkulturerbe gestritten, mit nach wie vor überzeugenden Argumenten, wie ich finde. Aber diese Diskussion ist beendet. Sie fand in der letzten Legislaturperiode statt. Wir können mit der vor Ort getroffenen Entscheidung für ein Weltnaturerbe gut leben. Als touristischer Magnet zieht das Welterbegebiet so oder so an, unabhängig ob es Weltnatur- oder -kulturerbe ist. Wenn die Chancen auf eine Auszeichnung als Weltnaturerbe so ungleich besser sind, dann sollten wir diese Chance jetzt auch ergreifen.

(Günther Hildebrand)

Lassen Sie uns daher den entscheidenden Schritt wagen, aber nur mit der Bevölkerung vor Ort, in konstanter Zusammenarbeit mit den Menschen an der Nordseeküste.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Für den Fall, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, unserem Änderungsantrag nicht folgen können, werden wir dem Ursprungsantrag zustimmen.

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hildebrand. Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun ihr Vorsitzender, Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was lange währt, wird endlich gut. Ich freue mich darüber, dass sich nun die Entscheidungsträger vor Ort für die Anmeldung des Wattenmeeres bei der UNESCO als Weltnaturerbe ausgesprochen haben.

Die Diskussion darüber hat wirklich lange gedauert. Sie begann mit einem Beschluss auf der Wattenmeerkonferenz 1991 in Esbjerg, als der damalige Bundesumweltminister, Professor Klaus Töpfer, gemeinsam mit den zuständigen Ministern aus Dänemark und den Niederlanden unterschrieb, dass man einen gemeinsamen Vorschlag für die Nominierung des Wattenmeers entwickeln wolle.

Das war vor 16 Jahren. Das ist eine lange Zeit, auch für die Umweltpolitik; aber sie war offenbar der Schwierigkeit geschuldet, in so vielen Regionen gleichzeitig eine gemeinsame Willensbildung zu erreichen.