Das Gleiche gilt für die Frage, wie sich die Erhöhung der Einwohnerzahl auf die kommunale Gleichstellungsarbeit auswirkt, sprich auf die Verpflichtung der Kommunen, hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte einzustellen. Die Antwort der Landesregierung wirkt hier mehr als beschwichtigend. Sie spricht davon, dass es immer noch ein gut funktionierendes Netz von Gleichstellungsbeauftragten gebe. Dabei wird aber verschwiegen, dass die Anhebung der Einwohnerzahl von 10.000 auf 15.000 Einwohnerinnen und Einwohner bei der Bestellung einer hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten erst einmal zu einem Abbau von 33 Gleichstellungsstellen geführt hat.
Für diejenigen, die übrig geblieben sind, gilt, dass die meisten nur noch einen Teilzeitjob haben. Hinzu kommt, dass sich die Bedingungen für ihre Arbeit über die Jahre immer weiter verschlechtert haben. Sollte es trotzdem ein gut funktionierendes Netz geben, dann spricht das ausschließlich für das Engagement der Gleichstellungsbeauftragten und eben nicht für die Rahmenbedingungen für ihre Arbeit.
Es gibt in der Großen Anfrage viele Leerstelle, die im Ausschuss zu hinterfragen sind. Dazu gehört eindeutig auch die Situation der Frauennotrufe. Da möchte ich insbesondere auf die Situation des Frauennotrufs in Flensburg verweisen. Die Kolleginnen Franzen, Herold und ich haben dazu letztes Jahr eine ganze Reihe von Gesprächen geführt. Ich denke, wir sollten versuchen, diese Gespräche dann auch in die Ausschussarbeit einzubeziehen. Grundsätzlich gilt also, dass wir nicht nachlassen dürfen, Frauen und Mädchen einen angemessenen Platz in der Gesellschaft zu verschaffen.
Ich habe ganz bewusst den Bereich Familienpolitik ausgeklammert, denn aus meiner Sicht wird da zu viel geschwafelt. Es geht darum, Strukturen zu verändern, es geht nicht darum zu sagen, man kann und sollte etwas machen. Es müssen Strukturen verändert werden, Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden. So einfach ist das.
Bis wir so weit sind, bleibt es leider dabei: Frau sein ist schwer - man muss denken wie ein Mann, sich benehmen wie eine Dame, aussehen wie ein junges Mädchen und schuften wie ein Pferd.
Ich danke der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Es ist die Ausschussüberweisung beantragt worden. Ich schlage vor, die Vorlage federführend an den Innen- und Rechtsausschuss, mitberatend an den Sozialausschuss, den Wirtschaftsausschuss und den Bildungsausschuss zu überweisen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Wer die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD, Drucksache 16/1829 (neu) federführend an den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend an den Sozialausschuss, den Wirtschaftsausschuss und den Bildungsausschuss überweisen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das ist so beschlossen worden.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Vorsitzenden, Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kammern und die Regierung melden Erfolge bei der Zahl der neuen Ausbildungsverträge. Dies möchte ich ausdrücklich loben und mich bei den dahinterstehenden Akquisiteuren und Betrieben bedanken.
Aber die Erfolgszahlen sind nur die halbe Wahrheit über die Situation der Berufsausbildung. Die Zahlen sind nicht so gut: 15 % der Jugendlichen in Deutschland haben bis zu ihrem 30. Lebensjahr keine Berufsausbildung bekommen. 15 %! Bei den
ausländischen Jugendlichen bekommen sogar 75 % keine Ausbildung. Diese Zahl lag schon einmal bei 50 % und ist jetzt wieder auf 75 % angestiegen.
Das „Handelsblatt“ berichtet, dass das Durchschnittsalter, mit dem Jugendliche ihre Ausbildung beginnen, mittlerweile bei 20 Jahren liegt. Dann haben die Jugendlichen in anderen Ländern ihre Ausbildung meist schon abgeschlossen. Der durchschnittliche Einstieg in die Berufsausbildung liegt mittlerweile bei 20 Jahren.
500.000 Jugendliche - ich wiederhole: 500.000 Jugendliche - befinden sich in Deutschland in dem sogenannten Übergangssystem. Dieses Übergangssystem besteht aus unterschiedlichen, teilweise durchaus sinnvollen schulischen und praktischen Qualifizierungsmaßnahmen, die wir alle kennen, mit denen Jugendliche besser auf eine Bewerbung um einen Ausbildungsplatz vorbereitet werden sollen. Gemeinsames Merkmal aller dieser Maßnahmen ist, dass es sich de facto um Warteschleifen handelt, in denen man keinen Berufsabschluss erwerben kann. Diese Situation gilt auch für Schleswig-Holstein.
In seinem Bericht vom 16. Oktober nennt der Minister die Zahl von 11.000 „Altbewerbern“. Altbewerber sind Bewerber, die schon länger als ein Jahr warten. Der Anteil der Altbewerber unter den Bewerbern um einen Ausbildungsplatz lag 2006 bei 53,2 %. Es gab also über die Hälfe Altbewerber. Im letzten Jahr stieg diese Zahl sogar auf 57 %. Dieses Übergangssystem kostet nicht nur die Jugendlichen Jahre ihres Lebens; nach Berechnungen des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft kostet es auch den Steuerzahler 3,4 Milliarden € jedes Jahr. Das ist eine sinnlose Verschwendung von Lebenszeit und Steuergeldern.
Meine Damen und Herren, wer von Ihnen einmal in einer Hauptschulklasse gewesen ist, der kennt die Situation: Fast alle Jugendlichen haben über ein Dutzend Bewerbungen geschrieben. Die Lehrerinnen und Lehrer machen einen engagierten Job, üben mit den Jugendlichen intensiv Bewerbungen schreiben und trainieren Vorstellungsgespräche. Und doch hat dann am Schluss fast keines der Mädchen und keiner der Jungen eine Ausbildungsstelle bekommen. Die Jugendlichen bekommen das Gefühl vermittelt, sie werden von dieser Gesellschaft nicht gebraucht. Das ist demotivierend und frustrierend.
der Zeitung lesen: Minister und Wirtschaft sind ganz stolz und verkünden wieder einmal, alle Bewerber seien vermittelt, es seien Lehrstellen für alle da. Für die Jugendlichen, die keine Lehrstelle bekommen haben, ist das ein Hohn. So geht es nicht weiter, meine Damen und Herren!
Ich habe manchmal den Eindruck, dass es eine schweigende Allianz von Politik und Wirtschaft gibt, die vor der Realität die Augen verschließt. Wir dürfen nicht weiter die Augen verschließen, wir müssen handeln.
Meine Fraktion hat deshalb in diesem Jahr der Berufsausbildung - ich weiß nicht, ob es jemand mitbekommen hat: wir haben zurzeit das Jahr der beruflichen Bildung- Eckpunkte für eine Reform der Berufsausbildung erarbeitet. Dabei geht es uns nicht darum, das duale System abzuschaffen, wie manche in ihren Pressemitteilungen befürchtet haben. Die Stärken des dualen Systems sind uns bekannt, sie liegen in der praxisnahen Ausbildung und in der guten Integration der Jugendlichen in den Arbeitmarkt. Deswegen wollen wir daran festhalten und begrüßen das Engagement aller Beteiligten. Das duale System muss aber ergänzt werden.
Die grüne Landtagsfraktion begrüßt auch das Handlungskonzept Schule und Arbeitswelt der Landesregierung, um den Übergang der Jugendlichen von der Schule in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu verbessern. Angesichts der Problemlage reicht das aber nicht aus.
Was für die allgemeine Schulpflicht gilt, muss auch für die Berufsausbildung gelten. Das ist das Credo, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Wir brauchen ein Gesamtsystem, das sicherstellt, dass alle Jugendlichen eine Berufsausbildung bekommen.
Um dies zu erreichen, schlagen wir folgende Eckpunkte vor: Erstens. Alle Jugendlichen besuchen entweder eine gymnasiale Oberstufe oder machen eine Berufsausbildung. Zweitens. Durch eine Schülerdatei wird sichergestellt, dass alle Jugendlichen nach der 10. Klasse eine Berufsausbildung durchlaufen.
- Herr Kayenburg, wir haben eine Schulpflicht. Die Schulpflicht wird umgesetzt, aber leider nicht mehr
nach Abschluss der 10. Klasse. Ich kenne allein in meinem Bekanntenkreis mehrere Beispiele, wo Jugendliche, die anschließend nicht in die Berufsausbildung gegangen sind, nicht berufsschulpflichtig erfasst worden sind. Gerade bei den ausländischen Jugendlichen ist es so, dass viele anschließend bei den Eltern irgendwo helfen oder Mädchen verheiratet werden und die bis zum 18. Lebensjahr gesetzlich bestehende Schulpflicht de facto nicht umgesetzt wird. Deswegen muss das kontrolliert und sichergestellt werden und die Schulpflicht in Deutschland bis zum 18. Lebensjahr und - ich bin dafür - auch bis zum Abschluss der Berufsausbildung umgesetzt und erweitert werden.
Drittens. Der Übergang von der Schule in die Ausbildung soll einheitlich nach der 10. Klasse erfolgen. Ich halte es für Unsinn, den wir immer noch praktizieren, dass Hauptschüler nach dem 9. Schuljahr eine Berufsausbildung beginnen sollen. Das ist nicht realistisch. Sie konkurrieren mit Realschülern, die ein Jahr länger zur Schule gegangen sind, sie konkurrieren mit Abiturienten, die vier Jahre länger zur Schule gegangen sind. Sie haben überhaupt keine Chance. Und dann sagt man, sie seien nicht ausbildungsreif, sie sollen aber Bewerbungen schreiben, sich bemühen, sie laufen herum. Das ist nichts weiter als Frust zu produzieren.
Nordrhein-Westfalen und Berlin haben deshalb bereits das 10. Pflichtschuljahr für Hauptschüler eingeführt, die meisten anderen Bundesländer bieten es mittlerweile optional an. Das 9. und 10. Schuljahr sollte allerdings intensiver als heute auf die Berufsausbildung vorbereiten.
Viertens. Ausbildung und Schule werden modularisiert. Durch eine solche Modularisierung, wie sie zum Beispiel bei den Bauberufen schon existiert, wird erreicht, dass jeder Ausbildungsabschnitt zu zertifizierten Teilqualifikationen führt. Der Vorteil davon ist, dass die erreichten Module nach Abbruch der Ausbildung - immerhin 25 % aller Auszubildenden in Schleswig-Holstein brechen ihre Ausbildung ab - oder einem Wechsel der Ausbildung später angerechnet werden können und die absolvierte Zeit nicht verloren ist.
Fünftens. Die Jugendlichen, die nicht auf die gymnasiale Oberstufe gehen, können sich nach dem 10. Schuljahr für eine der folgende Formen entschei
den: erstens eine betriebliche Ausbildung im dualen System, wie wir sie alle kennen, zweitens eine staatlich anerkannte Ausbildung an privaten oder staatlichen Einrichtungen, wie wir sie heute schon kennen, zum Beispiel in den Gesundheitsberufen Krankenschwester, Krankenpfleger -, im Verwaltungsdienst oder bei der Erzieherinnenausbildung, oder drittens eine Ausbildung an einer Berufsoder Produktionsschule. Das ist das Streitthema.
Eine solche Ausbildung muss in Praxis und Theorie mit einer betrieblichen vergleichbar sein. Das Modell der Produktionsschule soll sich an den Modellen in anderen Bundesländern, in Österreich und dem erfolgreichen, prämierten System in Dänemark orientieren. Die Grundlage dafür wurde bereits 2005 durch Änderung von § 43 des Berufsbildungsgesetzes geschaffen. Rechtlich ist das bereits vorgesehen, es wird nur nicht umgesetzt.
Schon heute finden erhebliche Teile der praktischen Ausbildung in vielen Handwerksberufen nicht mehr in den Betrieben, sondern in den überbetrieblichen Ausbildungszentren statt. Diese werden zwar von den Kammern getragen, die Investitionen erfolgen aber überwiegend vom Land. Natürlich muss die Möglichkeit bestehen, zwischen dualer Ausbildung und Produktionsschule zu wechseln.
Es hat mich natürlich gefreut, dass letzte Woche eine Produktionsschule nach dänischem Vorbild in Malente eingerichtet worden ist. Man kann dort aber keinen Abschluss machen. Das ist doch der entscheidende Punkt. Solche Einrichtungen sind nur dann sinnvoll, wenn man einen Berufsabschluss, einen Kammerabschluss machen kann.