Protokoll der Sitzung vom 12.12.2007

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Finanzminister, das ist zwar ein bisschen mehr Arbeit, als einfach die Abschaffung zu fordern, aber ich sage Ihnen auch: Wenn Sie damit Erfolg haben, können Sie sich bundesweit einen guten Namen erringen. Wir würden uns das für Schleswig-Holstein wünschen.

(Zurufe von der CDU: Den hat er schon!)

- Das sollte keine Diffamierung seines jetzigen Rufs sein. Aber ich denke, alles ist steigerungsfähig, auch der gute Ruf unseres Finanzministers.

Meine Damen und Herren, eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes ist erforderlich. Wir brauchen klare Kriterien. Dafür empfehlen wir soziale,

ökologische und kulturelle Kriterien, vor allem auch im Sinne der Nachhaltigkeit. Wir haben gerade das Thema Klimaschutz diskutiert. Auch hier ist es häufig zufällig. So zahlen Sie, wenn Sie mit Holzpellets heizen, für die Holzpellets 7 % Mehrwertsteuer, für das Öl in der Heizung zahlen Sie 19 %. Das ist zwar ökologisch korrekt, aber auch dies ist zufällig und mit Sicherheit nicht im Sinne der Nachhaltigkeit so gesteuert.

Wir hoffen, dass unser Landtagsantrag etwas in Bewegung bringt. Wir fordern eine Bundesratsinitiative des Landes Schleswig-Holstein und würden uns freuen, wenn es hierfür eine breite Unterstützung gäbe.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion der CDU erteile ich dem Herrn Abgeordneten Frank Sauter das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist typisch für die meisten Steuerdebatten und -diskussionen, die wir in den letzten Jahren in diesem Land geführt haben. Man geht um die Ursachen der Fehlentwicklung herum und versucht, mal halbherzig, mal mit etwas Mut, die Symptome zu bekämpfen.

Das sieht man auch an diesem Antrag. Nummer 1 enthält eine klare Aussage: Beibehaltung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes. Das ist in der Sache zu hinterfragen, weil dies eine steuerliche Subvention ist, die eigentlich zielorientiert sein soll, die das Ziel aber nur ganz bedingt und gelegentlich erreicht. In Nummer 2 wird dann gesagt, Ziel solle eine transparentere Regelung für den ermäßigten Mehrwertsteuersatz sein. Auf der einen Seite eine Bereinigung - etwas weniger, etwas herausnehmen -, auf der anderen Seite aber auch sinnvolle Ergänzungen. Das bedeutet Steuerrechtsveränderungen, so wie wir es kennen. Im Großen und Ganzen bleibt es dann, wie es ist.

Im Übrigen hieß die Maßgabe der Berücksichtigung sozialer, ökologischer und kultureller Aspekte hieß früher Gemeinwohlorientierung und ist im Ergebnis wohl dasselbe, vermute ich.

Mit diesem Antrag wird der Antragsteller der grundsätzlichen Problematik des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes kaum gerecht. Die Debatte

(Monika Heinold)

vor fünf Wochen, die öffentlich geführt wurde und die übrigens nicht von Rainer Wiegard, unserem Finanzminister, begonnen wurde, sondern an der er lediglich teilgenommen hat, wurde vom Bundesfinanzministerium ausgelöst. Sie wurde durch die damalige Parlamentarische Staatssekretärin Frau Hendricks in Gang gesetzt, die sich sehr kritisch mit der Umsatzsteuerermäßigung auseinandergesetzt hat. Sie tat dies auf der Grundlage einer Studie des ZEW, des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, die einmal von der Bundesregierung in Auftrag gegeben worden war und dort schon einige Jahre vorlag. Diese Studie geht unter anderem der Frage nach, ob die steuerlichen Subventionen in Form des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auch tatsächlich diejenigen erreicht, die der Gesetzgeber mit seiner Gemeinwohlorientierung erreichen will.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Das Ergebnis dieser Studie ist lesenswert, Herr Kollege Kubicki.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja, das finde ich auch!)

Es ist mehr als ernüchternd. Denn danach sind die Verteilungswirkungen der Umsatzsteuerermäßigung eher gering und liefern keine starke Rechtfertigung für die Differenzierung des Umsatzsteuersatzes. Im Klartext: Die Vergünstigungen kommen kaum zielgerichtet beim Endverbraucher an. Vielmehr werden Wirtschaftsbranchen begünstigt, die steuerlich subventionierte Produkte und Dienstleistungen erstellen.

Das ist aber nicht das Ziel, das wir mit dieser Vorschrift verfolgen, Kollege Kubicki. Möglicherweise ist es das Ziel, das die FDP verfolgt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Überhaupt nicht!)

Aber das ist nicht das Ziel des Gesetzgebers gewesen.

Meine Damen und Herren, drei Feststellungen sind zu treffen: Erstens. Die Wirkung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes geht weitgehend ins Leere. Zweitens. Nicht das Gemeinwohl wird subventioniert, sondern einzelne Branchen und Wirtschaftszweige. Drittens. Der Gesetzgeber kann nicht sicherstellen, dass die Umsatzsteuerersparnis über den Preis - anders ist es gar nicht möglich - auch tatsächlich an den Endverbraucher weitergeleitet wird.

Deshalb, verehrte Kollegin Heinold, sind eben diese Vorschriften des ermäßigten Umsatzsteuersatzes

insgesamt infrage zu stellen und nicht nur einzelne Komponenten. Insoweit stimmt die CDU-Fraktion mit den Äußerungen des Finanzministers absolut deckungsgleich überein.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wir müssen von fehlgeleiteten Umwegsubventionen wegkommen. Es geht hierbei immerhin um eine steuerliche Subventionierung in Höhe von rund 21 Milliarden € per anno. Wir brauchen stattdessen direkte Finanzhilfen. Das Geld muss zielgerichtet dorthin hinfließen, wo man auch subventionieren will. Die politische Auseinandersetzung liegt in der Frage, wo man subventionieren will. Kinder, Ausbildung, Hartz IV, Geringverdiener -der Strauß an Themen ist nahezu unbegrenzt.

Meine Damen und Herren, dies alles ist nicht neu. In ähnlicher Form ist es nachzulesen im Plenarprotokoll vom November 2005. Dort haben Minister Wiegard und auch ich Reden gehalten, deren Inhalt mit dem, was ich Ihnen heute vortrage, nahezu identisch war. Auch wenn wir wissen, dass so grundsätzliche Veränderungen des Umsatzsteuerrechts im Laufe dieser Legislaturperiode nicht auf der bundespolitischen Agenda steht, so ist es doch ein Thema, das wieder auf uns zukommen wird. Deshalb beantrage ich im Namen meiner Fraktion und auch in Übereinstimmung mit unserem Koalitionspartner Ausschussüberweisung, sodass wir das Thema im Finanzausschuss noch einmal vertiefend beraten können.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD erteile ich der Frau Abgeordneten Anna Schlosser-Keichel das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 1983 beträgt der ermäßigte Umsatzsteuersatz, ursprünglich zur steuerlichen Schonung des soziokulturellen Existenzminimums für Güter des Grundbedarfs eingeführt, unverändert 7 %. Allerdings hat sich im Laufe der Jahre die Liste der begünstigten Güter und Leistungen zu einem mit Logik nicht mehr nachvollziehbaren Konglomerat entwickelt. Zitate aus diesem Umsatzsteuergesetz, wonach Hundefutter, Blumenzwiebeln und die Fahrt mit dem Skilift steuerbegünstigt sind, die Babywindel aber ein voll zu versteuerndes Luxusgut ist, machen sich immer gut in den Glossen von Tages

(Frank Sauter)

zeitungen und auch in der einen oder anderen Landtagsdebatte.

Es muss eine Bereinigung geben. Darin stimme ich Ihrem Antrag eindeutig zu. Wir haben das aber schon wiederholt, auch in diesem Haus, festgestellt. Ich verweise auf die Drucksache 16/395 vom November 2005, mit der dieser Landtag die Überprüfung der Ermäßigungstatbestände im Umsatzsteuergesetz und ihrer Wirksamkeit fordert. Es wird auch immer geprüft, auch in Berlin, aber es ist eben schwer, ein eindeutiges Ergebnis und eine richtige Einigung zu erzielen.

Ich bin mit dem Antrag der Grünen einer Meinung, grundsätzlich den ermäßigten Mehrwertsteuersatz beizubehalten. Ich widerspreche hier dem Herrn Finanzminister und dem Kollegen Sauter, die über andere Lösungen nachdenken. Ganz abgesehen davon, dass auf Bundesebene - auch das ist schon gesagt worden - derzeit kein Raum für diese Überlegungen ist. Im Berliner Koalitionsvertrag ist ganz klar vereinbart, dass für diese Legislaturperiode der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 % erhalten bleibt. Ich bin darüber hinaus davon überzeugt, dass wir auch künftig eine Umsatzsteuervergünstigung für Grundlebensmittel brauchen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Dabei geht es mir nicht in erster Linie um die Ärmsten der Armen. Für Sozialhilfeempfänger, für Empfänger von Leistungen nach dem SGB II kann man in der Tat den Wegfall der Steuervergünstigung ohne Frage durch die Erhöhung der Regelsätze zielgerichtet ausgleichen. Ich denke aber zum Beispiel an Rentner, die - dazu gibt es Erhebungen - 80 % ihrer Einkünfte für Güter ausgeben, die der 7 %-igen Mehrwertsteuer unterliegen.

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich denke an Menschen mit sehr geringem Einkommen, die heute gerade so eben von ihrer Arbeit leben können. Sie können den Wegfall nicht einfach wegstecken, es sei denn, wir erweitern für diesen Personenkreis die ergänzenden Hilfeleistungen. Das kann keiner von uns ernsthaft anstreben. Wir wollen doch - Stichwort: Mindestlohn - immer mehr Menschen so stellen, dass sie eben nicht auf ergänzende Hilfen des Staates angewiesen sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Sehr kritisch sehe ich in dem Antrag den Vorschlag, die Warenliste, für die der ermäßigte Steu

ersatz künftig gelten soll, zu ergänzen. Ich will gar nicht bestreiten, dass sich seit dem Jahr 1968 - da ist diese Liste erstmals aufgestellt worden - der Begriff der Güter des Grundbedarfs verändert hat und das eine oder andere Lebensmittel oder meinetwegen auch die immer wieder zitierten Babywindeln neu aufgenommen werden könnten. Im Prinzip bin ich aber der Meinung, dass wir keinerlei neue Ausnahmetatbestände schaffen sollten. Wir haben uns in diesem Haus intensiv mit möglichen strukturellen Änderungen der Umsatzsteuer befasst. Wir haben diskutiert, ob es eine Ermäßigung für Medikamente geben soll und sind damals zu der Auffassung gekommen, dass es mehr als zweifelhaft ist, ob die Entlastung dort ankommt, wo wir sie haben wollen, nämlich bei den Beitragszahlern.

Auf Bundesebene wurde in diesem Frühjahr diskutiert, ob für sogenannte arbeitsintensive Dienstleistungen - also bestimmte Handwerkerleistungen künftig der ermäßigte Steuersatz gelten soll. Auch dort hat man mit Blick auf EU-weite Experimente erkannt, dass die Weitergabe der steuerlichen Ermäßigung an die Verbraucher von staatlicher Seite nicht sichergestellt werden kann. Das Gleiche ergeben die Gutachten, die Herr Sauter vorgetragen hat.

Man ist im Zusammenhang mit den arbeitsintensiven Dienstleistungen darüber hinaus zu der Erkenntnis gekommen, dass die Ziele, die man im Auge hatte - Schaffung von Arbeitsplätzen, Bekämpfung der Schwarzarbeit - nicht durch eine Ermäßigung der Mehrwertsteuer, sondern besser mit anderen Instrumenten zu fördern ist.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und der Abge- ordneten Frank Sauter [CDU] und Herlich Marie Todsen-Reese [CDU])

Aus diesem Grunde kann ich auch dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen, insoweit Sie fordern, bei der Überarbeitung der Warenliste soziale, kulturelle und ökologische Aspekte zugrunde zu legen.

Frau Kollegin, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit!

Ich komme zu den letzten beiden Sätzen. - In diesem Raster kann man beinahe alles unterbringen. Das ist viel zu weit gefasst. Ich bin der Meinung, man sollte den Blick auf soziale Gründe legen.

(Beifall der Abgeordneten Hans Müller [SPD] und Lars Harms [SSW])

(Anna Schlosser-Keichel)

Wir sollten ganz eindeutig endlich dazu kommen, nicht alle wünschenswerten politischen Ziele sprich: Klima - über das Steuerrecht verwirklichen zu wollen. Der viel zitierten und von allen gewünschten Steuervereinfachung dient dieser Weg jeden Fall nicht. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss.