Protokoll der Sitzung vom 14.12.2007

Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur letzten Sitzung dieser Tagung und dieses Jahres begrüße ich Sie alle herzlich und bitte Sie, Platz zu nehmen, damit wir mit der Tagesordnung beginnen können.

Zunächst darf ich Ihnen mitteilen, dass Frau Abgeordnete Monika Schwalm und Frau Abgeordnete Angelika Birk erkrankt sind, denen wir von dieser Stelle aus gute Besserung wünschen.

(Beifall)

Beurlaubt sind die Abgeordneten Niklas Herbst und Thomas Stritzl sowie von der Landesregierung Minister Dr. von Boetticher.

Sodann möchte ich mit Ihnen zusammen Besuchergruppen auf der Tribüne begrüßen, und zwar Vertreter der Freien Waldorfschule Neumünster sowie Vertreter der Sanitätsstaffel Rendsburg. - Herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung!

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir wieder in die Tagesordnung eintreten, teile ich Ihnen mit, dass die Fraktion der CDU mit der Drucksache 16/1779 einen Wahlvorschlag zur Nachbesetzung der Parlamentarischen Kontrollkommission eingereicht hat. Ich schlage Ihnen vor, den Wahlvorschlag als Tagesordnungspunkt 14 a in die Tagesordnung einzureihen und sogleich ohne Aussprache in offener Abstimmung über ihn zu beschließen. Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Dann werden wir so verfahren.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 a auf:

Wahl eines stellvertretenden Mitglieds der Parlamentarischen Kontrollkommission des Verfassungsschutzes

Wahlvorschlag der Fraktion der CDU Drucksache 16/1779

Wer dem Wahlvorschlag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Wahlvorschlag einstimmig angenommen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 12 und 16 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Schleswig-Holsteinischen Schulgesetzes (Schulgesetz - SchulG)

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1715

b) Konsequenzen der Landesregierung aus der Entscheidung des nordfriesischen Kreistages gegen die Elternbeteiligung an der Schülerbeförderung

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/1716

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Mit dem Antrag des SSW, Drucksache 16/1716, wurde ein Bericht in der letzten Tagung erbeten. Nach Ablehnung der Dringlichkeit ist die Behandlung des Antrages für diese Tagung vorgesehen worden. Sieht der SSW das heute noch genauso? Dies ist der Fall. Somit ist mit dem Antrag Drucksache 16/1716 ein mündlicher Bericht in dieser Tagung erbeten. Wer zustimmen möchte, dass der Bericht in dieser Tagung gegeben wird, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit wird die Abgabe des Berichts einstimmig in dieser Tagung erwünscht.

Daher erteile ich nun der Ministerin für Bildung und Frauen, Frau Ute Erdsiek-Rave, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin mir sicher - damit spreche ich, glaube ich, für beide Regierungspartner -, dass die Auseinandersetzung über die Elternbeteiligung für 2007 Gegenstand der Jahresrückblicke sein wird und dass für 2008 eine neue Grundlage geschaffen werden wird.

Herr Hentschel, ich habe es so verstanden, dass heute die erste Lesung stattfinden wird, dass aber die zweite Lesung, in der die Entscheidung fällt, heute noch nicht ansteht.

Wir wollen es wieder in die Verantwortung der Kreise stellen, ob sie eine Elternbeteiligung erheben. Das werden Sie wahrgenommen und der heutigen Presse entnommen haben. Über die Einzelheiten, gar im Sinn von Gesetzestexten, und über die Weiterungen ist noch zu entscheiden.

Schleswig-Holsteinischer Landtag (16. WP) - 76. Sitzung - Freitag, 14. Dezember 2007 5515

Ich bin mir auch sicher, dass die Lösung, die wir gemeinsam anstreben, besser geeignet ist, die unterschiedlichen Interessen miteinander zu vereinbaren, insbesondere was die Situation der Eltern angeht, die auf ihre zusätzliche und im Land sehr unterschiedliche Belastung vielfach und sehr zu Recht aufmerksam gemacht haben.

Ich will hier nicht dafür plädieren, dass wir Konflikten dieser Art in Zukunft aus dem Weg gehen. Das gehört zum politischen Geschäft, auch innerhalb einer Koalition. Aber ich will klar sagen: Wir sind gewählt worden, um sachlich überzeugende Lösungen zu finden. Dafür brauchen wir Abstimmungsprozesse, die sich an der Sache orientieren und die von einem respektvollen Umgang miteinander geprägt sind. - Das betrifft übrigens das ganze Haus.

Frau Spoorendonk, um Ihrem Wunsch nachzukommen, über die Konsequenzen zu berichten, die wir aus dem Verhalten der beiden Kreistage ziehen, will ich sagen: Das gehört ebenso zu den demokratischen Spielregeln wie der Grundsatz, dass geltende Gesetze beachtet werden müssen. Das muss ich bei dieser Gelegenheit deutlich in Richtung der Kreise sagen, die das geltende Schulgesetz nicht umsetzen wollten. Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Botschaft am Ende lautet: Über den Rechtsbruch kommt man zu einer neuen Rechtslage.

(Beifall bei SPD und CDU - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat der Ministerpräsident zu verantwor- ten!)

- Ich rede jetzt über das Verhalten der Kreise und über nichts anderes. - Ich hoffe jedenfalls sehr, dass dieses Vorgehen ebenfalls in den Archiven des Jahres 2007 bleibt und nicht weiter Schule macht.

Der Antrag des SSW spricht auch die Konsequenzen aus der Entscheidung des Nordfriesischen Kreistages an. Ursprünglich, denke ich, hatten Sie hierbei eher eine grundsätzliche Frage im Sinn; aber ich will jetzt wenig grundsätzlich und nur in Bezug auf Ihre Frage im engeren Sinne antworten, weil, wie Sie sagen, sich immer noch die Frage stellt, ob das Land dagegen vorgehen soll. Angesichts der Grundentscheidung, die es sehr zügig geben wird, wäre es unserer Auffassung nach nicht verhältnismäßig, jetzt mit Zwangsmaßnahmen zu reagieren. Das wäre auch nicht notwendig, weil der Landrat des Kreises Nordfriesland Widerspruch einlegt und weil das Verfahren, das daraufhin erfolgen müsste, mehrere Schritte beinhaltet, die nicht

gegangen werden müssten, würde der Landtag zügig beraten.

Ergebnis wird sein, dass die Kreise Farbe bekennen müssen, ob sie das Instrument der Elternbeteiligung wirklich selbst nutzen wollen oder nicht. In den letzten Monaten - das will ich nun auch noch sagen - haben sich viele, übrigens auch in Briefen, habe auch ich mich mit Bauchschmerzen Diskussionen ausgesetzt und Antworten formuliert, immer nach dem Grundsatz: Gesetz ist Gesetz und das gilt auch für unerfreuliche Entscheidungen. Das war nicht immer angenehm.

Aber es ist klar: Beschlossene Gesetze können nur dann geändert werden, wenn es dafür eine parlamentarische Mehrheit gibt. Das habe ich hier auch immer vertreten, ohne zu verschweigen, dass meine Partei bei diesem Thema schon sehr frühzeitig eine Korrektur erreichen würde. Die parlamentarische Mehrheit wird in der Lage sein, das, was gemeinsam gewollt ist, zügig umzusetzen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Die Frage, die der SSW gestellt hat, ob rechtliche Konsequenzen notwendig sind, kann so beantwortet werden: Der Kreis Nordfriesland selbst zieht derzeit Konsequenzen in der Form des Widerspruchs des Landrates. Ich hoffe, dass weitere Konsequenzen nicht mehr gezogen werden müssen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Ministerin für ihren Bericht, eröffne die Grundsatzberatung und erteile für die antragstellende Fraktion dem Fraktionsvorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ministerpräsident Carstensen hat gestern Abend um 20 Uhr - wie den „Kieler Nachrichten“ zu entnehmen war - gesagt: „Wenn wir schnell fertig werden, ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass wir zusammen bis 2010 weitermachen werden.“

(Zurufe)

Sie sind nicht schnell fertig geworden. Wofür ist das ein Zeichen?

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

(Minister Rainer Wiegard: Es dauert noch länger! - Zurufe)

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, die Elternbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten ist ein sozial- und bildungspolitischer Unsinn. Schon bei der Verabschiedung des Landeshaushaltes war klar, dass die 30-prozentige Beteiligung der Eltern an den Kosten der Schülerbeförderung keine Entlastung der Kommunen, sondern eine massive Belastung der Eltern ist. In diesem Jahr sollen die Eltern 6 Millionen € aufbringen, im nächsten Jahr 9 Millionen €.

Diese Entscheidung bedeutet, dass in SchleswigHolstein wieder der Geldbeutel darüber entscheidet, welche Schule ein Kind besucht. Ist das Gymnasium zu weit entfernt, müssen Eltern ihre Kinder in der Haupt- oder Realschule oder - neu - in der Regionalschule vor Ort anmelden. So wird die schon bestehende soziale Ungerechtigkeit des deutschen Schulsystems weiter verstärkt.

Gegen die gesetzliche Regelung, auf die sich CDU und SPD geeinigt hatten, liefen die betroffenen Eltern Sturm. Ich habe noch nie in den elfeinhalb Jahren, in denen ich dem Landtag angehöre, eine solche Welle von Protestresolutionen von kommunalen Gremien erhalten. Das ist ein Unsinn, den beide Regierungsfraktionen gemeinsam zu verantworten haben. Denn sie haben dieses Gesetz gemeinsam im Landtag verabschiedet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin schon erstaunt, wenn der Landesvorsitzende der SPD sagt: Die SPD war immer der Auffassung, dass eine stärkere Beteiligung der Eltern an den Schülerbeförderungskosten bildungspolitisch falsch und sozial ungerecht ist. - Warum haben Sie das denn verabschiedet?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Gute Frage!)

Wenn ich mich richtig erinnere, dann waren sich beide Koalitionspartner einig, dass die Eltern bezahlen sollten. Der Streit ging nur darum, wer diese angebliche Kompensation für die Kommunen beschließen sollte. Die SPD wollte es freiwillig machen, sodass der Schwarze Peter bei den Kreisen hängen bleibt. Der Landkreistag und die CDU wollten, dass der Landtag beschließt, weil sie nicht den Protest vor den Kreistagen haben wollten. Jetzt so zu tun, als hätte man das gar nicht so gewollt, ist Geschichtsklitterung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Kalkül der Regierung, die Proteste würden sich totlaufen, ist nicht aufgegangen. Im Gegenteil, der Widerstand blieb auf hohem Niveau und erreichte mit dem gesetzwidrigen Beschluss im Nordfriesischen Kreistag am 14. September 2007 einen Höhepunkt. Damit stellte sich die kommunale Basis von CDU und SPD offen gegen die eigene Landesregierung.