Protokoll der Sitzung vom 31.01.2008

(Detlef Matthiessen)

Ich kann allerdings keinen Sinn darin sehen, den niedersächsischen Antrag zu kopieren und nun in Schleswig-Holstein etwas beschließen zu wollen, was in Niedersachsen am 12. Dezember 2007 mit den Stimmen aller Fraktionen bereits auf den Weg gebracht wurde. Ein solcher Antrag aus SchleswigHolstein wäre überflüssig. Meine Fraktion geht davon aus, dass Niedersachsen und Schleswig-Holstein in dieser überaus wichtigen Angelegenheit weiterhin kooperieren werden und Schleswig-Holstein über den Verlauf des geplanten Expertengesprächs unterrichtet wird oder dass die gesundheitspolitischen Sprecher aus Schleswig-Holstein und Hamburg dazu eingeladen werden.

Unser vorliegender CDU-SPD-Antrag geht einen Schritt weiter: Die Anhörung hat gezeigt, dass wir immer noch im Trüben fischen und weitere Untersuchungen folgen müssen. Diese jedoch primär auf Bodenproben und Radioaktivität zu konzentrieren, führt nach unserer Auffassung in eine Sackgasse.

Daher halte ich auch die viel zitierte epidemiologische Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken - das ist die KiKK-Studie - aus Dezember 2007 für problematisch. Diese Studie wurde im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz vom Deutschen Kinderkrebsregister in Mainz durchgeführt. Im 5-km-Umkreis um die Reaktoren wurde im Untersuchungszeitraum von 1980, also seit Bestehen des Kinderkrebsregisters, bis 2003 festgestellt, dass 37 Kinder an Leukämie erkrankt sind. Im statistischen Durchschnitt wären 17 Fälle zu erwarten gewesen. Etwa 20 Neuerkrankungen werden also allein auf das Wohnen in diesem Umkreis zurückgeführt.

Auch wenn die KiKK-Studie aussagt, dass in Deutschland ein Zusammenhang zwischen der Nähe der Wohnung zum nächstgelegenen Kernkraftwerk und dem Risiko, vor dem fünften Geburtstag an Krebs beziehungsweise an Leukämie zu erkranken, beobachtet wird, kann diese Studie keine Aussage darüber machen, durch welche biologischen Risikofaktoren diese Beziehung zu erklären ist.

Die Exposition gegenüber ionisierender Strahlung wurde weder gemessen noch modelliert. Obwohl frühere Ergebnisse mit der aktuellen Studie reproduziert werden konnten, kann aufgrund des aktuellen strahlenbiologischen und epidemiologischen Wissens die von deutschen Kernkraftwerken im Normalbetrieb ermittelte ionisierende Strahlung grundsätzlich nicht als Ursache interpretiert werden. Ob Confounder, Selektion oder Zufall bei dem beobachteten Abstandstrend eine Rolle spielen, kann mit dieser Studie nicht abschließend geklärt

werden. Es ist kein Wunder, dass diese Studie auch bei entschiedenen Gegnern der Kernkraft Ratlosigkeit verursacht und erhebliche Kritik an der Methodik hervorgerufen hat. Ich möchte in diesem Zusammenhang erwähnen, dass mich eine alte Dame häufig angesprochen hat. Sie sagte, dass sie bereits 1959 Zeitungsberichte darüber gelesen hat, dass in der Elbmarsch Kinder erkrankt seien. Allein das macht schon deutlich, dass wir auch ganz woanders suchen müssen.

Unser Antrag verfolgt das Ziel, alle Erkenntnisse und Möglichkeiten aufzugreifen, um den Ursachen der Häufung ein Stück näher zu kommen. So werden auch die Ergebnisse des Forschungsprojektes des Hamburger Uni-Klinikums Eppendorf zu der Frage, ob Kinderleukämie durch bestimmte Erbanlagen gefördert wird, einfließen. Die Ergebnisse dieser Studie sind allerdings nicht vor Mitte dieses Jahres zu erwarten. Wir hoffen, dass die Bundesregierung unserer Forderung folgen wird, das Elbmarschgebiet als Modellregion zur Aufklärung der Zusammenhänge zu benennen. Es sind schon der Vergangenheit von Niedersachsen und Schleswig-Holstein sehr umfangreiche Untersuchungen durchgeführt worden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sollen nicht irgendwo in den Schubladen liegen bleiben. Vielmehr sollen sie ebenso wie die Ergebnisse der Anhörung in Niedersachsen mit als Grundlage für die Entscheidung über die weitere Vorgehensweise herangezogen werden. Mit unserem Antrag, weitere Untersuchungen durchzuführen -

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Lesen Sie unseren Antrag noch einmal genau durch! Wenn Sie ihn nicht gelesen haben, dann haben Sie jetzt die Absicht vernommen. Wir werden auf der Grundlage der Ergebnisse weitere Untersuchungen initiieren und die Bürgerinitiative mit einbeziehen. Damit wollen wir ein Zeichen setzen, Misstrauen und Verunsicherung abbauen und einen weiteren Beitrag zur Erforschung der Leukämiefälle in der Elbmarsch leisten. Ich appelliere an alle Verantwortlichen und Betroffenen, sich an einer sachlichen und ideologiefreien Aufklärung zu beteiligen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Frau Abgeordneter Ursula Sassen. - Für die SPD-Fraktion hat nun der Fraktionsvorsitzende Dr. Ralf Stegner das Wort.

(Ursula Sassen)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer einen Blick auf die Homepage der Bürgerinitiative Leukämie in der Elbmarsch wirft, dem wird es schwerfallen, sich diesem Thema und diesem Problem zu entziehen. Dort kann man etwas über die betroffenen Kinder und Jugendlichen erfahren. Dort bekommen abstrakte Zahlen und Fakten einen Namen und eine Geschichte. Christoph, Nils, Sönke und viele andere Namen; sie alle sind an Leukämie erkrankt. Es sind erschütternde Schicksale, und es sind doch keine Einzelschicksale, denn zu auffällig und zu deutlich ist die Häufung. Seit 1989 sind in der Elbmarsch und in Winsen 21 Kinder an Leukämie erkrankt. Vier von ihnen sind gestorben. Ein Kind, das stirbt, wird zum Mittelpunkt der Welt. die Sterne und Gefilde sterben mit ihm. So hat es ein amerikanischer Schriftsteller einmal formuliert. Das mögen manche von Ihnen für eine Parlamentsdebatte zu emotional finden, aber ohne Emotionalität geht es bei diesem Thema nicht, und es sind nicht nur die Eltern, die das so empfinden. Sie sind es aber im besonderen Maße.

Als ich noch im Sozialministerium als Pressesprecher gearbeitet habe, wurde ich einmal gefragt, ob ich mit meinen Kindern in die Elbmarsch in die Nähe eines Atomkraftwerkes ziehen würde. Ich habe das vor 15 Jahren - ich hatte drei kleine Kinder verneint, was mir zumindest ein Stirnrunzeln des damaligen Staatssekretärs einbrachte. Meine Antwort war aber ehrlich, wenn sie vielleicht für einen Behördenvertreter auch schwierig war. Ich halte Ehrlichkeit aber für unabdingbar, wenn wir uns mit diesem Thema beschäftigen. Es ist unabdingbar, ehrlich zu sagen, hier gibt es ein Problem, ehrlich zu sagen, wir machen uns Sorgen, ehrlich zu sagen, wir haben noch keine Antwort und dann konsequent zu sein und zu sagen, wir müssen weiter an den Antworten arbeiten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darauf haben die Menschen einen Anspruch. Für die bisherigen Antworten und wissenschaftlichen Theorien gilt, was Voltaire einmal so beschrieben hat, dass es klug und weise sei, an allem zu zweifeln.

Lassen Sie mich das etwas ausführen. Ich will nicht von Behauptungen reden, jedoch von Zweifeln. Eines ist unbestreitbar, nämlich dass es eine signifikante Häufung von Leukämie bei Kindern in der Nähe von Atomkraftwerken gibt. Dies hat die

jüngste Kinderkrebsstudie noch einmal überdeutlich nachgewiesen. Je näher der Wohnort an einem Atomkraftwerk liegt, desto höher ist das Risiko für Kinder unter fünf Jahren, an Krebs - hauptsächlich an Leukämie - zu erkranken. Im Fünf-KilometerUmkreis erkrankten 77 Kinder an Krebs, davon 37 an Leukämie. Statistisch wären - in ausdrücklichen Anführungszeichen - nur 48 Fälle, davon 17 Leukämiefälle zu erwarten gewesen. Das heißt, es gibt 29 beziehungsweise 20 Erkrankungen mehr. Im Übrigen ist man in Großbritannien, in den USA und in Frankreich zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.

Die generelle Häufung in der Nähe von Atomkraftwerken ist um Brokdorf und um Krümmel herum noch einmal besonders hoch. Diese Ergebnisse sind, obwohl in absoluten Zahlen vielleicht gering, statistisch mehr als auffällig und jedenfalls besorgniserregend. Es ist kaum begreifbar, wie die Mainzer Strahlenexpertin Professor Maria Blettner in der Bewertung der Ergebnisse die Kausalität zwischen Strahlung von kerntechnischen Anlagen und Leukämie bei Kindern einfach in Abrede stellen kann. Unverständlich ist mir auch die Aussage von Frau Reiche aus dem Deutschen Bundestag, sie habe den Eindruck, dass diese wissenschaftliche Studie Antipathien gegen Atomkraft schüren solle. Die Studie stellt die Fakten dar, sie macht gar keine Aussagen zur Kausalität. Das können wir nicht beweisen, aber ich füge hinzu: Vielleicht noch nicht.

Was aber besagt das wirklich, wenn der letzte wissenschaftliche Nachweis fehlt? Das Gegenteil zu behaupten, ist doch angesichts dieser Zahlen mehr als fragwürdig.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Bei früheren Untersuchungen mit ähnlichen Ergebnissen wurde von Wissenschaftlern wie Professor Jung nicht nur ein Zusammenhang mit Atomkraftwerken verneint, sondern es wurde geradezu so getan, als sei es gesundheitsfördernd, dort zu leben. Wie ein Minister vor diesem Hintergrund sagen kann, Atomkraftwerke seien ungefährlich, mag verstehen, wer will. Wir sind nicht mehr in den 70erJahren, wo eine strahlende Zukunft ohne Ironie gewünscht werden konnte. Es gab Tschernobyl und es gab auch Harrisburg, wo angeblich kaum etwas passiert ist, wo es jedoch straßenzugweise Krebserkrankungen gab. Es gibt immer wieder neue Leukämieerkrankungen von Kindern in der Nähe von Atomkraftwerken. Jeder einzelne Fall ist einer zu viel. Offensichtlich gibt es eine Ursache. Solange wir nicht wissen, warum es diese Häufung gibt, können und dürfen wir nichts ausschließen; schon

gar nicht, wenn wir wissen, dass Strahlung die Hauptursache solcher bösartigen Krankheiten ist, auch wenn wir die konkrete Strahlungsquelle noch nicht zweifelsfrei wissenschaftlich nachweisen können.

Es ist daher gut und richtig, dass die zuständigen Ministerien den Dingen immer wieder nachgegangen sind. Es gab und es gibt regelmäßige anlassbezogene Untersuchungen von Luft, Wasser, Boden, Bodenbewuchs und Milch. Das Sozialministerium hat vieles unternommen, um diese erschreckende Häufung von Leukämiefällen bei Kindern aufzuklären. Dies gilt insbesondere für die laufende Studie zu speziellen Aspekten der Ursachenforschung. Bisher war leider alles ohne Erfolg. Dennoch können wir die betroffenen Menschen in dieser Region nicht damit abspeisen, dass wir leider nichts tun können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich glaube, dass wir einen neuen Anlauf machen müssen. Wir haben inzwischen eine fundiertere Datenbasis, wir haben auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu den generellen Ursachen von Leukämie. Wir haben auch einen neuen Stand der Untersuchungstechnik, wir sind immerhin eine Dekade weiter. Wir sind es den Kindern und den Eltern schuldig, hier weiterzumachen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört, uns mit den Ergebnissen des vom Niedersächsischen Landtag einstimmig beschlossenen Expertengesprächs zu befassen und durch erneute Bodenbeprobungen den unterschiedlichen Untersuchungsergebnissen aus Frankfurt und Minsk Rechnung zu tragen, Herr Kollege Matthiessen. Dazu gehört auch, weiter medizinisch zu forschen und zu klären: Was sind die Ursachen für Leukämie und wie kann die Behandlung verbessert werden? Hier sollte das Elbmarschgebiet Modellregion werden, denn die KiKK-Studie hat hier ein Cluster offengelegt, das weit aus den bereits erhöhten Zahlen rund um Atomkraftwerke hervortritt und das vor allem nicht abgeschlossen ist. Immer wieder treten Neuerkrankungen auf. Das ist wie ein böser Albtraum für unsere Bevölkerung und besonders für die Kinder und Eltern in dieser Region.

Ich glaube, dass wir in Schleswig-Holstein eine andere Situation und eine andere Vorgeschichte haben. Herr Kollege Matthiessen, insofern ist es mir etwas zu schlicht, den niedersächsischen Antrag einfach abzuschreiben. Wir brauchen eine schles

wig-holstein-spezifische Fortführung der Untersuchungen, die natürlich mit Niedersachsen abgestimmt werden muss. Wir brauchen auch die Fragen, Erkenntnisse und Wünsche der Betroffenen vor Ort. Wir sollten die Forderungen der Bürgerinitiative aufgreifen. Ich verstehe nicht, wieso wir immer versuchen, die Einbeziehung der Bürgerinitiative mit weichmachenden Formulierungen versehen. Die Bürgerinitiative betreut die Familien der an Leukämie erkrankten Jugendlichen. Die Mitglieder der Initiative haben erhebliche Fachkenntnisse. Sie haben ein Recht darauf, dass wir auf ihre Ängste und Befürchtungen eingehen. Sie haben auch ein Recht darauf, dass wir versuchen, sie dorthin mitzunehmen, wo wir ihnen Ängste nehmen können: bei der Frage, wo Proben genommen werden, bei der Frage, was untersucht wird, auch bei der Frage, wer untersucht. Es ist nötig, möglichst Labore zu beauftragen, die voneinander unabhängig sind, die keiner staatlichen Aufsicht unterstehen, die vorzugsweise auch bisher noch nicht beauftragt worden sind. Ich erlaube mir als Laie wirklich kein Urteil darüber, ob die Kritik an der Güte der bisherigen Untersuchungen berechtigt ist oder nicht. Ein chinesisches Sprichwort sagt: Tiefe Weisheit wächst aus starken Zweifeln.

Ich will diese Debatte. Lassen Sie mich das ausdrücklich sagen, weil ich ahne, dass Sie mir das vielleicht vorhalten. Es geht nicht darum, die Ängste der Menschen zu instrumentalisieren oder Behauptungen aufzustellen. Deshalb rede ich nur von Zweifeln. Aber das sehe ich doch anders als der Kollege Matthiessen oder als die Kollegin Sassen. Es ist nämlich schlimm genug, dass die Atomenergie eine Form der Energiegewinnung ist, bei der ein Versagen von Menschen oder Technik, was man ja nicht ausschließen kann, fatale Folgen hat und die Jahrtausende zu bewachenden strahlenden Atommüll hinterlässt. Tatsache ist aber auch, dass wir nicht mit Sicherheit ausschließen können, dass auch der normale Betrieb fatale Folgen haben kann.

In dieser Situation erleben wir eine Debatte - meine Damen und Herren, da trennen sich dann die Wege -, dass aus einer Mischung von Profitinteressen großer Konzerne, Technikgläubigkeit und mangelndem politischen Mut der Atomkonsens über die Restlaufzeiten aufgekündigt werden soll. Schlimmer noch, ausgerechnet von Steinburg in Schleswig-Holstein gehen die bundesweit ersten Initiativen aus, sogar neue Atomkraftwerke zu bauen. Das finde nicht nur ich erschreckend - und ich füge für die SPD-Landtagsfraktion hinzu -, dies wird niemals Wirklichkeit werden, solange Sozialdemokra

(Dr. Ralf Stegner)

ten hier regieren, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Es geht nicht um abstrakte Rechtsfragen. Es gibt auch einen Punkt, wo wissenschaftliche Schlussgewissheit oder ökonomische Erwägungen enden müssen, weil die ethische Verantwortung es gebietet, im Zweifelsfall - darum geht es - für die Menschen zu entscheiden. Das sollte uns dazu veranlassen, sichere und zukunftsweisende Alternativen zur Atomenergie zu fördern und bis dahin alles zu tun, was wir tun können, um die Ursachen zu finden und den Menschen das zu geben, was sie verdient haben, nämlich dass wir ihre Sorgen ernst nehmen und nicht sagen, es sind wenige Fälle oder wir können nichts tun. Wir können so Vieles tun und wir müssen es tun, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Stegner. Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Kollege Matthiessen, Respekt für Ihren Redebeitrag. Sie hätten sich das sehr viel einfacher machen können. Sie hätten mit sehr viel mehr Zuspruch sehr viel mehr am Thema vorbeireden können. Wirklich hohen Respekt dafür, dass Sie die Konsequenzen aus der Anhörung, an der wir beide teilgenommen haben - ich für einen Tag, Sie für beide Tage -, gezogen haben. Das ist übrigens auch der Grund dafür, warum sich meine Fraktion entschlossen hat, bei diesem Antrag - die Initiative ging ja von Ihrer Fraktion aus - mitzumachen, weil wir das für den richtigen Weg halten. Dass Sie das so dargestellt haben, finde ich gut; Respekt!

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es ist richtig, dass sich Schleswig-Holstein derzeit an einem Forschungsprojekt am Universitätsklinikum Eppendorf beteiligt, in dem die Ursachen der Leukämieentstehung bei Kindern untersucht werden sollen. Unabhängig vom Ergebnis dieser Studie leben die Bewohner Geesthachts und der Samtgemeinde Elb

marsch aber weiterhin im Unklaren darüber, warum Leukämie lokal gehäuft als sogenanntes Cluster auftritt. Eine Erklärung gibt es bisher nicht. Unsere Aufgabe ist es, so lange Fragen nach den Ursachen zu stellen, bis die letzte noch offene Frage geklärt wurde.

Es ist ja nicht so, dass in den letzten Jahren nicht versucht wurde, die Ursache für diese Leukämieerkrankungen und ihr gehäuftes Auftreten aufzuklären. Sowohl in Schleswig-Holstein als auch in Niedersachsen wurden seit 1990 zahlreiche Studien in Auftrag gegeben. Expertenkommissionen haben mit immer neuen Ansätzen versucht, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Selten wurde eine Region so untersucht, wie es in Geesthacht und in der Samtgemeinde Elbmarsch der Fall war. Allen möglichen Theorien wurde nachgegangen, ohne dass es befriedigende Antworten gab.

Wie wenig man noch über die Ursachen weiß, hat die im Dezember 2007 veröffentlichte Fall-Kontroll-Studie des Deutschen Krebsregisters in Mainz deutlich gemacht, die im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz durchgeführt worden ist. Diese sogenannte KiKK-Studie hat dabei nicht nach Clustern und räumlichen Differenzierungen gesucht, sondern statistische Mittelwerte betrachtet. Auch das sollte man sich vor Augen halten, wenn man diese Studie zitiert. Nach dieser Studie nimmt das statistische Risiko für Kinder unter fünf Jahren zu, an Leukämie zu erkranken, je näher ihr Wohnort an einem Kernkraftwerk liegt. Warum das so ist, genau darauf gibt die Studie keine Antwort, und genau nach dieser Antwort suchen nicht nur wir, sondern alle, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Auch nicht darauf, ob radioaktive Strahlung der Auslöser sein könnte. Denn - so das Ergebnis der KiKK-Studie - es kann ein „kausaler Zusammenhang zwischen den erhöhten Leukämie-Erkrankungen und den tatsächlichen radioaktiven Emissionen aus den Reaktoren nicht nachgewiesen werden“. Zitat aus der Studie, nicht von einer einzelnen Professorin!

Was ist es dann, wenn nach der KiKK-Studie die „von deutschen Kernkraftwerken im Normalbetrieb emittierte ionisierende Strahlung grundsätzlich nicht als Ursache“ für die Leukämieerkrankungen interpretiert werden kann?

(Zuruf)

- Das ist keine Schlussfolgerung, sondern erst einmal nur ein Zitat aus der Studie! - Vor allem, wenn der entfernungsabhängige Risikoanstieg bei kindli

(Dr. Ralf Stegner)

chen Leukämieerkrankungen auch mit anderen Risikofaktoren nicht erklärt werden kann?

Die Antworten, die im April 2007 bei einer Anhörung des Sozialausschusses des Niedersächsischen Landtages unter Beteiligung von Abgeordneten aus Schleswig-Holstein gegeben wurden, waren nicht abschließend - sie konnten es wahrscheinlich auch gar nicht sein -; es wurden sogar neue Fragen aufgeworfen, insbesondere dazu, wie die vorgestellten wissenschaftlichen Ergebnisse zustande gekommen sind.