Protokoll der Sitzung vom 22.11.2007

(Torsten Geerdts)

In Schleswig-Holstein sind die Kosten übrigens insgesamt nicht gestiegen. In der Hansestadt Lübeck und im Herzogtum Lauenburg sind sie sogar gesunken. Selbst in diesen beiden Kommunen liegt die Steigerung weit unter dem Bundesdurchschnitt.

Der richtige Weg ist, die nachweislichen Kosten der Kommune zugrunde zu legen, wenn es um die Berechnung des Bundesanteils geht. Es wäre richtig, zügig zu einer Lösung zu kommen, damit der Bundesanteil auch über den 31. Dezember 2007 hinaus unverändert gezahlt werden kann.

Sehr sorgfältig sollten wir prüfen, ob SchleswigHolstein von sich aus eine Änderung forcieren sollte. Denn wir können kein Interesse an einer Änderung bei der länderbezogenen Aufteilung haben.

Nach den Vorstellungen, die der Bund in seinem Gesetzentwurf hat, sinkt der Anteil für SchleswigHolstein erheblich, von jetzt 149 Millionen € auf dann cirka 137 Millionen €. Wenn es gar zu einem neuen Verteilungsschlüssel kommt, wie ihn beispielsweise das Land Nordrhein-Westfalen im Bundesrat gefordert hat, sinkt der Anteil für SchleswigHolstein sogar auf 133 Millionen €. Dieses ist eine Entwicklung, die wir auf gar keinen Fall mitmachen dürfen.

Wir sollten also sehr vorsichtig mit unseren Forderungen umgehen. Und wir sollten auf das Verhandlungsgeschick von Minister Döring vertrauen. Ich glaube, dass wir darauf setzen können.

(Beifall bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Unsere Landesregierung soll weiterhin darauf hinwirken, dass keine Umschichtungen zulasten der schleswig-holsteinischen Kreise und kreisfreien Städte vorgenommen werden. Und - von allen finanziellen Auswirkungen und Kostendiskussionen abgesehen - wir sollten im Auge behalten, worum es geht: um die Verantwortung dafür, dass Menschen ohne Arbeit angemessenen Wohnraum finanziert bekommen. Dieser Verantwortung müssen wir gerecht werden - Bund, Land und Kommunen gemeinsam. Bestimmte übertriebene Horrorszenarien einzelner Verbände über die Kostenentwicklungen haben in dieser Diskussion keinen Platz.

Insofern sollten wir zügig gemeinsam nach einer vernünftigen Regelung suchen. Das können wir jetzt auch, weil wir - darüber bin ich froh - einen gemeinsamen Antragstext gefunden haben. Dir, Lars, danke ich für deine Initiative, die nun unsere gemeinsame ist. Wir sollten sie heute in der Sache beschließen.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch und erteile für die FDP-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bund wird sich im kommenden Jahr stärker an den Wohn- und Heizkosten von ArbeitslosengeldII-Empfängern beteiligen als ursprünglich geplant. Das war die Botschaft, die wir vor fast genau einem Jahr erhalten haben.

Auf Druck der Länder kam für 2007 eine neue Regelung zustande. Danach beteiligt sich der Bund in diesem Jahr mit einer Quote von 31,8 % beziehungsweise 4,3 Milliarden € an den Kosten der Unterkunft, in den Jahren 2005 und 2006 lag diese Quote noch bei 29,1 %. Dazu beigetragen hat sicherlich auch der damals einstimmig gefasste Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landtages, keine Schlechterstellung der Kommunen zuzulassen.

Obwohl uns von Anfang an klar war, dass damit die vom Bund den Kommunen versprochene Entlastung bei den Wohn- und Heizkosten um 2,5 Milliarden € nicht erreicht wird, konnten alle Beteiligten mit dem Ergebnis leben.

Meine Damen und Herren, warum sollten wir uns ein Jahr später wieder damit befassen? Wurde nicht ein tragbarer Kompromiss zwischen Bund und Ländern gefunden? - Der Grund ist, dass sowohl Bund als auch die Länder bei ihren Berechnungen über die tatsächlichen Kosten immer noch von unterschiedlichen Prämissen ausgehen.

Der SSW legt mit diesem Antrag den Finger in die Wunde. Angesichts der steigenden Energie- und Unterkunftskosten entwickelt sich die Einigung von Bund und Ländern auf die Einführung einer Gleitklausel ab 2008 zum Bumerang, der vor allem die Kommunen trifft: Denn die Gleitklausel ist an die Zahl der Bedarfsgemeinschaften gekoppelt und nicht an die Energie- und Unterkunftskosten. Nicht einmal die Größe der Bedarfsgemeinschaften wird bei diesem Verfahren berücksichtigt.

Das bedeutet, dass der Anteil des Bundes an den Kosten der Unterkunft nur dann steigt, wenn die Zahl der Bedarfsgemeinschaften steigt. Umgekehrt sinkt die Beteiligungsquote des Bundes, wenn die

(Wolfgang Baasch)

Zahl der Bedarfsgemeinschaften sinkt; dies ist derzeit der Fall.

So sehr wir uns auch darüber freuen, dass immer weniger Menschen auf Unterstützung angewiesen sind - immerhin kann man von einer durchschnittlichen Veränderung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften um minus 3,7 % ausgehen -, heißt dies für die Kommunen erst einmal, dass sie weniger Geld bekommen. Nach der Anpassungsformel des § 46 Abs. 7 SGB II bedeutet dies immerhin eine Absenkung der Bundesbeteiligung um 2,6 % oder die Absenkung der Bundesbeteiligung an den Leistungen für Unterkunft und Heizung für 2008 auf durchschnittlich 29,2 % beziehungsweise 3,9 Milliarden €.

Leider bedeutet die sinkende Zahl der Bedarfsgemeinschaften nicht, dass vor Ort auch weniger ausgegeben werden muss. Im Gegenteil: Steigende Energie- und Unterkunftskosten bei den verbleibenden Bedarfsgemeinschaften fressen die Entlastung wieder auf. Wenn eine gerechte Kostenaufteilung und eine Entlastung der Kommunen wirklich gewollt sind, dann ist statt einer Absenkung der Bundesbeteiligung eine Aufstockung notwendig. Meine Damen und Herren, insofern freue ich mich, dass ein entsprechender Antrag Bayerns im Bundesrat auf Korrektur der Anpassungsformel die Unterstützung der Bundesratsmehrheit gefunden hat. Schleswig-Holstein hat sich im Bundesrat übrigens enthalten. Begründet wird dies unter anderem mit der Befürchtung, dass durch Nachverhandlungen mit dem Bund Nachteile für Schleswig-Holstein entstehen könnten, nämlich dann, wenn die in 2006 gefundene Lösung durch den Bund aufgekündigt wird. Der von der Großen Koalition vorgelegte Antrag soll das wohl deutlich machen.

Allerdings erschließt sich der Antrag inhaltlich nicht ganz. Soll der jetzige Bundeszuschuss auf 4,3 Milliarden € eingefroren werden? - Das würde eine Aufhebung der Gleitklausel erfordern. Dann hätte Schleswig-Holstein auch im Bundesrat zustimmen können. Oder soll die Gleitklausel beibehalten werden? - Dann frage ich mich, wie ein angemessener Ausgleich für die nachweislichen Kosten aussehen soll, bei dem keine Umschichtungen zulasten der Kommunen vorgenommen werden.

Was wir jetzt brauchen, sind klare Verhältnisse auch über das Jahr 2008 hinaus. Andernfalls wird jedes Jahr aufs Neue darüber zu debattieren sein, ob die Bundesbeteiligung noch ausreicht.

Meine Damen und Herren, dieser Antrag - das haben auch die Wortbeiträge verdeutlicht - ist als Si

gnal dahin gehend zu sehen, dass die Kommunen nicht übervorteilt werden dürfen. Deshalb stimmt die FDP dem Antrag zu.

(Beifall bei FDP, CDU, SPD und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht wundern, dass wir sowohl den Vorstoß des SSW unterstützen als auch dem jetzt gemeinsam getroffenen Vorschlag unsere Zustimmung geben können, obwohl dieser nicht so weitgehend ist wie das, was der SSW formulierte.

Auch die Grünen im Bundestag werden aktiv. Sie fordern, dass die tatsächlichen Belastungen der Kommunen durch die Unterkunftskosten der Langzeitarbeitslosen mit einem neuen Verfahren ermittelt werden sollen. Das ist vom Inhalt her etwas anderes als das, was wir hier fordern, da wir keine großartigen Änderungen wollen. Da die Weichen auf Bundesebene seitens der Bundesregierung in eine im Vergleich zu unserer Haltung völlig gegensätzliche Richtung gestellt werden, finde ich es legitim, dass meine Fraktion im Bundestag fordert, die Kosten genau zu betrachten, und dass sie für ein realistisches Verfahren wirkt.

Die bisherigen Vereinbarungen zwischen Ländern und Bundesregierung sind politischen Kompromissen und nicht dem eigentlichen Bedarf geschuldet. Insbesondere müssen zukünftig die gestiegenen Energiekosten berechnet werden. Auch wir hier im Land führen eine Auseinandersetzung mit den Kommunen hinsichtlich der Begleichung der Energiekosten. Manche Kommune ist dazu übergegangen, diese Kosten nur pauschal zu übernehmen. Insofern bin ich der Landesregierung dafür dankbar, dass sie deutlich gemacht hat, dass dies der falsche Weg ist. Wenn die Menschen in schlecht gedämmten Wohnungen leben, dann haben sie ein Recht darauf, dass ihre Energiekosten übernommen werden. Es darf nicht dazu kommen, dass sie aufgrund von Schulden, die aus Energiekosten entstehen, ihr Obdach verlieren.

Nach den Berechnungen des Bundes ist die Zahl der Bedarfsgemeinschaften um 3,7 % gesunken;

(Günther Hildebrand)

das wurde bereits gesagt. Dies wird als Rechtfertigung für die geplanten Kürzungen angeführt.

Wir unterstreichen an dieser Stelle, dass wir es nach wie vor für verfassungswidrig halten, erwachsenen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren, die kein oder nur ein geringes Erwerbseinkommen haben, zu zwingen, mit ihren Familienangehörigen zusammenzuwohnen. Das ist familienfeindlich, frauenfeindlich und nimmt der nachwachsenden Generation die Chance auf Selbstständigkeit. Selbstständigkeit ist jedoch die Grundlage für die Selbstbehauptung auf dem Arbeitsmarkt. Insofern habe ich noch nie verstanden, wem diese Maßnahme dienen soll. Es geht lediglich um die Entlastung der kommunalen Haushalte, die jetzt auch noch vom Bund bestraft werden, indem man ihnen die Mittel streicht. Von daher wäre es meiner Meinung nach sehr gut gewesen, wenn wir schon viel früher gemeinsam gegen diese Vorgabe des Zusammenwohnens protestiert hätten.

Wie in Schleswig-Holstein sollen auch in anderen Bundesländern die Gelder, die seitens des Bundes für die Kommunen gedacht sind, direkt und ohne Einschränkung an die Kommunen weitergegeben werden. Auf diesem Feld ist Schleswig-Holstein Vorreiter und das wünschen wir uns natürlich auch für die anderen Bundesländer.

Wir möchten die Landesregierung von dieser Stelle aus ermutigen, hart im Sinn der Interessen des Landes und der Kommunen zu verhandeln. Herr Döring wird uns vielleicht erläutern, warum es im bisherigen Verfahren zu einer Enthaltung seitens der Landesregierung gekommen ist. Dies mag in Bezug auf den Verhandlungsverlauf zwischen dem Bund und den Ländern taktische Gründe haben. Es mag auch Gründe haben, die in der Meinungsbildung innerhalb der Landesregierung liegen. Hierzu werden wir sicherlich gleich mehr hören.

Wir allerdings finden, dass es wichtig ist, dass der Landtag dem Land den Rücken stärkt und mit einer Stimme die Interessen der Kommunen und damit auch die Interessen der Menschen mit geringem Einkommen und ohne Arbeit vertritt. Wir dürfen auf gar keinen Fall eine Lösung finden, die die Armen in der Gesellschaft zur Kasse bittet. Das würde für alle Beteiligten eine insgesamt unverantwortliche gesellschaftliche Teuerung mit sich bringen. Leute werden ihre Wohnung verlieren; Leute werden dann erst recht mit anderen sozialen Problemen belastet und anderen sowie den Kommunen zur Last fallen müssen, und zwar gegen ihren Willen. Das kann also auf keinen Fall die Lösung sein.

An dieser Stelle gebe ich deshalb noch einmal folgenden Hinweis: Hätten wir ein Mindesteinkommen, hätten wir insbesondere einen Mindestlohn und hätten wir eine geringere Besteuerung der Einkünfte im unteren Lohnbereich bei gleichbleibend hohem Versicherungsschutz, dann könnten wir tatsächlich eine Entlastung der Kommunen erwarten, weil die Leute dann aus ihrem eigenen Erwerbseinkommen ihre Wohnungen und die hohen Energiekosten bezahlen könnten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Diesen Zusammenhang möchte ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich machen. Wenn wir hier jetzt für diejenigen kämpfen, die trotz einer Arbeit ein so geringes Einkommen haben, dass sie zusätzlich auf Transferkosten, insbesondere im Unterkunftsbereich, angewiesen sind, müssen wir immer im Auge behalten, dass es mehrere Stellschrauben gibt. Vielleicht kommen wir bald auch zu einem einheitlichen Meinungsbild, wie wir im Bereich der Unterkunftskosten zu einer positiven Lösung finden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Birk und erteile für die Landesregierung Herrn Minister Uwe Döring das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eines ist für die Landesregierung klar: Wir stehen an der Seite der Kommunen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das freut uns!)

Die Landesregierung hat sich in den vergangenen Jahren sehr nachdrücklich und letztlich auch erfolgreich für die Interessen der schleswig-holsteinischen Kommunen und eine faire Verteilung der KdU-Mittel eingesetzt. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

Nun folgt allerdings die Bemerkung: Das Leben ist differenzierter und komplizierter, als der eine oder andere in diesem Haus sich das vorstellt. Die entscheidende Frage ist: Welche Lösung ist für unsere Kommunen die beste? In diesem Zusammenhang möchte ich zunächst eines klarstellen - wobei ich

(Angelika Birk)

mich auf einige hier geleistete Wortbeiträge, auch den Beitrag von Herrn Harms, beziehe -: Was die Bundesregierung zurzeit tut, ist das, was vereinbart worden ist. Die Bundesregierung hält sich an das, was vereinbart worden ist. Wir stellen jetzt fest, dass wir möglicherweise das Falsche vereinbart haben. Das ist aber ein anderer Punkt. Man kann nicht sagen, dass die Bundesregierung nicht gesetzestreu ist. Sie setzt in einer zweiten Stufe nur das um, was wir vereinbart haben.

Die Grundlage war, dass wir einen unstrittigen statistischen Indikator haben wollten. Damals haben wir schon darum gestritten, dass dieser Indikator eigentlich die tatsächlichen Kosten sein sollten. Das war beim Kompromiss nicht durchsetzbar. Als Indikator wurde dann die Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften gewählt. Insofern ist es nicht richtig, dass die Bundesregierung erst jetzt, nachdem eine entsprechende Entwicklung stattfindet, auf die Idee kommt, diesen Indikator zu wählen. Das war vielmehr so vereinbart. Allerdings muss man fragen, ob dieser Anpassungsmaßstab wirklich der Weisheit letzter Schluss ist. Dabei ist festzustellen, dass die Zahl der Bedarfsgemeinschaften bundesweit sinkt und dass die Unterkunftskosten steigen. Wenn dieses negative Folgen für die Kommunen hat, dann sind diese Folgen nicht im Sinne des Erfinders. Deswegen ist es auch richtig, über Änderungen nachzudenken und zu reden.

Die Landesregierung unterstützt grundsätzlich den Indikatorwechsel von der Bedarfsgemeinschaft zu den tatsächlichen Kosten der Unterkunft. Man muss aber sehen, was das bedeutet. Für den Bund bedeutet das erstens eine Steigerung von 3,9 Milliarden auf 5 Milliarden €. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung am 14. November 2007 deshalb auch schon deutlich gemacht, dass sie der Meinung des Bundesrates nicht beitreten wird.

Man muss zweitens auch über die Risiken und Nebenwirkungen für Schleswig-Holstein sprechen. Ein Bundesratsvermittlungsverfahren gefährdet möglicherweise die bruchlose Fortsetzung der KdU-Bundesbeteiligung. Zweitens besteht dann, wenn die Länder den Kompromiss völlig aufkündigen, die Gefahr, dass der Bund die Lasten weiter in Richtung der Länder verschiebt. Wenn dieses nicht gelingen sollte, wird der Bund versuchen, anderweitig einzusparen. Dann wird das passieren, was wir in der Vergangenheit auch schon erlebt haben, nämlich dass bei den Eingliederungsmitteln nach SGB II eingespart wird. Wir können es uns allerdings am wenigsten leisten, dass ausgerechnet bei den Langzeitarbeitslosen gespart wird.