Wir sollten ganz eindeutig endlich dazu kommen, nicht alle wünschenswerten politischen Ziele sprich: Klima - über das Steuerrecht verwirklichen zu wollen. Der viel zitierten und von allen gewünschten Steuervereinfachung dient dieser Weg jeden Fall nicht. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss.
Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Oppositionsführer und Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen möchten den ermäßigten Mehrwertsteuersatz erhalten, der Finanzminister nicht. In diesem Fall tendieren wir eher in Richtung des Vorschlages der Grünen. Kurz- und mittelfristig möchten beide das Gleiche: Die Liste der Ausnahmen vom Regelsatz der Mehrwertsteuer soll ausgedünnt und bereinigt werden. Dass das kein leichtes Unterfangen ist, haben schon die Beratungen über die Anhebung des Regelsatzes der Mehrwertsteuer gezeigt.
Der Finanzminister möchte ärmeren Menschen zielgerichteter helfen und gleichzeitig den Staatssäckel praller füllen. Dazu will er langfristig den ermäßigten Mehrwertsteuersatz abschaffen und als Ersatz - so war zu lesen - aus den Mehreinnahmen weitere Zuschüsse an hilfsbedürftige Menschen zahlen. Diese Zuschüsse fallen seiner Meinung nach niedriger aus als die zusätzlichen Steuereinnahmen. Die zusätzlichen Einnahmen, die dann übrig bleiben, will er für etwas anderes ausgeben. Aber dieser Ansatz hat einen Haken: Die Staatsausgaben steigen und die Steuern steigen noch stärker. Nun muss man gewiss nicht bei jeder politischen Diskussion in Deutschland nach Steuersenkungen rufen, aber, Herr Finanzminister, Steuererhöhungen sind noch größerer Unfug. Deutschland knabbert immer noch an den Folgen der größten Steuererhöhung in der Geschichte der Republik, eine weitere Anhebung wäre da völlig fehl am Platze.
Herr Finanzminister, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Kollege Steuerberater, sinnvoll könnte der Vorschlag des Finanzministers höchstens werden, wenn er in eine große Steuerreform eingebettet würde, bei der Einkommen von direkten Steuern entlastet und im Gegenzug Konsumausgaben höher
mit indirekten Steuern belastet würden. Dies würde die Anreize stärken, zu arbeiten, zu sparen und zu investieren. Hierdurch würde das Wirtschaftswachstum beschleunigt. So könnten die Folgen vieler gesellschaftlicher Entwicklungen gelindert werden.
Aber auch, wenn die Steuerlast stärker auf indirekte Steuern verschoben würde, könnte der ermäßigte Mehrwertsteuersatz problemlos beibehalten werden. Schließlich müssten der Regelsatz und der ermäßigte Satz nur proportional erhöht werden.
Diese ganze Idee hängt jedoch an einer entscheidenden Annahme, nämlich an der von der großen Steuerreform. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, die hat die CDU auf ihrem jüngsten Parteitag auf die ganz lange Bank geschoben.
Ohne diese große Steuerreform wäre die Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes eine Steuererhöhung. Die lehnen wir ab. Deshalb stimmen wir dem ersten Punkt des Antrages der Grünen zu: Wir meinen, der ermäßigte Mehrwertsteuersatz sollte erhalten bleiben, bis wir eine große Steuerreform bekommen.
Im Prinzip stimmen wir auch dem zweiten Punkt des Antrages zu, aber wir verstehen unter Weiterentwicklung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes etwas anderes als die Grünen. Sie wollen die Liste der einschlägigen Waren zwar nach sozialen, ökologischen und kulturellen Aspekten auswählen, aber bis auf einen zarten Hinweis auf Lebensmittel drücken Sie sich davor zu sagen, was Sie damit meinen. Hier hätten wir von Ihnen schon einmal eine kleine Liste der begünstigten Waren und Dienstleistungen, die Sie sich vorstellen können, erwartet.
Angesichts dieses Antrages bleibt eines für uns allerdings völlig unverständlich: Warum lehnten die Grünen bereits zweimal unsere Anträge auf Mehrwertsteuerermäßigung für rezeptpflichtige Medikamente ab?
Durch die Steigerung des normalen Mehrwertsteuersatzes steigen die Kosten für die Krankenkassen, die brauchen jetzt unter sonst gleichen Bedingungen entweder höhere Beiträge oder einen höheren Bundeszuschuss. Der müsste jetzt wenigstens teilweise aus den gestiegenen Mehrwertsteuereinnahmen bezahlt werden. Das ist eine echte Realsatire. Mit der von uns vorgeschlagenen Ermäßigung hingegen hätten die Lohnnebenkosten etwas gesenkt
werden können, aber das erschien den Grünen als kulturell, ökologisch oder sozial offensichtlich wertlos.
Aber die Ausschussberatungen über diesen Antrag geben den Grünen und allen anderen, die gegen unsere Anträge stimmten, die Möglichkeit, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken und dann für unseren Vorschlag zu stimmen, die Mehrwertsteuer auf rezeptpflichtige Medikamente zu ermäßigen.
Liebe Frau Todsen-Reese, von Ihnen kam ein Zwischenruf, warum ausgerechnet Hundefutter oder Tiernahrung vom ermäßigten Steuersatz profitieren sollen. Dazu kann ich nur sagen: Hören Sie die Werbung! Überall heißt es: 20 % auf alles - außer Tiernahrung.
(Beifall bei der FDP - Herlich Marie Todsen- Reese [CDU]: Ich habe gar keinen Zwischen- ruf gemacht!)
Für die Abgeordneten des SSW erteile ich der Vorsitzenden, Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion über den Sinn des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes ist so etwas wie ein Dauerbrenner. Jüngst wurde er von Finanzminister Wiegard wiederentdeckt, als er die Abschaffung des ermäßigten Satzes forderte. Angesichts der größten Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik, die Anfang des Jahres durch die massive Erhöhung der Mehrwertsteuer zum Tragen kam, ist es schon verwunderlich, dass der Finanzminister dieses Thema jetzt aufgreift. Es mag sein, dass er sich nur in eine Debatte eingeklinkt hat, aber er hat doch etwas dazu gesagt, zumal er gleichzeitig dafür plädiert hat, die Unternehmen durch Steuersenkungen zu entlasten und eine Erhöhung der Erbschaftssteuer weiterhin ablehnt.
Wir verstehen zwar, dass der Finanzminister bei der immer noch schlechten Finanzlage unseres Landes verzweifelt nach neuen Steuereinnahmen sucht. Allerdings fragen wir uns, warum es immer wieder der sogenannte Otto Normalverbraucher sein muss, der zusätzlich steuerlich belastet werden soll. Das lehnt der SSW entschieden ab.
Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz betrifft insbesondere die Lebensmittel. Wenn man bedenkt, wie die Preise für Lebensmittel angestiegen sind und noch weiter ansteigen werden, dann würde ein Wegfall des ermäßigten Satzes für viele Familien ein echtes Problem darstellen,
denn zurzeit haben wir es bei den Lebensmitteln mit Preissteigerungen in einer Größenordnung zu tun, die wir seit vielen Jahren nicht mehr hatten. Auch deshalb ist die Inflationsrate im vergangenen Monat erstmals seit langem wieder über 3 % gestiegen. Zugleich zeigen aktuelle Untersuchungen, dass das Lohnniveau der Beschäftigten in Deutschland bestenfalls gleich blieb, schlimmstenfalls sogar rückläufig ist. Eine Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes in der jetzigen Situation würde also breite Teile der Bevölkerung hart treffen.
Richtig bleibt dennoch, dass es für einige Produkte wie Tierfutter oder Schnittblumen einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz gibt, der sich sachlich kaum noch vertreten lässt. Dies wurde bereits gesagt. Wir können uns daher dem Antrag der Grünen, der eine Beibehaltung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Lebensmittel fordert, ohne weiteres anschließen. Wir befürworten ebenfalls, dass die Landesregierung eine Initiative mit dem Ziel in den Bundesrat einbringt, hier zu einer transparenteren Regelung zu kommen. Ob man allerdings - wie von den Grünen gefordert - den Warenkorb, für den der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gilt, durch weitere Kriterien anreichern sollte, möchten wir infrage stellen. Es geht aus unserer Sicht eher darum, in diesem Bereich aufzuräumen und die Waren von der Liste zu streichen, die eigentlich keinen ermäßigten Mehrwertsteuersatz mehr verdienen. Das hat die Kollegin Heinold auch schon deutlich gemacht.
Ich wünsche mir also, dass man jetzt, da die Möglichkeiten, in Berlin und auch hier in Kiel gegeben sind, eine transparente Gestaltung dieses ermäßigten Mehrwertsteuersatzes hinbekommt. Alles andere können wir im Ausschuss diskutieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Heinold, ich bin sehr dankbar, dass Sie zumindest alle zwei Jahre wieder meinen Gedanken aufnehmen.
- Ja, letztes Mal war es im November, jetzt sind wir in der Adventszeit. Vielleicht können wir das in den nächsten Jahren so fortsetzen, weil es natürlich gut ist, wenn man richtige Gedanken hin und wieder in die öffentliche Diskussion einbringt, weil sie dann irgendwann möglicherweise von der Politik aufgenommen werden.
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er soll eine Liste vorbringen! - Frauke Tengler [CDU]: Er soll gar nichts!)
Lassen Sie mich erst einmal sagen: Im Koalitionsvertrag dieser Landesregierung steht nichts von einer ermäßigten Mehrwertsteuer. Gehen Sie also davon aus, dass von hier aus in dieser Wahlperiode in dieser Frage auch kein Signal ausgeht. Weiterhin bleibt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 % zur Wahrung der sozialen Balance unverändert. So steht es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Das heißt, Sie können davon ausgehen, dass auch in dieser Wahlperiode in dieser Frage nichts passieren wird.
- Moment mal, Herr Kollegen Hentschel, zu der Zeit, als Sie regiert haben, haben Sie weder in Berlin noch in Kiel irgendetwas Vernünftiges in dieser Richtung bewegt, von der Sie hier permanent reden. Überhaupt nichts haben Sie bewegt, das muss ich einmal sagen.
(Beifall bei SPD und FDP - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben mehr Reformen gemacht, als Sie je zustande kriegen!)
- Sie haben Reformen gemacht, Sie haben aber in dieser Richtung nichts bewegt. Ich glaube, es ist notwendig, dass Sie die Diskussion von vor zwei oder vier Jahren noch einmal Revue passieren lassen und aufnehmen. Wir haben ganze Völkerstämme von Steuerbeamten, die jeden Tag in der Republik unterwegs sind, um sich damit auseinanderzusetzen, wie sie bestimmte Regeln auslegen. Wir haben gerade eine neue Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet zur Besteuerung von Verzehrumsätzen
eingerichtet. Dies habe ich gerade heute auf den Tisch bekommen. Da müssen wir uns darüber auseinandersetzen, was mit der Thüringer an der Würstchenbude ist. Gott sei Dank ist es noch egal, ob sie nur mit Senf oder mit „Pommes Schranke“ ausgegeben wird. Es ist aber schon ein Problem, ob der Mensch, dem diese Thüringer überreicht wird, an dem Stand stehen bleibt oder nicht. Dann würde nämlich der volle Mehrwertsteuersatz gelten. Anderenfalls muss der Würstchenbräter dafür sorgen, dass der Mensch den Stand verlässt. Es gibt auch ein Problem, wenn der Würstchenverkäufer keine Stehtische anbietet, jedoch die Bäckerei nebenan. Wenn sich der Kunde nun mit der eben gekauften Thüringer an diesen Tisch stellt, dann gilt auch ein anderer Mehrwertsteuersatz. Das sind alles Regelungen, die mit dem Kleinkram, von dem Sie reden, relativ wenig zu tun haben. Wir reden in der Tat über das, was Frank Sauter gesagt hat.
- Ja, der ermäßigte Mehrwertsteuersatz stammt aus der Mitte der 60er-Jahre, liebe Anke Spoorendonk. Da hat es dieses ganze Ausmaß an Fastfood noch nicht gegeben. Heute haben wir einen großen Teil von Dingen, die unter dem Begriff Nahrungsmittel laufen, in Wirklichkeit aber einen größeren Anteil an Dienstleistungen, Verpackungen oder sonstige Zutaten enthalten. Deshalb glaube ich, dass es notwendig ist, darüber zu reden.
Wir müssen die Frage stellen. Das Tierfutter und die anderen Dinge, die angesprochen wurden, sind nur kleine Teile dieser Steuerermäßigung von 20 Milliarden €. Der weitaus größte Teil betrifft Nahrungsmittel. Hier muss ich Ihnen sagen: Wenn Sie mit der sozialen Tränendrüse kommen, dann lassen Sie uns doch einmal die Frage so stellen, wie sie sich wirklich stellt. Frau Heinold, ich personifiziere das einmal zwischen uns beiden. Ich muss mich fragen, warum Sie für mich, Rainer Wiegard, Finanzminister, Jahreseinkommen 140.000 €, unbedingt erreichen wollen, dass ich weiterhin steuervergünstigt Brot, Butter, Milch und Käse kaufen kann. Wo ist da die soziale Großtat? Ich könnte das auch auf Monika Heinold, Parlamentarische Geschäftsführerin, 120.000 € Jahreseinkommen, herunterbrechen. Sagen Sie mir einmal, wo da die zielgerichtete Wirkung und die soziale Komponente sind. Deshalb sage ich: Wenn wir nur die Hälfte dessen, was wir hier an Steuervergünstigungen über das Land verbreiten, jedem zweiten Deutschen ausgleichen würden, weil wir so ein armes Volks sind, dann hätten wir immer noch 10 Milliarden €.
- Das hat mit mehr Bürokratie überhaupt nichts zu tun, denn, liebe Anke Spoorendonk, das, was wir an der Schnittstelle zwischen ermäßigtem und vollem Mehrwertsteuersatz an notwendiger Bürokratie zu leisten haben und was wir genau an dieser Stelle an Steuerbetrug aufdecken müssen, ist in diesen 20 Milliarden € überhaupt noch nicht enthalten. Deshalb empfehle ich dringend, im ersten Schritt zu Bereinigungen zu kommen, die weit über das hinausgehen, was hier diskutiert worden ist. Langfristig sollte man darüber nachdenken, ob es richtig ist, diese Form der sozialen Komponente weiterhin bei den meisten, die sie gar nicht benötigen, über das ganze Land zu verstreuen.
Lieber Kollege Kubicki, in der Zielrichtung sind wir völlig einer Meinung. Wenn wir das nicht aus den Augen verlieren, dann glaube ich, dass wir auf der Zeitschiene auf den richtigen Weg kommen. Langfristig brauchen wir eine immer stärkere Konzentration auf eine große Verbrauchssteuer und auf eine leistungsbezogene Einkommensteuer mit einer starken familienbezogenen Komponente.
Dann sind wir auf dem richtigen Weg, zumal wenn wir versuchen, alles andere auf diesem Weg zu bereinigen.