- Herr Wadephul, das war nicht möglich. Sie wissen auch, warum, und welche Widerstände es gibt. Die größten Widerstände, die es gab, kamen immer wieder aus der Wirtschaft. Vonseiten der Wirtschaft wurde gesagt, man dürfe die Steuerschlupflöcher nicht schließen, weil sie diesem oder jenem nützten. Es wäre schädlich, sie zu schließen. Bei jedem konkreten Vorschlag gab es Probleme. Denken wir nur an die Bauwirtschaft oder die Eigenheimzulage. Erinnern Sie sich dabei an die Position Ihrer Partei.
Ich nenne weiterhin das Ehegattensplitting. Erinnern Sie sich an die Position Ihrer Partei. Denken Sie an den Umsatzsteuerbetrug. Erinnern Sie sich an die Position Ihrer Partei. In allen Fällen, in denen es darum ging, eine einfache Steuergesetzgebung herzustellen, waren Sie und mächtige Interessengruppen in dieser Republik dagegen. Jetzt haben Sie eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Jetzt können Sie springen. Hic Rhodos, hic salta. Ich fordere Sie auf: Setzen Sie das um!
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Ehegattensplitting und Steuerschlupfloch?)
Für die Fraktion der CDU erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Dr. Johann Wadephul, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war eben sehr schlüpfrig. Lieber Kollege Hentschel, wenn das Ehegattensplitting ein Steuerschlupfloch sein soll, dann hilft schon kein Grundkurs im Steuerrecht mehr. Sie befinden sich mit der Debatte, die Sie hier führen, jenseits der Realität. Das muss man schlicht und ergreifend einmal sagen.
Die Debatte wird hier in zu simpler Weise geführt, indem gesagt wird, wenn wir in Schleswig-Holstein 100 Steuerfahnder mehr einstellen würden, würde dies Milliarden an Mehreinnahmen generieren. Das ist zu simpel. All die Informationen, die wir über die Vorgänge in Liechtenstein bekommen haben der Kollege Sauter hat dankenswerterweise politisch, moralisch und ethisch eingeordnet, was man dazu sagen kann; ich schließe mich dem inhaltlich voll an -, hätten 100, 200 oder 300 Steuerfahnder, die wir hier zusätzlich eingestellt hätten, nicht erhalten. Wir waren vielmehr darauf angewiesen, Informationen, die angeboten worden sind, zu nutzen. Deshalb muss man einmal mit der simplen Debatte - Frau Kollegin Spoorendonk, auch das Thema der Aktuellen Stunde ist in dieser Weise geprägt - aufhören, in der davon ausgegangen wird, dass wir dann, wenn wir über mehr Steuerfahnder verfügten, die Steuersünder zu fassen bekämen. Das ist Unsinn.
Ich möchte an dieser Stelle den Beamtinnen und Beamten von der Steuerfahndung in SchleswigHolstein einmal ein ganz herzliches Dankeschön dieses Hohen Hauses sagen. Frau Kollegin Spoorendonk, von dem Kollegen Hentschel ist vorhin gesagt worden, Unternehmen würden in SchleswigHolstein in steuerlichen Fragen vorsichtiger angefasst werden, weil sonst der Standort SchleswigHolstein in Gefahr sei. Das weise ich zurück.
Die Beamtinnen und Beamten der Steuerfahndung erfüllen ihre Pflicht und gehen jeder Tat nach. Herr Hentschel, Sie haben hier heute eine ganze Menge Unsinn gesagt. Die eben zitierte Äußerung ist wirklich skandalös.
Wenn wir alle miteinander über ein einfacheres Steuersystem sprechen, kann ich nur sagen: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Was zu rot-grüner Zeit an dieser Stelle zum Thema Unternehmensteuerreform getan worden ist, hat bedauerlicherweise zu einer Verkomplizierung geführt. Es hat bedauerlicherweise - das ist im Nachhinein auch erkannt worden - ein „Steuerschlupfloch“ in Milliardengröße in die Haushalte von Bund und Ländern gerissen. Dadurch sind Steuereinnahmen in einem solchen Ausmaß verlorengegangen, dass wir alle es in den Haushalten - auch auf Länderebene - zu spüren bekommen haben. Insofern haben gerade die Grünen in diesem Zusammenhang allen Anlass, sich zurückzuhalten und genau zu verfolgen, was andere tun.
Die Unternehmenssteuerreform, die die Große Koalition in Berlin gerade verabschiedet hat und die in Kraft getreten ist, ist eine sinnvolle Reform, eine Vereinfachung und eine Reform, die dazu beiträgt, dass Unternehmen in Deutschland bleiben. Lieber Herr Kollege Hentschel, das sollten Sie sich einmal ganz genau angucken, was da gemacht worden ist.
Steuervereinfachung zu fordern, ist mittlerweile in Deutschland auch ein Gemeinplatz. Es ist nicht nur der berühmte Professor aus Heidelberg, der das propagiert hat, und der an der Stelle - Herr Kollege Dr. Stegner, das muss ich schon sagen - von den Sozialdemokraten nicht gerade unterstützt, sondern massiv kritisiert worden ist.
Nun fragen wir einmal den größten Steuerpolitiker der sozialdemokratischen Partei, was er denn von den Vereinfachungsvorschlägen, die Sie auch noch einmal unterstützt haben, hält. „Bild am Sonntag“: „Aber trauen Sie nicht denen, die mit einem Urknall dieses Steuersystem vereinfachen wollen. Das ist Blödsinn.“ - Soweit der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, den wir hier in Schleswig-Holstein auch gut kennen. Er sagt manchmal etwas Unbequemes, was einem nicht passt, aber an der Stelle müssen wir ihn dann auch ernst nehmen.
Deshalb müssen wir uns die Steuergesetzgebung angucken, die wir vor uns haben. Derzeit - sage ich einmal - diskutieren wir alle über eine Erbschaftsteuerreform, bei der ich die ganz große Befürchtung habe, dass wir mit ihr eine Regelung schaffen, die die Lohnkostenquote der Unternehmen über einen Zeitraum von 15 Jahren überwachen will. Was wir an dieser Stelle an neuer Bürokratie aufbauen - das sage ich auch selbstkritisch zu meiner Fraktion; aber die Sozialdemokraten, Herr Kollege Stegner, fordern das; das ist ein Tribut, den wir möglicherweise in Berlin zahlen müssen; ich hoffe, dass die CDU/CSU-Fraktion hier hart bleibt -, führt dazu - wenn dieser Unsinn zusätzlich verabschiedet wird -, dass das Arbeitsplätze in Deutschland kostet. Dann können wir mit 100 Steuerfahndern mehr hier überhaupt nichts ausrichten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon eine relativ absurde Debatte. Herr Hentschel ist darauf eingegangen. Vor der Wahl in Hamburg, als der Steuerskandal durch die Medien ging, haben sich alle, CDU und SPD, hingestellt und diese Tatsache mit heftigen Worten - zu Recht - angeprangert und alle große Konsequenzen gefordert. Vielleicht können wir uns daran einmal erinnern: „Lübecker Nachrichten“ vom 17. Februar 2008. Da sagt Finanzminister Wiegard von der CDU:
„Man verhindert Betrug am besten bereits im Ansatz, wenn man durch ein einfaches Steuergesetz dafür sorgt, dass ein Missbrauch gar nicht erst stattfinden kann.“
(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und vereinzelt bei der FDP)
Heute stellen Sie sich hier hin, leugnen das und sagen, das Steuersystem habe überhaupt nichts mit dem Steuerbetrug zu tun. So haben Sie das vorhin dargestellt. Da traue ich eher dem Finanzminister.
Aber auch die SPD hat sich vor der Wahl hingestellt und große Papiere in Berlin verabschiedet. Aber sie hat sich auch hier in Schleswig-Holstein eingemischt. Die SPD-Spitze verlangte in Berlin unter dem Hinweis auf die Ermittlungen gegen den zurückgetretenen Zumwinkel schärfere Strafen für Steuerhinterzieher. Meine Damen und Herren von der SPD: War das nur vor der Wahl? Vor der Wahl haben Sie das verkündet und heute stellen Sie sich hin und sagen: Das haben wir alles gar nicht so gemeint; lass sie alle laufen; wenn sie sich selbst anzeigen, ist das doch gut.
Auch Herr Stegner hat vor der Wahl groß verkündet, er fordere ein neues und vereinfachtes Steuersystem, weil die Steuervorschriften zu kompliziert seien und sicher auch Gründe dafür seien - so sagte er -, dass es zu Steuerhinterziehungen komme.
Wenn es so ist, dass sowohl CDU als auch SPD erkannt haben, dass auch unser Steuergesetz dazu beiträgt, dass Steuerbetrug und Steuervermeidung in unverantwortlicher Höhe stattfinden, dann haben Sie die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, dieses zu ändern.
Ich komme da gern noch einmal zu Rot-Grün. Sie wissen, wie schwierig es ist, eine Steuerreform zu machen. Deshalb drücken Sie sich zur Zeit in Berlin auch davor. Sie haben das ad acta gelegt. Da findet nichts mehr statt. Sie wissen also, wie schwierig das ist. Sich heute hier hinzustellen und zu sagen: Wir schaffen das zwar mit unserer Zweidrittelmehrheit nicht, aber Rot-Grün hätte das schaffen müssen, diese Ausrede ist mir einfach zu billig.
Ich möchte auch noch einmal auf das eingehen, was die Deutsche Steuergewerkschaft sagt, der ich gerade an dieser Stelle große Kompetenz zuordne. Sie sagt: Das Geld liegt auf der Straße, wir müssen es nur aufnehmen - so Ondracek -, wir brauchen deutlich mehr Kontrollen in Betrieben. Die Steuergewerkschaft sagt uns, dass Milliarden zu heben sind, indem wir die Steuerfahndung, die Steuerbehörden, stützen und stärken. Wenn die Steuergewerkschaft
Ich möchte schon noch einmal auf die Beträge zu sprechen kommen, denn wir haben bald wieder die Haushaltsberatungen vor uns und werden uns quälen, nicht mit Millionen, sondern mit Einhundertund Zweihunderttausendeurobeträgen.
Wenn es so ist, dass bundesweit 30 Milliarden € so sagt die Steuergewerkschaft - durch Steuerbetrug verloren gehen und dieses über 350 Millionen € für Schleswig-Holstein sind - nein, sogar über 900 Millionen €, dann lohnt es sich doch, an dieser Stelle nachzubohren, hart dran zu bleiben und Veränderungen einzufordern.
Das Signal, das wir uns von dieser Aktuellen Stunde erwarten, ist, dass alle Parteien, alle Fraktionen, gewillt sind zu handeln. Wir müssen uns einig sein und sagen, es kann nicht sein, dass sich ein Teil der Gesellschaft aus der sozialen gesellschaftlichen Verantwortung verabschiedet. Das kann nicht sein, das darf nicht sein und das darf auch nicht rechtens sein. Wer steuern hinterzieht, muss genauso bestraft werden wie jemand, der eine andere Straftat begeht.
Dabei geht es nicht um einen Generalverdacht, Herr Sauter. Es wäre Quatsch, wenn wir uns hier hinstellen und sagen würden: Alle Manager sind Steuerbetrüger. Das hat auch keiner getan.
Aber ich bitte Sie: So differenziert Sie an dieser Stelle argumentieren und sagen, kein Generalverdacht, bitte ich Sie, auch an anderer Stelle - ich möchte jetzt nur die Hessen-Wahl erwähnen und nicht das Thema - etwas vorsichtiger mit einem Generalverdacht zu sein.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aktuelle Stunden haben es natürlich an sich, dass da auch noch einmal über alles geredet wird, was sonst noch ansteht. Ein paar Bemerkungen möchte ich dennoch loswerden.
Lieber Kollege Sauter, ich gebe Ihnen recht, wenn Sie kritisieren, dass die Staatsanwaltschaft in Bochum mit dieser Zurschaustellung des Herrn Zum
winkel eigentlich kontraproduktiv gehandelt hat. Ich finde, diese Kritik ist gerechtfertigt, denn die Sache an sich ist so schlimm, dass man das auch mit einer Pressekonferenz hätte veröffentlichen können. So eine Art von Abschreckung ist unwürdig, das steht uns nicht gut zu Gesicht. Aber das ist auch nicht das Zentrale. Das Zentrale ist - wie auch noch einmal von der Kollegin Heinold angesprochen wurde -, was wir hier selbst in Schleswig-Holstein tun können.
Wir müssen vor unserer eigenen Haustür kehren. Von daher unsererseits die Frage: Haben wir genug Steuerfahnder in Schleswig-Holstein? Müssten wir nicht mehr haben, um dieser Problematik gerecht zu werden? Wäre es nicht sinnvoll, eine Bundesfahndungsstelle für schwierige, komplizierte und große Fälle einzurichten?
Wichtig ist, auch noch einmal darauf hinzuweisen, dass wir uns in dieser Sache nicht immer wieder nur von Kriminellen helfen lassen dürfen. Es kann doch nicht angehen, dass wir darauf angewiesen sind, dass uns irgendein Mensch eine DVD oder was weiß ich zuspielt und wir sie kaufen. Wir müssen als Gesellschaft doch aus eigener Kraft dazu imstande sein, Steuersünder ausfindig zu machen.